Mittwoch, 14. Juli 2010

Über Kolonien


Flaggenentwurf für das "Schutzgebiet Deutsch-Kamerun"
hier gefunden

„Nun wollen wir in Schiffen über das Meer fahren, da und dort ein junges Deutschland gründen. Wir wollen es besser machen als die Spanier, denen die neue Welt ein pfäffisches Schlächterhaus, anders als die Engländer, denen sie ein Krämerkasten wurde. Wir wollen es deutsch und herrlich machen.“
Richard Wagner 1848

"O! O! Cochinchina" Das ist aber ein sehr fetter Brocken für uns; wir sind aber noch nicht reich genug, um uns den Luxus von Kolonien leisten zu können."
" Ich will auch gar keine Kolonien, sie sind bloß zu Versorgungsposten gut… diese Kolonialgeschichte wäre für uns genauso wie der seidne Zobelpelz in polnischen Adelsfamilien, die keine Hemden haben".
Bismarck 1871

Es wurde nicht sehr herrlich in Deutsch-Kamerun. Von den 60 Missionaren, die zwischen 1886 und 1896 dort tätig waren, starben 30% an Malaria. Warum heute Kamerun? Nun 1884 wurde von Gustav Nachtigal, nachdem mehrere Stammeskönige Schutzverträge unterschrieben hatten, durch Hissen der deutschen Flagge in Duala symbolisch bekräftigt, daß Kamerun nunmehr unter dem Schutz des Deutschen Reiches stehe. Der Ausdruck „Schutzgebiet“ statt Kolonie war nicht unbedingt ein Euphemismus. Er stammt von Bismarck und war ein Zeichen dafür, daß er erst nach langem Widerstand in der Kolonialfrage nachgab. Denn er war der Überzeugung, daß sie erstens eine reine Vergeudung von Mitteln wären und zweitens nur zu internationalen Verwicklungen führen würden, die man nicht gebrauchen konnte.

Mit ersterem behielt er recht, beim zweiten, nun wegen der Kolonialfrage kam es nicht zum Kriegsausbruch, aber es hätte durchaus geschehen können, zumindest hat es die Spannungen mit Großbritannien und Frankreich verstärkt, die sich als die natürlichen Kolonialmächte ansahen und alles mißtrauisch beäugten, in dem das Reich gleichziehen wollte, das nun einmal etwas spät die Bühne der Weltpolitik betreten hatte.

Es ist viel spekuliert worden, warum Bismarck einknickte. Wahrscheinlich zum einen aus wirtschaftlichen Gründen, man dachte wohl wirklich, neue Rohstoffquellen und Absatzmärkte würden die deutsche Wirtschaft befördern. Zum anderen war es ein Zugeständnis an die liberalen Kräfte im Reich.

Denn man darf nicht vergessen, die Kolonien waren eher eine Idee des aufkommenden Liberalismus, von einem glühenden ´48er wie Wagner bis zum wohlhabenden handeltreibenden Bürgertum. Das mag heute schwer vorstellbar sein und man wird auch ein paar linksliberale Stimmen finde, die dem widersprechen.

Bismarck war zu pragmatisch und auch zu rational, um mit derartigen Ideen zu sympathisieren. Ihm ging es darum, das Reich in der Mitte Europas, das allein durch seine bloße Existenz eine Provokation darstellte, zu bewahren und keine Ressourcen zu vergeuden. Und es waren dann auch in der Regel Kaufleute, die, nachdem sie mit ihren Unternehmungen begonnen hatten, nach dem Schutz des Reiches riefen (vielleicht auch der eine oder andere Missionar).

Übrigens ist die hübsche Fahne oben nie verwendet worden, die, die verwendet wurde, wollte ich lieber nicht nehmen, um nicht irgendwelche Schlichtgeister anzuziehen. Mir ist kürzlich erzählt worden, daß bei einigen Zeitgenossen diese harmlosen Beiträge hier den Eindruck einer bestimmten furchtbaren Weltanschauung erwecken. Großer Gott. Ich war zuerst ehrlich verblüfft, dann aber wieder auch nicht, weil dieses zum Reflex geschrumpfte Denken den Zustand der Gegenwart anzeigt.

Und wenn einem die gerade vorherrschende Konformität auf die Nerven geht, muß man sich nur mit ein wenig Geschichte daran erinnern, daß dies in ein paar Jahrzehnten so fremd und merkwürdig klingen wird wie ein Aufsatz im Kolonialverein kurz vor 1900 oder ein Abschnitt aus den Erziehungsritualen einer gerade versunkenen Ideologie.

Zurück zu Kamerun, ich schrieb kürzlich von einem Blog, den ich sehr interessant fand und siehe da, es gibt dazu einen lesenswerten, wenn auch leicht zeitförmigen Beitrag. Ansonsten wird man wie immer auf profund-sachliche und erholsam nüchterne Weise über das Thema hier informiert. Ich selbst bin eigentlich von Kolonialromantik eher verschont geblieben. Wirklich interessant ist eigentlich nur die Geschichte von Deutsch-Sudwestafrika für mich, weil es dort zu einem wirklichen kulturellen Einfluß kam, gut zu anderem auch, aber das ist eine andere Geschichte.

Zu Kamerun kann man nur sagen (gefunden auf der zuletzt erwähnten Seite): 1896/97 standen der Ausfuhr von Palmkernen, Gummi, Palmöl etc. im von Wert 3 705 955 Reichsmark Einfuhren von Manufakturwaren, Spirituosen, Tabak etc. im Wert von 5 895 759 Reichsmark gegenüber. Wie Bismarck schon meinte, ein Verlustgeschäft, für das nicht einmal ein angenehmes Klima entschädigte.

1 Kommentar:

Mr. Urs hat gesagt…

Beim Lesen ist mir aufgefallen, dass ich als Kind noch in Kolonialwarenläden einkaufen konnte (obwohl die Schweiz seit Napoléon keine Kolonien mehr hat). In der Pubertät tauchten dann Dritte-Welt-Läden auf, die jetzt plötzlich Weltladen heissen sollen.