Sonntag, 25. Januar 2015

Predigt zum Fest der Bekehrung Pauli

Rembrandt van Rijn: Der Apostel Paulus, c. 1657

Der Lohn der Nachfolge

Da antwortete Petrus und sprach zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt; was wird uns dafür? 
Jesus aber sprach zu ihnen: Wahrlich ich sage euch: Ihr, die ihr mir seid nachgefolgt, werdet in der Wiedergeburt, da des Menschen Sohn wird sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit, auch sitzen auf zwölf Stühlen und richten die zwölf Geschlechter Israels. 
Und wer verlasst Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Weib oder Kinder oder Äcker um meines Namens willen, der wird's hundertfältig nehmen und das ewige Leben ererben. 
Aber viele, die da sind die Ersten, werden die Letzten, und die Letzten werden die Ersten sein.

Mt 19, 27-30

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,

die Äußerung des Apostelfürsten ist eine Replik auf die unmittelbar vorhergehende Begegnung des Herrn mit dem reichen Jüngling, der ihn fragte: Guter Meister, was soll ich Gutes tun, dass ich das ewige Leben möge haben?

Es entspinnt sich daran zunächst der Disput darüber, ob der Jüngling berechtigt war, Jesus gut zu nennen, und dann verweist der Herr auf das Halten der Gebote. Der Jüngling antwortete: Das habe ich alles getan. Hier dann verlangt der Herr: Verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen. Da war der Jüngling traurig abgezogen, denn, so heißt es von ihm: „Er hatte viele Güter“. Jesus sinnt nun darüber nach, wie schwer es für einen Reichen ist, in den Himmel zu kommen, eher ginge ein Kamel durch ein Nadelöhr, als das ein Reicher in den Himmel käme.

Dieses Geschehen und dieser Satz, der wohl noch immer zu den bekanntesten der Bibel zählen dürfte, stehen im Hintergrund als Petrus spricht: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt; was wird uns dafür?

Ist das eine angemessene Frage im Hinblick auf den eigenen Lebenslauf und darauf, dass Petrus und die anderen Jünger die unmittelbare Gegenwart des Herrn erleben durften, ihn reden hörten, mit ihm aßen und tranken? Aber warum sollte man nicht danach fragen dürfen, welchen Sinn Entbehrungen, Leiden, Trennung und Verzicht haben sollen? Wir dürfen das fragen. Wir dürfen aber, wenn wir den Mut zu dieser Frage haben, nicht im Kleinen stehen bleiben, so als würde wer hier auf Erden auf wenig Geld verzichtet dann im Himmel viel Reichtum haben und so als würde Leid hier zum bestimmten Kurs Freude dort bedeuten. Ich bin überzeugt, das wäre Unsinn.

Christus sagt ja auch etwas ganz anderes: Wahrlich ich sage euch: Ihr, die ihr mir seid nachgefolgt, werdet in der Wiedergeburt, da des Menschen Sohn wird sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit, auch sitzen auf zwölf Stühlen und richten die zwölf Geschlechter Israels.

Christus verheißt den Seinen, dass sie mit ihm herrschen werden. Gemeinschaft mit dem Herrn bedeutet auch Teilnahme an seiner Herrschaft. Wahre Herrschaft erwächst immer aus dem Religiösen, und darum kann wirkliche Herrschaft auch nur in der Gemeinschaft mit Christus werden, denn er ist der alleinige, der einzige, der allmächtige Gott.

Christus verheißt Gemeinschaft mit seiner Macht.

Wie auch immer sich das zutragen wird dort in der Wiedergeburt, von der Christus spricht, und ganz gleich wie sie aussehen werden, die Stühle der Apostel, von der Größe der Macht und von der allumfassenden Gewalt ist bereits in unserer Welt etwas zu spüren. Nichts fürchtet man mehr als den Moment, wo Menschen sich der herrschenden Welt – und sie ist ja die herrschende Welt, weil durch sie sich die Menschen beherrschen lassen – nicht mehr unterwerfen.

Caravaggio: Die Bekehrung auf dem Weg nach Damaskus, c. 1600

Menschen können manipuliert und gesteuert werden durch das Begehren, irgendetwas besitzen und haben zu wollen. Unsere schöne neue Welt der umfassenden medialen Vernetzung macht uns das in jedem Augenblick bewusst. So jagen alle in dieselbe Richtung. Es geht zu wie bei einem Hunderennen, wo immer kurz vor dem führenden Hund ein falscher Hase in der Bahn entlanggezogen wird – zum Greifen nahe aber in keinem Augenblick tatsächlich erreichbar.

Manchmal habe ich den Eindruck, so dreht sich die Welt, und alle nennen es Freiheit.

Tretet einen Moment einfach einmal zur Seite. Sucht einen Augenblick der Stille. Hört darauf, was der Herr der Welt sagt: Wahrlich ich sage euch: Ihr, die ihr mir seid nachgefolgt, werdet in der Wiedergeburt, da des Menschen Sohn wird sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit, auch sitzen auf zwölf Stühlen und richten die zwölf Geschlechter Israels.

Wem das zur Gewissheit wird, der braucht von der Welt nichts mehr. Das ist der Augenblick, in dem die großen Bettelorden geboren wurden, deren Mitglieder zur Armut verpflichtet sind, und die gerade darum die schönsten Zeugnisse des Glaubens in Form ihrer Klöster hervorgebracht haben.

Das ist aber auch der Moment, in dem Saulus vom Pferd stürzte und die Stimme hörte: Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Er hatte diesen Moment nicht freiwillig gesucht, manchmal werden Menschen eben auch heimgesucht. Entscheidend in dieser Situation ist es darum auch nicht, wie wir in sie hineingekommen sind, sondern welche Antwort wir geben.

Saulus reißt sich von seinem bisherigen Leben los. Er wird gewahr, dass er in die Irre gegangen ist. Das Verfolgen der Christen, das er mit großem Eifer betrieben hatte, war ein Verbrechen, das er mit seinem Glauben begründete. Nichts verführt Menschen zielsicherer als die Gewissheit, ungeprüft dem Guten zu dienen. Saulus wird aus dieser Vermessenheit gestürzt, so wie er auch vom Pferd stürzt, und er fängt neu an.

Seine Briefe werden zum wesentlichen Fundament aller christlichen Theologie, seine Missionsreisen sind die Geburtsstunde der weltweiten Verbreitung der Kirche und sein Martyrium an Tre Fontane ist das Siegel auf sein Leben und seinen Glauben.

Insbesondere Augustinus und Martin Luther haben seine Theologie in der Kirche zu neuer Blüte gebracht, und bis heute hören wir in fast allen Gottesdiensten aus seinen Briefen. Ihm war kein irdischer Reichtum geworden und seine Macht hatte andere Grundlagen, als sie sonst gekannt werden, und grade darum ist sein Werk unter den Christen wirksam geblieben.

Mit dem Fest der Bekehrung Pauli feiern wir den Moment, in dem aus jedem Fanatismus herausgefunden werden kann. Es ist eine faszinierende Geschichte. Der völlig verblendete Saulus konnte sehen und folgte seinem Weg nach Damaskus mit großer innerer Logik. Er musste erst mit wahrer Blindheit geschlagen werden, damit er aus seiner Verblendung herausfinden konnte. Er fand sich wieder in der Gemeinschaft, die wir Kirche nennen. Sie sollten einander nie wieder verlassen.

Wagt es einmal, alles zu verlassen. Es hört sich bedrückend an, wenn Jesus spricht: Und wer verlässt Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Weib oder Kinder oder Äcker um meines Namens willen, der wird's hundertfältig nehmen und das ewige Leben ererben.

Wie sollte man Eltern oder gar die Kinder verlassen? Hat der Herr das ernst gemeint? Ist das nicht einer der Sätze, die wir übergehen, vernachlässigen oder über die wir uns hinwegmogeln sollten? Auch hierin würden wir dann nur bestätigen, wie schnell man sich verführen lässt dadurch, dass man das scheinbar Gute will.

Wie heißt es so schön: Die meisten Menschen wollen Gott dienen, aber nur als seine Berater.

Prüft es ganz genau und unterwerft euch wirklich in allem dem Herrn. Wo wir um seines Namens willen Menschen verlassen, da dürfen wir darauf vertrauen, dass sie uns dennoch folgen. Aus der neuen Gemeinschaft in seinem Namen erwächst ja erst jede wahre Gemeinschaft auch unter uns Menschen und ohne den Herrn, der der Grund und die Ursache unseres Lebens ist, gibt es keine Gemeinschaft.

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

Amen
Thomas Roloff

Keine Kommentare: