Sonntag, 17. Januar 2010

Predigt des Herrn Roloff in St. Nikolai, Potsdam



Nachfolgend die Predigt, die Thomas Roloff heute, am 2. Sonntag nach Epiphanias in Potsdams Hauptkirche St. Nikolai über Römer 12, 4-16 gehalten hat. Ich hatte ihn schon gestern ein wenig mit der Bemerkung aufgezogen, sie beginne doch sehr gleichförmig, die Predigt, meine ich, aber zum Ende hin steigert sie sich deutlich. Ich kann also nur ermutigen, nicht vorzeitig aufzuhören. Einen angenehmen und gesegneten Sonntag.

Predigt

über Römer 12, 4-16 am 2. Sonntag nach Epiphanias


Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,

der gesamte Text aus dem Römerbrief, den wir in der Lesung gehört haben und der dieser Predigt zu Grunde liegt, ist in meinen Augen ein großer Aufruf des Apostels zur Mäßigung, zur Bescheidenheit, zur Einfalt. Haltet euch nicht selbst für klug. So schließt Paulus diesen Abschnitt und unter diesem Satz will ich ihn beleuchten.

Folgen Sie mir zu diesem Zweck zunächst nach Ägypten. Die Kirche erinnert am heutigen Tag an den Mönchsvater Antonius, der dort um 250 geboren wurde und am 17. Januar 356 starb. Er war bereits ein Sohn reicher christlicher Eltern und wurde nach deren Tod Herr über große Güter. Ein Satz aus dem Matthäusevangelium aber veränderte seine Welt: „Wenn du vollkommen sein willst, dann verkaufe alles was du hast, und gib es den Armen.“ Er verkaufte tatsächlich alles was er hatte und wurde um 275 Einsiedler in radikaler Armut. Die Haltung des Antonius machte schon auf seine Zeitgenossen größten Eindruck und führte zu wachsender Verehrung. Jünger sammelten sich um ihn und schufen sich Unterkünfte und Einsiedeleien. So stand Antonius am Anfang des gesamten Klosterwesens und wird auch „Vater des Mönchtums“ genannt.

Als ihn dann sogar griechische Philosophen aufsuchen, fragt Antonius sie: „Warum habt ihr so große Mühen auf euch genommen, ihr Philosophen, um eines törichten Menschen willen?“ Als diese antworteten, er sei nicht töricht, sondern sogar sehr klug, sagte Antonius einfach: „Wenn ihr zu einem Toren gekommen seid, ist euer mühevoller Versuch überflüssig; wenn ihr aber glaubt, daß ich klug bin, werdet wie ich! ... ich bin Christ.“

Hier in der Einsamkeit der ägyptischen Wüste sind wir an der geistigen Quelle einer der erstaunlichsten, erfolgreichsten, schöpferischsten Bewegungen der Christenheit, wir stehen am Ursprung der Klöster, der Mönche, der Orden. Am stärksten beeindruckt mich, daß selbst diese radikal gesuchte Einsamkeit gemeinschaftsstiftend ist. Antonius floh vor den Menschen zu Gott und begründete gerade darin die inzwischen zahllosen und unendlich facettenreichen klösterlichen, mönchischen Gemeinschaften. Die Einsamkeit des Klosters ist also weniger ein Gegenbild zur Welt, als vielmehr eine Möglichkeit, die Welt dem Menschen gemäß zu gestalten. Vor dem Hintergrund des Bildes einer klösterlichen Gemeinschaft hören wir nun die Worte des Paulus von der Gestalt des Menschen als ein Leib mit vielen Gliedern, die nicht alle dieselbe Funktion haben, aber Gleichnis und Vorbild der menschlichen Gemeinschaft sein kann. Darin wird verständlich, daß der Leib Christi seine Wirklichkeit in der Welt als Gemeinschaft der Menschen gewinnt, die sich als Glieder an diesem Leib begreifen. Die Fülle des Menschseins wird eben nicht in der bloßen Gleichheit aller Menschen gefunden, sondern gerade darin, daß jeder die ihm gegebene Gabe am Leibe Christi einbringt. In einer gewissen Weise handelt es sich bei den Worten des Paulus also geradezu um einen Bauplan für ein Kloster, für einen Orden, für eine geistliche Gemeinschaft.

Als solche hören wir die nun folgenden, wunderbar einfachen, uns zur Bescheidenheit mahnenden Empfehlungen des Apostels, die uns in rechter Weise üben sollen im Umgang mit unseren Gaben: Hat jemand Weissagung, so sei sie dem Glauben gemäß. Und unser Glaube ist es, daß Gott die Welt in Händen hält und uns liebt und das Gute will. Hat jemand ein Amt, so warte er des Amtes. Lehrt jemand, so warte er der Lehre. Ermahnt jemand, so warte er des Ermahnens. Es gibt nicht wichtige und unwichtige Aufgaben. Es sei auch nicht die eine Aufgabe, das eine Amt immer nur das Sprungbrett zum nächsten, zum vermeintlich höheren. Geht vielmehr in demütiger Weise in euren Gaben auf.
Gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn.

Liebe Gemeinde,

dieser so schlichte Satz ist wiederum die unerbittliche Kampfansage an alle Formen von Werbung und Sponsoring, in denen das eine getan aber etwas ganz anderes gewollt wird. Gebt mit lauterem Sinn heißt, daß das wofür gegeben wird tatsächlich an erster Stelle steht. Wir müssen dem Menschen oder der Sache dienen, denen wir geben und sie nicht instrumentalisieren für das, was wir wollen. Ein jeder prüfe sein Gewissen ob das immer so ist.

Regiert jemand, so sei er sorgfältig, so mahnt Paulus weiter. Die Regierenden sollen Sorgfalt walten lassen in allem was sie sagen und noch mehr in dem was sie tun.
Man möchte rufen: Versprecht doch nicht so viele große Dinge, wo doch jeder wissen kann, daß auch ihr nur Menschen seid. Wer wird irgendwann noch Regierenden vertrauen, die außer Stande sind ihre Haushalte in Ordnung zu bringen aber vorgeben sie könnten sogar das Weltklima steuern? Seid sorgfältig!
Übt jemand Barmherzigkeit, so tue er´s mit Lust. Das Gute, das wir tun, soll uns Freude bereiten, sonst ist es umsonst.

Dann aber wird der Apostel noch grundsätzlicher und noch einfacher, indem er uns geradezu beschwört:

„Die Liebe sei ohne Falsch. Hasset das Arge, hanget dem Guten an. Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem anderen mit Ehrerbietung zuvor.“

Seid fröhlich, seid geduldig und haltet an am Gebet. Wie stünde es um unsere Gemeinschaft, wenn wir uns tatsächlich, jeder in seinem Bereich, der Nöte anderer annähmen?

Herberget gerne. Noch einmal dringt zu uns ein ganz weihnachtlicher Klang in diesem Ruf: Herberget gern! Laßt nicht das Christuskind draußen vor der Tür. Bereitet euer Herz zur Krippe, damit Gott Mensch werden kann. Segnet, die euch verfolgen; segnet, und fluchet nicht.

Dann aber auch: Freuet euch mit den Fröhlichen und weinet mit den Weinenden.

Manchmal erscheint es mir bei uns eher so zu sein, daß es als gut christlich gilt, den Fröhlichen ihren Frohsinn zu verderben, indem man auf alles Traurige hinweist, und den Weinenden schon mit Trostworten zu kommen, wo sie doch erst noch den Schmerz in seiner Größe erfassen müsse.

Paulus fordert uns darum dazu auf: Freuet euch mit den Fröhlichen und weinet mit den Weinenden.

Am Schluß aber stellt er heraus: Habt einerlei Sinn untereinander. Die Gaben von uns Menschen mögen noch so unterschiedliche sein, wir sollen einen gemeinsamen Sinn suchen. Auch hier wird den Menschen in unseren Tagen gern etwas anderes eingeredet und so getan, als wären die Gesinnung und der Glaube gleichgültig, wenn man sich nur irgendwelchen allgemeinen Grundsätzen gemäß verhält. Paulus aber verlangt: Pflegt den Gemeinsinn!

Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den geringen. Haltet euch nicht selbst für klug.

Ist das nicht auch zum Kern dessen geworden, was die Schar der Schüler in Ägypten bei Antonius lernen wollte? Ist das alles nicht der Kern dessen wofür Klöster und Orden Orte sein wollten und sind?

Ist das alles nicht mehr zeitgemäß?
Wo werden noch Klöster gebaut, und wer wollte in unseren Tagen Mönch oder Nonne werden?

Ich habe irgendwo gelesen: Der Mensch der Gegenwart muß sein Kloster in sich selber gründen...das Wichtigste geschieht im Alleinsein. Alle Klöster der Vergangenheit sind Weissagungen auf das, was in der Seele geschehen soll.

In diesem Sinne ist die christliche Gemeinschaft natürlich ein Kloster, ein Orden, eine Gemeinschaft, in der alles das geübt wird und in deren Mitte der Wille steht, dem Herrn zu dienen. Der Gedenktag des Hl. Antonius, des Vaters des Mönchtums, ist mithin ein idealer Tag, um alles das in Erinnerung zu rufen und um auch darin gewahr zu werden: Wir sind eine Gemeinschaft der Lebenden und der Toten. Als Protestanten legen wir immer großen Wert darauf, nicht zu den Heiligen sondern mit ihnen zu beten. Aber wir sind eine betende Gemeinschaft der Lebenden und der Toten, die so am Tode Christi Anteil nimmt, um in Ewigkeit sein Leben zu teilen.

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen

Thomas Roloff

1 Kommentar:

Walter A. Aue hat gesagt…

Nicht dasz ich als Ketzer etwas davon verstuende, aber mir liegen halt die griechischen mehr als die roemischen Autoren: Da habe ich mir gedacht, ginge es statt Paulus nicht auch ein biszchen mit Johannes 8:32:

Und [ihr] werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.

(And ye shall know the truth, and the truth shall make you free.)

[NB: Um nicht in Werbung, etc. zu verfallen, habe ich sicherheitshalber die alte Luther Bibel und die King James Version zitiert.]