Montag, 27. Februar 2012

Dies & Das & Sparta


Wo ich also zerknirscht überlege, ob ich an etwas herantreten sollte, von dem ich dachte, es lange hinter mir gelassen zu haben, ein wenig zur Aufheiterung, der Klassiker: Frau Mutter schaut eine Quizshow, offenkundig war die Herkunft des Wortes „lakonisch“ gefragt, ich murmel was von Sparta und bringe schnell 2 Räume zwischen sie und die Frage. Minuten später höre ich auf dem Rückweg: “Willst du da nich mal hin?”, ich: “Nach Sparta? Ganz bestimmt nicht, außerdem ist das seit über 2000 Jahren vorbei”, sie nee, ich meine zu Jauch, ich: “Nein! Dahin auch nicht!”

„Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade“, (Jona 2,9) lese ich dann später als Tageslosung und finde das, offen gestanden, etwas fies vom lieben Gott, aber ich sollte es vielleicht nicht persönlich nehmen, schließlich muß er seine Antworten breit streuen, bei den unzähligen Häuptern von Lesern.

2000 Jahre ist natürlich ziemlich inkorrekt. Das, was, von Sparta übrig war, haben 395 nach Christus die Goten unter Alarich zerstört, dann gab es noch eine Neugründung 1834. Aber von neugriechischen Trugbildern schweigen wir besser. Nach der Schlacht bei Leuktra 371 v. Chr., die Epaminondas von Theben gewann (der mit der schiefen Schlachtordnung), ging es mit Spartas Macht mehr oder weniger kontinuierlich bergab. Nach der Schlacht bei Sellasia 222 v. Chr. wurde der Ort erstmals besetzt, von den Makedoniern, wir sind mitten in der sogenannten „hellenistischen“ Zeit. Ab 146 v. Chr. sank Sparta zu einer Civitas foederata der römischen Provinz Achaia herab und zu einer Art obskurem Museum, in der etwa die „Knabengeißelung“ zu besichtigen war.

Die gehörte zum Kult der Artemis Orthia und war Bestandteil der Agoge, der Ausbildung der jungen Spartaner. Ein Wettbewerb, Plutarch erzählt davon: Die Epheben wurden während des ganzen Tages mit Peitschen geschlagen beim Altar der Artemis Orthia, häufig fast bis zum Tode. Sie ertrugen dies mutig, freudig und stolz, untereinander darum wetteifernd, wer es länger als die anderen und mit einer größeren Anzahl an Schlägen ertragen könne. Und demjenigen, der siegreich war, kamen besondere Ehren zuteil. Dieser Wettbewerb hieß „Die Geißelung“ und wurde jedes Jahr ausgetragen. Der Ephebe, der den Schlägen am längsten standhält, durfte sich anschließend mit dem Titel Βωμονίκης schmücken, den er sein ganzes Leben lang behielt.

Die alten Griechen haben eine Menge ausprobiert. Sie waren erstaunlich unternehmungslustig, auch im Geistigen, da kommt dann, wenn wir auf der aristokratischen Seite bleiben, ein Heraklit heraus oder eben Sparta, das in meinen Augen eher in den Bereich des Pathologischen gehört.

Nicht regelmäßig, aber von Zeit zu Zeit überprüfe ich meine Vorurteile und lese dann z. B.: Karl – Wilhelm Welwei „Sparta – Aufstieg und Niedergang einer antiken Großmacht“. Vollkommen passend zum Thema, eine Tortur. Es ist unglaublich, wie jemand derart uninteressant über etwas schreiben kann, dem er offenkundig beträchtliche Teile seines Lebens gewidmet hat, ausführlichst in Details, ein Herodot-Zitat wird so eine Seite lang hin und her gewendet, um am Ende festzustellen, daß man seinen Wahrheitsgehalt nicht sicher beurteilen könne - das ginge auch in einem Satz - dafür ist man bei den tiefer gehenden Fragen eher sparsam und hastig bei der nächsten Einzelheit. Nun ja, warum grundsätzlich werden, wenn man sich auch in Einzelheiten verlieren kann, und dazu dieser pedantische Stolz, ja nichts Unterhaltsames auszubreiten.

Und dann dieser goldige Rationalismus: Die Leute hatten noch keinen Begriff von der Sache, also kann es sie auch nicht gegeben haben. Oder besser, ein anderer ebenfalls (u.a.) von Plutarch überlieferter abartiger Brauch hätte den wirtschaftlichen Interessen der Spartaner geschadet und könne daher so nicht stimmen. Ach? Tatsächlich? Wo doch der Mensch überwiegend ein rationales Wesen ist.

Plutarch spricht über einen „Brauch“, der an den „Heloten“ ausgeübt wurde. Die Spartaner oder „Lakedaimonier“ gehören zu einer Volksgruppe, die als „Dorer“ bekannt ist (darf man sich analog zu den Vandalen in Nordafrika vorstellen). Jedenfalls kamen diese Lakedaimonier auf die grandiose Idee, die einheimische Bevölkerung kollektiv zu versklaven, als „Heloten“ hatten sie für die Spartiaten das Land zu bestellen und Abgaben zu liefern. Jeder Vollbürger Spartas hatte Anspruch auf ein Stück Land mit den dazugehörigen Heloten. Als es etwas pressierte, unterwarf man schlicht die Nachbarprovinz Messenien und machte deren Einwohner nahezu komplett zu „Heloten“, Staatssklaven also. Warum dies, nun den Spartiaten war jede Erwerbstätigkeit streng verboten, sie hatten - zu kämpfen.

Und jetzt Plutarch: Die „Krypteia“. Junge Spartaner wurden, dürftig ausgerüstet, ausgeschickt, um mit wenigem zu überleben. Sie besaßen aber u.a das Recht, unterwegs die Heloten zu töten, die ihnen als die tapfersten erschienen.

Und wofür genau genommen, haben die Spartaner nun gekämpft, für Sparta, einen eher dürftig anzuschauenden Ort ohne nennenswerte Kultur, voll vielbeschworener Gleichheit und einem Kult von Tapferkeit um ihrer selbst willen. Eine starke hohle Form. Nicht daß uns die Demokraten aus Attika mehr gefallen würden.

So man man einen Überblick über diese frühen Spielformen menschlicher Erfindung gewinnen will, lese man Thukydides „Der Peloponnesische Krieg“ und erfahre, wie die Einwohnerschaft ganzer Städte ausgelöscht wurde, wenn sie auf der falschen Seite stand, doch dieses Kapitel kann ich nicht vorenthalten:

„Zu so wilder Grausamkeit trieb der Parteienkampf, und er erschien um so gräßlicher, als es der erste Fall dieser Art war. Später jedoch geriet sozusagen ganz Hellas in Bewegung; denn überall herrschte Streit, und die Führer der Demokraten bemühten sich, die Athener herbeizurufen, die Adligen die Lakedaimonier...

Der Krieg aber, der die Annehmlichkeiten des täglichen Unterhalts raubt, ist ein grausamer Lehrer und stimmt die Leidenschaften der Menge dem gegenwärtigen Augenblick gleich...

Auch änderten sie die gewohnten Bezeichnungen für die Dinge nach Gutdünken. Unüberlegte Tollkühnheit galt als treu ergebene Tapferkeit, vorausdenkendes Zögern für behübschte Feigheit, Besonnenheit als verhüllte Ängstlichkeit, bedenkende Klugheit als alles lähmende Trägheit, Draufgängertum beschrieb den rechten Mann, vorsichtig wägendes Beraten wurde als schön klingender Vorwand der Ablehnung gesehen.

Wer sich empörte, galt immer als zuverlässig, wer ihm widersprach, als eben deshalb verdächtig. Hatte einer mit einem Anschlag Erfolg, galt er als klug, noch geschickter, wenn er einen entdeckte; wer aber Vorsorge traf, dass nichts davon nötig sei, von dem hieß es, er zerstöre das Bündnis und zittere vor den Feinden.

Wer mit bösem Tun dem zuvorkam, der ihm womöglich Böses anzutun beabsichtigte, wurde gelobt, und noch mehr, wenn er einen anderen, der gar nicht daran dachte, dazu bewegte... Denn solche Vereinigungen bezweckten nicht gegenseitigen Beistand im Einklang mit den gültigen Gesetzen, sondern gegen die bestehende Ordnung aus Eigennutz. Gegenseitiges Vertrauen erwuchs kaum aus göttlichem Recht, sondern aus gemeinsam verübten Unrecht...

Ferner stand es höher in Ehre, Rache an jemand zu üben, als selber nicht zuerst zu leiden... Denn lieber lassen sich die meisten gescheite Verbrecher nennen als einfältig und ehrenhaft; des letzteren schämen sie sich, das erste dagegen beeindruckt sie über sich selbst.

An all dem ist die Herrschsucht schuld, die sich in Habgier und Ehrgeiz äußert, und daraus erwächst dann, wenn erst der Hader hinzutritt, wilde Leidenschaft.“ 3. Buch, 82. Kapitel

nachgetragen am 4. März

Sonntag, 26. Februar 2012

Sonntag &


Da hätte ich doch fast den Sonntagsessens-Beitrag versäumt. Wahrscheinlich, weil mir die Kruste vom Schweinekrustenbraten, nun, man sehe selbst. Noch sieht es nicht bedenklich aus. Man beginnt aber, das Verhängnis zu ahnen.


Und da blickt man auch schon auf die Bescherung. Von irgendwoher war mir nämlich die Anregung zugeflogen, auf die Kruste etwas Honig zu gießen, dann würde sie angeblich nicht so hart werden. Sie wurde hart und schwarz. Und die Sauce kam nach meinem Geschmack merkwürdig säuerlich heraus. Aber da ich kaum Sauce esse (weil ich die Kartoffeln eher meide) und es meiner Frau Mutter gefiel, hielt sich der Schaden in Grenzen. Die Bohnen waren gut, der Rest vom Fleisch ansonsten auch. Nur der Anblick ist etwas bizarr.


Ansonsten, was für ein erfreuliches Wetter. Man glaubt, schon mitten im April zu sein, und dabei sah es vor kurzem noch wie auf dem letzten Photo aus. Die Amaryllis treiben auch wie wild, doch davon gibt es erst morgen Bilder.



Invocavit

Mechthild von Magdeburg
Photo: Andreas Praefcke, hier gefunden

Soweit in der evangelischen Kirche der Heiligen überhaupt gedacht wird, heute wäre nach evangelischem Verständnis der Gedenktag der Hl. Mechthild von Magdeburg, eine große Mystikerin. Herr Roloff erwähnt sie in seiner Predigt, die im Anschluß folgt und die ich wieder einmal sehr bemerkenswert finde.

Predigt zum Sonntag Invocavit 2012

2Kor 6, 1-10

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserm Herren Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,

es beginnt immer mit einer Versuchung, und dieser Text des Paulus ist gleichsam das Ergebnis dieses inneren Zusammenhangs der beiden Lesungen, die wir zuvor gehört haben, und die das Thema des 1. Sonntags der Passionszeit markieren. Dieses Thema ist die Versuchung. Wir haben aus dem 1. Buche Moses davon gehört, wie Eva und Adam dieser Versuchung erlegen sind und das Paradies verloren. Von Matthäus wiederum hörten wir, dass auch Christus von der Versuchung nicht verschont wurde. Er aber hat ihr widerstanden und als neuer Adam sich für uns zum Heilsbringer gemacht. Jesus beginnt seinen Weg ans Kreuz mit einer Versuchung.

Was aber ist eigentlich eine Versuchung? Die Werbung hat es erreicht, dass einem zuerst die zarteste Versuchung einfällt, seit es Schokolade gibt. Auch insgesamt ist der Begriff der Versuchung eher zu einer Verheißung geworden, dass einem etwas ganz und gar wunderbares begegnet. Auch das ist nicht ganz neu. Giovanni Guareschi hat in seinem Don Camillo und Peppone so schön gesagt: „Manch einer, der vor der Versuchung flieht, hofft doch heimlich, dass sie ihn einholt.“ Oder von Mark Twain stammt der ebenfalls schöne Satz: „Es gibt mancherlei geeigneten Schutz gegen die Versuchung, aber der sicherste ist die Feigheit.“ Am originellsten finde ich noch immer den Sinnspruch von Oscar Wilde: „Ich kann allem widerstehen, außer der Versuchung.“

Solange der Mensch zu unterscheiden weiß, was jeweils wo gemeint ist, bleibt dagegen nicht einmal etwas einzuwenden. Ich aber habe manchmal den Eindruck, dass der Verlust an Klarheit der Begriffe auch damit zu tun hat, dass der Diabolos stets und ständig sein Werk tut. Diabolos ist ein griechischer Begriff für den Teufel. Er bedeutet wörtlich nichts anderes als „der Durcheinanderwerfer“ oder auch „der, der die Dinge verkehrt“.

Darum gibt es eben das ehrliche und ernsthafte Suchen nach dem eigenen Weg durch das Leben, und es gibt das Versuchen, durch das man irregeleitet werden soll. Die Versuchung ist es, wodurch wir verleitet werden sollen, unser Leben ganz auf das Falsche hin auszurichten. Das setzt natürlich voraus, dass es richtig und falsch auch tatsächlich gibt. Auch da will man uns mehr und mehr einreden, es gäbe gar kein richtig und falsch, sondern immer nur ein anders.

Ich jedenfalls frage mich an dieser Stelle aber: Was ist das nur für ein verkehrter Unsinn, der da von der Welt und den Menschen Besitz ergreift?

Wenn man seine Brötchen im Bäckerladen kauft, bezahlt und sie dann mit nach Hause nimmt, dann tut man das Richtige. Bezahlt man nicht und nimmt sie trotzdem mit, dann kauft man nicht anders, sondern man stiehlt, und davon heißt es: Du sollst nicht stehlen!

Und wenn man mit einem Menschen verheiratet ist, dann ist das nichts anderes als das öffentliche Versprechen, mit ihm zusammenleben zu wollen. Nun wissen wir natürlich, dass Ehen scheitern können. Aber wenn die Ehe gescheitert ist, wie kann ich dann das öffentliche Versprechen aufrecht erhalten und dennoch mit einem anderen Menschen zusammenleben? Das ist dann einfach falsch und ein öffentliches Bekunden davon, dass einen die Gebote nicht interessieren.

Es ist eine gewaltige Versuchung, sich selbst dann noch für integer und aufrichtig zu halten, und es ist eine Versuchung für andere, so etwas für Integrität auszugeben.

Liebe Gemeinde,

das Wesen des Umgangs mit der Versuchung ist es nun nicht, ihr auszuweichen oder gar vor ihr zu fliehen, sondern das Wesen unseres Umgangs mit der Versuchung ist es, in ihr zu bestehen. Das ist doch das entscheidende Beispiel, das Christus uns gegeben hat.

Wie aber kann das gelingen? Hier gelangen wir zu unserem Paulus-Text.

Paulus spricht uns alle als seine Mithelfer an und mahnt uns, die Gnade Gottes nicht vergeblich zu empfangen. Er erinnert uns an ein Prophetenwort des Jesaja: „Ich habe dir am Tage des Heils geholfen.“ Paulus macht dann klar, dass der Tag des Heiles da ist. „Siehe, jetzt ist der Tag des Heils!“

Das Heil ist keine Hypothese. Es ist nichts, was irgendwann geschaffen wird oder sich in irgendeinem Jenseits abspielt. Es ist nicht dieses Eiapopeia vom Himmel, über das sich schon Heinrich Heine lustig macht. Das Jetzt des Heils gründet in der Begegnung mit Christus, mit dem, der der Herr des Himmels und der Erde ist. Wer aber seinen Herrn gefunden hat, so wie die Jünger ihn am See fanden und Paulus vor Damaskus und die Hl. Mechthild, deren Gedenktag wir heute feiern, in den Tiefen der Mystik und auch wir alle irgendwann in unserem Leben, dessen Sein verwandelt sich in diesem Augenblick zu dem eines Dieners. Wer seinen Herren gefunden hat, der wird zum Diener dieses Herrn. Der vermeintlich freie Diener ist immer nur Diener seiner eigenen Gier und Eitelkeit.

An jenes Dienersein also erinnert uns Paulus und gibt uns damit einen untrüglichen Kompass. Nun können wir uns als Diener erweisen in Geduld, in Trübsalen, in Nöten und Ängsten, in Schlägen und Gefängnissen, in Aufruhren und Mühen, in Wachen, in Fasten, in Keuschheit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, in dem heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, durch Waffen der Gerechtigkeit, durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Gerüchte, als Unbekannte und doch bekannt; als Sterbende und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten, und doch nicht ertötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die die nichts haben und doch alles haben.

Liebe Gemeinde,

was hier wie ein ziemlich buntes Durcheinander daherkommt ist vermutlich beides, einerseits Einblick in das Leben des Paulus und in seine Seele und andererseits eine exemplarische Sammlung von dem, was auch uns im Leben begegnen kann.

Es ist schlicht Aberglaube, dass Religion so etwas ist, was das Böse, manchmal auch Furchtbare und Leidvolle von uns fern hält. Das Leben eines Christen ist das Leben in einer Beziehung. Es wird niemals gelingen, die schweren Seiten der Existenz ständig zu vermeiden, sondern es kommt darauf an, in ihr zu bestehen! So kann jedes von den Dingen, die Paulus genannt hat, für sich zur Versuchung werden. Trübsale, Nöte und Ängste, Schläge und Mühen verleiten schnell zur Klage: Warum muss mir dass alles passieren? Wie kann Gott das zulassen? Der Fragende macht sich hier schnell zum Richter über Gott. Langmut, Freundlichkeit und ungefärbte Liebe wiederum verführen den Menschen oft dazu, sich selbst für unwiderstehlich zu halten, sich selbst zum Herren zu machen, auch zum Herren über Gott, als wäre der nur noch dazu da, den glücklichen Zustand zu erhalten und eigene Wünsche zu erfüllen. Gott aber erfüllt nicht unsere Wünsche, sondern seine Verheißungen.

Ein eindrucksvolles Beispiel dafür gibt uns Maria. Sie empfängt die Verheißung, Mutter des Erlösers zu werden und damit geht sicherlich alles andere in Erfüllung als die Wünsche einer jungen verlobten Frau. Maria erschrickt darum auch vor dem, was der Engel ihr verkündet. Dann aber tut sie demütig das Notwendige. Soll der Erlöser der Welt geboren werden, dann braucht es eben nicht nur die Verheißung, sondern es braucht die Antwort des Menschen. Wort und Antwort erschaffen die Beziehung zwischen Gott und seiner Schöpfung neu. Maria erklärt sich zur Magd, zur Dienerin am Wort Gottes und spricht dasjenige Wort, das wir auch als das erste Wort Gottes kennen: Fiat! Es geschehe, es werde. Erst im Moment der Antwort kann das Erlösungswerk beginnen und ohne diese Antwort wäre es nicht begonnen.

Auch darum hält Paulus uns an, Gott in allen Dingen zu suchen und sein Diener zu sein. Im Leid, wie im Glück die Gemeinschaft mit ihm zu suchen. Gebt keiner Versuchung nach, euch von ihm zu trennen. Wie viel Leid hat auch Maria getragen?

So sind wir Unbekannte und doch bekannt; als Sterbende und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten, und doch nicht ertötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die die nichts haben und doch alles haben.

In dieser Gewissheit gehen wir wieder mit unserem Herren an sein Kreuz, an dem er uns Heil und Leben erworben hat.
Amen

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen
Thomas Roloff

Freitag, 24. Februar 2012

Brideshead Revisited Nachträge

Erinnerung hat etwas von Osgiliath – ein Verfallendes, das uns anrührt und einmal sehr schön, vielversprechend und geheimnisvoll war. Und so, wie wir mit unserer Erinnerung vergehen werden, geht ein einstmals lebendiger Ort ein ins Vergessen. Aber solange es Literatur gibt, zögert sich dieses womöglich ein wenig heraus.

Die Erinnerung ist seltsam. Sie erschafft ein unscharfes Bild aus Stimmen, halb versunkenen Bildern, schwer deutbaren Gefühlen, fremd gewordenen Gedanken, ein Nebel, aus dem manchmal gleichsam eine Gestalt halb erkannt fast hervortritt. Literatur vermag es, daß eine fremde Erinnerung, selbst eine imaginierte, zu einem Teil von uns, zu unserer eigenen wird. Aber lassen wir endlich das Buch sprechen, um das es uns geht...

Das Buch heißt „Brideshead Revisited“, wieder einmal. Man mag hier nachlesen, was mir und anderen weiter in den Sinn kam, besser den anderen.

nachgetragen am 25. Februar

Mittwoch, 22. Februar 2012

Eduard Gaertner &

Gendarmenmarkt im Winter

"Unter den Linden"

Aus welchen Gründen immer habe ich momentan Schwierigkeiten, mich zum öffentlichen Schreiben zu motivieren. Aber der Blogger Jay schrieb heute über Eduard Gaertner, wie ich erfahren durfte. Das hat mich sehr gefreut, und mir fiel ein, daß ich auch einmal ein paar Worte über ihn verloren hatte. Man erinnert sich also immer noch des Schönen in der Welt, das ist hoffnungverheißend.

Montag, 20. Februar 2012

Johann Heinrich Voß

John William Waterhouse
Echo and Narcissus

Nicht weit von hier, in Sommerstorf, wurde Johann Heinrich Voß am 20. Februar 1751 geboren, ein verdienstvoller Landsmann, an den ich gelegentlich erinnert habe, etwa hier. Vor allem hat er uns Deutschen die antike Dichtung nahegebracht (auch wenn uns seine Sprache heute mitunter etwas zu bieder und angestaubt erscheinen mag, wer weiß wie unsere den Nachfahren einmal erscheinen wird). Und wie ich schon gestern andeutete, gibt es Zeiten, zu denen man zwischen sich und der Gegenwart einen großen geistigen und also auch zeitlichen Abstand setzen möchte, soweit das vorübergehend geht. Also vernehmen wir ein Stück aus der berühmten traurigen Geschichte von Narziß und der Nymphe Echo, so wie sie uns Publius Ovidius Naso berichtet. Das ganze Kapitel findet sich an diesem Ort.

Narcissus und Echo

Und die Verachtete schlüpft in den Wald; ihr errötendes Antlitz
Deckt sie mit Laub, und lebt seitdem in einsamen Grotten.
Dennoch haftet die Lieb', und wächst von dem Schmerze der Weigrung.
Wachsame Sorge verzehrt den schwindenden Leib zum Erbarmen;
Ganz verschrumpft ihr die Haut vor Magerkeit; und es entfliegt ihr
Jeglicher Saft in die Luft; nur Laut und Gebeine sind übrig.
Tönend bleibet der Laut; das Gebein wird in Felsen verwandelt.
Immer noch lauscht sie im Wald', und nie auf dem Berge gesehen,
Wird sie von allen gehört; ein Nachhall lebet in jener.

So nun hatt' er die Echo, und so in Gebirge und Fluten
Andere Nymphen gehöhnt, und so der Jünglinge Sehnsucht.
Jetzo streckte die Händ' ein Verachteter flehend zum Äther,
Und: So lieb' er denn selbst! so werd' er nicht froh des Geliebten!
Betet' er. Beifall gab dem Gebet die rhamnusische Göttin.

Dort war ein lauterer Quell, mit silberhellem Gewässer,
Welchen nimmer ein Hirt, noch weidende Ziegen der Berghöh'n,
Angerührt, noch anderes Vieh; den nimmer ein Vogel
Oder ein Wild getrübt, noch ein abgefallener Baumzweig.
Ringsher grünete Gras, von der feuchtenden Welle genähret;
Rings verbot ein Gebüsch der wärmenden Sonne den Zugang.
Hier einst ruhte der Knabe, von Jagdlust müd' und Erhitzung,
Hingestreckt; ihn lockte der Quell und die Schöne der Gegend.
Während den Durst zu löschen er strebt, wächst anderer Durst nach.
Während er trinkt, von dem Bilde gesehener Reize bezaubert,
Lieber er nichtigen Trug; und Leib erscheint ihm der Schemen.
Selber staunt er sich an; unbewegt in einerlei Stellung
Haftet er, wie ein Gebild aus parischem Marmor gemeißelt.
Gierig schaut er, im Grase gelehnt, zwei Sterne, die Augen;
Schaut, wie wert des Lyäus, wie wert des Apollo das Haar sei,
Wie unmännlich die Wang', und wie schimmernd der Hals und die Anmut
Seines Gesichts, wie gesellt zur schneeigen Weiße die Röte;
Alles bewundert er selbst, was er selbst der Bewunderung darbeut.
Sich verlanget der Tor; und der Lobende ist der Gelobte.
Suchend wird er gesucht; und zugleich entflammt er und brennt er.
Oftmals naht' er umsonst dem täuschenden Borne mit Küssen;
Oftmals mitten hinein, den gesehenen Hals zu umfangen,
Taucht' er die Arm in die Quell' und haschte sich nicht in dem Quelle.
Was ihm erschein' unkundig, entlodert er von der Erscheinung;
Und derselbige Wahn, der sie anlockt, täuschet die Augen.
Was, Leichtgläubiger, fängst du umsonst ein entfliehendes Gleichnis?
Nirgend ist, was du begehrst; das Geliebte, wende dich! schwindet.
Was du erblickst, ist Schatten des widerstrahlenden Bildes.
Nichts hat jenes von sich; mit dir nur kommt es, und weilt es;
Auch entweicht es mit dir, wenn du zu entweichen vermöchtest.
Nicht der nährenden Kost, nicht kann die Sorge der Ruhe
Jenen von dort abziehen. Im dunkelen Grase gelagert,
Schaut er den trügenden Reiz mit unersättlichem Anblick,
Selbst von den eigenen Augen verzehrt...

Sonntag, 19. Februar 2012

Sonntag &

poorly translated


Wo dieses Land gerade im Dubiosen versinkt, vergessen wir es doch für eine Weile. Und berichten vom heutigen Sonntagsessen, das, immerhin, war mehr als erträglich. Eine bekannte Geschichte: Lachs auf Wurzelgemüse (also auf vorgeschmorten Mohrrüben, Sellerie, Petersilienwurzel und Zwiebeln, mit etwas Thymian, Rosmarin und Oregano). Es ist mir sogar gelungen, den Lachs am Auseinanderfallen zu hindern, das geschieht irgendwann nach 20 Minuten, verlangt also etwas Aufmerksamkeit. Und jetzt lese ich besser etwas, das möglichst lange zurückliegt. Aristoteles oder Marc Aurel werden es wohl werden.



While this country prefers to sink into the shady, we better forget it for a while. And talk about today's Sunday dinner again, which, after all, was more than bearable. Something familiar: salmon with root vegetables (pre-stewed carrots & so on like celery, parsley and onions, with some thyme, rosemary and oregano). I even managed it to prevent the salmon from falling apart, that happens usually sometime after 20 minutes, thus requires some attention. And now I read better something that dates back as long as possible. Aristotle or Marcus Aurelius will be the 1th choice I think.


Freitag, 17. Februar 2012

Zeitungslektüre


Eben fiel mir wieder ein Artikel aus dem Tagesspiegel vom 17.02.2012 in die Hände mit der niedlichen Überschrift „Rechte Einfalt“, von einer Adelheid Müller-Lissner verfaßt. Eine sogenannte „Studie“ britischer Psychologen habe herausgefunden, dümmere Menschen seien eher konservativ und würden alles Andersartige herzlich hassen, also Schwarze, Homosexuelle etc., die üblichen Verdächtigen also.

Ach, denkt man als Konservativer, wie haben die das denn herausgefunden. Nun halten Links-Liberale sich ja traditionell für intellektuell haushoch überlegen. Das gehört gewissermaßen zur Kernidentität (und läßt sich womöglich sogar aus historischen Ursprüngen ableiten - mittellose freie Geister, die sich außer an ihrem Haß auf die Gesellschaft nur noch ihrem überragenden Intellekt aufzurichten vermochten; aber wir schweifen ab) und ebenso der Unwille, sich eine andere Weltsicht auch nur imaginieren zu wollen (am Können kann es ja nicht liegen, schließlich sind sie intellektuell durchgängig hochbegabt, ach stimmt, „begabt“ mögen sie ja nicht so, denn „biologistisches Denken“ steht schließlich unter Verdikt, wie auch immer). Und da, nennen wir sie hilfsweise von nun an die LiLibs, unsere Zeitgenossen von der anderen Feldpostnummer sich generell für vernunftgeleitet ansehen, lag eine solche Studie eigentlich lange in der Luft, warum kommt sie nur so spät.

Aber treten wir der Studie, soweit sie uns der Artikel vorstellt, etwas näher. Wir erfahren also, man habe bei  „Menschen, bei denen während der Schulzeit in Tests eine niedrigere allgemeine Intelligenz gemessen wurde“ festgestellt, daß sie als „Erwachsene mit größerer Wahrscheinlichkeit Verfechter autoritärer Forderungen“ seien und politisch eher am rechten Rand stünden. Dies hätten die Herren Gordon Hodson und Michael A. Busseri herausgefunden, nachdem sie die Langzeitdaten (ein Zeitraum von immerhin über 30 Jahren) von über 16.000 Briten analysierten, und folglich haben sie diese aufregende Erkenntnis prompt im Fachblatt „Psychological Science“ veröffentlicht.

Also: Die inzwischen Erwachsenen, die als Kinder im Intelligenztest eher armselig ausgesehen hatten, neigten demnach heute stärker zu Vorurteilen. Sie waren „häufiger fremdenfeindlich und sogar offen rassistisch“ und mieden Kontakte zu sozialen Gruppen, die in irgendwie „anders“ waren als sie selbst. Die Psychologen zogen auch amerikanische Untersuchungen heran, nach denen „Schwächen im abstrakten Denken“ zu einer „negativer Haltung gegenüber Homosexuellen“ führten. Methodisch korrekt, wie sie als  Wissenschaftler nun einmal sein müssen, rechneten die Psychologen „Einflüsse wie Bildungsniveau der Eltern und späteren eigenen Status der Erwachsenen heraus“.

Wie dieses „Herausrechnen“ aussah, enthält uns der Artikel leider vor. Hat in besagtem Rechenmodell ein späterer „höherer“ Status einen dämpfenden Einfluß? Wie groß ist da der Faktor?

Bisher haben wir über diese konservativen Haltungen nur gelernt, daß sie aus Vorurteilen gegenüber anderen sozialen Gruppen und offen rassistischen Haltungen bestünden, aber immerhin gibt es auch endlich einen gewissen Deutungsversuch: „Menschen, die mit geringerem geistigem Rüstzeug durchs Leben gingen und denen abstraktes Denken schwerer falle, seien anfälliger für die Hoffnung, die Welt klar, übersichtlich und unverrückbar ordnen zu können“. Das gelte für das Festhalten an tradierten Geschlechterrollen, die Ablehnung von Homosexuellen etc., daraus entstünden dann „leichter Vorurteile bis hin zu rassistisch-extremistischen Haltungen“.

Ein kleiner Einschub: Die Bolschewiki müssen demnach extrem konservativ gewesen sein, oder haben sie ihre Gegner wie Geistliche, bürgerliche Denker, Bauern, Adlige, Unternehmer etc. etc. massenhaft „sine ira et studio“ umgebracht? Gleiches gilt für die Roten Khmer.

Und der Begradigungsfuror und Beherrschungs-Wahn der Verwandten unserer LiLibs war nicht von dem Willen getrieben, „die Welt klar, übersichtlich und unverrückbar“ zu ordnen?

Der Artikel erzählt uns dann noch etwas vom „autoritären Charakter“, auf den Theodor W. Adorno und Max Horkheimer gestoßen seien. In den 90er Jahren habe dann der Psychologe Rainer Riemann „einen Zusammenhang zwischen konservativer politischer Einstellung und schwacher Aufgeschlossenheit für neue Erfahrungen und Werte“ festgestellt. Und der Neurowissenschaftler Ryota Kanai habe 2011 eine Studie veröffentlicht, bei der Probanden erst nach ihrer politischen Einstellung befragt wurden und ihnen anschließend per Magnetresonanztomografie ins Gehirn geschaut wurde.

Offenbar hatte er sich eine Werteskala zurechtgelegt, und diejenigen, die am konservativen Ende derselben landeten, hatten einen auffallend vergrößerten rechten Mandelkern. Und das ist jetzt so schön, das muß einfach im Ganzen zitiert werden:

„Das Hirnareal gehört zum limbischen System und wird besonders bei Angst und in Gefahr aktiv. Versuchsteilnehmer, die am anderen Ende der Skala mit besonders liberalen und 'linken' Auffassungen auffielen, hatten dafür einen auffallend voluminösen vorderen Gyrus cinguli. Diese Region des Gehirns ist für Mitleid und die Fähigkeit zur Einfühlung in andere bedeutsam.“

Kurz wird noch die Frage ventiliert, ob dies gewissermaßen angeboren sei, um dann doch zustimmend zu enden: „Für die geistigen Fähigkeiten von Menschen, die eher autoritärem und rechtsextremem Gedankengut zuneigen, konnten Hodson und Busseri das nun allerdings zeigen. Deren Fähigkeit zu abstraktem Denken liegt im Alter von zehn bis elf Jahren auffallend oft unter dem Durchschnitt. Dass Erziehung und Bildung für die späteren politischen Anschauungen unbedeutend wären, ist damit nicht gesagt. Nur müssen sie Herz und Verstand der Adressaten erreichen.“ Mit Umerziehung läßt sich also noch etwas 'rausreißen, eventuell. Ist ja auch schon vielfach versucht worden.

Was sollen wir dazu am Ende nun sagen, abgesehen davon, daß die Unverfrorenheit der „wissenschaftlichen“ Beweisführung unterhaltsam ist, man fühlt sich irgendwie an den „wissenschaftlichen Atheismus“ seligen Angedenkens erinnert. Vielleicht sollten wir doch ein wenig die Methodik befragen. Da wird also die Persönlichkeitsstruktur eines intellektuell unterdurchschnittlich begabten Menschen mit Neigung zu Abgrenzung, Sicherheit und Immobilität als „konservativ“ bezeichnet, um dann in einem großen Zirkelschluß bei der Aussage zu landen, daß Menschen mit besagten Neigungen eher weniger geistig rege sind und folglich, man rate - „konservativ“.

Dieser ganze Artikel enthält uns komplett vor, warum eine Neigung zu Vorurteilen unbedingt „konservativ“ sei und nicht auch an Stellen vorkommen mag, die sich selbst so ganz anders empfinden. Oder wird mit dem „Vorurteil“ zugleich ein gewisser Wahrheitsanspruch zu denunzieren versucht? Ist ein Festhalten an der Gültigkeit der Grundrechenarten oder etwa der Neigung, seinem Nachbarn nicht ohne Not den Schädel einzuschlagen, auch schon so ein Vorurteil. Nur ein kurzer Satz noch: Der Konservative glaubt, daß die kulturelle Substanz einer Gesellschaft durch Institutionen tradiert und am Leben erhalten wird, dazu bedarf es selbstredend einer Balance von Abgrenzung und Austausch; jede Zelle existiert nach diesem Prinzip.

Und wo wir gerade bei der Zelle sind: Diese Volte vom Menschen, der als leere Tafel nur von den Umständen sozialer Position, Erziehung, „revolutionärer Erfahrung“ etc. etc. beschrieben wird - der klassische Glaubenssatz unserer LiLibs – zum gewissermaßen genetischen Eingeschrieben-Sein, diese „biologistische“ Wendung ist schon atemberaubend.

Es wird gern naserümpfend der mittelalterliche Begriff von der „Philosophie als Magd der Theologie“ zitiert; in diesen Zeiten darf man bestaunen, wie die Vernunft, ihrer Würde beraubt, zur Hure des Interesses absinkt.
nachgetragen am 14. Mai 2012

Donnerstag, 16. Februar 2012

Protestantische Nachdenklichkeiten



Ich habe nie behauptet, daß mein Geist immer hellwach sei; ist er nicht, aber ob das wünschenswert wäre, ein anderes Thema. Da mäandern also meine Gedanken und landen zwischendurch bei Egon Friedell (Kulturgeschichte der Neuzeit - Die Krisis der Europäischen Seele von der Schwarzen Pest bis zum Ersten Weltkrieg), um dort diesen schönen Satz zu finden:

„Im Grunde ist Don Quixote der ewige Typus des Dichters: er hat entdeckt, daß die Realität ihrem innersten Wesen nach immer enttäuschen muß, weil sie eigentlich das Unwirkliche ist, und beschließt daher, sie nicht anzuerkennen.“

Aber tatsächlich war ich über etwas gänzlich anderes, wenn auch aus der gleichen Zeit, gestolpert: Am 16. Februar 1568 verurteilte die Kongregation der römischen und allgemeinen Inquisition nahezu alle Niederländer wegen Häresie zum Tode. Nun ist man ja von den Päpsten dieser Zeit einiges gewohnt.

Ein paar Jahrzehnte später wird es einen sehr unerfreulichen Kommentar von jemandem auf dem Stuhl Petri geben, der sich über das Massaker von Magdeburg während des Dreißigjährigen Krieges vor Freude nicht einkriegen kann.

Und der Nachfolger des Papstes, um den es gleich gehen wird, nämlich Gregor XIII., übrigens ein durchaus verdienstvoller Mann, wir verdanken ihm etwa den „Gregorianischen Kalender“, abgesehen davon, daß er einer der prominentesten Päpste der Gegenreformation war, meinte zur Pariser Bartholomäusnacht (bezeichnet die Nacht zum 24. August 1572 ebendort), ach lassen wir noch einmal Herrn Friedell zu Wort kommen: "...der damalige Papst äußerte übrigens seine Freude noch sinnfälliger: er feierte das größte Massaker der neueren Geschichte durch eine Gedenkmünze und ein großes Tedeum und befleckte damit den Stuhl Petri mehr als alle seine Vorgänger durch ihre Sodomie, Simonie und Blutschande".

Pius V. war unwidersprochen ein frommer Mann und wählte seinen Namen insofern durchaus zurecht. Und daß er bei mir bisher trotz aller dunkel erinnerten Kenntnisse positiv besetzt war, hing wohl vor allem mit dem wunderbaren Seesieg über die Türken bei Lepanto am 7. Oktober 1571 zusammen. Mit anderen Worten, dieser auch engstirnige Inquisitor hat vermutlich das Abendland vor der Herrschaft der Türken bewahrt. Insofern akzeptiert ein Teil von mir, daß er 1712 von Papst Clemens XI. heiliggesprochen wurde.

Ich will insofern den wohl begründeten Pragmatismus der Päpste in dem Bedenken von Realitäten nicht gering achten, allerdings hatten sie etwas entschieden vergessen:

„Und siehe, einer aus denen, die mit JEsu waren, reckte die Hand aus und zog sein Schwert aus und schlug des Hohenpriesters Knecht und hieb ihm ein Ohr ab.
Da sprach JEsus zu ihm: Stecke dein Schwert an seinen Ort; denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen.
Oder meinest du, daß ich nicht könnte meinen Vater bitten, daß er mir zuschickte mehr denn zwölf Legionen Engel?
Wie würde aber die Schrift erfüllet?“
Matthäus 26.51ff.

Johannes weiß, daß es sich dabei um Petrus handelte, den späteren ersten Papst. Aber es gibt anscheinend so etwas wie Gene, sie sich mit dem Amt weitertragen, und somit ebenso dessen Versuchungen. Wenn ich als Bischof von Rom die Wahrheit kenne, die die Menschen rettet, habe ich an ihr festzuhalten, bis zum Martyrium, aber es ist mir nicht aufgegeben, Kaiser zu spielen, das haben die Päpste zu lange vergessen. Ich gewinne keine Seele dadurch, daß ich den Körper auslösche, zumal, wie gewiß bin ich bei solcher Geisteslage eigentlich meiner eigenen Gewißheit?

Ach übrigens die Holländer, das ist in der Tat kurios: Das „Todesurteil“ empfanden sie womöglich eher als Theaterdonner (obwohl es auch bei ihnen das eine und andere beeindruckende Massaker gab, Haarlem etwa). Aber dann, und noch einmal o.g. Autor zitierend:

„Alba, der Philipp versprochen hatte, er werde einen klaftertiefen Goldstrom von den Niederlanden nach Spanien leiten, verfügte in einem Dekret, daß von allem beweglichen und unbeweglichen Besitz eine einmalige einprozentige Vermögenssteuer, von jedem verkauften Grundeigentum der 'zwanzigste Pfennig', also fünf Prozent, und von jeder verkauften beweglichen Ware sogar der 'zehnte Pfennig', also das das Doppelte erhoben werden solle." "Nun erst sagte sich das ganze Land von Spanien los, und es begann unter dem Schlachtruf: 'Lieber türkisch als päpstlich!' der große 'Abfall der Niederlande', der weltbekannte siegreiche Heldenkampf eines kleinen Krämervolkes gegen die größte Militärmacht des damaligen Europa."

Dienstag, 14. Februar 2012

Heimaturlaub




Bekanntlich bin ich hier eher zurückhaltend in Berichten von privaten Dingen, aber ich hatte heute einen angenehmen Anlaß, in Potsdam sein zu müssen. Der Herr, der hier so eindrucksvoll geflaggt hat, beging seinen 60sten Geburtstag, und die Veranstaltung hatte sehr verschiedene Facetten, Zeitreise, Gesellschaftsereignis, Plauderstunde, „memento moriendum esse“...

„Nein, dies ist kein Alptraum, es ist die Wirklichkeit“, meinte ich mehrfach, wenn ich mitunter auf Leute traf, die ich mindestens 10 Jahre nicht gesehen hatte. Begrenzt originell, ich weiß, aber irgendetwas muß man ja sagen. Doch es schmeichelt natürlich, wenn man offenkundig noch so weit wiedererkennbar ist, daß man mit Absicht angesprochen wird.

Da mir Namedropping zuwider ist und ich aus Anstand auch kaum Bilder machte, nur vom Jubilar zum Schluß und dem hier gut bekannten Herrn Roloff, will ich lediglich anmerken, ein interessantes Publikum, mit bisweilen skurrilen Zügen, wenn einen etwa ein bekannter ehemaliger Fernseh-Tatort-Kommissar fragt, ob man Millionär sei. Nein, eher noch nicht, doch vielleicht wollte er auch nur für einen wohltätigen Zweck sammeln.



Es bleibt erstaunlich, wie sich Menschen über die Zeit verändern oder auch nicht, manche verwittern einfach, in den Konturen nahezu unverändert, andere sind kaum in Erinnerung zu rufen, manche sind unbeirrt bemüht, jedes Segel auf dem alten Kahn zu setzen, um entsprechend durch die Säle zu segeln... Und dann die unerwartete Freude, zu sehen, wie sich jemand unglaublich zu seinem Vorteil entwickelt hat.

Ein Besuch Potsdams wirkt auf mich meist ausgesprochen entspannend. Dazu gehört ein Besuch von St. Nikolai. Unvermeidlich daher ein Blick auf die Stadtschloß-Neubaustelle, hm. Einerseits ist es natürlich ein Stück wohltuender Stadtreparatur, andererseits bin ich immer noch im Zwiespalt ob des Ergebnisses, nun ja.

nachgetragen am 15. 2.

Sonntag, 12. Februar 2012

Sonntag &


*Seufz! Das mit dem Wiedergewinnen der Routine ist wohl doch schwieriger als erwartet, wenn man einmal aus dem Gewohnten so ganz herausfällt... Aber da diese Sonntagsessensberichte immer so eine Art Fixpunkt waren, doch ein paar nachgetragene Worte. Ich hatte mich an Geschnetzeltem versucht, vom Schwein, mit Champignons. Dazu etwas, was ich schon einmal gelegentlich versucht hatte (meine Frau Mutter erinnerte sich dessen als eines der gelungeneren Gerichte, Hört! Hört!), Spinat geschmort mit Zwiebeln, Knoblauch und ebenfalls Champignons (sowie ein paar frischen Kräutern) und dann noch ein wenig mit Käse überbacken. Es sieht in der Tat merkwürdig aus, war aber durchaus eßbar.

nachgetragen am 13. 2.

Samstag, 11. Februar 2012

Zwischendurch


Ich bitte wirklich ganz demütig um Nachsicht bei denen, die hier vielleicht immer noch gelegentlich vorbeischauen. Und ich will auch nicht mit allzu kontingenten Bemerkungen auf die Nerven fallen. Zwei Bilder und ein Link. Oben findet sich eine Amsel, die nicht wie die anderen ca. 30 Vögel vor der Kamera flüchteten. Und unten ein Bild vom Dachboden, war wohl kürzlich wieder in morbider Stimmung. Der Link, ich habe einmal mehr versucht, etwas zu „Brideshead Revisited“ zu schreiben, nun ja.


Sonntag, 5. Februar 2012

Sonntag &




Es erleichtert es nicht unbedingt, eine Übung wieder aufzunehmen, wenn die zu berichtenden Ergebnisse nun ja sind. Gut! Die oberen Bilder bilden den vorletzten Sonntag ab. Wenn ich mich richtig erinnere, hatte ich versucht, Schweinefleisch mit Zwiebeln und Äpfeln zu schmoren. Dazu eine Sauce béarnaise (aus der Konserve, ich gestehe, mit Kapern und frisch gehackter Petersilie). Zu meiner Überraschung fand sie Gnade bei meiner Frau Mutter. Geschmorte Mohrrüben und Blumenkohl (das Dunkle ist der Muskat) als Gemüse. War im Ganzen doch zufriedenstellend. Außerdem kann man einen flüchtigen Blick auf die dann noch vorhandene Heilige Familie werfen.


Kurz zum zurückliegenden Sonntag: Ich hatte irgendwo gelesen, es sei eine wunderbare Idee, ein nahezu geleertes Honigglas (man kennt das, die Reste kleben in jedem Winkel und man überlegt, was zu tun) zum Verfertigen einer Marinade zu nutzen (in das Glas kamen also Balsamico-Essig, Olivenöl und getrocknete Kräuter), darin wurde ein kleiner Schweinebraten über Nacht eingelegt. Durch das Bild könnte man annehmen, da sei etwas angebrannt, ist es nicht.

Allerdings war da wohl doch zuviel Essig im Spiel, das Ganze hatte mehr die Anmutung eines Sauerbratens. Ansonsten eine ausbaubare Idee. Parallel dazu wurden ein paar Schnitzel auf Zwiebeln, Sellerie und kleinen Mohrrüben geschmort, nett gedacht, aber das Fleisch war nicht wirklich gut, jedenfalls erwies es sich als echte Herausforderung, die Sache zu zerkleinern. Ein durchwachsenes Bild also im Ganzen, aber wer nichts Unbekanntes versucht, kann auch nichts Neues erleben.

beendet am 6. Februar

Freitag, 3. Februar 2012

Brideshead Revisited

The south lawns at Castle Howard
hier gefunden

Der Herr Morgenländer hat mich dazu überredet, mit ihm und anderen in einem extra Blog ein paar Gedanken zu Evelyn Waughs "Brideshead Revisited" zusammenzutragen, eines der Bücher, die auf mich eine ungebrochene Faszination ausüben.

Ich fand meinen Beitrag offen gestanden im nachhinein recht bieder, aber ich bin eben halt auch ein schlichtes Gemüt, und schönen Dingen, die untergehen, konnte ich noch nie meine Sentimentalität vorenthalten, wie auch immer, man findet meinen Beitrag und den entsprechenden Blog eben dort.

Donnerstag, 2. Februar 2012

Mariä Lichtmeß

aus dem Menologion des Kaisers Basileios II.
hier gefunden

Dieser etwas verwaiste Ort soll jetzt also wiederbelebt werden; und ich hoffe, daß ich von ähnlichen Widrigkeiten vorerst verschont bleibe. Wir beginnen mit einem Beitrag von Herrn Roloff zu „Mariä Lichtmeß“, als Fest ebenso bekannt unter dem Namen „Darstellung des Herrn“ oder auch „Mariä Reinigung“. Merkwürdig, daß das Bibelwort, welches die Herrnhuter für heute ausgelost haben, ausgerechnet lautet:

„Ich will euch von all eurer Unreinheit erlösen.“ Hesekiel 36,29

Damit ist also der Weihnachts-Festkreis geschlossen und wir blicken auf Ostern, auch wenn das Wetter im Moment eher an Weihnachten erinnert, es schneit (zum ersten Mal seit Wochen), und jetzt folgt Herr Roloff:


Gedanken zu Mariä Lichtmess
im 800. Jahr der Kirche St. Marien und Willebrord zu Schönhausen


In loser Folge soll im Jubiläumsjahr der Schönhauser Kirche unter Bezugnahme auf Feste und Gedenktage die Geschichte und das Glaubensleben des Ortes und seiner Menschen in Erinnerung gerufen und beleuchtet werden. Die Reihe beginnt mit dem 2. Februar, dem Festtag Mariä Lichtmess.

Die großen Feste der christlichen Kirche werden nicht nur an zwei Tagen gefeiert, sondern geben immer auch einer ganzen Zeit ihr Gepräge. Es braucht eine Vorbereitungsfrist. Diejenige des Weihnachtsfestes ist der Advent. Er wird als Fastenzeit begangen und soll uns bereit machen, das Wunder der Menschwerdung Gottes mit geläutertem Herzen anzunehmen. Dem eigentlichen Geburtsfest am 25. Dezember folgt eine ganze Reihe weiterer Gedenktage wie derjenige der unschuldigen Kinder von Bethlehem, das Fest der Beschneidung Jesu am Neujahrstag und das Epiphaniasfest.

Diese verdeutlichen auch, dass sich alles nach der im jüdischen Gesetz festgelegten Ordnung vollzieht. Der Knabe wird geboren, am achten Tag seines Lebens durch die Beschneidung in den Bund des Gottes Abrahams aufgenommen und am 40. Tag nach seiner Geburt im Tempel dargestellt. 40 Wochen dauerte die Schwangerschaft, 40 Tage dauerte es bis zur Reinigung der Mutter. Erst dann durfte sie mit dem Kinde vor dem Priester erscheinen und ihr Opfer darbringen.

Dieser alte Name des Festes, Reinigung Mariä, macht auch noch auf etwas anderes aufmerksam. Die Reinigung der Mutter war nach jüdischer Vorstellung notwendig, weil durch die Geburt eines Kindes ein ursprünglicher Zustand aufgehört hatte, etwas Gewesenes zu Ende gegangen war, eine Einheit zerriss. Nach christlichem Glauben verlor aber Maria ihre Ursprünglichkeit und Reinheit durch die Geburt des Kindes nicht. Das verstehen wir unter dem Glaubenssatz von der Jungfrau Maria.

Maria bedurfte also der durch das Gesetz vorgeschriebenen Reinigung nicht, sondern unterwarf sich ihr lediglich aus vollkommenem Gehorsam. „Daraus sollten wir lernen, uns auch nicht über das Gesetz zu erheben, auch wenn es über uns keine Macht mehr hat, sondern uns freiwillig unter das Gesetz zu beugen“, so predigte Martin Luther am Lichtmesstag 1546 nur zwei Wochen vor seinem Tod.

An dieses Geschehen erinnert also das Fest Mariä Lichtmess und schließt damit die Weihnachtszeit ab. Die Eltern Jesu begegnen im Tempel Simeon, der das Jesuskind auf den Arm nimmt und ihn als den Heiland preist. Simeon nennt Jesus ein Licht, das die Heiden erleuchten soll. In dieser Erzählung des Evangelisten Lukas ist sicherlich der Anhaltspunkt dafür gegeben, dass die christliche Tradition ein Kerzenopfer geschaut hat und das Fest seit dem 4. Jahrhundert als Mariä Lichtmess begeht. Der Mutter wiederum hat er verheißen, dass durch ihre Seele ein Schwert gehen würde, und damit einen ersten Hinweis auf das Leiden des Sohnes gegeben.

Kein anderer Mensch ist dem Geschehen um Jesus so nahe gewesen, wie seine Mutter es war. Die natürliche Verbindung zwischen Mutter und Kind wird unendlich vertieft durch die gemeinsame Erfahrung des Leidens. Maria wurde so zum Vorbild des Glaubens aber auch zum Urbild der Kirche, die nichts anderes sein kann und will als konkrete und Leben bestimmende Gemeinschaft mit Jesus.

Zu allen Zeiten wurde Maria in der Kirche darum auch eine besondere Verehrung zuteil. Unzählige Marienkirchen sind dafür ein überzeugender Ausdruck. Zu ihnen gehört auch das romanische Gotteshaus von Schönhausen, das 2012 800 Jahre alt wird. Nicht auszuschließen ist es, dass das Patronat der Gottesmutter für den Ort bereits Ende des 12. Jahrhunderts durch die Tempelritter begründet wurde, die im Dorf ein Haus unterhielten, in dem sich auch eine Kapelle befand. Auf seinen Mauern ist dann später das Schloss errichtet worden. Der Gottesmutter baute man in unmittelbarer Nachbarschaft die 1212 geweihte Kirche. Maria ist also bereits seit über 800 Jahren in unserem Ort an der Elbe zu Hause.

Thomas Roloff