John William Waterhouse
Echo and Narcissus
Nicht weit von hier, in Sommerstorf, wurde Johann Heinrich Voß am 20. Februar 1751 geboren, ein verdienstvoller Landsmann, an den ich gelegentlich erinnert habe, etwa hier. Vor allem hat er uns Deutschen die antike Dichtung nahegebracht (auch wenn uns seine Sprache heute mitunter etwas zu bieder und angestaubt erscheinen mag, wer weiß wie unsere den Nachfahren einmal erscheinen wird). Und wie ich schon gestern andeutete, gibt es Zeiten, zu denen man zwischen sich und der Gegenwart einen großen geistigen und also auch zeitlichen Abstand setzen möchte, soweit das vorübergehend geht. Also vernehmen wir ein Stück aus der berühmten traurigen Geschichte von Narziß und der Nymphe Echo, so wie sie uns Publius Ovidius Naso berichtet. Das ganze Kapitel findet sich an diesem Ort.
Narcissus und Echo
Und die Verachtete schlüpft in den Wald; ihr errötendes Antlitz
Deckt sie mit Laub, und lebt seitdem in einsamen Grotten.
Dennoch haftet die Lieb', und wächst von dem Schmerze der Weigrung.
Wachsame Sorge verzehrt den schwindenden Leib zum Erbarmen;
Ganz verschrumpft ihr die Haut vor Magerkeit; und es entfliegt ihr
Jeglicher Saft in die Luft; nur Laut und Gebeine sind übrig.
Tönend bleibet der Laut; das Gebein wird in Felsen verwandelt.
Immer noch lauscht sie im Wald', und nie auf dem Berge gesehen,
Wird sie von allen gehört; ein Nachhall lebet in jener.
So nun hatt' er die Echo, und so in Gebirge und Fluten
Andere Nymphen gehöhnt, und so der Jünglinge Sehnsucht.
Jetzo streckte die Händ' ein Verachteter flehend zum Äther,
Und: So lieb' er denn selbst! so werd' er nicht froh des Geliebten!
Betet' er. Beifall gab dem Gebet die rhamnusische Göttin.
Dort war ein lauterer Quell, mit silberhellem Gewässer,
Welchen nimmer ein Hirt, noch weidende Ziegen der Berghöh'n,
Angerührt, noch anderes Vieh; den nimmer ein Vogel
Oder ein Wild getrübt, noch ein abgefallener Baumzweig.
Ringsher grünete Gras, von der feuchtenden Welle genähret;
Rings verbot ein Gebüsch der wärmenden Sonne den Zugang.
Hier einst ruhte der Knabe, von Jagdlust müd' und Erhitzung,
Hingestreckt; ihn lockte der Quell und die Schöne der Gegend.
Während den Durst zu löschen er strebt, wächst anderer Durst nach.
Während er trinkt, von dem Bilde gesehener Reize bezaubert,
Lieber er nichtigen Trug; und Leib erscheint ihm der Schemen.
Selber staunt er sich an; unbewegt in einerlei Stellung
Haftet er, wie ein Gebild aus parischem Marmor gemeißelt.
Gierig schaut er, im Grase gelehnt, zwei Sterne, die Augen;
Schaut, wie wert des Lyäus, wie wert des Apollo das Haar sei,
Wie unmännlich die Wang', und wie schimmernd der Hals und die Anmut
Seines Gesichts, wie gesellt zur schneeigen Weiße die Röte;
Alles bewundert er selbst, was er selbst der Bewunderung darbeut.
Sich verlanget der Tor; und der Lobende ist der Gelobte.
Suchend wird er gesucht; und zugleich entflammt er und brennt er.
Oftmals naht' er umsonst dem täuschenden Borne mit Küssen;
Oftmals mitten hinein, den gesehenen Hals zu umfangen,
Taucht' er die Arm in die Quell' und haschte sich nicht in dem Quelle.
Was ihm erschein' unkundig, entlodert er von der Erscheinung;
Und derselbige Wahn, der sie anlockt, täuschet die Augen.
Was, Leichtgläubiger, fängst du umsonst ein entfliehendes Gleichnis?
Nirgend ist, was du begehrst; das Geliebte, wende dich! schwindet.
Was du erblickst, ist Schatten des widerstrahlenden Bildes.
Nichts hat jenes von sich; mit dir nur kommt es, und weilt es;
Auch entweicht es mit dir, wenn du zu entweichen vermöchtest.
Nicht der nährenden Kost, nicht kann die Sorge der Ruhe
Jenen von dort abziehen. Im dunkelen Grase gelagert,
Schaut er den trügenden Reiz mit unersättlichem Anblick,
Selbst von den eigenen Augen verzehrt...
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