Donnerstag, 24. Dezember 2020

Gesegnete Weihnachten!

 



Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, daß der König der Ehren einziehe!
Psalm 24.7

Heinrich Schütz, "Machet die Tore weit", 
Dresdner Kreuzchor unter Rudolf Mauersberger, 1965, hier gefunden

Heinrich Grimm, "Machet die Tore weit", 
Instrumenta Musica, hier gefunden



Gesegnete Weihnachten!

Möge der Friede Gottes uns alle bewahren.

Der Engel des HErrn lagert sich um die her, so ihn fürchten, und hilft ihnen heraus. 

Psalm 34.8

Dienstag, 22. Dezember 2020

Schloßkirchen-Bilder

 








...vom letzten Sonnabend. Danach wurde es dann ja mehr düster, so daß uns die aktuelle Stern von Bethlehem-Konstellation (die „Große Konjunktion“ von Jupiter und Saturn) leider verborgen bleiben mußte und gewissermaßen nur im Gemüt aufscheinen kann. 

Montag, 21. Dezember 2020

Über die Jünger Behemoths oder Neuigkeiten von St. Martini zu Bremen

Ary Scheffer, Margarete verläßt die Kirche, 1838,  hier gefunden

Die gegenwärtige evangelische Kirche, die kichernd jede Häresie zur Kenntnis nimmt, so wie der Teufel wohlgefällig auf jedes gefallene Schaf schaut, kann aber durchaus auch die Wattebäuschchen beiseite legen und weiß sich recht zu wehren, wenn der Fundamentalismus sein erschröckliches Haupt hebt.

"Liebe St. Martini Gemeinde,

in seiner Sitzung am 10. Dezember hat der Kirchenausschuss der BEK den Beschluss gefasst, Pastor Latzel mit sofortiger Wirkung vorläufig des Dienstes zu entheben. Als Begründung wurde u. a. angeführt, dass er mit seinen Aussagen zum biblischen Verständnis gelebter Homosexualität der Kirche Schaden zugefügt hätte.

Eine Anhörung des Pastors zu diesem Beschluss fand am Mittwoch, dem 16. Dezember statt. Zu diesem Termin wurde Pastor Latzel eine Vereinbarung vorgelegt, mit der er seine Zustimmung zum sofortigen ruhen lassen des Dienstes geben sollte. Die Vertreter des Kirchenausschusses, die an der Sitzung teilnahmen, Frau Bosse, Herr Dr. Kuschnerus und Herr Dr. Noltenius, stellten unseren Pastor vor die Wahl, die Vereinbarung zu unterschreiben und damit das Ruhenlassen seines Dienstes oder die vorläufige Enthebung aus dem Dienst seitens des Kirchenausschusses entgegenzunehmen.

Bei beiden Möglichkeiten wäre eine Weiterführung des Dienstes ausgeschlossen gewesen, weder Predigten, Bibelstunden, Konfirmandenunterricht oder Seelsorge. Vor diese nicht wirklich existierende Wahl gestellt, entschied sich Pastor Latzel dazu, nun nicht auch noch sein schriftliches Einverständnis zur faktischen Dienstenthebung zu geben. Daraufhin wurde die gegen ihn erlassene vorläufige Dienstenthebung in Kraft gesetzt.

Das bedeutet nun, dass Pastor Latzel durch die Landeskirche seines Dienstes vorläufig enthoben ist. Ein aus unserer Sicht, ungeheuerlicher Vorgang..."

Stellungnahme des Vorstandes der St. Martini Kirchengemeinde

Das Zauberwort der Jünger Behemoths – die Liebe. Denn wer ihnen widerspricht, was muß den treiben? Der Haß natürlich.

„Selbstlosigkeit und Selbstständigkeit gehen also Hand in Hand. Christen können frei glauben, denken und handeln und sich nicht auf Gehorsam oder geistliche Autoritäten berufen. Deshalb widerspricht es grundsätzlich der evangelischen Freiheit, wenn man moralische Normen unmittelbar aus Anordnungen Gottes oder Bibelversen herleitet. Das wäre ein Gebots-Fundamentalismus. Vielmehr sind Menschen frei, selbst zu beurteilen und miteinander auszuhandeln, was im Sinne der Liebe jeweils das Richtige ist.“

Schriftführer der BEK, Pastor Dr. Bernd Kuschnerus, in seiner öffentlichen Botschaft zum Reformationstag 2020 

Ary Scheffer, Faust und Margarete im Garten, 1846, hier gefunden

Solche Worte sind bewußt unklar, Worte-Vernebelung aus Täuschungswillen? Aber selbst dafür sagen sie dann genug. Von gleicher Art, nur natürlich um Jahrhunderte armseliger in Worte gefaßt, wie sich Dr. Faustus herauszuwinden versuchte, auf die Frage Gretchens. „Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?“. Worauf Faust:

Mißhör’ mich nicht, du holdes Angesicht!

Wer darf ihn nennen?

Und wer bekennen:

Ich glaub’ ihn.

Wer empfinden?

Und sich unterwinden

Zu sagen: Ich glaub’ ihn nicht.

Der Allumfasser,

Der Allerhalter,

Faßt und erhält er nicht

Dich, mich, sich selbst?

Wölbt sich der Himmel nicht dadroben?

Liegt die Erde nicht hierunten fest?

Und steigen freundlich blickend

Ewige Sterne nicht herauf?

Schau’ ich nicht Aug’ in Auge dir,

Und drängt nicht alles

Nach Haupt und Herzen dir,

Und webt in ewigem Geheimniß

Unsichtbar sichtbar neben dir?

Erfüll’ davon dein Herz, so groß es ist,

Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,

Nenn’ es dann wie du willst,

Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!

Ich habe keinen Nahmen

Dafür! Gefühl ist alles;

Name ist Schall und Rauch,

Umnebelnd Himmelsgluth.“


Darauf Margarete so treffend:

„Das ist alles recht schön und gut;

Ungefähr sagt das der Pfarrer auch,

Nur mit ein Bißchen andern Worten.“


Der Unterschied dazu ist heute. Nun spricht auch der Pfarrer so.

James Tissot, Faust und Margarete im Garten, 1861, hier gefunden

Anmerkungen

Lieber hätte ich angesichts des bevorstehenden Festes der Erscheinung des Herrn dankbar an etwas weitergeschrieben, zu dem ich mich endlich aufzuraffen vermochte. Aber die Betreiber der BEK hat das auch nicht geschert, also warum zuwarten. Den Anfang der jetzigen Eskalation um Pf. Latzel habe ich hier erschöpfend, denke ich, beschrieben. So man der Stellungnahme des Kirchenvorstands folgt, erfährt man die Einzelheiten.

Diese Stellungnahme zitiert Epheser 6, 10ff. Nicht zu unrecht. Denn man hört geradezu eine Stimme: „Ihr könnt sagen: Ihr habt den Glauben, aber wir haben die Macht!“ Ja! Wessen? 

Früher einmal haben Gleichgesinnte und ich an solchen Stellen die aufrichtige Konfrontation gesucht (bei diesem Anlaß etwa). Aber auch dort war schon zu lernen: Eine Reaktion wird immer in der aktuell gültigen Währung erfolgen, also der des Gefühls. Solche wurden verletzt, und das zählt. Warum eigentlich? Doch es ist das Instrument, mit dem heute operiert wird. Es wird nie um so etwas wie Zeugnisse der Schrift, aufgetragene Bekenntnisse et cetera gehen. Wahrheit in Fragen des Glaubens? Wie vorgestrig und fade.

Um die Sache etwas schwieriger zu machen. Auch mir gefällt so einiges an der Hl. Schrift nicht und will sich nicht in mein Wohlfühlweltbild fügen. Aber dann liegt u.a. die Not der Rechtfertigung bei mir, nicht andersherum. Hier geht es um Fundamente und tragende Pfeiler.

Dieser Dr. Kuschnerus meint, in Sachen des Glaubens sei „auszuhandeln, was im Sinne der Liebe jeweils das Richtige ist“. Das ist sozusagen religiöser Rechtspositivismus mit einem Hauch von Sentiment. Dann ist „wahr“, was eine willkürliche Mehrheit gerade als solches empfindet. Wobei dieses „wahr“ inzwischen, als zu exklusiv, schon längst ebenfalls als anstößig dasteht.

Die Erscheinungen zeigen sich dem, der sehen will. Ein letztes Mal Goethes Faust:

Mephistopheles:

"Und die Physiognomie versteht sie meisterlich“. 

Physiognomien. Das molluskenartig in sich Verschwimmende gegen das harte Kantige. Das, das alle Male der Auflösung auf dem selbstgefälligen Leib trägt, gegen den, der kämpft.

Es sind verlorene Seelen.

King's College Cambridge 2014

The Lamb, John Tavener, hier gefunden


John Tavener, The Lamb, The Erebus Ensemble, hier gefunden

Samstag, 19. Dezember 2020

Ein kleiner Wegweiser für die Ewigkeit II

 

William Blake Richmond, The Gods at Play


Dies nun ist die Fortsetzung einer Erzählung davon, wie Ewigkeit erfahrbar wird. Der vorige Teil sah gewissermaßen den euphorischen Zugang, das Fragment, das Ganzheit antizipierend, diese ahnbar macht. Wir endeten:

Der unvollständige Akkord dieses Lebens wird dort aufgehoben, vollendet und aufgelöst. Dieses Leben ist Ahnung und Erinnerung einer Harmonie, deren Unvollständigkeit gespürt ist, aber nicht als ein Entgegen-Stehendes, Abweisendes mißverstanden wird, sondern als ein abgebrochener Anfang. 

Das Wirkmächtige der Erfahrung. Das Wirkliche verweist auf etwas jenseits des Zeitlichen, Ausgesetzten. Als Seiendes, das in unsere fragmentarische Existenz einbricht, aber dessen Wahrheit und Andauern ohne Zweifel bleibt.

Die Sehnsucht des Fragments nach Vollständigkeit? Auch, aber im Ungenügen flackert die Ahnung des Genügens auf. Das Vollständige im Unvollständigen. Das Fragmentarische nicht als Scheitern oder Verfall, sondern als Anfang eines unendlichen Abenteuers.

Die Frage, die sich ihres Sinns und Grunds bewußt wird. Und nicht zuletzt eine Trauer, die nicht dem Auslöschen verfallen will, sondern widerstehen, den Ort suchend, an dem die Fülle des Verbunden-Seins aufgehoben bleibt.

Nur die klassische Jenseitshoffnung?

Nicht, daß wir uns nun mit dieser Frage beschäftigen wollten. Wir wechseln einfach zu einer mehr schattenhaften, ernsteren Art des Zugangs (doch stehen ja 2 weitere Teile noch aus). Es ist eine eher düstere Variante, sich der Ewigkeit zu nähern.

Caspar David Friedrich, 2. Fassung von „Eiche im Schnee“, 1827

hier gefunden


2. Das Zurückziehen oder die Windstille der Seele

Hans Makart, Dante und Vergil im Inferno, ca. 1863 - 1865

 hier gefunden


Oskar Loerke


Abseits


Abseits bin ich nicht gegangen. 

Abseits hält mich doch umfangen

Zittergras,

Schrott und Schutt.


Von Erstreben und Gebühren,

Schicksalschube, Lebensführen

Schweigt der Tod

Auf der Statt.


Babylon ist oft vergangen,

Sonne wärmt im Schutt die Schlangen -

Bei dem Klang

Schlief ich ein.


Johann Heinrich Füssli, Der Nachtmahr, hier gefunden


Georg Trakl


Der Schatten


Da ich heut morgen im Garten saß -

Die Bäume standen in blauer Blüh,

Voll Drosselruf und Tirili -

Sah ich meinen Schatten im Gras,


Gewaltig verzerrt, ein wunderlich Tier,

Das lag wie ein böser Traum vor mir.


Und ich ging und zitterte sehr,

Indes ein Brunnen ins Blaue sang

Und purpurn eine Knospe sprang,

Und das Tier ging nebenher.



Johann Heinrich Füssli, Die drei Hexen, 1783, hier gefunden

Zwei Wege eigentlich. Nennen wir den einen vorläufig Resignation. Eine Versuchung, der nachzugeben nahe liegt. Die Zeitlosigkeit, in die ein versteinertes Herz eintritt, an dem die Eitelkeiten der Welt abtropfen wie Winterregen an einer halb verwitterten Statue. Die Welt ist eitel und nichtig. Streben und Ehrgeiz des Menschen sind durchschaut und verworfen. Die Welt wird durchsichtig, aber dahinter nur Leere. Dieser Frieden hat etwas von einem vorweggenommenen Tod.

Es ist eine Abwehr der Welt durch deren Entwirklichung. Die Entwirklichung, nachdem zuerst erfahren, wird dann zu einer Quelle von Freiheit und Unabhängigkeit, in einer mehr freudlosen Variante allerdings. Wir haben hier eine Erfahrung von Ewigkeit, die zum Negativen hintreibt, wo die Fesseln des Zeitlichen von der Seele abfallen. Eine solche Neigung mag Menschen etwa zum Buddhismus oder dem Stoizismus führen. Eine Art von trostlosem Trost.

Der andere Zugang: Freiheit gewonnen aus dem Entdecken von Doppelbödigkeit – das Vertraute erweist sich als trügerisch bodenlos, haltlos, die Wirklichkeit offenbart ihre Unwirklichkeit. Ein Riß tut sich auf, hinter dem das Ewige spürbar wird oder das Auflösende, das Aussichtslose, das Nichts. Eine Frage der Seelenstärke. Die erste Variante wäre fast noch eine Spur hoffnungsvoller als die eingangs durch das Fragment Bezeichnete, die andere um so weniger.

Mittwoch, 16. Dezember 2020

Wer errichtet das nächste Monte Cassino?

Der hochwohllöbliche Herr Wendt hat, wir immer kenntnisreich, sich eines betrüblichen Themas angenommen. Fassen wir es so zusammen – die bundesdeutsche Kanzlerin und die Bildungsmisere.

Mich beschäftigten mehr seine „Nebengedanken“ oder sagen wir es anders, seine Beobachtungen entfernter vom Ausgangsthema:

„Anders als die bis ins Jahr 2100 projizierten Globalklimaveränderungen, die bekanntlich den Umbau einer ganzen Industriegesellschaft erzwingen, anders als die angeblich essenzielle Bedrohung durch Rechte und Rassisten, zu deren Abwehr die Bundesregierung ganze Forschungsverbünde errichtet und eine Milliarde Euro spendiert, gehört die Bildungserosion in Deutschland zu den Fußnoten.“

Er zieht dann einen Vergleich zur Reaktion der DDR-Behörden auf den Verfall der Altbausubstanz:

„Irgendwann ließ sie sich nicht mehr kaschieren, andererseits bröckelten die Gründerzeithäuser zwar, fielen aber nicht sofort um, der Niedergang ließ sich also zeitlich strecken. Die Frage, welche Verhältnisse dazu geführt hatten, und was sich denn ändern müsste, um den Bestand zu retten, hätte das Selbstverständnis der wortwörtlich Verantwortlichen zu stark angetastet.“ Die Funktionäre lobten lieber sich selbst und „die verdienten Flickschuster des Volkes dafür, das Niveau noch ganz gut gehalten zu haben“. Ein Stück über dem Weltniveau lag man immer noch sowieso.

Und jetzt kommt er zu einem entscheidenden Punkt: „Bei den Gründerzeitvierteln der DDR wie den Bildungsbeständen liegt das Problem tief eingebettet im Verfallsobjekt: Es richtet sich schon in seiner bloßen Existenz gegen die politischen Überzeugungen der jeweiligen Verweser. Beide Objekte stammen aus vergangenen Epochen, also Zeiten der Falschheit. Und zu retten wären sie nur durch Restauration. Restauration der Vergangenheit wiederum ist so ungefähr das Verkehrteste, was jemand aus Sicht der Erwachten und Wohlmeinenden heute fordern, geschweige denn betreiben kann.“

Im Grunde könnte man hier abbrechen. Es ist bereits alles gesagt. Also nur noch nachfolgende Marginalien.

Ein Direktor des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie macht als Ursache des Übels aus, „den ‚Kulturkampf des Bildungsbürgertums, der bis in die Kultusministerien hineinreicht‘, der sich gegen den Fortschritt an sich stemme, gegen den ‚Abschied vom Wissenskanon der Vergangenheit.‘“.

Herr Wendt gewinnt hier an Schwung: „Den Wissenskanon der Zukunft kann niemand kennen. Die Gegenwart, eingeklemmt zwischen Vergangenheit und Zukunft, ist zu schmal, um einen eigenen Kanon hervorzubringen. Ausnahmslos alles, was an Schulen und Universitäten gelehrt wird, von Algebra, dem Periodensystem und der Elementarteilchenphysik über die Grammatik bis zur Geschichte – alles gehört zwangsläufig zum Wissenskanon der Vergangenheit. Wenn der Direktor eines Forschungsinstituts empfiehlt, sich davon zu verabschieden, dann gehört das in die Chronik, auch wenn kaum jemand seinen Namen kennt. Es reicht, dass seine Empfehlung befolgt wird.“

Er konstatiert weiter „ein generelles Klima, das nicht mehr nur durch Gleichgültigkeit bestimmt wird, sondern durch eine obsessive Bildungsverachtung“. „So, wie die Gründerzeitbauten in der DDR aus dem kapitalistischen Erbe stammten, das ja gerade überwunden werden sollte, steht der Bildungskanon mit seinem Bildungsbegriff für das alte Europa der alten, weißen, zu männlichen und zu bürgerlichen Kunst und Wissenschaft, mit anderen Worten, für alles, das von den Kräften zwischen Kanzleramt und Grüner Jugend längst zum Abbruch freigegeben wurde“.

Er erwähnt, nein nicht Radio Tirana, das lebt in dieser Form nur noch in der glucksenden Erinnerung, sondern den „Deutschlandfunk“ (daß dieser Name immer noch durchgeht, wo er doch so sehr, nun ja, das Gegenteil von inklusiv ist), der ist in der Tat inzwischen eine Nummer für sich, keine Satire könnte so etwas erfinden. Der nämlich stellte zum Hamburger Bismarck-Denkmal die Frage: „Abreißen oder umgestalten?“.

Herr Wendt: „So lauten die Alternativen mehr oder weniger für die gesamte Vergangenheit.

Wobei es noch eine dritte Möglichkeit gibt, einen Kompromiss aus beiden, nämlich den Verfall. Was die Umgestaltung von Denkmalen betrifft: Sie wird beispielsweise von dem ‚Künstlerkollektiv Peng!‘ öffentlich gefordert, hauptsächlich, um Deutschland für seine koloniale Vergangenheit zu strafen; unterstützt werden die Peng-Kollektivisten unter anderen von der Staatsministerin für Kultur Monika Grütters.“

Er skizziert dann ein Gesamtbild - ein Bildungsforschungsinstituts-Direktor, der den einzig denkbaren Wissenskanon für Ballast hält, einen „Bildungsstaatssekretär, der den Abstieg im internationalen Vergleich im BWL-Erstsemesterjargon als Niveauhalten bejubelt“, „talibaneske Redakteurinnen eines Kultursenders“ und eine Talkshowmatadorin und Politikberaterin namens Ulrike Guérot, „die empfiehlt, weniger Mathematik zu wagen. Weil das guttut“. Das Bild komplettierten Grünen-Spitzenpolitikerinnen, die wüßten, daß sich Elektroenergie im Netz speichern läßt, „dass Bienen und Schmetterlinge den klügsten Personen des Landes zuhören, und deren esoterisches Meinen & Fühlen mittlerweile aus fast jeder öffentlich-rechtlichen Sendung und jeder Aufführung des permanenten Kirchentags im Berliner Regierungsviertel trieft.“

Wie immer fragt sich der besorgte Zeitgenosse: Wer steckt hinter sowas? Aber in der Tat, so leicht liegt die Sache nicht. Da ist eher eine unverzichtbare Statik ins Wanken gebracht worden. Schließlich bringt nur der vollständige Untergang das unerhörte Neue hervor et cetera pp ad nauseam. Da ist „kein Komitee im Hintergrund“. Es handele „sich eher um einen sich selbst beschleunigenden Prozess, in dem wie bei einem Lawinenabgang eins zum anderen kommt. Ein Profiteur der Entwicklung muss noch lange kein Strippenzieher sein. Natürlich gibt es Profiteure. Wer fragt, ob Annalena Baerbock insbesondere an dem naturwissenschaftlichen Bildungsverfall interessiert ist, kann genauso gut fragen, ob Fische Interesse an Wasser haben“. 

Die Frage sei lediglich „wie lange die Lawine rollt, und was sie auf ihrem Weg noch mitnimmt“.

Unter den Kommentaren fand ich einen, dessen Urheber sich den Namen „pantau“ gab, auffallend. Das totale „süße Lied der Destruktion“ mache ihn mutlos. Wahrheit und Wirklichkeit bedeuteten stets ein Verletzungsrisiko, jede echte Erfahrung sei ein kleines Trauma. Wer all das beseitigen wolle, müsse das Leben terminieren. Und resignierend: „Man muss nicht so sehr die widerständigen Klugen bestrafen, man muss nur die Blöden belohnen und ihnen Macht geben. Und das findet seit langer Zeit mit einer Ausnahmslosigkeit und Effizienz statt…“.

Herr Wendt hat wieder einmal Bausteine zur Beschreibung dieses Zeitalters geliefert. 

Und nun? Gefühle sind billig, jeder kann sie beliebig haben. 

Frans Vervloet, Monte Cassino, vor 1872, hier gefunden

Während Benedikt von Nursia zweifelsohne bemerkte, daß es mit allem, wofür die antike Welt im höheren Sinne stand, gerade vermeintlich für immer zu Ende ging, gründete er im Jahre 529 Monte Cassino. Sinnfälligerweise waren es die Alliierten, die es im Februar 1944 weitgehend zerstörten.

Monte Cassino nach dem Bombenangriff im Februar 1944, von hier

Alle Tendenzen und Phänomene, auf die Herr Wendt deutet, leben von der Zerstörung. Sie haben keine eigene Substanz.

Was bleibt also? Die Handlanger des Üblen ärgern mit dem, wo es sie trifft: Wiedergewinnen und Wiederherstellen, wo es einem gegeben ist. Sie schreckt jede Spur des Schönen und Beständigen, die wieder auflebt. Das kulturelle Gedächtnis am Leben erhalten. Und der Herr der Zeiten mag es fügen, daß sich dafür auch neue Orte finden.

Monte Cassino, Krypta, hier gefunden

Die Eingangsbilder stehen für Erinnerungen an den Januar 2009.


Berlin, Gendarmenmarkt, um 1900, hier gefunden

Noch zu dem Vorigen

Tatsächlich schwankten die Betreiber der DDR immer zwischen Vernachlässigung und mutwilliger Zerstörung auf der einen und Selbstbeschmückung nach Art einer Trophäensammlung auf der anderen Seite. Das zerstörte Potsdamer Stadtschloß gegen das stolz vorgezeigte Sanssouci, die Wiedergewinnung der Semper-Oper in Dresden und des innen sogar historisierend wiederhergestellten Schauspielhauses in Berlin.

Dahinter stand wohl ein eher instabiles Selbstbewußtsein. Neben dem Willen zur Zerstörung gab es den des Anerkannt-Werdens, das Bemühen um Legitimierung durch einen „fortschrittlichen“ Traditionsstrang, dessen Höhepunkt man darstellen wollte, der aber etwa auch die Steinschen Reformen und die Befreiungskriege und zum Ende hin sogar Friedrich den Großen mit einschloß. Eine Art von Bemächtigungsstrategie. 

Das alles ist bei den Epigonen von heute völlig weg. 

Berlin, Schauspielhaus, Großer Saal, hier gefunden

nachgetragen am 17. Dezember