„Die Gier ist immer das Ergebnis innerer Leere.“ So hat es Erich Fromm einmal formuliert. Diese Gier ist es gewesen, die sich eine Finanzwirtschaft schuf, die gegen jede Vernunft inzwischen von der Realwirtschaft weitreichend entkoppelt ist. In ihrer Gier glauben Menschen gerne, dass man wirklichen Reichtum schaffen kann, wenn man nur das Geld vermehrt. Nicht ohne Grund lässt Goethe es Mephisto sein, der in seinem Faust dem Kaiser diesen Glauben einflüstert. Eine Welt, deren einziger verbliebener Wert das Geld ist, wird nun aber erkennen müssen, dass sie bereits lange vor diesem verzweifelten Kampf, in dem sie den Wert des Geldes noch zu verteidigen glaubt, bankrott gegangen ist.
Nun zieht ein Problem das andere nach. Der Euro droht unter den wachsenden Schulden in die Knie zu gehen, auch Aktienkurse gehen manchmal in die Knie, und mancher Mensch wird von der Last der Probleme in die Knie gezwungen. Wenn etwas in die Knie geht, dann hat es die Probe nicht bestanden, die Währung nicht, die Wirtschaft nicht und auch der Mensch nicht. Am Ende sind sie alle die Opfer ihrer eigenen Taten. Der letzte Akt in diesem Spiel ist dann immer die Suche nach den Schuldigen, nach den Sündenböcken.
Aus ganz anderen Gründen geht der Apostel in die Knie. Im Brief des Paulus an die Epheser heißt es in dem Abschnitt, der zum Sonntag Exaudi gehört: „Derhalben beuge ich meine Knie vor dem Vater, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus wohne durch den Glauben in euren Herzen und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet werdet, auf dass ihr begreifen möget, welches da sei die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe; auch erkennen die Liebe Christi, die doch alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit aller Gottesfülle.“ (Eph 3, 14-19)
Hier geht jemand in die Knie, weil er den gefunden hat, der größer ist als der Mensch, und den wir bitten dürfen, damit er unser Dasein erfüllt. Wer nämlich mit der Liebe Christi und mit aller Gottesfülle erfüllt ist, der kann nicht Opfer innerer Leere werden. Er wird also immer finden, was er anderen Menschen geben kann. Dieser Mensch trachtet nicht ständig gierig darauf, was er sich nehmen könnte, um seine innere Leere zu füllen. Hier geht jemand in die Knie, um in richtiger Weise zu handeln, und nicht, weil er am Ende ist.
Der Sonntag Exaudi hat seinen Namen vom ersten Wort aus dem zur Liturgie gehörenden 27. Psalm: Exaudi, Domine, vocem meam, qua clamavi ad te; miserere mei, et exaudi me! (Höre, Herr, meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und erhöre mich!) Er verbindet das Himmelfahrtsfest mit Pfingsten, das wir in der nächsten Woche feiern werden. Der auferstandene Christus hat seinen Thron bestiegen und sendet den Heiligen Geist, um die Welt zu regieren.
Weil das so ist, erschöpft sich unser Leben nicht in den Grenzen der Zeit, und es endet nicht im Tod. Weil das so ist, bleibt nicht der Tod das Prinzip dieser Welt, in den am Ende alles verschlungen wird, sondern es ist das Prinzip des Lebens, es ist die Kultur des Lebens aufgerichtet. Das Leben, der Lebendige, gibt allen Dingen seine Ordnung und ihren Sinn. Nur aus diesem Prinzip heraus begreift der Mensch wirklich die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe der Schöpfung, und er begreift sich selbst als ein Ebenbild von Gottes Lebendigkeit. Nur darin wird die Leere bezwungen, deren eigentliche Wirklichkeit der Tod ist.
Thomas Roloff
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