Sonntag, 18. Juli 2010

Predigt zum VII. Sonntag nach Trinitatis in St. Nikolai zu Potsdam



Predigt zur Feier des VII. Sonntags nach Trinitatis 2010 in St. Nikolai zu Potsdam

Apg. 2, 42-47

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,

vier Türme schmücken den mächtigen und nun wieder so schön restaurierten Bau unserer Nikolaikirche, und vier Merkmale nennt uns Lukas in seiner Apostelgeschichte im heutigen Predigttext, an denen man die christliche Gemeinde erkennen könne.

Sie blieben aber beständig in der
• Lehre der Apostel
• Und in der Gemeinschaft
• Und im Brotbrechen
• und im Gebet.

Die schlichte Formulierung vom Verbleiben in der Lehre der Apostel macht uns deutlich, dass wir darauf angewiesen sind, die Wahrheit von jenen zu erfahren, die sie als Zeugen erlebt haben. Wir haben ja keine andere Botschaft und müssen darum derjenigen vertrauen, die wir haben. Jeder, der sich diesem Umstand ergibt, wird merken, dass er sich dadurch einen Reichtum von kaum zu ermessender Größe erschließt. Die Lehre der Apostel ist ja nicht nur zur Quelle eindrucksvoller Theologie geworden, sondern auch zu der von faszinierender Musik und Kunst und Architektur und Lebensart. Vor allem aber ist diese Lehre tatsächlich bis auf unsere Tage bewahrt worden, manchmal verdunkelt, aber doch niemals gänzlich verfälscht. Dem Worte des Lukas ist über die Jahrhunderte gleichsam prophetische Kraft zugewachsen. Die Kirche hat es unzweifelhaft vermocht, die Lehre der Apostel in jede Zeit neu hinein zu übersetzen.

Weiter heißt es dann, sie blieben in der Gemeinschaft. Das bedeutet vor allem: Christen machen sich miteinander gemein, machen sich untereinander gleich. Christen sind nicht nur durch das Band der gemeinsamen Lehre verbunden, sondern auch durch das Band der Liebe untereinander. Jesus selbst hat denjenigen Jüngerkreis, den er selbst gesammelt hat, nicht nur an sich gebunden, sondern ihn auch untereinander geeinigt, indem er Streit schlichtete, Gebote gab, selbst beispielgebend war. Er fügte den Jüngerkreis aber auch zur Gemeinschaft, indem er ihm Ordnungen gab. Die Gemeinschaft schließt Ordnungen nicht aus, sondern sie bedarf ihrer, um dauerhaft sein zu können. Der Jüngerkreis und mit ihm dann die ganze Kirche wurde gewahr, dass ihnen in der Arbeit und Sorge füreinander, die jeder in seiner Weise erfüllen muss, das Mittel gezeigt ist, wie man Gott dienen kann.

Darum hielten sie sich auch an das gemeinsame Brotbrechen, an das gemeinsame Mahl, in dem sie und wir immer wieder das Abendmahl wiederholen, das der Herr mit den Seinen gefeiert hat. In diesem Mahl erhalten wir Anteil am gekreuzigten, gestorbenen, begrabenen und wieder auferstandenen und auf seinem Thron sitzenden Herrn. Wir werden aber zugleich wahrhaft gespeist. Darum widerstehen wir auch der Vorstellung, dieses Sakrament wäre ein bloßes Symbol. Ich möchte denjenigen sehen, der es akzeptierte, dass Eltern ihre Kinder nur symbolisch speisen. Genauso, wie gute Eltern ihre Kinder nähren, so wahrhaftig speist auch die Kirche durch Christi Leib und Blut die Gläubigen.

Zuletzt, jedenfalls nach der Aufzählung des Lukas, bleibt die Gemeinde auch in der Gemeinschaft des Gebets. Dabei bezeichnet das Gebet ein allein auf Gott gerichtetes Reden, durch das der Mensch sich in Einklang bringt mit seinem Schöpfer. Darum durchzieht das Gebet wie nichts sonst unsere Gottesdienste und oft auch noch unsere Lebensordnungen. Morgengebet, Abendgebet, vor allem aber das Tischgebet sind wichtige Momente, in denen dieser Einklang gesucht und ebenfalls wieder Gemeinschaft hergestellt werden kann.

Liebe Gemeinde,

das wiederum ist das ganz Erstaunliche dieser vier Merkmale der christlichen Gemeinde, für die auch die vier Türme unsrer Kirche stehen können. Sie sind nichts, was dem Menschen als Last auferlegt ist, womit er sich mühen müsste, woran er zu tragen hätte, und wovon er sich befreien könnte.

Hier sind uns die Eckpunkte eines dem Menschen gemäßen Lebens anvertraut. Hier wird uns aufgezeigt, wie das Leben Erfüllung finden kann. Hier steht in größter Einfachheit Vollkommenheit vor uns.

Der Mensch braucht die verlässliche Nachricht vom Ursprung der Dinge, er braucht das Vertrauen auf die Zeugen, er lebt geradezu von der überkommenen Wahrheit.

Der Mensch braucht und dürstet nach der friedlichen Gemeinschaft untereinander, in der ihm Schutz und Geborgenheit zuteil werden. Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei.

Der Mensch braucht sein tägliches Brot, er will gespeist sein, weil er sonst stirbt.

Der Mensch braucht zuletzt auch den Einklang mit der Ewigkeit, wie er im Gebet erlangt werden kann, auch wenn viele es vielleicht gar nicht Gebet nennen, wenn sie diesen Einklang suchen.

Ein Mensch, der diese vier Dinge verliert, hat darum auch keine Last abgeworfen, sondern er verliert die Orientierung, er hat nun nicht weniger zu tragen, sondern wird innerlich leer, er hat sich dann nicht befreit, sondern zerstört.

Das ist das trostlose Ergebnis der Entchristlichung, dem wir widersprechen müssen.

Liebe Gemeinde,

wir müssen widersprechen nicht durch Proteste oder gar durch Geschrei oder mit Forderungen. Wir müssen widersprechen allein durch das Beispiel, das wir geben.

Auch in den Tagen, als Lukas seine Apostelgeschichte aufschrieb, waren die Beständigkeit in der Lehre, die Gemeinschaft, das Brotbrechen und das Gebet keine spektakulären Veranstaltungen. Es gab keine Eindruck machenden großen Bibliotheken, in denen die Lehre festgehalten worden wäre, es waren keineswegs die aufsehenerregenden Prominenten und Großen der Welt, die sich zur Gemeinschaft sammelten, es waren keine prachtvollen und üppigen Festmähler und es waren ganz einfache Gebete, in denen Gott zum Vater wurde.

Aber gerade darum kam Furcht über alle Seelen, weil zu spüren war, dass hier etwas geschieht, was ernst ist und echt, und das, so klein und bedeutungslos es aussehen mochte, die ganze Welt verändert hatte, und gegen das nichts und niemand etwas ausrichten konnte. Wir heute können das sogar nachprüfen, denn mit unserem Predigttext erreicht uns Nachricht von vor 2000 Jahren, und kein Tag und kein Ereignis in all diesen Jahrhunderten hat diese Nachricht Lügen gestraft. Dies ist das Wunder, von dem bereits Lukas spricht.

Und nun folgen die beiden Verse, die eine bemerkenswerte Wirkungsgeschichte haben und immer herangezogen werden, wenn Eigentumsverhältnisse bestritten und sogar der Urkommunismus begründet wird:

„Alle aber, die gläubig geworden waren, waren aber beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nach dem es einer nötig hatte.“

Liebe Gemeinde,

ich glaube ganz fest daran, dass es so, wie Lukas es beschreibt, auch tatsächlich gewesen ist. Ganz entscheidend bleibt es aber, dass die, von denen hier die Rede ist, und die alles gemeinsam hatten und Güter und Habe verkauften, um es den Bedürftigen zu geben, mit ihrem Eigentum umgingen und nicht mit dem von anderen.

Gutes tun kann ich nur mit dem was mir gehört und nicht und niemals mit dem, was mir nicht gehört. Manchmal habe ich den Eindruck, man muss wieder beginnen, das etwas lauter zu sagen.

Es geht im Leben nämlich gar nicht darum, dass man auf etwas verzichtet. Manch einen mag dieser Satz von der Kanzel nun doch überraschen, und dennoch wiederhole ich ihn: Es geht nicht darum auf etwas zu verzichten, sondern es geht darum, dass man im Leben das findet, wozu man mit dem Seinen, mit seinem Gut und mit seinen Fähigkeiten, frei und in Freuden beiträgt. Das ist eines der Geheimnisse der Kirche, dass in ihr kein Mensch zu gering ist, um nicht etwas ganz Einzigartiges und Wertvolles beizutragen, jeder an seinem Orte. Es ist aber wiederum auch niemand zu hochgestellt, als dass er sich nicht dienend dem Unglück der Menschen verweben und es gleichsam stellvertretend tragen könnte.



Liebe Gemeinde,

es hat sich so gefügt, dass wir diesen Gottesdienst gemeinsam feiern, bevor sich morgen der Todestag der Königin Luise zum 200. Male jährt. Man kann zumal in Potsdam an diesem Datum schlechterdings nicht vorübergehen. Wir sehen uns mit ihr einer Frau gegenüber, die ihr Ergehen nur begreifen konnte, indem sie in ihm eine Anteilnahme an dem Schicksal ihres Volkes sah, und die von sich selbst sagte: „Sie duldete viel, sie harrte aus im Dulden und gab Kindern das Dasein, welche besserer Zeiten würdig waren, sie herbeizuführen gestrebt und endlich sie errungen haben.“

Ihr Lieblingsgebet war bezeichnenderweise der 126. Psalm, in dem es heißt:
„Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.
Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen
Und kommen mit Freuden und bringen ihre Gaben.“

Mit diesen Versen reiht sie sich ein in die apostolische, Brot brechende und betende Gemeinschaft, von der wir heute gehört haben und der auch wir angehören.

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen
Thomas Roloff

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