Neubau des Berliner Schlosses, der neue Schlüterhof
Doch noch haben wir unsere eigenen Gruseligkeiten. Der Ort, wo einmal das Berliner Stadtschloß stand und sich heute ein Humboldt-Forum der Vollendung entgegenstreckt, gewinnt neue Kontur. Manches erfreut, schmerzlich, denn nur das Vergegenwärtigen läßt den Schmerz nicht vergessen, anderes gerät zur Demaskierung der Gegenwart.
Viele erfreuen sich an Schönheit, Formenreichtum und Wohlgestalt der trotz allem wieder erstehenden Fassaden, andere sehen auf den Widerspruch, ich scheine mich in letzteres einzureihen. Aber nur auf den ersten Blick. Mir fällt zweierlei auf. Zum einen:
Die Vergangenheit wird lebendig, genauer, der Hauch, der sie erstarren lassen sollte, schwindet. Ich habe hier in einer Kommentarantwort kürzlich versucht zu erklären, wie mir die Abwehrhaltung der Gegenwart erscheint, nämlich als negativer Exorzismus, gewissermaßen. Wenn Vergangenes nicht umgangen werden kann, muß es dekontaminiert und steril versiegelt werden, und sei es unsere arme Königin Luise. Wovon und wozu muß man das Gedenken an die Königin dekontaminieren und steril verpacken? Daß sie wiederkehrt?
Diese Grundmuster treffen wir überall an: Im Vergangenen wohnt immer das Grauen und glücklich ist man nur in der ewigen Gegenwart.
Eduard Gaertner: Rittersaal
im 2. Obergeschoss hinter dem Schlossportal V
im 2. Obergeschoss hinter dem Schlossportal V
1844, hier gefunden
Ich werde jetzt in keine Suada gegen den Architekten Franco Stella ausbrechen. Wozu? Abstrakt logisch klingt das alles ja auch nur folgerichtig: Das Neue schließt an das Alte an und führt es verändert (und hoffentlich bereichernd) fort. All das wäre wahr, wenn unsere Moderne nicht so wesensverkehrt wäre. Man hat in das Andenken an das Stadtschloß die Moderne hineinzupressen gesucht (auch mir fallen für den Vorgang degoutierte Bilder ein, aber sie sind nicht nötig), vermutlich als ein Akt der Selbstbehauptung, nicht nur der Moderne, sondern der herrschenden Gegenwart überhaupt.
Und das ist das Berückende, womit wir bei Punkt 2 wären, in ihrer verblendeten Selbsteinschätzung überschätzen sich die Gegenwart und ihre Gefolgsleute. Es genügt das Hinschauen, und für den, der noch zu sehen vermag, ist die Debatte damit beendet.
Süd- und Ostfassade des Neubaus des Berliner Schlosses
(3. November 2018, leicht veränderter Ausschnitt)
Original hier gefunden
Trommeln wir Liebhaber des Schönen genug? Ich meine nicht anderen vor der Nase, und der Begriff, wo ich ihn gerade gebrauche, widerstrebt mir schon wieder. Aber klagen wir vielleicht nicht zu viel, anstatt auf das hinzuweisen und an das zu erinnern, was die Klage verstummen läßt? Diesen unangreifbaren Raum des Geistigen zu imaginieren, wäre das nicht eine lohnendere Aufgabe? Und wenn man dafür unzutreffenden Motive unterstellt bekommt – mein Gott.
Berlin, Stadtschloß, Apotheken-Flügel, 1928
Wenn unsere Kenntnis der Vergangenheit irgendwelchen Nutzen gewährt, wenn der Gedanke an das Gedächtnis der Nachwelt uns erfreut und die gegenwärtige Anstrengung stark, gegenwärtiges Leiden geduldig machen kann, so gibt es zwei Pflichten hinsichtlich der nationalen Baukunst, deren Bedeutung unmöglich überschätzt werden kann: erstlich, die Baukunst des Tages geschichtlich zu gestalten und zweitens, die Vergangenheit als kostbarstes Erbteil zu bewahren.“
Eduard Gaertner, Schlüterhof des Berliner Schlosses, 1830
Der große William Turner wollte u.a. Ruskin als Vollstrecker seines Testaments haben. Dieser lehnte nach dessen Tod zwar ab, erklärte sich jedoch bereit, dessen Zeichnungen und Skizzen zu sortieren, was er auch ziemlich rabiat tat. Er verpackte sie in Kisten, deren Bennungen von „Mist/rubbish“ bis „fürchterlich/horrible“ reichten. Und als er entgeistert auf dessen erotische Zeichnungen stieß, verbrannte er einiges davon. Also ein wenig zu viel Heiliger. Man sollte seine Gewährmänner aber auch nicht zu unkritisch betrachten.
Wie aus der Überschrift leicht zu ersehen, sollte es hier eigentlich um Schinkel gehen, das sind dann nun also die Vorbemerkungen geworden (mit Schinkel ist es halt so, wie bei allen großen Geistern, schnell wird einem das, was man da zusammenträgt und unbedingt zitieren will, wie Hefeteig).
soll fortgesetzt werden
nachgetragen am 28. Januar
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