Freitag, 19. Juni 2009
Über Gewitterregen und einen nachdenklichen Franzosen
Ausnahmsweise mal etwas Persönliches. Also ich gestehe, als Kind war ich nicht unbedingt der Gruppenmensch, das führt noch heute dazu, daß manchmal ein irrationales Unbehagen in mir aufbricht, wenn ich etwa in eine lautstarke, biertrinkende Gruppe pubertierender Jugendlicher gerate, die vor einem Gewitterregen Zuflucht auf einem überdachten Bootssteg sucht, so wie ich.
Ich bin nicht sehr klein und auch nicht ausgeprägt ängstlich, aber ich habe mich sicherlich mit einem ziemlich dämlichen Gesichtsausdruck wortlos dort an den Rand gestellt und gewartet, daß es endlich aufhört. Darauf löst sich einer der Gruppenanführer aus seiner Horde, ein vierschrötiger vermutlich 17jähriger und fragt mich „Junger Mann, wollen sie auch ein Bier“.
Das klingt vermutlich völlig anders, als es auf mich wirkte, denn ich war verblüfft, und ehrlich gesagt, zolle ich ihm auch Respekt für die anständige Geste, was sie tatsächlich war, wenn ich auch höflich ablehnte, was mich jetzt noch ärgert.
Eigentlich wollte ich heute etwas über Blaise Pascal schreiben, der am 19. Juni 1623 in Clermont-Ferrand geboren wurde, doch so reicht es nur zu ein paar Zitaten:
„Die Wahrheit kann nicht durch eine Wette entschieden werden, aber es muß gewettet werden. Es gibt keine Freiwilligkeit, Sie müssen sich darauf einlassen. Wenn Sie nicht wetten, daß es Gott gibt, müssen Sie wetten, daß es ihn nicht gibt. Wofür entscheiden Sie sich? Wägen wir den Verlust dafür ab, daß Sie sich dafür entschieden haben, daß es Gott gibt: Wenn Sie gewinnen, gewinnen Sie alles, wenn Sie verlieren, verlieren Sie nichts. Setzen Sie also ohne zu zögern darauf, daß es ihn gibt.“
"Allein ist der Mensch ein unvollkommenes Ding; er muß einen zweiten finden, um glücklich zu sein."
"Als ich es zuweilen unternommen habe, die ruhelose Geschäftigkeit der Menschen zu betrachten, wie auch die Gefahren und Strapazen …,habe ich häufig gesagt, daß das ganze Unglück der Menschen aus einem einzigen Umstand herrühre, nämlich, daß sie nicht ruhig in einem Zimmer bleiben können."
„Nichts ist dem Menschen so unerträglich, als wenn er sich in vollkommener Ruhe befindet, ohne Leidenschaften, ohne Beschäftigungen, ohne Zerstreuungen, ohne Betriebsamkeit. Dann fühlt er seine Nichtigkeit, seine Verlassenheit, seine Unzulänglichkeit, seine Abhängigkeit, seine Ohnmacht, seine Leere. Sogleich werden vom Grunde seiner Seele die Langeweile, der Trübsinn, die Traurigkeit, der Kummer, der Verdruß und die Verzweiflung aufsteigen.“
„Der letzte Schritt der Vernunft ist anzuerkennen, daß es unendlich viele Dinge gibt, die über sie hinausgehen. Sie ist nur schwach, wenn sie nicht soweit geht, das anzuerkennen.“
„Jesus Christus hat nichts anderes getan, als die Menschen zu lehren, daß sie sich selbst liebten…“
„Nicht im Raum muß ich meine Würde suchen, sondern in der Ordnung meines Denkens. Ich werde keinen Vorteil davon haben, wenn ich Grund und Boden besitze. Durch den Raum erfaßt und verschlingt das Universum mich wie einen Punkt. Durch das Denken erfasse ich es.“
"Das Herz hat seine Gründe, welche die Vernunft nicht kennt."
"Der Mensch ist nur ein Schilfrohr, das schwächste der Natur; aber er ist ein denkendes Schilfrohr.“
"Der Mensch ist weder Engel noch Tier, und das Unglück will es, daß, wer einen Engel aus ihm machen will, ein Tier aus ihm macht."
"Je mehr Einsicht man hat, desto mehr Größe und Niedrigkeit entdeckt man im Menschen.“
"Vielfalt, die nicht auf Einheit zurückgeht, ist Wirrwarr; Einheit, die nicht auf Vielfalt gründet, ist Tyrannei."
" Wir begnügen uns nicht mit dem Leben, das wir aus unserem eigenen Sein haben; wir wollen in der Vorstellung der anderen ein imaginäres Leben führen, und darum strengen wir uns an, in Erscheinung zu treten. "
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12 Kommentare:
Obwohl ich Pascal beherrsche, war ich mir der Vielseitigkeit seines Namensgebers gar nicht bewusst. Vielen Dank für die Horizonterweiterung.
Seine andere Referenz brauche ich jeweils um die verschieden Lerntypen zu veranschaulichen. Verbale Typen begreifen um was es geht, wenn man ihnen sagt, dass Druck (ausgedrückt in Pascal) gleich Kraft dividiert durch Fläche ist. Haptischen Typen muss man einen Bleistift zuerst mit der Rückseite und dann mit der Spitze auf die Hand drücken, damit sie begreifen, dass eine kleinere Fläche bei gleicher Kraft zu mehr Schmerz beziehungsweise mehr Druck führt.
Freilich war Pascal sehr nachdenklich. Es scheint mir aber, seine Wette etwas anders als Glaube ist, wiel man sagt nicht, "Das ist Wahrheit," sondern nur, "Es ist sicherer zu tun, als ob es wahr ist, als nicht."
In der Tatsache geht man von der Wette nach dem Glaube weiter?
Da sind einige sehr weise Aussagen darunter, die ich sofort so unterschreiben würde - besonders die letzten vier. :)
Was lautstarke Jugendliche angeht:
So geht es mir an jedem Schultag in den Pausen. ;)
@ naturgesetz: Man könnte (das Argument etwas platt zusammengefaßt - du hast mehr zu gewinnen, wenn du einfach annimmst, es gäbe ihn), Pascal an dieser Stelle natürlich für etwas frivol halten, aber ich denke, er war sicher auch ein angriffslustiger Gesprächspartner und liebte es, sein Gegenüber zu verwirren, genauer, dessen Denken in Gang zu setzen. Glaube nur auf Basis dieser Wette wäre sicher eine sehr unbeständige und zweifelhafte Angelegenheit. Bedauerlicherweise ist er das sonst oft auch.
Ich habe zu der Wette noch einen Link unterschlagen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Pascalsche_Wette
@ Lunario: Und die bieten dir dann auch jedesmal ein Bier an :-)
Nein, jetzt im Ernst, ich war irritiert, wie manchmal bei solchen Gelegenheiten alte Erinnerungen aktiv werden, man wird also nicht zwangsläufig durch die Jahre weiser. Was ich diesem bewußten jungen Mann zugute halte (in diesem Fall stimmt es ja, meine eigene Jugend hat schon deutlich nachgelassen), ist, daß er die Situation offenkundig entspannen wollte und da hätte ich souveräner reagieren können.
Ansonsten war ich unsicher, ob ich so eine persönliche Beobachtung hier anbringen sollte, aber dann dachte ich, wenn man häufig über bedeutsame Gegenstände schreibt, bekommt das schnell einen scheinbar auftrumpfenden Unterton, der weder gewollt noch angemessen ist. Ansonsten, Pascal ist wirklich eine absolut lesenswerte Lektüre.
@ gomad: Also abgewandelt, wer nicht denken kann, muß fühlen, hm.
Übrigens kann ich leider den Link in deinem Kommentar nicht weiterverfolgen. Ach und viel Vergnügen für's opulente Abendessen.
Pascalsche Wette als Gespächspartnerverwirrung — gut gemeint. Ich hatte die Wette nicht für frivol genommen.
Und es stimmt, daß der Glaube oft unbeständig und zweifelhaft ist.
Nein, das "Frivole" war mehr eine hypothetische Annahme, ich hatte das nicht konkret angenommen. Und ich finde, seine "Gedanken" haben schon etwas sehr Dialogisches, vielleicht einer der Gründe ihrer starken Wirkung seither.
Ich ungeschicktes Kind: http://de.wikipedia.org/wiki/Pascal_(Programmiersprache)
Jetzt hat mich eure Diskussion auch noch dazu gebracht, das Proslogion des Anselm von Canterbury hervorzuholen um zu sehen, wie sich sein Ansatz von Pascal unterscheidet (ah Richtigkeit des Glaubens gegen Gründe dafür) und dabei sollte ich eigentlich in der Küche stehen... Es ist immer sehr anregend hier.
Essen ist auch sehr wichtig, jedenfalls wenn es ordentlich zubereitet wird. Ich habe mir das "Proslogion" daraufhin für morgen zum Nachlesen weggelegt, zum Glück ist es ja nicht so dick. :-)
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