Sonntag, 19. Juli 2009

Sonntag


Berliner Dom 1900
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Herrn Roloffs Predigt zum 6. Sonntag nach Trinitatis


Mt 28, 16-20

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,

diesen Text kann ich nicht lesen oder hören ohne dass vor meinem geistigen Auge die Hauptfassade des Berliner Doms ersteht. Auch in den Tagen als sie noch eine Ruine war zeigte sie zum Lustgarten hin die Worte: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ In der DDR-Zeit hat mich das in der geteilten Stadt immer ganz eigenartig getröstet. Ich weiß noch, wie ich dachte: Baut ihr dort nebenan eure neue Pracht, ich hänge diesen alten Worten der Ruine an.


Berliner Dom 1964
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Das Schicksal dieses mächtigen Baus, der am Ende des 19. Jahrhundert nach Plänen von Raschdorff begonnen und 1905 geweiht wurde, ist geradezu symptomatisch für die Geschichte unseres Landes. Seine historistischen Bauformen, die sich der italienischen Hochrenaissance und dem Barock verpflichtet fühlen, geben die Kulisse zu einer ganz überspannten und sehr hektischen modernen Zeit, deren Leben am Schloss, „Unter den Linden“ und auf dem Potsdamer Platz pulsierte. Bis zu jener Zeit nicht gekannter technischer, wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt spiegelten sich in diesen mächtigen Fassaden einer neuerrichteten Altertümlichkeit. Das innere Wesen des Staates, das in dieser architektonischen Entfaltung Ausdruck gesucht hatte, stürzte bereits 13 Jahre nach Einweihung des Gotteshauses, 26 Jahre später folgten die Fassaden im nach.

Nun dauerte es beinahe 50 Jahre, bis 1993, bis der Dom wiedereingeweiht werden konnte, und erst im Jahre 2002 folgte das letzte Deckenmosaik.


Berliner Dom 2006 hier gefunden

Er steht wieder da, der Dom von Berlin, der mit seiner gewaltigen Kuppel gegen Rom die neue Würde eines protestantischen Kaisertums sichtbar machen sollte. Mehr noch aber als seine bauliche Hülle ist nunmehr sein Schicksal zum Denkmal, zum Wahrzeichen geworden.

Mir waren dort immer die Worte am wesentlichsten: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Durch das Schicksal dieses Hauses hört man die Worte Jesu nämlich immer mit: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“

Das ist nun der Hintergrund, vor dem wir uns dem Predigttext zuwenden wollen, den Luther so eindringlich mit Missionsbefehl übersetzt hat.

Zunächst fällt auf, dass Matthäus wert darauf legt, dass es die elf Jünger sind, die nach Galiläa gehen. Er geht nicht hinweg über den schmerzlichen Umstand, dass der Kreis der Jünger gesprengt, nicht mehr vollständig ist.

Wir sollen uns dadurch trösten lassen und auch unsere Wege mutig und unverzagt weitergehen, selbst wenn manchmal auch die engsten Kreise gestört oder sogar zerstört werden, wenn wir Menschen und Freunde verlieren, wenn wir nicht alle bei uns behalten oder für uns gewinnen können. Die Kirche ist von Anfang an auch Ausdruck des Unfertigen, des Erlösungsbedürftigen, des Zerstörten.

Es heißt dann weiter: Und da sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; etliche aber zweifelten.

Auch hier wird kein Hehl daraus gemacht, dass sich auch hinter des Geste des Kniens der Zweifel nicht verbergen lässt. Der Tod und seine Unabänderlichkeit sind viel zu sehr die alles bestimmende Erfahrung unseres Daseins, als das sie sich einfach so banal wegwischen ließe.

Wir sollen uns dadurch trösten lassen, dass die Kirche von ihrem Anfang an auch der Ort des Zweifels und der Zweifler ist. Keineswegs kann man der Kirche erst dann näher treten, wenn man alle seine Zweifel überwunden hat. Nein, der Mensch soll gerade im Zweifel in der Gemeinschaft der Kirche bleiben, weil sie auch seine Zweifel kennt.


Abendstimmung Berliner Dom mit Friedrichsbrücke im Vordergrund
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Und dann spricht Christus:

Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.
Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie zu halten alles, was ich euch befohlen habe.

Das ist das große und unvergleichliche Finale der irdischen Gegenwart unseres Herrn. Er spricht zu uns!!!

Er proklamiert sich zum Gott.

Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.

Ihm ist nicht irgendeine Gewalt gegeben, oder gar die höchste Gewalt, oder die entscheidende Gewalt. Dem Herrn ist alle Gewalt gegeben.

Wo also jemals auf Erden Gewalt ausgeübt wird, da wird sie entweder als Gleichnis und zur Verkündigung seiner Gewalt geübt, oder sie wird missbraucht.

Er spricht zu uns und sendet uns:

Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie zu halten alles, was ich euch befohlen habe.

Wir sind Bevollmächtigte dieses gewaltigen, dieses allgewaltigen Herrn, und wir sollen dreierlei tun.

Wir sollen die Völker zu Jüngern des Herrn machen, weil sie nur darin wirklich ein Volk werden, nämlich sein Volk, das im Frieden lebt.

Nun werden manche sagen, aber es hat doch auch und gerade unter christlichen Völkern immer wieder Kriege gegeben.

Dennoch ist das kein Argument, das ich gelten lassen kann. Gerade die Kriege des vergangenen Jahrhunderts sind immer erst dann ausgebrochen, wenn andere Gewissheiten zeitweilig über diejenigen des Glaubens triumphiert hatten.

Wir sollen die Völker taufen, weil sie in der Taufe mit Christus in den Tod gehen. So wie das Volk Israel durch das lebensbedrohlich stürmende zu beiden Seiten aufgetürmte Wasser des Roten Meeres gezogen ist, um aus der Knechtschaft in die Freiheit zu ziehen, so sollen wir mit Christus durch das Wasser der Taufe aus der Knechtschaft des Todes zur Freiheit des Lebens gerettet werden.

Wir sollen die Völker lehren zu halten alles, was er uns befohlen hat. Im eigentlichen Sinn des Wortes „befehlen“ kommt Jesu Verständnis von seiner Herrschaft klar und strahlend zum Ausdruck, denn ursprünglich bedeutet das Wort „bevehlen“, jemandem etwas anzuvertrauen. Christus hat uns mit seinem Wort, das wir lehren sollen nicht eine kleinkarierte Schulaufgabe gestellt, sondern er hat uns das Geheimnis der Schöpfung, allen Lebens, seiner eigenen Gottheit anvertraut, denn am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. So wie Christus am Anfang seiner irdischen Gegenwart in den Schoß der Jungfrau und Gottesmutter gelegt ward, legt er sich nun mit diesem Befehl in unsere Hände und stiftet auch mit dem Ende seiner irdischen Gegenwart einen neuen Beginn, das Morgenrot der Heiligen Kirche.

In dieser Weise wird erst ganz deutlich, was gemeint ist in den Worten: Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende. Er ist unter uns. Da können Städte, ganze Länder und Weltsysteme einstürzen, und selbst wenn Dome brennen: Er ist bei uns.

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen


Berliner Dom bei Nacht, 6. April 2006, 22:55
Photograph: Björn König, hier gefunden

6 Kommentare:

Pilgrim hat gesagt…

Our Lord Jesus Christ hadn´t proclamed himself as a new God, he is Our Lords Hply Son! But protestants know it better I guess. Propz Pilgrim

MartininBroda hat gesagt…

O Pilgrim. Right, you’ve found the only sentence I thought “hm” (there is indeed not a word like “I am God” from our Lord we should know), but it’s not my sermon (and it’s otherwise a good sermon I guess) and let us have a look at this:

“84. What is the meaning of the title “Lord”?
In the Bible this title regularly designates God as Sovereign. Jesus ascribed this title to himself and revealed his divine sovereignty by his power over nature, over demons, over sin, and over death, above all by his own Resurrection. The first Christian creeds proclaimed that the power, the honor, and the glory that are due to God the Father also belong to Jesus: God “has given him the name which is above every other name” (Philippians 2:9). He is the Lord of the world and of history, the only One to whom we must completely submit our personal freedom.

88. What does the Council of Chalcedon (in the year 451) teach in this regard?
The Council of Chalcedon teaches us to confess “one and the same Son, our Lord Jesus Christ, perfect in his humanity, true God and true man, composed of rational soul and body, consubstantial with the Father by his divinity, and consubstantial with us by his humanity, ‘like us in all things but sin’ (Hebrews 4:15), begotten from the Father before all ages as to his divinity, and in these last days, for us and for our salvation, born of Mary, the Virgin and Mother of God, as to his humanity.”

Compendium of the Catechism of the Catholic Church

(http://www.vatican.va/archive/compendium_ccc/documents/archive_2005_compendium-ccc_en.html)

So Mr Roloff is not completely wrong I think (even he’s a Lutheran protestant like me).

Have peace and Good night, Pilgrim.

naturgesetz hat gesagt…

This is the first of Pastor Roloff's sermons that I have read. It is very good.

Certainly, Jesus is not a new God. But as Paul says, he did not cling to divinity, but humbled himself. Now, he resumes divinity. And he does it not by saying, "I am God," in so many words, but implicitly, by informing us of his full authority.

Thanks for posting this, Martin.

MartininBroda hat gesagt…

I’m glad to hear this, I think too it’s remarkable, sometimes I publish his sermons and other things from him here (we know each other for a long time), you know you can find it under my annoying playlist.

Mr. Urs hat gesagt…

Sehr kämpferisch, diese Predigt... aber es ist auch beruhigend zu erfahren, dass Christus alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist. Ich fühle mich nicht in schlechten Händen.

MartininBroda hat gesagt…

Ja, und dazu muß man wissen, daß er das meist sehr ausdrucksvoll und überzeugend vorträgt und zudem liturgiesicher ist. Wenn ich ihn ärgern will, sage ich immer, er ist ein ganz anderer Mensch, wenn er predigt. Aber vielleicht liegt das auch daran, daß wir als Menschen überzeugender sind, wenn wir uns in unserem Element fühlen.