Freitag, 24. Juli 2009

Entlegene Literatur-Landschaften



Der Mittel-Weg

In Gefahr und großer Noth
Bringt der Mittel-Weg den Tod.

Behauptete literarische Vorlieben können eine rechte Plage sein. Ich habe bereits mehr als einmal verkündet, ich sei ein Liebhaber der Barock-Literatur (nur als menschenfreundliche Anmerkung, ja das ist heute langweilig, mehr für mich selbst geschrieben, und wird auch nicht spannender werden), und dann muß ich lesen, Friedrich von Logau starb am 25. Juli 1655.

Er hat mit die stärksten Sinn-Gedichte dieser Zeit geschrieben, nur daß mir nach denen heute gar nicht der Sinn stand, aber ich habe mich trotzdem tapfer hindurch gequält, was hat man denn schon über seine Vorlieben hinaus?

Die hoffärtige oder übersichtige [hochmütige] Welt

Die Welt acht' unsrer nichts; wir achten ihrer viel.
Ein Narr liebt den, der ihn nicht wieder lieben will.

Er lebte in den unmenschlichen Zeiten, in denen Deutschland die feste Absicht gefaßt hatte, sich selbst bis auf den Grund zu zerstören, was fast gelang. Und er schreibt dazu:

Glauben

Luthrisch, Päbstisch und Calvinisch, diese Glauben alle drey
Sind vorhanden; doch ist Zweifel, wo das Christentum dann sey.

Was an dieser Literatur immer wieder verwundert, sie wirkt oft geradezu bieder, obwohl sie doch überlebend auf dem Grauen schwimmt. Man merkt es ihr nicht an, und das ist verstörend:

Redlichkeit

Wer gar zu bieder ist, bleibt zwar ein redlich Mann,
Bleibt aber, wo er ist, kommt selten höher an.

Abgesehen davon, daß diese Menschen wohl auch anders tickten, es kann nicht völlig anders gewesen sein, sonst würde uns das heute alles komplett nichts mehr sagen, dieses etwa, kommt einem höchst gegenwärtig vor:

Heutige Welt-Kunst

Anders sein und anders scheinen,
Anders reden, anders meinen,
Alles loben, alles tragen,
Allen heucheln, stets behagen,
Allem Winde Segel geben,
Bös und Guten dienstbar leben;
Alles Tun und alles Dichten
Bloß auf eignen Nutzen richten:
Wer sich dessen will befleißen,
Kann politisch heuer heißen.

Und er hat in der Tat Zeitloses mit auf den Weg zu geben, woran man erkennen darf, daß ein Dichter zu einem spricht:

Das Zeit-Rad

Die Zeiten sind als wie ein Rad; sie reißen mit sich um,
Wer sich an sie hängt, machen ihn verdreht, verkehrt, krumm, dumm.

Und er gibt freundlicherweise eine Art Selbst-Erklärung ab, also warum es sinnvoll sei, ihn (und einiges andere noch) zu lesen:

Bücher

Es ist mir meine Lust bei Toten stets zu leben,
Mit denen um und um, die nicht seyn, seyn gegeben,
Zu fragen, die sind taub, zu hören, die nichts sagen,
Und die, die haben nichts, sehr viel hingegen tragen,
Zu halten lieb und werth. Ich bin auf die beflissen,
Die mir viel gutes thun und doch von mir nicht wissen,
Ich halte diese hoch, die mich nur an nicht sehen;
Die manchmal mich mit Ernst verhöhnen, schelten, schmähen,
Sind meine beste Freund. Und sollt ich die begeben,
Eh geb ich alle Welt, eh geb ich auch das Leben.

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