Caspar David Friedrich: "Kügelgens Grab"
So ist es oft mit den Sachen, man faßt einen gewissen Entschluß und heraus kommt etwas ganz anderes. Gerhard von Kügelgen war ein naher Freund Caspar David Friedrichs, und ebenfalls Maler dazu, kein übler übrigens, wenn auch heutzutage recht unbekannt, nun ja. Er starb am 27. März 1820, genauer gesagt, wurde er dann ermordet, geboren wurde er am 6. Februar 1772.
Nicht nur, weil ich an diesem Ort dann und wann, unzulänglich natürlich, über Friedrich geschrieben habe, schon seinetwegen wollte ich an ihn erinnern und verlor mich in den herzerwärmenden Jugenderinnerungen seines Sohnes, die lange ungelesen in meinem Bücherschrank verstaubten (übrigens ein Kultbuch der gebildeteren deutschen Stände (ja, das gab es auch einmal) bis in das vergangene Jahrhundert hinein (mein eigenes antiquarisches Exemplar hat eine rührende Widmung von "Weihnachten 1956").
Wer sich in die Mordtat vertiefen will, findet hier einen recht ausführlichen zeitgenössischen Bericht, über besagten Urheber etwa die nachfolgende Aussage:
„Immer schon ein sehr einsilbiger Mensch, wollte man auch etwas Tückisches in seinem Benehmen bemerkt haben. Wenn von den Mordtaten gesprochen wurde, zeigte er sich gleichgültig und unbefangen. Festigkeit des Charakters war ihm nicht abzusprechen, aber er war gefühllos und eitel. Aus einigen seiner sparsamen Äußerungen über sein früheres Leben ließ sich vermuten, daß er die Kunst, seine Umgebung zu täuschen, in hohem Grade verstanden haben muß. Er gewann stets zunächst Zutrauen durch sein einnehmendes Äußeres. 'Das Spiel mochte die Gefühllosigkeit in ihm ausgebildet haben, die das Gräßlichste ruhig vollzieht, wenn nur die augenblickliche Begierde dadurch gestillt wird. Ohne rauh gegen andere zu sein, vielmehr gefällig im Umgange, betrachtete er doch die Menschen mit tierischer Gleichgültigkeit.'“
„Kaltofen war eine harte Natur, die allen moralischen Eindrücken von außen widerstand und eher gewohnt war, durch Täuschung auf andere einzuwirken.“
Von Kügelgens ältester Sohn, so ist anzunehmen, ist mit seinem Leben zum Ende hin nicht wirklich glücklich geworden - wer wird das schon - aber er hat doch sich dabei irgendwie an einen inneren Ort zurückziehen können, der ihm das erwähnte Erinnerungsbuch gestattete, das übrigens genau mit einem noch unsicheren Bericht über die Mordtat endet. Aus Briefen:
"Meine Liebe greift nach dem zurück, was vergangen ist; die Gegenwart ist blutarm und die Zukunft schwarz und finster wie der Tod.“ Und: „Die Jugend, die Vorbereitung zum Leben, erscheint doch immer wie der Kern des Kometen, das eigentliche Leben wie der Schweif, der sich allmählich in Nichts auflöst.“
Fast kommt einem da Lenaus "Herbstgefühl" widerstrebend in den Sinn.
Gerhard von Kügelgen: "Porträt des Caspar David Friedrich"
Ich will doch, ganz vom Anfang seines Buches, zwei Passagen bringen, in denen er sich in gewisser Weise recht gibt und auch heimlich wieder widerspricht, sie sind etwas länger aber es lohnt sich, der „Rest“ findet sich nach diesem Link.
„Wenn wir im Garten spielten, schloß sich uns häufig als Dritter im Bunde noch ein kleiner Barfüßler von unserem Alter, der Sohn des Gärtners, an. Er hieß Fritz Pezold und gewann durch folgenden Vorfall für mich Bedeutung.
Eines schönen Morgens nämlich weiß ich nicht, wo Frau Venus hingekommen war, genug, sie ließ uns ohne Aufsicht; wir aber amüsierten uns mit einigen zugelaufenen Nachbarskindern, welkes Laub aufzulesen und dieses über das Geländer der kleinen Brücke in die Katzbach zu werfen. Dann liefen wir einige dreißig Schritte abwärts, wo zum Behuf des Wasserschöpfens an tiefer Stelle ein schmales Brett über den Bach gelegt war, um, auf diesem kauernd, die kleinen goldenen Schiffchen wieder aufzufangen.
Mit welchem Eifer wir dies trieben, und wie wir dabei schrien und uns erhitzten, wird jeder ermessen können, der auch einmal ein kleiner Junge war. Ich war den anderen vorausgeeilt und hockte bereits jubelnd auf dem schwanken Stege, als dieser umschlug und ich kopfüber ins Wasser schoß. Die erschrockenen Freunde stoben auseinander, verschwanden durch Hecken und Zäune, wo sie hergekommen waren, und ich selbst gab mich sogleich verloren.
Nicht so Fritz Pezold. In dem Augenblicke, als ich versank, sprang er entschlossen auf den Steg, griff in die Tiefe, packte meine Haare und schrie, daß ihm die Lungen bersten wollten, nach seinem Vater. Zwar brachte er mich mit dem Kopfe übers Wasser, doch nicht weiter, und ich dachte jeden Augenblick samt meinem Freunde zu ertrinken, denn das kleine Brettchen schwankte hin und wieder wie eine Schaukel.
Dennoch erinnere ich mich sehr deutlich, daß ich keine Angst empfand, mich vielmehr freute, nun alsogleich in den Himmel einzugehen und mit meiner lieblichen Schwester Maria vereint zu werden. Fast glaube ich, daß ich bereits Wasser geschluckt hatte und halb tot war, denn ich verhielt mich völlig leidend und tat selbst nicht das geringste zu meiner Rettung. Aber das weiß ich, daß mir's zumute war wie Kindern, die am Weihnachtsabend in dunkler Kammer an der Türe drängen: gleich wird sie aufgehen und der Baum in seinem Glanze stehen.
Indessen sollten mir die Paradiesespforten noch verschlossen bleiben, und der Cherub, der den Eintritt wehrte, war Fritz Pezold. Sein Mark und Bein durchdringendes Zetergeschrei hatte endlich das Ohr des Vaters erreicht, der nun wie ein angeschossener Kater mit weiten Sätzen über seine Gemüsebeete herbeiflog und mich herauszog. Triefend und mit schwarzem Schlamm überzogen, hing ich wie ein erschlagener kleiner Maulwurf in seinen Händen, als er mich den Eltern brachte.“
„Ein zweiter, ebenfalls literarischer Hausgenosse, den meine Eltern schon von Petersburg her kannten, wo er sich früher als Erzieher aufgehalten, hieß Onkel Lais. Obgleich noch ein junger Mann, lebte Lais kränklichkeitshalber doch sehr zurückgezogen. In seinem Dachstübchen war er immer anzutreffen, studierend oder für Journale schreibend, in Mußestunden aber oder des Abends suchte er Aufheiterung in unserem Familienkreise und gab sich dann namentlich gern mit mir ab. Er machte Feuerwerk, Papierlaternen, Drachen, lehrte mich Kartenschlösser bauen, mit der Armbrust schießen und dergleichen Kurzweil mehr. Das Beste entstand jedoch an traulichen Winterabenden. Während meine Mutter vorlas und mein Vater kleine Götter- und Heroengestalten aus Wachs modellierte, pappte Lais für mich eine elegante Ritterrüstung, die er mit Silberpapier beklebte, und welche sehr viel schöner ausfiel als alles, was man damals für Geld kaufen konnte. Dazu wurden Schwert und Lanze und ein ausgelassenes Steckenpferd gefertigt, das nur mit Mühe zu regieren war.
So ausgerüstet pflegte Onkel Lais den jungen Ritter des Abends durch dunkle Zimmer und Gänge nach den entferntesten Regionen der Wohnung auszusenden, um gewisse Ungeheuer, die sich dort aufhalten sollten, zu erlegen. Dann freute er sich an den lebendig dargestellten Erlebnissen des allezeit siegreich Zurückkehrenden und war unerschöpflich in neuen Aufträgen und Erfindungen.“
Gerhard von Kügelgen: "Allegorie der Trauer"
beendet am 7. Februar
2 Kommentare:
Ja, der Lenau ist so eine Sache. Die letzte Strophe hat er offensichtlich in zwei Gedichten gebraucht, "Herbstgefuehl" und "Herbstklage". Sie ist auch "wunderbar" und verdient es wirklich, doppelt geehrt zu werden.
Mich hat sie besonders angesprochen:
Sylvan whispers' magic sense
targetted my inner groping:
Faithfully each year presents
faded leaves and faded hoping...
...that I could translate it and not lose all the poetry in the battle with meter and rhyme. Aber treulich bringt ein jedes Jahr welke Blaetter, welkes Hoffen...
"And shouldn't I get the blues when a red-blooded poem turns silvery gray in translation?"
Wie Sie sehen, lieber Herr Prof., bin ich gerade dabei Ihre Mühen mit dem Herrn Lenau noch einmal nachzuvollziehen, und will versuchen, morgen etwas nicht ganz Unsinniges dazu zu sagen, aber wirklich versprechen kann man so etwas nicht.
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