Montag, 16. März 2009
Sonntags-Nachtrag
Es wird gestern nicht viele Kirchen gegeben haben, in denen über Julius Cäsar gepredigt wurde. Die Iden des März waren mir zwar nicht ganz verborgen geblieben, aber meine Gedanken dazu erschienen mir doch zu dürftig als daß ich sie jemand anderem hätte zumuten wollen. So blieb das Wochenende weitgehend sprachlos.
Herr Roloff, dem das aufgefallen war und von dem hier das eine oder andere zu finden ist, schickte mir heute seine Predigt vom gestrigen Sonntag Oculi, die ich nachfolgend gern dokumentieren möchte:
„Oculi 2009
Vom Ernst der Nachfolge
Luk 9, 57-62
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herren Jesus Christus. Amen
Liebe Gemeinde,
der Sonntag mit dem schönen Namen Oculi - Meine Augen sehen stets auf den Herrn - fällt in diesem Jahr auf den 15. März. Am 15. März, an den Iden des Märzes 44 vor Christus, wurde Julius Cäsar ermordet. Er war ein Mitglied des Julischen Hauses, das sich auf den trojanischen Aeneas zurückführte, der als Sohn der Venus galt. Wenige Monate vor seinem Tode hatte Cäsar der Venus in Rom einen Tempel errichtet, um diese Verbindung und Abkunft zu unterstreichen. Dies veneris - Venustag - heißt der sechste Tag der Woche, im germanischen Raum Tag der Freya, Freitag.
Cäsar war nicht nur Herrschergestalt, sondern auch Priester Roms - Pontifex maximus. In ihm war also eine Fülle und Ganzheit angelegt und auch schon in gewisser Weise gegenwärtig, die sich aber durch den Mord an ihm nicht vollenden durfte. Es schien etwas auf und ließ die Konturen einer ganzen Welt erkennbar werden, konnte sie aber nicht dauerhaft erhellen.
Aber alle seine Nachfolger trugen seinen Namen und nannten sich Kaiser. Erst in der Nachfolge begannen Menschen zu verstehen, was sie in Cäsar erlebt hatten, erst in der Nachfolge machten sie sich mühsam zu eigen, was in ihm schon ganz unter ihnen gegenwärtig war, erst in der Nachfolge brach die große Friedenszeit des Römischen Reiches an, die nach seinem Sohn Octavian benannt war, der als Herrscher den Namen Cäsar Augustus führte. Die Pax Augusta erst wird erhoben und geheiligt durch die Geburt des wahren und einzigen Gottessohnes Christus. Die Zeit wurde erfüllt und mit ihr geradezu jedes Detail der Geschichte. Auch das was die Römer mit dem Begriff Pax zum Ausdruck brachten. Es leitet sich nämlich von Pactum ab und bezeichnet nicht irgendeinen zufällig gewaltlosen Zustand, sondern ein willentlich herbeigeführtes Einvernehmen, eben einen Pakt oder ein Bund.
In dem Gruß der Kirche: Friede sei mit euch - wird immer wieder der Bund mit unserem Gott angeboten, der allein Frieden schafft, und der in Christus gründet.
Wir sind auf unserem Weg durch die Zeit, und auf diesem Wege nach Jerusalem spricht einer zu Christus: „Ich will dir folgen, wo du hingehst.“
Und Christus sprach zu ihm: „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlege.“
Der Herr will nicht von der Nachfolge abschrecken, aber er macht unmissverständlich deutlich, das er nichts bietet als sich selbst. Wenn man aber glaubt, dass dieser Mann der Erlöser ist, was will man dann noch suchen?
Ein zweiter Mann wird von Jesus angesprochen und aufgefordert: „Folge mir nach!“
Der sprach aber: „Erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.“
Aber Jesus sprach zu ihm: „Lass die Toten ihre Toten begraben; gehe du aber hin und verkündige das Reich Gottes!“
Nur Christus kann so reden. Er hat schon in das Herz dieses Mannes geblickt, noch bevor er ihn angesprochen hat. Er hatte längst die Trauer gesehen, und er kann Trauer nehmen. Er kann anders trösten, als wir Menschen uns untereinander trösten können. Er kann den Menschen wirklich vom Tod abwenden, wenn sie sich ihm zuwenden, wenn sie ihm folgen.
Es geht auch hier in verstörender Weise um Nachfolge. Darum wird uns das Bild von Vater und Sohn vorgestellt. Der Sohn ist immer auch Nachfolger des Vaters, und dort wo er an das Grab des Vaters tritt, macht er sich bewusst, dass er ihm ins Grab folgen wird, nachfolgen wird. Christus aber ruft den Sohn in die eigene Nachfolge und damit in die Anteilnahme zum Leben. Nur darin ist wirklicher Trost, nur darin ist Hoffnung. In Christus wenden wir uns vom Tod zum Leben und treten in die Nachfolge des Lebens.
Ein Dritter wird uns in unserer Geschichte vorgestellt, und der kommt schon gleich mit einer Bedingung: „Herr, ich will dir folgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind.“ Wie aber wollen wir Gott Bedingungen stellen, und was kann wichtiger sein als zu Gott in Beziehung zu treten? Hinter der Bedingung, die dieser Mensch stellt, steht doch irgendwie auch die Vorstellung, dass er erst für Christus bereit ist, wenn er zuvor noch etwas anderes erledigt hat.
Im Umgang unter uns Menschen ist das auch sehr richtig. Immer wieder erlebt man es, dass sich Menschen in neue Beziehungen stürzen, ohne das sie mit den vorherigen fertig wären. Es ist dann immer sinnvoll und richtig, in der Seelsorge beispielsweise, darauf hinzuweisen, dass möglichst erst das Alte wirklich beendet sein sollte, bevor man neue Versprechungen gibt.
Anders aber ist es in der Begegnung mit Gott. Sie ist ganz anderer Natur als alle Begegnungen, die Menschen sonst machen können. Der Mensch in seiner Fülle verdankt sich nämlich erst dieser Begegnung mit Christus. Ein Mensch ohne Gottesbegegnung bleibt unvollständig, im wahrsten und tiefsten Sinne - unheil. Der heile Mensch, der in der Gottesbegegnung geheiligte Mensch aber kann neu in die Welt treten und sich den Mitmenschen zuwenden. Es gibt aber keine Gottesbegegnung unter Vorbehalt. Wir Menschen stellen Gott keine Bedingungen. Diese Nachfolge ist bedingungslos.
Drei Menschen, drei Begegnungen mit dem Mensch gewordenen Gott. Keine von ihnen scheint, jedenfalls auf den ersten Blick, ein glückliches Ende zu nehmen. Jesus scheint allen vor den Kopf zu stoßen, scheint alle zurückzustoßen und dann weiterzuziehen auf seinem Weg.
Aber sagt das die Geschichte wirklich? Der Text des Lukas gibt diese Deutung jedenfalls nicht her. Vielmehr folgen wir in dieser Vermutung unserer eigenen Ängstlichkeit und beginnen selbst, Jesus ängstlich Bedingungen zu stellen. Er soll die Menschen nicht so grob angehen. Er soll freundlich sein, Rücksicht nehmen auf die Trauer und geduldig sein, wenn jemand noch etwas zu erledigen hat. Was aber will der Mensch mit einem Gott, der sich seiner selbst nicht gewiss ist?
In der Begegnung mit Gott kann man dankbar sein für jede „Zurechtweisung“ - nicht nur weil sie in jedem Fall eine Anteilnahme am eigenen Ergehen ist, sondern auch darum, weil sie ihrem Wortsinn nach etwas Gutes ist. Wir werden auf das hingewiesen, was richtig ist.
Aber noch in einer ganz anderen Weise sind Begriff und Inhalt der Nachfolge aufsehenerregend:
Wir sprechen im eigentlichen Sinne vom Nachfolger nicht nur als von einem Charakteristikum der Beziehung zum Anführer. Der entscheidende Zusammenhang liegt nicht darin, dass der eine vorangeht und viele andere ihm folgen. Der entscheidende Zusammenhang liegt darin, dass der Nachfolger selbst an die Stelle des Vorgängers zu treten hat, wenn seine Zeit erfüllt und gekommen ist.
Wir haben davon am Anfang gehört im Zusammenhang mit Cäsar und Augustus. Was aber genau gemeint ist, wird noch schöner deutlich am Wesen der Kirche. Sie vereint diejenigen, die Christus nachfolgen, sie ist aber in einer gewissen Weise auch an seine Stelle getreten. Sie ist die Form, in der Christus in dieser Welt nun nicht nur sichtbar, sondern auch wirksam wird. Es ist etwas ganz und gar Gewaltiges, dieser Kirche anzugehören. Wir sind Nachfolger Christi, weil wir an ihm Anteil nehmen.
Amen
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen“
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