Freitag, 31. Oktober 2014

Reformationstag (nachgetragen)


Es ist wahrlich keine aktuelle Baustelle, diese Sache, aber das Asketische hat doch mehr abstoßende Züge, als erträglich wären: Der Tanz verführt zur Sünde, Spielleute sind unehrbare Gestalten. Es ist eine unchristliche Menschen- und Schöpfungsfeindschaft darin, die je länger je mehr ich nicht ertragen mag. Sie muß direkterweise vom Teufel herrühren (der sich gerne fromm verstellt). Aber, wie gesagt, das alles ist  keine populäre Lektüre. Nur warum sollten wir anfangen, uns nach Moden zu richten.

Unser Vater Luther, den wir am Reformationstag fleißig gelesen haben (manche Bücher hat man offenkundig nur bei den immer wieder anfallenden Umzügen in der Hand gehabt), war kurioserweise der Anlaß für die eben getätigte Bemerkung; denn aus manchem Winkel seines Denkens springt uns dann allerdings etwas an, das wir umgehend zurückschicken müssen (selbstredend nicht in der Manier notorischer Christenfresser, siehe dafür etwa hier). Immerhin hat er zuletzt eine entlaufene Nonne geehelicht. 

Wir gehen in die gerade eben vergangene Zeit zurück (meine treuesten Leser hassen das, ich weiß, aber es soll bald noch mehr Nachträge geben, und dieser war sozusagen seit Tagen fertig).  Aus Anlaß des Reformationstages hatte ich ein kleines Luther – Florilegium zusammen getragen. Und die merkwürdige Häuslichkeit auf den Bildern will einen schlichten Rahmen bieten für die kärgliche Auswahl aus meinen Lesefrüchten, die ich nachfolgend denn doch nicht vorenthalten mag (es war übrigens eine Art Gemüsesuppe mit einer Einlage aus Relikten von Tiefgefrorenem, mit sehr viel an verschiedenem Gemüse und darüber hinaus merkwürdigerweise ziemlich gut zu essen).


Von Luther geschrieben & überliefert 

„So siehst du, was an Gott glauben heißt, nämlich, ein solches Herz gewinnen, das groß und unverzagt wird gegen alles, was der Teufel und die Welt vermag, Armut, Unglück, Schande und Sünde dazu.“

"Was soll man aber von dem sagen, der nicht allein um Guts willen, sondern auch um zeitlicher Ehre willen krieget, daß er ein so weidlicher Mann sei, und angesehen werde?... Ehrgeiz und Geldgeiz ist beides Geiz, einer sowohl unrecht als der andere, und wer in solchem Laster krieget, der krieget ihm die Hölle."

“Die Welt ist gleich wie ein trunkener Bauer, hebt man ihn auf einer Seiten in den Sattel, so fällt er zur andern Seiten wieder herab; man kann ihm nicht helfen, man stelle sich, wie man wolle. Also will die Welt auch des Teufels sein.“

"Der Teufel pflegt uns in Kleinigkeiten zu quälen. Ich habe einmal Gewissensbedenken gehabt, als ich in Worms war, ob ich den Kaiser 'Allergnädigster Herr' anreden sollte. Die Sach ist gering; da es aber allgemeine Gewohnheit und ein amtlicher Titel war, warum hätte ich's nicht tun sollen! Aber der Teufel hat seine Freude an solchen leeren Dingen."

„Es ist aber nicht ein seltsam unerhört Ding, dass der Teufel in den Häusern poltert und umbhergehet. In unserm Kloster zu Wittenberg habe ich ihn bescheiden gehört. Denn als ich anfing den Psalter zu lesen, und nachdem wir die Nacht-Metten gesungen hatten und ich im Remper saß, studieret und schriebe an meiner Lection, da kam der Teufel und rauschet in der Höllen dreimal, gleich als wenn einer einen Scheffel aus der Höllen schleifte.
Zuletzt, da es nicht wollt' aufhören, rafft' ich meine Bücherlein zusammen und ging zu Bette; aber mich reuet es diese Stunde, dass ich ihm nicht aussaß und hätte doch gesehen, was der Teufel noch wollte gemacht haben. So hab ich ihn sonst auch ein Mal über meiner Kammer im Kloster gehört, aber da ich vermerkt, daß er's war, acht' ich's nicht und schlief wieder ein."


"Vergil hat viel schlechte Dichter hervorgelockt, Philipp Melanchthon viel schlechte Dialektiker, ich viel schlechte Theologen, denn einige schreiben nach dem Holzmaß; manche meinen, wenn sie drei Sätze hätten, wäre es schon eine Schlußfolgerung."

Es ist wahr, daß halbgelehrte Leute die unnützesten Leute auf Erden sind, und wäre ihnen viel besser, daß sie gar nichts könnten. Denn sie gehorchen niemand nicht, können es alles selbst bessser denn alle Welt, wissen zu urtheilen alle Kunst und Schrift, und Summa, sie können niemand etwas Rechtschaffenes lehren und lassen sich auch von niemand lehren."

"Aristoteles ist gar ein Epikureer, hält's dafür, daß Gott nach menschlichen Dingen nicht frage, achte nicht, was und wie wir's machen  und treiben, lasse uns haushalten, wie wir wollten, als ging es ihn nicht an; und da er's gleich glaubet, so denkt er, Gott regiere die Welt, gleichwie eine schläfrige Magd ein Kind wieget. Aber Cicero ist viel weiter kommen. Ich glaube, daß er hat zusammengelesen und bracht, was er Guts funden hat bei allen griechischen Skribenten und Lehrern in ihren Büchern."

„Erasmus ist ein rechter Momus, der alles verspottet, auch die ganze Religion und Christum. Und auf daß er's desto baß tun könne, erdenkt er Tag und Nacht Wankelwort, daß seine Bücher auch können von Türken gelesen werden. Wenn man meinet, er habe viel gesagt, so hat er nichts gesagt. Denn alle seine Schriften kann man ziehen und deuten, wie und wohin man will.
Erasmi vornehmste Lehre ist, man soll den Mantel nach dem Winde hangen, dass er möchte Ruhe und gute Tage haben und ist gestorben wie ein Epikuräer.“

„Erasmus Roterodam hält die christliche Religion und Lehre für eine Komödien oder Tragödien, in welcher die Ding, so darinnen beschrieben werden, niemals also geschehen und ergangen sind wahrhaftig, sondern sind allein darum erdichtet, daß die Leute nur zu einem feinen äußerlichen Wandel und Leben unterrichtet und angerichtet würden zu guter Disziplin und Zucht.“


"Weisheit, Verstand und Gelehrtsein und die Schreibfeder, die sollen die Welt regieren. Wenn Gott zürnte und alle Gelehrten aus der Welt wegnähme, so würden die Leute gar zu Bestien und wilden Tieren; da wäre kein Verstand noch Witz, kein Recht, sondern eitel Rauben, Stehlen, Morden, Ehebrechen und Schaden tun. Wer den andern vermag, der steckt ihn in den Sack. Der Pöbel wollte, daß keine weisen, verständigen, gelehrten Leute und Prediger wären, daß sie möchten leben wie sie wollten. Wenn das geschähe, so verginge die Welt; denn ohne Verstand, Weisheit und Gesetze können weder Türken noch Tataren leben und haushalten."

„Es können nicht alle zugleich Könige, Fürsten, Ratsherren, Reiche und Freie sein, denn die Welt kann ohne mancherlei und unterschiedliche Personen nicht bestehen: Wie vor Gott kein Ansehen der Person ist, sondern alle gleich sind, so braucht doch die Welt das Ansehen der Person und die Ungleichheit. Und das dazu, damit die Bösen im Zaume gehalten und der öffentliche Friede gewahrt werde, der bei völliger Gleichheit und Unterschiedslosigkeit aller Menschen nicht bestehen kann.“

„Es ist wohl leicht, eine Obrigkeit und Regenten bei Seite schaffen aber es ist nicht gleich eine bessere da... Im äußerlichen weltlichen Leben soll die Ungleichheit bleiben; wie denn die Stände ungleich sind... Wer da wollte eine Gleichheit machen, daß der Knecht so viel gelten soll, als sein Herr, die Magd so viel Gewalt haben, als die Frau, ein Bauer so viel als sein Fürst, der würde ein sehr löbliches Regiment einführen, wie man an den Aufrührern wohl gesehen hat. Da würde wohl niemand seines Lebens, Ehre und Gutes sicher sein können und keine Nacht ruhig schlafen... und ehe man in Deutschland eine neue Weise des Reichs anrichtete, so wäre es dreimal verheeret.“

„Wird man aber die Blattern ausreißen mit Unbarmherzigkeit, so wird den Schaden und Schmerzen niemand bas fühlen, denn solche kluge Balbierer, die den Schwären lieber ausreißen, denn heilen wollen. Es bleibet wohl dabei, wo ein ungesunder Leib ist, daß daselbst auch Blattern und Eiter sind. Regiment aber ist ein solches blatterichtes Kind, das die Bocken und Masern hat. Darum müssen darinne etliche Fromme sein, die es bei dem Leben und Wesen erhalten, daß es nicht zu Grunde gehe...Denn Aufruhr ist... wie ein groß Feuer, das ein Land anzündet und verwüstet.  Dem gemeinen Mann ist nun sein Gemüth zu stillen und zu sagen, daß er sich enthalte auch der Begierden und Worte, so zum Aufruhr sich lenken. Denn die Weise ist nichts nütze, bringt auch nimmermehr die Besserung, die man damit suchte. Denn Aufruhr hat keine Vernunft, und geht gemeiniglich mehr über die Unschuldigen, als über die Schuldigen.“

„Und sonderlich von den Bildern hab ich am letzten also geredt, daß man sie solle abthun, wenn sie angebetet; sonst mag man sie wohl leiden... und müssen nicht so bald zufahren, wenn ein Mißbrauch eines Dings vorhanden ist, daß wir dasselbige Ding umreißen oder zunichte machen wollten. Denn wenn wir alles wollten verwerfen, des man mißbraucht, was würden wir für ein Spiel zurichten? Es sind viel Leute, die die Sonne, den Mond, und das Gestirn anbeten; wollen wir darum zufahren und die Sterne vom Himmel werfen, die Sonne und den Mond herab stürzen?"

"Der Wein und die Weiber bringen manchen in Jammer und Herzeleid, machen viele zu Narren und wahnsinnigen Leuten; wollen wir drum den Wein wegschütten, und die Weiber umbringen? Nicht also! Gold und Silber, Geld und Gut stiften viel Böses unter den Leuten: soll man drum Solches alles wegwerfen? Nein, wahrlich! Ja, wenn wir unsern nächsten Feind vertreiben wollten, der uns am allerschädlichsten ist, so müßten wir uns selbst vertreiben und tödten. Denn wir haben keinen schädlicheren Feind, denn unser eigen Herz; wie der Prophet Jeremias sagt C. 17., V. 9...

Denn was mir Gott nicht verbeut, und ichs frei hab, zu thun oder zu lassen, da soll mir kein Mensch, ja kein Teufel noch kein Engel irgend ein Gebot draus machen, und sollt es auch Leib und Leben kosten... Aus dieser Geschichte sollt ihr lernen, daß wir unserer Freiheit gebrauchen sollen zu rechter und bequemer Zeit, damit der christlichen Freiheit nichts abgebrochen und unsern Brüdern und Schwestern, die noch schwach und dieser Freiheit unwissend sind, kein Ärgerniß gegeben werde.“


„Wenn man heiraten will, so soll man nicht nach dem Vater, sondern nach der Jungfrauen Mutter Geruch fragen. Warum? Weil das Bier im Allgemeinen nach dem Faß riecht.“

"Der Fall Adams hat unsere Natur verderbt, daß sie ganz unbeständig geworden ist. Sie läuft hin und wider wie Quecksilber!... Adam und Eva werden sich gar weidlich oft die neunhundert Jahre miteinander gescholten haben: 'Du hast den Apfel gefressen.' Darauf die Antwort: 'Warum hast du ihn mir gegeben?"

"Summa, es ist ein hoher Stand, wenn er wohlgerät; da er aber nicht gerät, so sollt einer lieber tot sein, denn einen sichtlichen Teufel an der Seite haben. Wer die Gabe und Gnade hat, keusch ohne Ehe zu leben, der danke Gott! Christus, Maria, Johannes der Täufer sind ledig und nicht im Ehestande gewesen. Der Papst hat diese sonderliche enzliche Gabe ohne Gottes Gnade ingemein wollt dringen und erzwingen und es besser wollen machen; aber wie es geraten ist, das siehet man wohl.“

„Die den Zölibat befürworten, sollten auch das Scheißen verboten haben.“

„Wir haben einmal hier wider Willen der Eltern zweie zusammengegeben. Der Bräutigam war ein ehrlicher und reicher Geselle, die Braut war arm und hätte ihn gern genommen. Ihr Vater aber wollte es nicht, er sagte nämlich, er müßte sie im Hause haben. Da habe ich geantwortet: 'Es gibt viele Mägde hier, mietet euch eine!' Und gab sie zusammen.“

„Christus, da er Menschen erziehen wollte, mußte er Mensch werden. Sollen wir Kinder erziehen, so müssen wir auch Kinder mit ihnen werden.“

„Wenn das ein Mensch vermöchte, daß er ein einzige Rose machen könnte, so sollte man ihm ein Kaisertum schenken! Aber der unzähligen vielen Gaben Gottes achtet man nicht, weil sie gemein sind und wir täglich damit umgehen, fragt man nicht viel darnach, meinen, es muß also sein, geschehe natürlich ohn Gefährde."

"Lutherrose", hier gefunden

„Magister Georgius Spalatinus hatte einmal an Kurfürst Friederichs zu Sachsen Hofe gesagt: Daß Cornelius Tacitus schriebe, daß bei den alten Deutschen keine Schande gewesen, Tag und Nacht zu saufen. Solches höret nun ein Edelmann und fraget ihn: Wie alt solchs wohl sei, da dies geschrieben worden wäre? Als er nun antwortet: Es sei wohl bei fünfzehnhundert Jahren. Da spricht der Edelmann: 'O lieber Herr, weil Vollsaufen also ein alt, ehrlich Herkommen ist, so lasset's uns jetzunder nicht abbringen!'“

„Ein junger Mensch ist wie ein junger Most, der läßt sich nicht halten, er muß gären. Wir essen und trinken uns zu Tode, schlafen, feisten, farzen uns zu Tode. Ei, wir haben feine Ursach, hoffärtig zu sein.“

„Denn je älter wir werden, je törichter wir werden! Wenn wir alt werden, so beginnen wir zu disputieren, wollen klug sein und sind doch die größten Narren.“

Daß selten ein gut Werk aus Weisheit und Fürsichtigkeit fürgenommen werde oder geschehe, sondern es müsse alles in einem Irrsal oder Unwissenheit geschehen.

„Leihest du, so kriegst du es nicht wieder. Gibt man dir's wieder, so geschieht's doch nicht so bald und so wohl und gut. Geschieht's aber, verlierst du einen guten Freund.“

„Wer die Musicam verachtet, wie denn ale Schwärmer tun, mit denen bin ich nicht zufrieden. Denn die Musica ist eine Gabe und Geschenke Gottes, nicht ein Menschengeschenk.“

„Es ist kein Baum, der zuvor nicht wäre ein Sträuchlein gewesen. Zeit bringt Rosen.“

Luther auf seiner letzten Reise in Eisleben, als ein Barbier ihm die Haare schnitt und den Bart abnahm: Die Erbsünde im Menschen wäre gleich eines Mannes Bart, welcher, ob er wohl heute abgeschnitten würde, daß einer gar glatt ums Maul wäre, dennoch wüchse ihm der Bart des Morgens wieder. Solches Wachsen der Här und Barts hörete nicht auf, dieweil ein Mensch lebete; wenn man aber mit der Schaufel zuschlägt, so höret's auf.  Also bleibet die Erbsünde auch in uns und reget sich, dieweil wir leben; aber man muß ihr widerstehen und solche Här immerdar abschneiden.

„Den Vergil in seinen Bucolicis kann niemand verstehen, er sei denn fünf Jahre Hirte gewesen. Den Vergil in seinen Georgicis kann niemand verstehen, er sei denn fünf Jahre Ackermann gewesen. Den Cicero in seinen Episteln kann niemand ganz verstehen, er habe denn 25 Jahre in einem großen Gemeinwesen sich bewegt. Die Heilige Schrift meine niemand genugsam geschmeckt zu haben, er habe denn hundert Jahre lang mit Propheten wie Elias und Elisa, Johannes dem Täufer, Christus und den Aposteln die Gemeinden regiert. Versuche nicht diese göttliche Äneis, sondern neige dich tief anbetend vor ihren Spuren! Wir sind Bettler. Das ist wahr. 16. Februar, anno 1546“

nachgetragen am 8. November

Sonntag, 26. Oktober 2014

Sonntag & (nachgetragen)


Ich wurde heute (gestern) gerügt, einmal mehr, von Angesicht zu Angesicht, bezüglich meiner späten Essensberichte. Aber es ist auch schwierig. Einmal habe ich vom Kochen nur höchst oberflächlich Ahnung, und dann hasse ich es zu langweilen. Das sind schon einmal ganz schlechte Voraussetzungen für einen pünktlichen Report. Von anderem schweigen wir.

Wenn aus unseren verlorenen preußischen Provinzen nur noch Königsberger Klopse, das Marzipan von dort, Danziger Goldwasser oder Herr Kant in Erinnerung bleiben müßten, würde ich mich wohl höchst widerwillig am ehesten wieder mit dem Königsberger Professor anfreunden, wahlweise mit den Klopsen, also eher dann doch mit denen.

Schliebener Landwein (südöstliches Brandenburg) und Danziger Goldwasser haben etwas gemeinsam, eine starke physische Präsenz; wenn der besagte Landwein (ich krame gerade in ganz alten Erinnerungen) auf die Schuhe tropfte, waren die hin, das brannte sich einfach durch. Das Goldwasser hingegen darf man einfach nicht verschütten, weil es bei einem selbst beiläufigen Kontakt an einem kleben bleibt, hartnäckig, also eindeutig zuviel Zucker. Aber Nostalgie macht vieles liebenswürdig (vor allem, wenn es denn auch noch mit echtem (!) Blattgold daherkommt).

Wie man leicht erkennen kann, arbeite ich mich an eine Erklärung des Eingangsbildes heran. Es ist mein Geburtstagsgeschenk, das ich an besagtem Tag schlicht im Schrank vergessen hatte. Danziger Goldwasser, an dem ein Engel aufgehängt ist. Man wird ja derzeit in den Kaufgeschäften schon wieder sehr früh mit so manchem Grenzwertigen behelligt, und bei diesem Engel dachte ich nach dem ersten emotionalen Zurückschrecken: 'Den mußt du unbedingt verschenken!'. Ein kompletter Erfolg.


Zum Essen, ich beginne mit einem vorzeigbaren Bild (der Akku der Kamera gab nämlich bald seinen Geist auf und ich hatte keine aufgeladenen in Reserve). Die Abstimmung über die Essensauswahl gestaltete sich, kaum überraschend, mehr mühselig (O.Ton der netten Fleischverkäuferin und unfreiwilligen Mithörerin: „Bei ihnen möchte ich ja nicht kochen müssen.“). Doch besagten Sonnabend war ich einfach nicht ambitioniert genug.

Also habe ich schlicht zwei Sorten Fleisch geschmort, nämlich vom Rind und vom Schwein, mit Zwiebeln, Rosmarin, Thymian und Oregano. Die Sauce wurde sehr schnell weniger, nur der Braten war etwas zäh, und lustigerweise, entgegen dem eingebrannten Vorurteil, betraf es den Schweinebraten, mein Rindfleisch war recht genießbar.


Ach, und der Rotkohl ist nicht angebrannt, diesmal (mir immer noch ein Rätsel, das hatte er nämlich vorher noch nie getan), ich hatte es wohl mit Nelken und Ingwer leicht übertrieben, so war er, sagen wir, anders angenehm. 



Und die geschenkten Kartoffeln (dank der ländlichen Geburtstags-Besucher haben wir jetzt reichlich Eier von glücklichen Hühnern etc. etc.) erwiesen sich wohl auch als durchaus eßbar, hörte ich (ich selbst hatte nur einen sehr mäßigen Appetit).


Und das ist es auch schon. Kein sich als originell verstellendes Schluß-Bonmot. Nur, wo ich gerade auf den herbstlich besonnten Großherzog blicke: Irgendwie ist diese Zeit des Jahres doch reichlich absurd, mitunter tut sie so, als wäre sie fast noch ein wenig sommerlich und, kaum hat man seine Schuhe angezogen, ist es kalt, dunkel und neblig. Fast wie im richtigen Leben.

nachgetragen am 28. Oktober

Freitag, 24. Oktober 2014

Familiäres





Weniges ist mehr einschläfernd als fremde Familienalben. Dies ist gerade sozusagen ein Ausschnitt aus einem solchen. Aber da mein armer Blog doch letztens reichlich verlottert ist, dachte ich mir, ein paar Bilder, die allenfalls die Betroffenen anschauen werden, tun niemandem wirklich weh, vermutlich.

Ich hatte übrigens, nach gefühlt 120 Jahren, wieder einmal versucht, einen Kuchen zu backen, er sah auch soweit ganz nett aus bzw. sieht, aber der Autor des Rezeptes muß eine unstillbare Gier auf Zucker haben, denn er war ungenießbar (der Kuchen), sage ich. Und da meine noch einer, die Lektüre von englischen Landhaus-Stil Heften könne nichts Übles anrichten. Doch, kann es.

Ansonsten sieht man einen Ausschnitt aus besagtem Tag. Die Bilder sind wirklich sehr nebenbei gemacht, hier jedenfalls wurde gerade, abgesehen vom Konsumieren von Kohlenhydraten, vom Zentrum des Ereignisses, sprich: Frau Mutter, einiges an Geschichten erzählt, die sicherlich alle mindestens wahr sind und ihr jedenfalls erkennbar gefallen haben




nachgetragen am 26. Oktober

Sonntag, 19. Oktober 2014

Sonntag &

not even "translated"

Es ist erstaunlich, wie ein gelungenes Kotelett, nein, nicht unbedingt Glücksgefühle hervorzurufen vermag, aber doch eine Art angenehmer Nostalgie. Doch dazu später. Ich war mir einmal mehr unschlüssig und dachte daher, ich teile wieder die Sache, zum einen gibt es einen kleinen Stapel von Koteletts mit Blumenkohl (dann ist schon einmal die eine Hälfte der Veranstaltung zufrieden), zum anderen versuche ich mich an Rinderfilet (samt Rosenkohl). Der Aufwand sollte ebenso in Grenzen bleiben.


Der Blumenkohl ist schnell erzählt (diesmal kam zum Salz nur frischer Muskat hinzu). Die Koteletts brauchen nicht viel länger. Als ich sie mit dem Klopfer traktierte, merkte ich schon, daß das Fleisch wohl ganz in Ordnung wäre. Wie üblich wurden sie erst in Mehl gewälzt, dann in Ei (dem ich Pfeffer und Salz zugefügt hatte) und zum Schluß in Semmelmehl, darauf in Butterschmalz kräftig gebraten und zuletzt im Ofen unter Folie bei mäßiger Temperatur nachgegart, zusammen (aber getrennt natürlich) mit dem Rinderfilet.




Das hatte ich den Abend zuvor in Rotwein, Rosmarin, Lorbeerblättern und Pfefferkörnern eingelegt, abgetropft wurde es gebraten und dann (siehe oben). Aus der Marinade habe ich später versucht, eine Sauce zu kreieren. Also den Part muß ich noch üben (vermutlich wäre es besser, das Ganze nur wenige Stunden zu marinieren).



Die Koteletts aber erwiesen sich als Erfolg, die Kruste nicht hart und verbrannt oder fett-triefend, das Fleisch nicht zäh, also alles, was hätte schief gehen können, ging nicht schief. Die merkwürdigen Klöße sind übrigens das übrig gebliebene Semmelmehl + die Reste des durchgerührten Eies, ich mochte das nicht wegtun, also wurde es als Kloß mit gebraten. Und zur Nostalgie, die doch auf erinnerten Ereignissen beruhen sollte; als in meiner Erinnerung grub, kam ich drauf, es muß eine imaginierte Nostalgie sein, aber die ist deshalb nicht weniger wert.



Ein wirklich erfreulicher Tag, der sich überdies noch spätsommerlich gab (und so sogar meine Erkältungsverstimmung verschwinden ließ, die Stimmung, mehr nicht). Darum hängen am Ende noch ein paar entsprechende Bilder dran, die ich im übrigen zumeist etwas zu spät aufnahm, aber wer denkt schon daran, wenn ein Moment ganz unterhaltsam ist, daß er den auch noch unbedingt zu dokumentieren habe. Und in dieser Jahreszeit ist es nun einmal so, kaum tanzt das Laub in der letzten Sonne und man genießt die Szenerie, ist der Anblick auch schon wieder verschwunden, weil es nämlich die Sonne ist.



Und um doch noch in den Spuchbeutel zu greifen und bei Horaz zu landen:

Carpe diem, quam minimum credula postero.

Was soviel heißt, wie: "Genieße diesen Tag, und blicke dem folgenden mit Vorsicht entgegen."



nachgetragen am 21. Oktober

It's amazing how a successful cooked chop is able to cause, not literally feelings of happiness, but a kind of pleasant nostalgia. More on this later. I was even more irresolute, about the Sunday dish, and so I thought I'd part again the matter, so on one hand there will be a small stack of chops with cauliflower (then already a half of the crowd (of 2 people)) is satisfied), on the other hand I should treat some tenderloin (including Brussels sprouts). I also wanted to make the effort limited, a lot.

The cauliflower is told quickly (this time I only added fresh nutmeg to the salt). The chops don't take much longer. When I knocked them I could already see, the meat would be all right. As usual it was first rolled in flour, then in egg (to which I had added pepper and salt) and finally in breadcrumbs, then seared in butter and for continue cooking I put it in the oven under foil at a moderate temperature, together (but separately of course) with the beef. 

I had pickled it the night before in red wine, rosemary, bay leaves and peppercorns, it was fried and then (see above)... From the marinade I later tried to create a sauce. So this part I still have to practice on (presumably it would be better to marinate the whole thing only a few hours). Howsoever. 

But the chops proved to be a success, the crust not hard and burned or fat-dripping, the meat inside not tough, so everything that could have gone wrong, didn't. By the way the strange dumplings consist from the remaining bread flour + the remains of the stirred egg, I didn't could throw it away, so I fried it as well (mistake). And for nostalgia, I guess this should be based on remembered events; digging in my memory I found out it must be an imagined nostalgia, but that's no less worth.

A really enjoyable day, pretending a bit to come from the late summer side (and so even let my cold grumpy mood disappear, the mood, nothing more). Therefore we'll add a few fitting images at the end, I was too late again and quite in a dense obviously, but who would consider, when a moment is quite loveable, that he had to document it as well. And it's simply the character of this time of the year, you see dancing leaves in the last rays and enjoying the scenery, the sight is gone again the very next moment, not the sight, but the the sun. 

And looking for the meaningless bag of forgotten sayings, ending at Horace

Carpe diem, quam minimum credula postero. 

Which means like: Enjoy this day, and look forward to the following, carefully.

Freitag, 17. Oktober 2014

Über einen Muttermörder im Schloßgarten

Schloßgarten Charlottenburg,, Kopie der Ildefonso-Gruppe

„Frohlockend ging er dem Orestes und seinen Begleitern entgegen, die einen verhüllten Leichnam aus dem Innern des Palastes in die Vorhalle trugen. 'O froher Anblick', rief der König und heftete seine gierigen Augen darauf, 'hebet schnell die Decke auf, laßt mich ihn des Anstands halber beklagen; es ist ja doch verwandtes Blut!' So sprach er spottend. Orestes aber entgegnete: 'Erhebe du selbst die Decke, Herrscher! dir allein gebührt es, liebevoll zu sehen und zu begrüßen, was unter dieser Hülle liegt!' 'Wohl', antwortete Ägisth, 'aber ruf auch Klytämnestra herbei, daß sie schaue, was sie gerne sehen wird.' 'Klytämnestra ist nicht ferne', rief Orestes. Indem lüftete der König die Decke und fuhr mit einem Schrei des Entsetzens zurück: nicht die Leiche des Orestes, wie er gehofft hatte – der blutige Leichnam Klytämnestras zeigte sich seinen Blicken. 'Weh mir', schrie er, 'in welcher Männer Netze bin ich Unglückseliger geraten?' Orestes aber donnerte ihn mit tiefer Stimme an: 'Weißt du denn nicht schon lange, daß du zu Lebendigen als zu Toten sprächest? Siehest du nicht, daß Orestes, der Rächer seines Vaters, vor dir steht?' 'Laß mich reden!' sprach zusammengesunken Ägisth. Aber Elektra beschwor den Bruder, ihn nicht anzuhören. Verstummend stießen ihn die Ankömmlinge hinein in den Palast und an demselben Orte, wo er einst den König Agamemnon im Bade gemordet, fiel Ägisth wie ein Opfertier unter den Streichen des Rächers.“

Orestsarkophag, Vatikanische Museen

So beschreibt Gustav Schwab den Tod des Aigisthos, und da er in seinem bekannten Sagenwerk vor allem nach antiken Vorlagen erzählt haben soll, muß man doch anmerken, er mochte dabei vor allem die sehr theatralischen.

Karl Philipp Moritz ist da in seiner nüchternen „Götterlehre“ einfacher zu lesen und wir bekommen gleich auch eine Zusammenfassung des Hintergrundes des eben Geschilderten:

„Als Agamemnon nun das Heer der Griechen gegen die Trojaner anführte, versöhnte er sich mit dem Ägisthus, verzieh ihm seines Vaters Tod und vertraute sogar die Sorge für Klytemnestra und für sein Haus ihm an. Ägisthus aber mißbrauchte dies Vertrauen, verleitete die Klytemnestra zur Untreue gegen den Agamemnon; und als dieser nach der Eroberung von Troja wieder in seine Heimat kehrte, ward er vom Ägisthus und seinem eigenen Weibe mitten unter dem Gastmahl ermordet, das man bei seiner Ankunft, dem Scheine nach, ihm zu Ehren mit erdichteter Freude anstellte.

Von den Kindern des Agamemnon war Iphigenie schon bei der Fahrt nach Troja, wo sie für Griechenlands Wohl geopfert werden sollte, von Dianen nach Tauris entrückt. – Orestes wurde von seiner Schwester Elektra erhalten, die ihn heimlich zu dem mit der Schwester des Agamemnon vermählten Könige Strophius schickte, welcher zu Phocis herrschte und mit dessen Sohn Pylades Orestes ein unzertrennliches Freundschaftsbündnis knüpfte. – Nur Elektra blieb zu Hause den Mißhandlungen ihrer entarteten Mutter ausgesetzt.

Klytemnestra vermählte sich nun ohne Scheu mit dem Ägisthus und setzte ihm selber die Krone auf, die er behauptete, bis Orestes in Begleitung des Pylades kam, um seines Vaters Tod zu rächen. Sie streuten ein falsches Gerücht vom Tode des Orestes aus, worüber Ägisthus und Klytemnestra, vor Freude außer sich, ihr schwarzes Verhängnis nicht ahndeten.

Orest erschlug mit eigner Hand seine Mutter und den Ägisth, die Mörder seines Vaters. Weil er aber seine Mutter getötet hatte, ward er, von den Furien verfolgt, umhergetrieben, und keine Aussöhnung vermochte das Andenken dieser Tat bei ihm auszulöschen, bis ein Orakelspruch des Apollo ihm Befreiung von seiner Qual verhieß, wenn er nach Tauris gehen und die Bildsäule der Diana von dort nach Griechenland entführen würde.

Benjamin West, "Pylades and Orestes Brought as Victims
 before Iphigenia", 1766, hier gefunden

Orest begab sich mit seinem getreuen Pylades auf die Reise, und als sie in Tauris anlangten, sollten sie beide oder einer von ihnen nach dem alten barbarischen Gebrauch, der alle Fremden traf, der Göttin geopfert werden. Hier war es, wo jeder der beiden Freunde großmütig sein Leben für den andern darbot.

Orestes aber gab sich seiner Schwester Iphigenie, der Priesterin Dianens, zu erkennen, und diese fand ein Mittel, die Bildsäule der Diana auf ihres Bruders Schiff zu bringen und mit ihm und seinem treuen Freunde nach Griechenland zu entfliehen. Der Orakelspruch des Apollo wurde erfüllt, Orestes ward von den quälenden Furien befreit und herrschte ruhig zu Mycene; der Zorn der Götter über Pelops' Haus schien endlich zu ermüden.“


Etwas verloren am Rande der Orangerie findet sich an der Rückseite der Hauptallee des Neustrelitzer Schloßgartens eine Kopie des antiken Orest-Sarkophages. Genauer gesagt, ist die obige ikonographische Konstellation in mehreren Ausarbeitungen erhalten (natürlich in Rom, aber auch z.B. in Cleveland (Ohio)).


Eine davon befand sich übrigens bis zum 19. Jahrhundert im nordspanischen Kloster Santa Maria de Husillos, ich erwähne das, weil ich in nachfolgend aufgeführtem Aufsatz (Stefan Trinks, „Nacktheit am spanischen Pilgerweg – Antike als Antidot“; in: „Und sie erkannten, dass sie nackt waren.“, Nacktheit im Mittelalter, Ergebnisse einer interdisziplinären Tagung des Zentrums für Mittelalterstudien der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, hrsg. von Stefan Bießenecker; University of Bamberg Press, 2008) eine bestechend klare Beschreibung der Szenerie fand, die ich deshalb einfach zitieren möchte (und nicht etwa unaufrichtig paraphrasieren).


„Für einen antiken Betrachter stellte sich das Geschehen folgendermaßen dar: Im Zentrum des Sarkophagfrieses steht Orestes als Protagonist breitbeinig und als einziger freigestellt in 'heroischer Nacktheit' , denn trotz des von ihm begangenen Muttermordes galt er dem Altertum als ein exemplum virtutis und wurde zum Sujet von Sarkophagen gewählt. Zu seinen Füßen liegen seine Mutter, die Königin Klytaimnestra und sein Stiefvater Aigisthos, der Thronräuber nach dem Mord an Orestes’ Vater. Beide hat Orestes zusammen mit seinem treuen Gefährten Pylades mit dem Schwert getötet, wovor sich Klytaimnestras Magd Nodriza links von Pylades mit einer plastischen Geste des Entsetzens abwendet.


Aufgrund dieser Bluttat verfolgen ihn von rechts zwei Erinnyen als Rachegöttinnen mit Schlangen hinter einem aufgespannten Vorhangtuch. Rechts am Rand des Sarkophages steigt Orestes über eine schlafende Erinnye, um im Apollo-Tempel zu Delphi den Schutz des Gottes vor den Rachegöttinnen zu erbitten. Links sind drei ebenfalls schlafende Erinnyen übereinander angeordnet, so dass die existenzielle Bedrohung Orestes’ durch diese Unausweichlichkeit bildlich verstärkt wird.“ (S. 39f.)


Übrigens beschreibt dort der Autor ferner faszinierend, wie sich im 11. Jahrhundert das Bildtableau des Sarkophags in lokalen (sakralen!) Bildwerken niedergeschlagen habe, und gibt zur Begründung an: Die sich neu formierenden Königreiche Nordspaniens hätten gewissermaßen den Lapsus des arabischen Interregnums in einem Brückenschlag zur hispano-römischen Antike „bewältigen“ wollen. Einer „martialischen Reconquista“ trat so eine gleichrangige kulturelle Reconquista zur Seite als „unmissverständliche Legitimierungsstrategie ihrer Anciennität gegenüber den Arabern“. Und das am Pilgerweg nach Santiago de Compostela!

Doch wir schweifen (ein wenig ab). Kehren wir zurück zu unserem „Heros“ Orest. Was natürlich verwundert, ist, welche Umstände ihn prädestinierten, das Bildprogramm eines Sarkophages zu bestimmen. Und wir spüren dann doch den Bruch zum 2. Jahrhundert nach Christus, dem wir uns sonst so gern nahe fühlen. Es fällt schwer, sich in die Jenseitsvorstellungen der Zeit hineinzubegeben. Was erwartete ein kultivierter Heide damals angesichts des Todes, wie wollte er nach demselben angesehen und erinnert werden. Als „exemplum virtutis“, so wie Orestes? Lägen da nicht Theseus oder Herakles näher?




Es ist ja überhaupt faszinierend, welche Doppelbödigkeiten der antike Geist in seinen Mythen auszubreiten vermag (als wäre die Menschheit auf einen Schlag erwachsen geworden und hätte sich von diesem Schock nie wieder erholt, allenfalls suchte sie, ihn wieder zu vergessen). Es dürfte kaum eine menschliche Konstellation geben, die er nicht zu erzählen vermag. In Sichtweite (wenn es nicht bereits dunkel wäre) haben wir an diesem Platz vor uns das Standbild des Jägers Meleagros, den seine Mutter Althaia tötete, nachdem der deren Brüder im Streit getötet hatte (siehe hier).


Die alten Griechen hatten wirklich eine Passion für's Extreme (man sehe nur den Vorfahren des Orestes, Pelops). Oder um noch einmal den Herrn Moritz zu zu zitieren: „Daß die Alten überhaupt in ihren Dichtungen das Tragische liebten, sieht man aus der ganzen Folge ihrer Götter- und Heldengeschichte. Das ungleiche Verhältnis der Menschen zu den Göttern, welches schon von ihrer Entstehung an sich offenbarte, ist fast in jeder Dichtung auf irgendeine Weise in ein auffallendes Licht gestellt.

Die Götter erhöhen und stürzen nach Gefallen. Jeder Versuch eines Sterblichen, mit ihrer Macht und Hoheit sich zu messen, wird auf das schrecklichste geahndet. Ihr zu naher Umgang bringt oft ihren Lieblingen selbst den Tod. Ihre wohltätige Macht wird von der furchtbaren überwogen.“

Das Göttliche wird von ihnen eher als Gefahr aufgefaßt, vor der man sich zu schützen habe; ein Fluch setzt sich über Generationen fort, menschliche Versuche, in dieser Wirrnis Gerechtigkeit herzustellen, vermehren nur das Übel. Immerhin steht am Ende der Geschichte des Orest ein Gerichtsverfahren, das die Sache unter Vorsitz von Pallas Athene zu lösen sucht. Aber im Grunde ist es doch eine reichlich unbehauste Weltsicht (und eine trostlose Religion, nebenbei bemerkt).


Aber vielleicht waren all dies auch die (notwendigen) Folgen eines ersten menschlichen Erwachens, das immerhin soviel Grandioses hervorbrachte, daß selbst ein Splitter Geist und Phantasie nach Jahrhunderten noch zu entzünden vermochten (und für welch edlen Zweck!). Und was mehr als ein Splitter ist schließlich so ein Sarkophag in einem Winkel eines nordspanischen Klosters?

In den Charakter des Orest mögen wir uns nun doch nicht mehr weiter vertiefen. Aber wir müssen noch erklären, warum wir mit der Ildefonso-Gruppe begonnen haben und sie oben schon wieder bringen (hier eine schöne Zusammenstellung). Vom Sarkophag kann ich nur sagen, daß er wohl zu Zeiten des Großherzogs Georg (1854) aufgestellt wurde. Der Bruder der Königin Luise war klassisch hoch gebildet, wird sich seinen Teil gedacht haben, welchen, ich weiß es schlicht nicht. Er korrespondiert aber in gewisser Weise mit der Kopie der Gruppe von San Ildefonso, die er in Marmor ebenfalls aufstellen ließ (was wir heute und jetzt gerade sehen, ist eine Nachbildung in Sandstein).

Winckelmann bspw. nämlich hielt sie für ein Darstellung von Orestes und Pylades (wir können auch heute letztlich nur mutmaßen, wer gemeint war, aber so ist es nun einmal mit Zuschreibungen, sehen wir einen Mann auf einem Eisenrost, wissen wir, ah das Martyrium des Hl. Laurentius, doch so einfach ist es halt oft nicht). Und damit wenden wir uns, zugegeben leicht unbefriedigt, von dieser Geschichte für heute wieder ab.


Dienstag, 14. Oktober 2014