Mittwoch, 8. Oktober 2014

Schönhauser Erinnerung


Anfang 1989 absolvierte ich im Rahmen meines Theologiestudiums ein Gemeindepraktikum in Schönhausen. Eine der intensivsten  Erinnerungen aus diesen Tagen ist die Begegnung mit den Geschwistern Ottho. Die beiden alten Frauen waren der Kirchengemeinde besonders treu zugetan und dienten ihr in vielerlei Weise. Das Orgelspiel, Kirchenführungen und anderes gehörten zu ihren Aufgaben. Insbesondere hielten sie in Bismarcks Geburtsort die Erinnerung an diesen bedeutenden Staatsmann wach. Erika und Margarethe Ottho waren noch in der Zarenzeit in Riga geboren worden und gelangten mit den Wirrnissen der deutschen und europäischen Geschichte an die Elbe. Oft und gern saß ich in ihrem Wohnzimmer, das in der alten Kantorei etwa dort gelegen war, wo sich nun der Rentnertreff befindet. Bescheiden, dankbar und einfach lebten sie dort und erzählten von dem, was ihnen in ihrem langen Leben schon begegnet war. Vor allem freuten sie sich nach der Wiedervereinigung über jede Nachricht von erwachendem christlichem Leben im Baltikum, ihrer alten Heimat. Auch nach meiner Praktikumszeit war ich noch oft bei den Geschwistern zu Besuch, zuletzt im Pflegeheim in Gommern. Ihr Gottvertrauen war bewegend. 1994 sind sie im Spätsommer kurz nacheinander gestorben und fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem Schönhauser Friedhof.

Thomas Roloff


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