Mönch am Meer, um 1809
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Was mir vor einem Jahr möglich war, nämlich an Caspar David Friedrich zu erinnern, der am 5. September 1774 geboren wurde, ist mir diesmal, wie ersichtlich, nicht pünktlich gelungen. Dabei ist er einer meiner Lieblingsmaler, gut, das ist in etwa so originell, wie zu sagen, man würde Keats schätzen, wer nicht. Aber dann dachte ich, machen wir doch aus dem Ärgernis etwas Sinnvolles und besprechen in loser Folge einige seiner Bilder, denn so ein Beitrag hier neigt doch schnell zur Oberflächlichkeit. Beginnen wir also mit dem "Mönch am Meer".
Heinrich von Kleist hat sich über dieses Bild folgendermaßen ausgelassen:
"Herrlich ist es, in einer unendlichen Einsamkeit am Meeresufer, unter trübem Himmel, auf eine unbegrenzte Wasserwüste hinauszuschauen. Dazu gehört gleichwohl, daß man dahin gegangen sei, daß man zurück muß, daß man hinüber mögte, daß man es nicht kann, daß man Alles zum Leben vermißt, und die Stimme des Lebens dennoch im Rauschen der Flut, im Wehen der Luft, im Ziehen der Wolken, dem einsamen Geschrei der Vögel, vernimmt. Dazu gehört ein Anspruch, den mein Herz an das Bild machte, und ein Abbruch, um mich so auszudrücken, den Einem die Natur tut.
Dies aber ist vor dem Bilde unmöglich, und das, was ich in dem Bilde selbst finden sollte, fand ich erst zwischen mir und dem Bilde, nämlich einen Anspruch, den mein Herz an das Bild machte, und einen Abbruch, den mir das Bild tat; und so ward ich selbst der Kapuziner, das Bild ward die Düne, das aber, wo hinaus ich mit Sehnsucht blicken sollte, die See, fehlte ganz.
...und da es, in seiner Einförmigkeit und Uferlosigkeit, nichts, als den Rahm, zum Vordergrund hat, so ist es, wenn man es betrachtet, als ob Einem die Augenlider weggeschnitten wären."
Den ganzen Kleist'schen Text kann man übrigens auf dieser verdienstvollen Seite (und hier gibt es noch eine wunderbare Bildergalerie dazu, hier eine zweite) finden. In dieser wenn auch eindrucksvollen, so doch sehr gedrängten Sprache (übrigens hatte Kleist dabei einen Text Brentanos, sagen wir adaptiert, dessen Vorstellung davon kann man hier nachlesen) erfahren wir zwar einiges über Kleist, aber möglicherweise lagen Friedrichs eigene Intentionen noch etwas anders.
Er hat mindestens 2 Jahre lang gerungen mit diesem scheinbar einfachen Bild, an ihm Übermalungen und andere Änderungen vorgenommen, ein geistiges Selbstporträt über Verlorenheit und das Jenseits, Einsamkeit und das Ewige.
Der Mönch steht auf einem kargen Streifen Sand vor einer leeren Unermeßlichkeit, die keine Orientierung gewährt, in der Vorzeichnung hatte es noch 2 im Sturm auf das Ufer zutreibenden Schiffe gegeben. Jetzt aber ist er allein dieser auf ihn einstürmenden Gewalt ausgesetzt, eine Gestalt zugleich gerade noch wahrnehmbar und unübersehbar, gegen die Übermacht der seelenlosen Elemente, über denen Dunkel und Licht in der Unendlichkeit des Weltalls miteinander kämpfen.
Es ist wohl nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß der Mensch hier erschüttert ist von der Unendlichkeit dessen, was er sieht, und zugleich gewahr wird, wie seine Seele zu einem Teil dieser Unendlichkeit wird. Der Himmel war für C. D. Friedrich immer auch eine Chiffre für Erlösung und ewiges Leben.
Aber so wie die Gestalt des Mönches zu verschwinden scheint und doch unübersehbar ist, so ist es auch mit dieser Deutung: Gilt es, der erbarmungslosen Unendlichkeit standzuhalten (erbarmungslos, weil ohne Leben) oder findet unsere Selbstbehauptung ein Echo in der Unendlichkeit, das mehr ist als nur ein Widerhall unserer vergeblichen Existenz oder wie die Spur von einer Handvoll Salz, ins Meer geworfen.
6 Kommentare:
To withstand infinity - Caspar David Friedrich - fig. I
Translation part 1
Which was possible for me one year ago, to remind of Caspar David Friedrich (http://en.wikipedia.org/wiki/Caspar_David_Friedrich), who was born on September 5th 1774, as evident, this time did not succeed to me punctually. Even though he is one of my favourite painters, well, that is in approximately so original, as to say, one would appreciate Keats, who not. But then I thought, why not make from the annoyance something meaningful and discuss in loose series some of his paintings, because such a post here is nevertheless inclined easy to be superficial. We begin thus with the “Monk at the Sea”.
Heinrich von Kleist says about this painting the following:
“It is splendid, in infinite loneliness by the shore of the sea under a cheerless sky, to stare at a limitless expanse of water; in part, this is due to the fact that one has gone there, that one must return, that one would like to cross over, that one cannot do so; that everything belonging to life is missing and that one hears one's own voice in the roar of the tide, in the billowing of the wind, in the passing of the clouds and in the lonely cry of the birds; in part it is due to a demand which is made by the heart and by the withdrawal of nature, if I may so express it. This is impossible before this painting, however, and what I should have found in the painting I could find only between myself and the panting, that is to say, a demand the painting makes on me but does not fulfil; and so I became the monk and the painting became the dune, but that on which I gazed with yearning, the sea, was not there at all. Nothing can be more melancholy and unpleasant than this position in the world: to be only spark of life in the wide realm of death, the lonely centre of a lonely circle. The painting stands there with its two or three mysterious objects like the apocalypse, as if it possessed Young's Night Thoughts, and since in its monotony and boundlessness it has nothing but the frame for a foreground, when one looks at it, it is as if one's eyelids had been cut away."
Part 2
(Here you can find 2 marvellous art galleries - http://www.caspardavidfriedrich.org - and -http://www.philipphauer.de/galerie/caspar-david-friedrich-werke).
In this although impressive, so nevertheless densely packed language (by the way Kleist had thereby used a text from Brentano, let us say, he adapted it) we experience certainly something about Kleist, but possibly Friedrich’s own intentions were a bit different.
He struggled at least 2 years with this easily simple appearing painting, he made over paintings and other changes; a mental self-portrait about loneliness and the nether world, solitude and the eternal.
The monk stands on a barren strip of sand before an empty immeasurability, which does not grant orientation, in the preparatory drawing were still 2 ships drifting in the storm towards the bank. But now he is alone exposed to this attacking force, a shape at the same time barely visible and highly visible, against the supremacy of the soulless elements, above which darkness and light fighting each other in the infinity of the universe.
It is probably not wrong to say, if one states that man here is shaken to the core by the infinity he sees, and at the same time becomes more aware of that his soul becomes a part of this infinity. The sky was for C. D. Friedrich always also a cipher for redemption and eternal life.
But as the shape of the monk seems to disappear and is nevertheless highly visible, then it is also with this interpretation: Have we to withstand a pitiless infinity (pitiless, because without live) or finds our self-assertion an echo in the infinity, which is more than only an echo of our futile existence or like the trace of a handful salt, thrown in the sea.
That was th painter of the eternally remaining(thx him), now deteriorating chalkrocks of Rugen?! Propz Pilgrim
Yes indeed, that's the next picture on my list, certainly not today but maybe this week.
Knapp zwei Jahre, nachdem Sie Ihren Text über den Mönch am Meer geschrieben haben, fand ich ihn heute.
Vielen Dank für Ihre Interpretation.
Für mich hat das Bild etwas Kosmisches, was mir ins Innerste greift, in mir eine Ahnung der Unermesslichkeit des Universums entstehen lässt, Ehrfurcht weckt, aber keine Angst vor Leere und Verlassenheit aufkommen lässt.
Dieses Bild ist für mich das non plus ultra.
@Anonym Wie sie sagten, ist der Text schon etwas älter, so mußte ich ihn also selbst in einem passenden Moment noch einmal wiederlesen. Daß diese Begegung mit dem Unermeßlichen, der das Bild jedenfalls den Sehenden aussetzt, bei Ihnen keine beunruhigten Gefühle auslöst, freut mich. Ich selbst habe das wohl deshalb auch als Frage offengelassen, weil große Kunst neben anderem auch immer etwas von einem Spiegel der Selbsterkenntnis hat. Vielen Dank für den Kommentar.
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