Sonntag, 23. November 2008

Totensonntag

Wie bereits gesagt, war Herr Roloff so freundlich, mir seine heutige Predigt zum Totensonntag zu überlassen, verbunden mit der Erlaubnis, sie hier zu dokumentieren:

"Predigt Totensonntag 2008

Hebräer 4, 9-11

Gnade sei mit euch Friede von dem der da war, und der da ist, und der da kommt.
Amen

Liebe Gemeinde,

der Totensonntag des Jahres 2008 fällt auf den 23. November, dem Gedenktag des Hl. Clemens von Rom, des dritten Nachfolgers Petri im Bischofsamt der Reichsmetropole. Er ist wohl ein Sklave im Hause des zur flavischen Kaiserfamilie gehörenden Konsuls Titus Flavius Clemens gewesen. Über dessen Haus wurde später eine Kirche erbaut, die man noch heute in der ewigen Stadt besichtigen kann, und die der zum Papst gewordene ehemalige Sklave geweiht hatte. Er hatte, so wie es damals wohl durchaus üblich war, nach seiner Freilassung den Namen des Herren angenommen, der ihm die Freiheit geschenkt hatte.

Das ist im Übrigen auch eine schöne Begründung dafür, warum wir Christen heißen, denn auch wir haben darin den Namen desjenigen angenommen, der uns unsere Freiheit geschenkt hat.

Zum Gedenktag für Clemens wurde nun der 23. November nicht etwa als der Todestag des Heiligen, wie sonst meistens üblich, sondern der Tag seines Begräbnisses.

Clemens soll als Märtyrer auf der Krim gestorben sein und wurde an einem Anker im Meer versenkt. Darum nennt man diesen Novembertag gelegentlich auch „Ankertag“. Am Grund des Meeres entstand ein Tempel in dem nun seine Gebeine ruhten. Einmal im Jahr, so heißt es weiter in der Legende, teilte sich das Meer auf wundersame Weise und gab einen Weg zum Tempel des Clemens frei, so dass die Pilger zum Grab des Heiligen gelangen konnten. Es wird sogar behauptet, dass ein Kind in diesem Tempel von der Mutter vergessen worden war und nach einem Jahr, als sich das Meer wieder teilte, unversehrt herausgekommen sei.

Diese schönen Anklänge aus der Wanderung durch das Rote Meer und an die Geschichte vom im Tempel vergessenen Jesuskind lassen deutlich werden, wie tief in die Seelen der Menschen diese Bilder eingesunken waren.

Jesus trat seinen Eltern entgegen und war sogar verwundert, dass sie ihn gesucht hatten und fragte sie: „Wisset ihr nicht, dass ich sein muss in dem, das meines Vaters ist?“

Bei der genaueren Bestimmung dessen, worin wir sein sollten, wohinein wir gehören, damit wir ganz wir selbst werden, scheinen nun die Toten eine große Bedeutung zu haben. Warum ist dem so?
Was ist der Tod?

Zunächst macht uns die Erinnerung an die Toten deutlich, woher wir kommen. In manchen Völkern ist es bis zum heutigen Tag üblich, dass die Kinder die Namen von sieben Vätern kennen müssen, um eine Vorstellung davon zu gewinnen, wer sie selber sind. Unsere Traditionen der Grabpflege und regelmäßiger Friedhofsbesuche erfüllen zweifellos einen ganz ähnlichen Zweck. Nicht zuletzt das Schreiben von Stammbäumen und die nach meinem Eindruck wieder sehr populär werdende Ahnenforschung gehören in diesen Zusammenhang. Den Menschen sind ihre Ahnen sehr wichtig und auch von Christus kennen wir sogar zwei Stammbäume, einen königlichen und einen priesterlichen.

Das Erinnern an die Toten lässt aber auch bewusst werden, wohin wir gehen, sagt uns täglich, dass auch wir sterben müssen.

Diese Tage im November sind eine gute Zeit, um diesen Gedanken ganz zur Wirkung kommen zu lassen.

Drängt ihn nicht weg, denkt nicht, es ist noch viel Zeit, sondern stellt die Frage: Warum?

Und dann horcht! Horcht in euer Leben und in die Welt hinein!

Drei Verse des Hebräerbriefes können ein Teil der Antwort sein:

So ist also noch eine Ruhe vorhanden dem Volke Gottes.
Denn wer zu Gottes Ruhe gekommen ist, der ruht auch von seinen Werken gleichwie Gott von den seinen.
So lasset uns nun Fleiß tun, hineinzukommen zu dieser Ruhe, auf das nicht jemand zu Fall komme in gleichem Ungehorsam.

Zwei Dinge kommen hier nochmals zum Ausdruck, die bereits in der Epistel und auch im Evangelium eine Rolle gespielt haben:

Das „Warum?“ beantwortet sich dann, wenn wir in Gottes Ruhe kommen!

Was ist damit gemeint, wo erfahren wir etwas von Gottes Ruhe?

Das hat mit der Schöpfungsgeschichte zu tun, die natürlich heranzuziehen ist, wenn nach der Ursache der Dinge, also nach dem WARUM gefragt wird!

Nachdem Gott alles geschaffen und es für gut befunden hatte, ruhte er. Gott hat mit seiner Ruhe einen Zustand gefunden, eine Ordnung begründet, die zum siebenten Tag gehört, ihn aber auch schon überwindet, weil sich diese Ruhe natürlich vom SCHAFFEN der vorherigen Tage unterscheidet. In der Ruhe Gottes wird die Schöpfung vollendet, also ein Schlusspunkt gesetzt. Es wird aber auch schon etwas ganz Neues begründet, das über die Schöpfung hinausweist. Die Ruhe Gottes am siebenten Tag ist der erste Hinweis auf die Erlösung. Der Erlösung wegen sollen wir in die Ruhe Gottes finden!

Augustin hat unvergleichlich schön gedichtet: Inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te!

Plötzlich wird auch ganz deutlich, warum Christus am siebenten Tag der Woche im Grabe ruhte und damit die Ruhe Gottes in die Wirklichkeit unseres menschlichen Todes hineintrug.

Das Zweite, was uns der Hebräerbrief verdeutlichen will, kommt in seinem Reden vom Ungehorsam zum Ausdruck. Gott hat alles durch sein Wort geschaffen, womit viel mehr gemeint ist als bloßes Reden. Gottes Worte sind tatsächliche Äußerungen, er gibt von sich, aus dem Nichts werden Dinge, die keine Ursache haben als sein Wort. Das ist es, was wir hören sollen, und darin liegt die Ursache dafür, dass wir ungehorsam sind, wenn wir ihm nicht glauben. In diesem Zusammenhang liegt die gewaltige, nicht zu verstehende, sondern nur anzubetende Größe des Satzes: Das Wort ward Fleisch. Das Schöpfungswort Gottes wurde ein Mensch, der unseren Tod teilt und ihn, den Tod, hineinträgt in die Ruhe Gottes.
Nur so ist zu verstehen, was Johannes schreibt: Wer mein Wort hört, der hat das ewige Leben und ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.

Weil Christus das Wort Gottes ist, nehmen wir im Sakrament unverlierbar an ihm Anteil und üben auch darin Gehorsam. Der Leib Christi wird uns zum Sarg, in dem geborgen wir, wie Noah in der Arche durch die Sintflut fuhr, durch die Abgründe des Todes reisen werden.

Darin liegt der Sinn des Todes, den wir uns nur gleichnishaft verdeutlichen können. Wir müssen verwandelt werden. Die bloße Verlängerung unseres unruhigen Lebens würde gar nichts bewirken. Es geht auch in der Ewigkeit nicht um die Fortführung oder um die Wiederaufnahme dieses Lebens. Tamara Danz, die legendäre und früh unter schwerem Leiden verstorbene Sängerin von Silly, hat in einem ihrer späten Liedern trotzig bekannt: „Das einzige was mir noch droht ist ein Leben, noch so ein Leben nach dem Tod!“

Die Gemeinschaft mit Gott durchbricht und übersteigt alles was wir kennen und was wir uns vorstellen können, aber sie ist nichts, was wir fürchten müssten.
Dies sei euch ein wirklicher Anker des Lebens und so wird uns dieser Tag ein wahrer Ankertag!
Diese Gewissheit, nämlich in der Gemeinschaft mit dem Göttlichen zu stehen hat Goethe dichten lassen:

Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vöglein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.

Amen

Und der Frieden Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen"

Das Augustinuszitat läßt sich so übersetzen:
Du hast uns geschaffen auf Dich hin und "unruhig ist unser Herz als bis es Ruhe findet in Dir".

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