Donnerstag, 29. April 2010

Mittwoch, 28. April 2010

Varia



Nur als ein kleiner Einschub, diese beiden Bilder. Langsam wird der Garten erneut ansehnlich. Pflaumenbaum (siehe oben), Apfelbäume und diverse Sträucher blühen und ich schaue gerade darauf, ob ein paar halbfertige Posts der letzten Tage in die Mülltonne gehören oder vervollständigt werden können.

Montag, 26. April 2010

Mark Aurel

translated

Erhaltenes originales Reiterbildnis im Kapitolinischen Museum
hier gefunden

Mark Aurel wurde am 26. April 121 geboren. Das wäre ein äußerer Anlaß, sich der Gestalt dieses Kaisers zu versichern, aber da er zu den wenigen zählt, die über Jahrhunderte nie ihre Anziehungskraft verloren haben, nachdem man sich seiner wieder erinnert hatte, bedürfte es eines solchen Anlasses eigentlich nicht. Ich kann nicht genau erklären, worin seine Faszination ihren Grund hat. Die Stoa als solche hat leicht einen Zug ins Bitter-Pedantische. Und wenn man sich einige seiner Gedankengänge nüchtern anschaut, so erscheint es, als würde er nur eine gleichmäßige Distanz zu allem Äußeren fordern, um ein wenig Seelenfrieden zu erlangen, eine besondere Form von philosophischem Autismus:

„Man liebt es, sich zuzeiten aufs Land, ins Gebirge, an die See zurückzuziehn. Auch du sehnst dich vielleicht dahin. Im Grunde genommen aber steckt dahinter eine große Beschränktheit. Es steht dir ja frei, zu jeglicher Stunde dich in dich selbst zurückzuziehn, und nirgends finden wir eine so friedliche und ungestörte Zuflucht als in der eignen Seele, sobald wir nur etwas von dem in uns tragen, was wir nur anzuschauen brauchen, um uns in eine vollkommen ruhige und glückliche Stimmung versetzt zu sehn - eine Stimmung, die nach meiner Ansicht freilich ein anständiges, sittliches Wesen bedingt. Auf diese Weise also ziehe dich beständig zurück, um dich immer wieder aufzufrischen. Einfach und klar und bestimmt aber seien jene Ideen, die aus deiner Seele so manches hinweg spülen, wenn du sie dir vergegenwärtigst, und dir eine Zuflucht schaffen sollen, aus der du nicht übel launisch zurückkehrst. Und was sollte dich auch alsdann verdrießen? ‚Die Schlechtigkeit der Menschen?‘ Aber wenn du bedenkst, daß die vernünftigen Wesen füreinander geboren sind, daß das Ertragen des Unrechts zur Gerechtigkeit gehört, daß die Menschen unfreiwillig sündigen, und dann - wie viel streitsüchtige, argwöhnische, gehässige und gewalttätige Menschen dahin gemußt haben und nun ein Raub der Verwesung sind - wirst du da deine Abneigung nicht los werden? ‚Oder ist es dein Schicksal?‘ So erinnere dich nur jenes Zwiefachen: entweder wir sagen: es gibt eine Vorsehung, oder: wir sehen uns als Teile und Glieder eines Ganzen an, und unserer Betrachtung der Welt liegt die Idee eines Reiches zugrunde. ‚Oder ist es dein Leib, der irgendwie schmerzt?‘ Aber du weißt ja, der Geist, wenn er sich selbst begriffen und seine Macht kennengelernt hat, hängt nicht ab von sanfteren oder rauheren Lüften; auch weißt du, wie wir über Schmerz und Freude denken, und bist einverstanden damit. ‚Oder macht dir der Ehrgeiz zu schaffen?‘ Aber wie schnell breitet Vergessenheit über alles ihren Schleier! wie unablässig drängt eins das andere in dieser Welt ohne Anfang und ohne Ende! Wie nichtig ist jeder Nachklang unseres Tuns! wie veränderlich und wie urteilslos jede Meinung, die sich über uns bildet und wie eng der Kreis, in dem sie sich bildet! Die ganze Erde ist ja nur ein Punkt im All, und wie klein ist nun wieder der Winkel auf ihr, wo von uns die Rede sein kann! Wie viele können es sein, und was für welche, die unsern Ruhm verkünden? In der Tat also gilt es sich zurückzuziehen auf eben diesen kleinen Raum, der unser ist, und hier sich weder zerstreuen, noch einspannen zu lassen, sondern sich frei zu bewegen und die Dinge anzusehen wie ein Mensch, wie ein Glied der Gesellschaft, wie ein sterbliches Wesen. Unter allen Wahrheiten aber, die dir am geläufigsten sind, müssen jedenfalls die beiden sein: die eine: daß Außendinge die Seele nicht berühren dürfen, sondern wirklich Außendinge sein und bleiben müssen. Denn Widerwärtigkeiten gibt es nur für den, der sie dafür hält. Die andere: daß alles, was du siehst, sich bald verwandeln und nicht mehr sein werde, wie du selbst schon eine Menge Wandlungen durchgemacht hast. Mit einem Wort: die Welt ist ein ewiger Wechsel, das Leben ein Wahn!
Selbstbetrachtungen IV, 3

Als ich vor einem Jahr an diesen Kaiser erinnerte, hatte ich einen kleinen Disput mit einem Freund. Ihm erschien das, was Marc Aurel schrieb, nur als Variationen über die Vergeblichkeit. Das hatte mich überrascht, denn ich war es gewöhnt, in seinen Gedanken etwas Tröstliches zu sehen. Der Trost, den das Denken geben kann, wenn die Seele sich ganz auf sich zurückzieht. Der Trost, den der Geist gewinnt, wenn er dem angreifenden Leben seine Vergänglichkeit vorhält und so standhält. Ein sehr vorchristlicher Trost, in der Tat, aber einer, der immer noch wirksam ist.

Vielleicht ist es das Bild dieses Kaisers, der gegen die äußeren Widerstände auf seinem Posten aushält und dabei die Selbstgewißheit eines tapferen Gemüts vorzeigt. Jeder Mensch muß sein Leben auch durch Widrigkeiten durchkämpfen, und daß man die Mittel dazu aus sich selber schöpfen kann, das verspricht uns Marc Aurel, und manchmal möchten wir ihm fast glauben.

"Nichts geschieht uns, was wir von Natur aus nicht zu ertragen vermögen."
Selbstbetrachtungen V, 18

"Übe dich auch in den Dingen, an denen du verzweifelst."
Selbstbetrachtungen XII, 6

"Was für ein lächerlicher Fremdling auf Erden ist der, der über irgendein Ereignis in seinem Leben erstaunt."
Selbstbetrachtungen XII, 13

„Blicke in dein Inneres! Dort ist eine Quelle des Guten, die nie aufhört zu sprudeln, wenn du nur nicht aufhörst nachzugraben.“
Selbstbetrachtungen VII, 59

Sonntag, 25. April 2010

Freitag, 23. April 2010

Zwei Williams



Die Umstände haben mir etwas die Zeit genommen, also in Kürze: Der erste William ist W. Wordsworth, geboren am 7. April 1770, eines seiner berühmtesten Gedichte (über „Daffodils“ - „Narzissen“) habe ich hier kürzlich mit der Übersetzung von Prof. Aue angebracht.

My heart leaps up when I behold
A rainbow in the sky:
So was it when my life began;
So is it now I am a man;
So be it when I shall grow old,
Or let me die!
The Child is father of the Man;
And I could wish my days to be
Bound each to each by natural piety.

Ein anderes, nicht unbekanntes Werk, eine deutsche Übersetzung dessen findet sich hinter diesem Link, in einer ganzen Sammlung von Übersetzungen von Werken dieses in Deutschland nicht ganz so bekannten Dichters, sehr empfehlenswert.



Nun, bei dem anderen William würde ich mich schnell lächerlich machen, wenn ich etwas zu ihm sagen wollte, William Shakespeare wurde wahrscheinlich am 23. April 1564 geboren und ist ziemlich sicher am 23. April 1616 gestorben. Ich ringe mir noch die Banalität ab, wie sehr ich seine Sonette schätze.

Ich bin vor einiger Zeit auf einige moderne Interpretationen gestoßen, die ich sehr bemerkenswert fand, zwei davon sollen anschließend folgen, vielleicht kommt morgen dann noch etwas hinzu.


Shakespear Sonett Nr. 29, gesungen von Rufus Wainwright
hier gefunden

SHAKESPEARE'S SONNET No.18 - BRYAN FERRY

Mittwoch, 21. April 2010

Anselm von Canterbury

„Credo, ut intelligam“ – Ich glaube, damit ich verstehe.

“Ergo, Domine, non solum es quo maius cogitari nequit, sed es quiddam maius quam cogitari possit.” – Demnach, Herr, bist du nicht nur, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, sondern etwas Größeres, als gedacht werden kann.

„Fides quaerens intellectum.“ – Der nach Einsicht suchende Glaube.

Anselm von Canterbury starb am 21. April 1109 und ich wollte eigentlich ein paar Ausführungen darüber machen, wie jemand mit wenigen Sätzen der Nachwelt Stoff zu jahrhundertelangem Nachdenken geliefert hat. Dies wird ein anderes Mal geschehen müssen, dafür hoffe ich aber, ich werde morgen früh zwei der ausstehenden Post fertigstellen können, an denen ich etwas herumgekaut habe.

Es war heute übrigens ein stürmisch kalter Tag hier, an dem das Wetter buchstäblich alle 10 Minuten zwischen Hagel, Regen oder plötzlichem Sonnenschein wechselte, beeindruckend.

Montag, 19. April 2010

Benedikt XVI.



Der Umgang mit Benedikt XVI. ist der eines zynischen Mißverstehens.

Die Moderne darf wie jede Revolution nie stillstehen, sie lebt nur in der Bewegung, also muß sie ständig entlarven, befreien, demontieren, aufklären, umdeuten, abtragen, ausgrenzen, fragwürdig machen, dekonstruieren, denunzieren, in den Schatten stellen, auftrumpfen, überbieten, zerstören. Im Kern ist sie getrieben von totalitärem Denken. Das Spiel geht so im Grunde schon seit der Aufklärung, es ist seit dem letzten Jahrhundert nur etwas radikaler und in den letzten Jahrzehnten zudem etwas unsicher geworden.

Es ist eigentümlich, die Dikatoren des 20. Jahrhundert und die sich links, liberal, aufklärerisch und oder fortschrittlich fühlenden Volksemanzipatoren waren in einem vereint, sie mochten die katholische Kirche nicht, und das sehr.

Pünktlich zum fünfjährigen Pontifikat Papst Benedikt XVI. ist eine Kampagne zu bestaunen, die vorgibt, um mißbrauchte Kinder besorgt zu sein. Natürlich gibt es Institutionen, die von ihrer Struktur her den Mißbrauch erleichtern, die Familie etwa, ich kann gerade aber keinen Feldzug zur Abschaffung der Familie erkennen. Nur um dem falschen Eindruck entgegenzutreten, ich würde verharmlosen wollen, was Kindern angetan wurde (man wird das trotzdem behaupten), ich mißtraue einfach den Anwälten, so wie ich bei der letzten Kampagne zur Kontrolle des Internets denen mißtraut habe, die, große Überraschung, auch dort nur mißbrauchte Kinder im Blick hatten.

Vor der gegenwärtigen Kampagne hat man der katholischen Kirche vor allem vorgeworfen, daß sie so rückschrittlich sei. Denn, was an der katholischen Kirche bis aufs Blut reizt, ist, daß sie nicht modern, sondern christlich sein will, sie ist eine der wenigen verbliebenen Institutionen, die sich nicht aus dem Gegenwärtigen begründen. Man würde erst (vielleicht) Ruhe geben, wenn sie sich bis zur Unkenntlichkeit und damit Irrelevanz geändert hätte, eine Art Trachtenverein zur Aufhübschung der Freizeit. Denn was auch auffällt, daß diese Kritik am lautesten von denen vorgetragen wird, die an der Botschaft der Kirche nicht entfernt interessiert sind. Der moderne Mensch weiß nicht mehr recht, wozu er da ist, also sucht er etwas, an dem er sich abarbeiten kann, das noch nicht verbraucht ist.

Es mag den Anschein haben, ich würde mich von der Person entfernen, um die es gerade gehen soll, aber dem ist nur vordergründig so. Ich muß noch einmal weiter ausholen und will zugleich einfügen, mir widerstrebt es, diese Art von Gedankengängen hier anzubringen, „weltanschaulich“ zu reden. Denn jede Weltanschauung, so hilfreich sie ist, verengt zugleich die Sicht, und man weiß nie, ob das, was nicht mehr gesehen wird, von der gewonnenen Sicherheit aufgewogen ist.

In einem meiner nichtveröffentlichten Posts geht es um "The Waste Land“ von T. S. Eliot, in meinen Augen auch eine Seelenstudie des modernen Menschen. Kürzlich gab es eine Neuübersetzung, und Herr Frank Dietschreit vom Kulturradio sprach in diesem Zusammenhang von der „Poetisierung der individuellen und gesellschaftlichen Öde, der seelischen Leere und religiösen Verflachung“, Herr Grünbein von der "Leere des nachmetaphysischen Menschen". Es ist also nicht so ganz ungewöhnlich zu behaupten, daß die Moderne eine Sache höchst zwiespältiger Natur ist. Und auch hier als Einschub, dieser Zwiespalt, das Getrieben-Sein des modernen Menschen hat durchaus bemerkenswerte Schöpfungen hervorgebracht, aber ob sich diese mentale Verfaßtheit als normal oder gar der seelischen Gesundheit zuträglich deklarieren läßt?

Die Apologeten der Moderne ficht dies nicht an, sie erwecken den Eindruck, als sei dies alles das Normalste, Gesündeste, Vernünftigste und ein gewisses Ressentiment so stumpfsinnig dumm, wie einen Aufenthalt in einem fauligen Keller dem an Bord einer Nobelyacht vorzuziehen. Das allerdings ist für mich eine Form von Scharlatanerie. Aber es ist natürlich anstrengend, stehenzubleiben, wenn alle in eine bestimmte Richtung laufen, von der man selbst glaubt, daß sie in den Abgrund führt. Und jetzt bin ich endlich beim Papst. Ich denke nämlich, mit diesen Gedankengängen nicht ganz weit entfernt von ihm zu stehen.

Ich lese seit einiger Zeit (es ist kein Buch, das man in einem liest, es ist mehr eines, bei dem man über jeder Seite meditiert) „Joseph Ratzinger, Jesus von Nazareth“. Er zeigt dort sehr eindrucksvoll, wie man die Glaubenswahrheit, daß Gott Mensch wurde, authentisch bejaht und zugleich die Methoden moderner Theologie benutzt. Man könnte auch sagen, er überwindet deren Grenzen, so sagt er über die moderne Bibelauslegung, die sogenannte historisch-kritische Methode:

„Als historische Methode sucht sie den damaligen Geschehenszusammenhang auf, in dem die Texte entstanden sind. Sie versucht die Vergangenheit möglichst genau – so wie sie in sich selber war – zu erkennen und zu verstehen,… Soweit die historische Methode sich treu bleibt, muss sie das Wort nicht nur als vergangenes aufsuchen, sondern auch im Vergangenen stehenlassen. Sie kann darin Berührungen mit der Gegenwart, Aktualität ahnen, Anwendungen auf die Gegenwart versuchen, aber heutig machen kann sie es nicht – da überschritte sie ihr Maß. Gerade die Genauigkeit in der Auslegung des Gewesenen ist ihre Stärke wie ihre Grenze.

Damit hängt ein Weiteres zusammen. Als historische Methode setzt sie die Gleichmäßigkeit des Geschehenszusammenhangs der Geschichte voraus, und deshalb muss sie die ihr vorliegenden Worte als Menschenworte behandeln. Sie kann bei sorgfältigem Bedenken wohl den »Mehrwert« erahnen, der in dem Wort steckt, eine höhere Dimension sozusagen durch das Menschenwort irgendwie hindurchhören und so die Selbsttranszendierung der Methode eröffnen, aber ihr eigentlicher Gegenstand ist das Menschenwort als menschliches." (S.15f.)

Und über die Frage, wie konnte es dazu kommen, daß Jesus von Nazareth nach seinem Tode als Christus verehrt wurde:

„Wie kam es zu dieser Christologie? Das Wirken anonymer Gemeindebildungen, deren Träger man ausfindig zu machen versucht, erklärt in Wirklichkeit nichts. Wieso konnten unbekannte kollektive Größen so schöpferisch sein? So überzeugen und sich durchsetzen? Ist es nicht auch historisch viel logischer, dass das Große am Anfang steht und dass die Gestalt Jesu in der Tat alle verfügbaren Kategorien sprengte und sich nur vom Geheimnis Gottes her verstehen ließ? Freilich, zu glauben, dass er wirklich als Mensch Gott war und dies in Gleichnissen verhüllt und doch immer unmißverständlicher zu erkennen gab, überschreitet die Möglichkeiten der historischen Methode.“ (S.21)

Dieser Papst ist soweit un- oder vormodern, wie die Moderne nicht christlich sein kann oder will. Im Grunde ist dies auch den meisten seiner Kritiker klar. Darum mein Eingangssatz: Der Umgang mit Benedikt XVI. ist der eines zynischen Mißverstehens. Es ist ein Mißverstehen-Wollen und es ist ein Vorschieben äußerer Umstände, weil man nicht zugeben will, um welchen Kampf es im Kern geht.

Sonntag, 18. April 2010

Hoffmannswaldau &



Auch weil der verehrte Prof. Aue einige originelle Nachdichtungen zu Christian Hofmann von Hofmannswaldau verfertigt hat, auf die er mich kürzlich hinwies und die ich längst hier anbringen wollte (er hat sie wirklich geradezu liebevoll präsentiert, man findet sie unter diesem Link), hatte ich seit Tagen das dringende Bedürfnis, einmal etwas außer der Reihe zu diesem Dichter zu schreiben, um dann, als ich dies heute endlich in Angriff nehmen wollte, darüber zu stolpern, daß er am 18. April 1679 starb.

Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Grabschrift [Nr. 50]
Eines Mohren

Kein Europäer soll die schlechte Grabschrift lesen
Und lachen, daß ich schwarz und nackend bin gewesen.
Ich trug der Mutter Bild, dich kleidet Bock und Kuh:
Du bist mehr Vieh als Mensch, ich war mehr Mensch als du.

Epitaph [No. 50]
of a black man

No White shall read this poor obituary
and laugh, because no gown, but naked skin I carry;
I carry Mother's skin, you those of goat and cow:
Thou art more beast than Man; I've been more Man than thou!

In der Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB - Leipzig 1880), findet sich über Christian Hofmann von Hofmannswaldau eine „Würdigung“, die ich in Auszügen wiedergeben will, weil sie sehr bezeichnend anzeigt, wie das 19. Jahrhundert über das Barock dachte, und wie im Spiegel gewinnen wir zugleich ein Bild von der Mentalität dieses Jahrhunderts.

"H. hatte sich zwar auch "die Sprachreinlichkeit eines Opitz zur Richtschnur gewählt, bestrebte sich jedoch über diese hinaus, seiner Schreibweise größere Leichtigkeit, Glätte und Fluß zu geben; er gedachte den majestätischen Stil in einen lieblichen überzuführen, und darum wurden Ovid und Marini seine Vorbilder…er legte nur Werth auf treffenden Ausdruck des Gedankens, geistreiche Erfindungen, 'kräftige Beiwörter und andere mit Verstand angewendete Kleinigkeiten', d.h. wol künstliche Bilder und Vergleiche und schlagende Antithesen. Nun ist freilich nicht zu leugnen, daß er zuweilen auch recht unedle und häßliche Bilder braucht, oft Mißgriffe mit geschmacklosen Ausdrücken thut, statt kräftiger süßliche Beiwörter wählt, im allgemeinen aber ist seine Sprache blühend und gefällig und bahnt von dem überstiegenen Pathos des Gryphius den Weg zu der Geschmeidigkeit Günther's und Hagedorn's, den zunächst freilich noch die Uebertreibungen thörichter Nachahmer mit widerwärtigem Schwulst und Unnatur verdeckten."

Wie unschwer zu erkennen, will man doch noch so etwas wie eine Gesamtwürdigung widerwillig zustande bringen, die nicht völlig vernichtend ist. Aber dann bricht es heraus:

"Tiefere Ideen darzustellen, ethische Wirkungen zu erzielen, daran liegt ihm nichts, nur artige Spiele des Witzes und der Phantasie hat er im Sinne, und da diese sich eben auf dem Boden der Liebe am lieblichsten aufführen lassen, betritt er diesen allein, indem er seine Phantasie jedes Zügels entledigt. Die allerunzweideutigsten Schilderungen sinnlicher Liebe, ihre Erregungen und Genüsse werden ohne Scheu und oft kaum verhüllt dargestellt. Reine, edle und wahre Herzensneigung kennt er gar nicht, alles läuft zuletzt auf gemeine Wollust hinaus, wofür ihm die üppigsten Bilder und grellsten Farben zu Gebote stehen."

"So fällt es ihm hauptsächlich zur Last, unserer Poesie ein fremdes Reis eingeimpft zu haben, das ihr stets zur Schmach gereichen wird, zumal dasselbe durch den Unverstand und die Schamlosigkeit eines Theils der Gebildeteren unserer Nation, wenn auch nur kurze Zeit zu Erzeugnissen der frechesten Unsittlichkeit getrieben wurde."

Da haben wir den eigentlichen Stein des Anstoßes. Jedenfalls in Deutschland war mit dem Siegeszug des Bürgerlichen und dem Zurückdrängen jeder aristokratischen Kultur, kulminierend im 19. Jahrhundert, eine verklemmte und unaufrichtige „Moralität“ vorherrschend geworden, für die jemand wie Hofmannswaldau geradezu einer Kriegerklärung an ihre Sittlichkeit gleichkam. Da man aber seine Vergangenheit auch wiederum schätzte bzw. oftmals wohl mehr zur Selbststilisierung brauchte, kamen solche gewundenen Wertungen heraus. Man sieht förmlich, wie sich der Autor des Lexikons dabei krümmte. Das Künstliche, den „Schwulst“ hätte man vielleicht noch gerade so hingenommen, aber diese Dichtung ist „schamlos“! Also steht am Ende zwangsläufig der Verriß.

Dem Bürgerlichen haftet immer auch etwas Beschränkt-Vereinfachendes an, also hat man eine selbstverständliche Aversion gegen die zügellosen Erfindungen und kühnen Phantasien des 17. Jahrhunderts. Eine Kuriosität am Rande, bei Hofmannswaldau hat sich das meiste an Abenteuern wohl im Kopf zugetragen, in seinem äußeren Leben war er nüchtern, tüchtig, grundehrbar und dafür hochgeachtet. Dennoch ist er der Hauptvertreter der „galanten“ Richtung des Barock, und die stellte nun einmal, aus schon erwähnten Gründen, später ein besonders rotes Tuch dar.

Bevor jemand meinen kurzen Ausflug in die Mentalitätsgeschichte des 19. Jahrhunderts für zu konstruiert hält, als Beleg und letztes Zitat etwas von Heinrich Kurz aus seiner „Geschichte der deutschen Literatur“, Leipzig 1888:
„Nun ist es begreiflich, daß er seine Muster nicht mehr, wie Opitz, bei den steifen, aber züchtigen Niederländern [die waren ja auch Calvinisten – eigene Anmerkung], sondern bei den frivolen Italienern suchte, und unter den Römern nicht mehr, wie jener, den ernsten, rhetorischen Seneca, sondern den muthwilligen, von sinnlicher Glut erfüllten Ovid nachahmte. Dadurch traf er zugleich den Ton, der an den Höfen und unter den Vornehmen herrschte, bei welchen die Sittenlosigkeit auf einen schaudererregenden Grad gestiegen war, und es wird leicht erklärlich, warum seine Gedichte so außerordentlichen Beifall fanden…“



Mein wohlseyn such ich im verderben.
Ihr guten freunde / gute nacht /
Der wunsch sey euch von mir vermacht /
Mein leben mag mein feind ererben.

Dies sind die letzten Worte aus dem „Verzweifflungs-gedichte“, das man im Ganzen hier nachlesen mag oder auch in der Interpretation des nachfolgenden Videos anhören. Nein, ihm zu unterstellen, er habe keinen tieferen Gedanken gehabt, ist reichlich albern, eher ist es so, daß hinter mancher gefälligen Oberfläche ein Abgrund wartet, in den mit hinabzusteigen, man sich erst einmal trauen muß.


Alexander Nitzberg rezitiert:
Christian Hofmann von Hofmannswaldau, "Verzweifflungs-gedichte"
hier gefunden

Samstag, 17. April 2010

Über Blogs, Brockes & Kirschblüten


Samuel Barber - Adagio for Strings
hier gefunden

Barthold Hinrich Brockes

Kirschblüte bei der Nacht

Ich sahe mit betrachtendem Gemüte
jüngst einen Kirschbaum, welcher blühte,
in kühler Nacht beim Mondenschein;
ich glaubt, es könne nichts von größerer Weiße sein.
Es schien, als wär ein Schnee gefallen;
ein jeder, auch der kleinste Ast,
trug gleichsam eine rechte Last
von zierlich weißen runden Ballen.
Es ist kein Schwan so weiß, da nämlich jedes Blatt,
- indem daselbst des Mondes sanftes Licht
selbst durch die zarten Blätter bricht -
sogar den Schatten weiß und sonder Schwärze hat.
Unmöglich, dacht ich, kann auf Erden
was Weißres aufgefunden werden.
Indem ich nun bald hin, bald her
im Schatten dieses Baumes gehe,
sah ich von ungefähr
durch alle Blumen in die Höhe
und ward noch einen weißern Schein,
der tausendmal so weiß, der tausendmal so klar,
fast halb darob erstaunt, gewahr.
Der Blüte Schnee schien schwarz zu sein
bei diesem weißen Glanz. Es fiel mir ins Gesicht
von einem hellen Stern ein weißes Licht,
das mir recht in die Seele strahlte.
Wie sehr ich mich an Gott im Irdischen ergötze,
dacht ich, hat er dennoch weit größre Schätze.
Die größte Schönheit dieser Erden
kann mit der himmlischen doch nicht verglichen werden.

Ich glaube Herr Brockes ist ziemlich ursächlich mit daran schuld, daß Deutsche oft so ein sentimentales Verhältnis zur Natur haben. An ihn wurde ich erinnert, als ich heute die Seite einer lieben Bloggerin besuchte, die zum Glück wieder mit dem Schreiben begonnen hat. Sie schrieb von ihrem blühenden Kirschbaum, was mich überraschte, ich kann allenfalls das Bild eines kleinen blühenden Holzapfelbaums anbringen (will das morgen nachholen). Auf das obige Video hat mich kürzlich Prof. Aue aufmerksam gemacht. Und um dies einmal zu sagen, ich bin wirklich dankbar, wie sehr ich über dieses Medium in vielem profitiert habe.

Freitag, 16. April 2010

Donnerstag, 15. April 2010

Dies & Das


Museumsgarten im Kolbe-Museum
hier gefunden



Da es mich in letzter Zeit immer wieder geärgert hat, wie Beiträge liegengeblieben sind, weil ich mit dem Text unzufrieden war, wage ich heute etwas anderes, ich liefere schon einmal die Bilder ab und habe dann hoffentlich morgen früh ein paar Worte nachzutragen.

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Nun, das hat nicht ganz geklappt, denn heute ist bereits Sonnabendnachmittag, ein angenehm windig sonniger übrigens, und meine Anmerkungen zu Frau Kathleen Ferrier, die ich in letzter Zeit einfach des öfteren gehört habe, natürlich nur die Aufnahmen, sie ist schon recht lange tot, spare ich mir für später auf. Aber soviel, einmal ganz abgesehen von ihrer Stimme selbst, es ist höchst eigentümlich, einen Gesangsstil zu hören, der so ganz aus der Mode gekommen ist.

Georg Kolbe, geboren am 15. April 1877 und gestorben 2 Jahre nach Kriegsende, war ein Bildhauer, der das Pech hatte, daß Deutschland an seinem Lebensabend von unerfreulichen Gestalten regiert wurde, die seinen Stil teilweise auch noch akzeptierten bzw. ihn für brauchbar hielten. Zu ihm will ich doch ein paar Worte verlieren.

wird fortgesetzt










Mittwoch, 14. April 2010

Etwas Händel &



Heute ist der Todestag Händels (14. April 1759), und da er tatsächlich unverzichtbar für meinen Seelenhaushalt ist, will ich zumindest mit ein paar Musikstücken, die freundliche Menschen einmal veröffentlicht haben, an ihn erinnern. Das obige Beispiel knüpft an meinen letzten entsprechenden Post an. Danach noch etwas wunderbare Flötenmusik hier und dieses Oboenkonzert.


Oboen-Konzert Nr.3 in g-moll, HWV287
hier gefunden

Dieses Stück möge man sich bitte unbedingt anhören, es erklärt ein wenig die bleibende Achtung, die Kathleen Ferrier noch immer genießt. Bei der nachfolgenden Interpretation von Frau Ferrier bin ich allerdings in mir geringfügig gespalten, es ist dies auch mehr ein Tribut an jemanden, der es liebt, mich mit nächtlichen Anrufen anzuregen, und der sie sehr verehrt. Händel ist jemand, der in seiner Musik auch mit Größe und Anteilnahme die Abgründe schließt, die andere aufgerissen haben. Darum ist er nie oberflächlich, er weiß um die Dinge; aber er hält eine Palette, die das Leben nur in düsteren Farben malt, offenkundig für einseitig.


Kathleen Ferrier - Ottone - Spring Is Coming
hier gefunden

Montag, 12. April 2010

Varia



Ich hätte noch 2 1/2 langweilige Gedanken nachzutragen, man möge mir erlauben, dies morgen zu tun.

Samstag, 10. April 2010

Mecklenburgische Altertümer


Denkmal Großherzogs Friedrich Franz III. von Mecklenburg-Schwerin
Ludwigslust, Bildhauer: Hugo Berwald
hier gefunden

Gestern war hier etwas über den letzten mecklenburgischen Großherzog zu lesen, heute soll eine kurze Notiz zu seinem Vorgänger folgen, denn Friedrich Franz III., Großherzog von Mecklenburg (-Schwerin) starb am 10. April 1897. Als chronisch kranker Mann trat er politisch wenig in Erscheinung, das einzig Mitteilenswerte scheinen seine privaten Lebensverhältnisse und die nicht ganz geklärten Umstände seines Todes zu sein. Aber in einem zeitgenössischen Bericht lesen wir immerhin das folgende:

„Wenn von dem Verstorbenen im Allgemeinen wenig bekannt geworden ist, so steht doch fest, daß der Großherzog ein außerordentlich gewissenhafter Arbeiter war, der keineswegs neueren und modernen Anschauungen feindlich gegenüberstand. Wer ihn in Doberan gesehen, wo er bei den Rennen als Richter seines Amtes waltete und einen großen Theil der Anwesenden, Landleute, Industrielle, Handwerker in ein längeres Gespräch zog, sich über Alles orientirend und mit allen einschlägigen Verhältnissen bekannt, der wird begreifen können, mit welcher Liebe die Mecklenburger von ihrem Großherzog sprachen. Auf das Leutseligste unterhielt er sich mit den Arbeitern...“

Das obige Denkmal blieb erhalten, ein anderes, von Wilhelm Wandschneider, nicht. Was mir Gelegenheit gibt, noch einmal auf einen Beitrag zu verweisen, den Herr Roloff zu dessen 65. Todestag verfaßt hatte. Bei dessen Wiederlesen fiel mir erneut auf, wie sehr doch die geistige Physiognomie dieses Landes einem halbzerstörten Gemälde gleicht, auf dem weite Partien von weißen Flecken übersät sind. Ich bin weit davon entfernt, mich in diesem allzu wichtig zu nehmen, aber dieser Umstand ist einer der Gründe, warum hier derart viele historische Themen vorkommen, um die weißen Flecken etwas einzufärben.


Denkmal Großherzog Friedrich Franz III.
Rostock, Bildhauer: Wilhelm Wandschneider, 1901
hier gefunden

Freitag, 9. April 2010

Über den letzten mecklenburgischen Großherzog &


Dante Gabriel Rossetti
A Vision of Fiammetta, 1878
hier gefunden

Früher, als ich Geschichtliches noch mit mehr emotionaler Anteilnahme betrachtet habe, war ich bei der mecklenburgischen Geschichte zumindest davon beeindruckt, daß wir eine der ältesten Fürstenfamilie hatten, deren Anfänge sich irgendwo vor tausend Jahren verlieren.

Ich will aus alter Anhänglichkeit daher wenigstens erwähnen, daß am 9. April 1882 der letzte Großherzog Mecklenburgs Friedrich Franz IV. geboren wurde (ein wenig findet sich über ihn unter dem Link). Aber um etwas anderes erzählen: Es ist sicher nachvollziehbar, daß es sich seltsam anfühlt, wenn man in den eigenen Erinnerungen darauf stößt, wie man einmal dem letzten rechtmäßigen Erben eines gut tausendjährigen Fürstenhauses begegnete.

Es war in dieser Stadt, vor etwa 30 Jahren. Dieser Teil des Landes wurde noch von einem Regime beherrscht, das wenig Sinn für mecklenburgische Fürsten hatte. Ein Pfarrer, den ich näher kannte, erzählte mir eines Tages, daß Christian-Ludwig, der Chef des Hauses Mecklenburg die hiesige Johanniskirche besuchen würde. Am Ende führten der Sohn dieses Pastors und ich „Seine Königliche Hoheit“ durch die Stadt und dabei u.a. auf ein Hochhaus, wie unten zu sehen ist. Er ist schon seit längerem verstorben und mit ihm ist nun ist auch dieses Fürstengeschlecht jedenfalls im „thronfolgeberechtigten Mannesstamm“ erloschen. Manchmal kommen Dinge einfach unwiederbringlich an ein Ende.



Ohne daß ich heute viel über ihn sagen werde, aber da ich mehrfach behauptet habe, mit den Präraffaeliten zu sympathisieren, will ich immerhin anmerken, am 9. April 1882 starb Dante Gabriel Rossetti, ein so charismatischer wie exzentrischer Hauptvertreter dieser Richtung, mitunter wirklich sehr beeindruckend, wie etwa oben.


Großherzogin Alexandra,
Erbgroßherzog Friedrich Franz und Herzog Christian Ludwig
1918, hier gefunden

Nachtrag

Ich wurde zu recht darauf hingewiesen, ich hätte unbedingt noch erwähnen sollen, daß Friedrich Franz IV. ein Bruder der Kronprinzessin Cecilie war, anläßlich deren 50. Todestages Herr Roloff diese Gedächtnisansprache gehalten hat. Friedrich Franz IV. war mit dem Kaiserhaus desweiteren dadurch verbunden, daß der Bruder der Großherzogin Ernst August 1913 die einzige Tochter Kaiser Wilhelms II., Viktoria Louise heiratete. Er hielt es noch für mitteilenswert, daß Friedrich Franz IV. durch seine Gemahlin Alexandra von Hannover und Cumberland auch mit Prinz Max von Baden, dem letzten Reichskanzler vor dem Umsturz 1918 verschwägert gewesen sei. Letzteres soll insofern eine Auswirkung gehabt haben, als über diese Verbindung mehrfach Versöhnungsersuchen an Wilhelm II. herangetragen wurden, bekanntlich war das Verhältnis zwischen dem Kaiser und Max von Baden wegen der Umstände der Abdankung komplett zerrüttet. Aber diese Bemühungen blieben vergeblich, so daß Max von Baden zutiefst verbittert starb. Das nur als Randglosse.

Donnerstag, 8. April 2010

Mittwoch, 7. April 2010

El Greco


El Greco
Ansicht von Toledo, zw. 1596 - 1600
hier gefunden

Es ist grandios, wenn der menschliche Geist so überragend individuell wird, daß eine Welt, die sich nichts grundlegend noch nicht Dagewesenes vorstellen kann, erkennen muß, das ist die einzigartige Physiognomie Rilkes, Klees, Hölderlins, Friedrichs … und diese die von Domenikos Theotokopoulos, genannt „El Greco“.


El Greco Ludwig IX.,
um 1590-1600

hier gefunden

Er stammte von Kreta, das bis 1645 die Venezianer beherrschten, ehe auch dieses an die Türken fiel, gewissermaßen ein letztes Vermächtnis des sterbenden byzantinischen Genius, so daß der Name „El Greco“ auf einmal eine tiefere Bedeutung gewinnt. So stand er zwischen seinem heimatlichen Erbe und dem aufregenden Kunstzentrum seiner Zeit – Venedig. Berufenere mögen sich den Kopf darüber zerbrechen, welche Einflüsse wie auf ihn gewirkt haben mögen.


El Greco
Hl. Martin mit Bettler, ca. 1597-1599
hier gefunden

Ich weiche von meiner ursprünglichen Intention ab, einen beiläufigen Beitrag über diesen Maler zu verfertigen, nicht weil das Pflichtgefühl das Interesse endlich erstickt hätte, nein, ganz im Gegenteil, sondern weil man stundenlang vor seinen Bildern meditieren könnte und dies nicht auch noch in stumpfsinnige Worte fassen möchte.


El Greco
La Santísima Trinidad, 1577–1579
hier gefunden

Das Pathos des Körpers, die fast fiebrige Farbigkeit, die Entmaterialisierung des Irdischen hinein in eine Art Zwischenreich, wo die Körper erglühen, bevor sie in das Unendliche hinüberwechseln. Er starb am 7. April 1614.


El Greco
Laokoon, 1604-1614
hier gefunden

Dienstag, 6. April 2010

Über Maler


John William Waterhouse
Ophelia, 1894

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Die Welt um uns herum ist wahrlich von unterschiedlicher Dignität, und auch wenn einige der Meinung sind, noch in einem Abfallhaufen Bemerkenswertes oder gar Schönes feststellen zu müssen, ich verweigere dazu entschieden meine Zustimmung. Aber ein Maler ist ihr gegenüber zu Großem in der Lage, er kann eine Seite aufschlagen, ob aus dem Buch der Natur, der Geschichte, der Religion, der Imagination oder dem der Seele und sagen: Sieh hier, diese Verbindung, dieser verborgene Charakterzug, diese Schönheit. Und so vermag er für uns Kontinente zu entdecken, von denen wir nicht einmal eine Ahnung hatten.

Über John William Waterhouse, der am 6. April 1849 geboren wurde, habe ich kürzlich schon etwas geschrieben, so daß wir es heute bei dem obigen Bild belassen können.


Albrecht Dürer
Selbstbildnis, 1500
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Von Albrecht Dürer (gestorben am 6. April 1528) werde ich besser nur ein paar seiner Werke folgen lassen. Obwohl mich Bilder wie das der Melancholie schon seit Jugendzeiten begleiten, fühle ich mich nicht recht berufen, hier zu erklären, was ihn so bedeutend macht. Ich habe sogar noch einmal etwas in seinen Schriften gelesen, von denen ich einen Band besitze, aber sein Deutsch ist vom heutigen doch zu weit entfernt als daß ich es an diesem Ort anbringen sollte, also müssen seine Bilder für ihn sprechen.


Albrecht Dürer Melencolia, 1514
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Albrecht Dürer
Herkules und die Stymphalischen Vögel, 1500
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Albrecht Dürer
Feldhase, Aquarell, 1502
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Albrecht Dürer
Adam und Eva, 1507

Montag, 5. April 2010

Oster-Nachträge


Nein, ich stricke nicht, das gestrige Bild war einer der spärlichen Versuche, den kreativen Unternehmungen meiner Frau Mutter etwas Aufmerksamkeit zu schenken. Und so verhält es sich mit den heutigen Scherenschnitten. Ich habe kürzlich schon einmal einen angebracht und dann meine Beobachtungen vorenthalten (der nicht genannte Grund meiner Irritation - die fröhliche Hasenfamilie hatte mir doch zu gespenstisch maskenhaft ausgesehen und mich eher an Donnie Darko erinnert, das nur kurz zu den Abgründen des Gefälligen).



Von einem unfertigen Post (ich weiß, dies häuft sich neuerdings) zu einem nur angekündigten. Ich hatte jüngst etwas zu Goethe schreiben wollen und es nicht getan, u.a. weil mir ein Aufsatz fehlte, den ich mittlerweile gelesen habe und der mir dafür wichtig erschien, zu recht, wie ich inzwischen weiß. Ob es zu diesem Goethe-Post noch kommen wird, ich weiß es nicht, aber eine Abfolge von Zitaten aus diesem Aufsatz, die will ich doch nicht vorenthalten.



„Der Mensch, der noch an die Vergangenheit glaubt, fürchtet die Zukunft nicht, …“

„Und plötzlich fühlen wir uns enterbt, ohne Tradition, mittellos, Neulinge im Leben und ohne Vorgänger.“

„Aber einen Schatz entwerteter Münzen zu betrachten, ist traurig und beklemmend …“

„Das Leben ist seinem inneren Wesen nach ein ständiger Schiffbruch. Aber schiffbrüchig sein heißt nicht ertrinken. Der arme Sterbliche, über dem die Wellen zusammenschlagen, rudert mit den Armen, um sich oben zu halten. Diese Reaktion auf die Gefahr seines eigenen Untergangs, diese Bewegung der Arme ist die Kultur – eine Schwimmbewegung. Solange die Kultur nichts ist als dies, erfüllt sie ihren Sinn, und der Mensch steigt auf über seinem eigenen Abgrund.“

„Dieses Ich, das Sie sind, mein Freund, ist nicht ihr Körper, aber auch nicht ihre Seele, Ihr Bewußtsein oder Ihr Charakter… Sie sind es, der mit diesen Dingen, vermittels ihrer leben soll…“

„Ich bin ein gewisser äußerst individueller Druck auf die Welt: die Welt ist der nicht weniger bestimmte und individuelle Widerstand gegen diesen Druck.“

„Wir alle wissen, daß unser wirkliches Leben seinem Wesen nach eine bald größere, bald geringere Deformation unseres möglichen Lebens ist.“

„Das Fesselndste ist nicht der Kampf des Menschen mit der Welt, mit seinem äußeren Schicksal, sondern sein Kampf mit seiner Berufung. Wie verhält er sich gegenüber seiner unerbittlichen Berufung? Folgt er ihr ganz und gar, oder ist er im Gegenteil fahnenflüchtig und erfüllt sein Dasein mit den Surrogaten dessen, was sein echtes Leben gewesen wäre.“



Goethe in den Gesprächen mit Eckermann:

„Der Mensch ist mit allem seinem Sinnen und Trachten aufs äußerste angewiesen auf die Welt um ihn her, … Von sich selber weiß er bloß, wenn er genießt oder leidet, und so wird er auch bloß durch Leiden und Freuden über sich belehrt, was er zu suchen oder zu meiden hat. Übrigends aber ist der Mensch ein dunkles Wesen, er weiß nicht, woher er kommt, noch wohin er geht, er weiß wenig von der Welt und am wenigsten von sich selber.“

„Offenbar ist es unser entworfenes Leben, das im Falle des Leidens nicht mit unserem tatsächlichen Leben zusammenstimmt, so daß der Mensch zerrissen wird – in das, was er sein mußte, und das, was er geworden ist. Die Gespaltenheit äußer sich als Schmerz, Angst, Ärger, Verdruß, Leere; die Übereinstimmung dagegen erzeugt das wunderbare Phänomen des Glücks.“

„Das Bewußtsein des Geborgenseins tötet das Leben. Daher der sich immer wiederholende Verfall der Aristokratien.“

(Und am Ende, sich gewissermaßen für all dies entschuldigend:)

„Jeder Begriff ist schon Übertreibung.“

José Ortega y Gasset "Um einen Goethe von innen bittend", erschienen 1934

Sonntag, 4. April 2010

Ostern



Frohe und gesegnete Ostern

~

Blessed and joyful Easter

Samstag, 3. April 2010

Vor Ostern



Predigt von Herrn Roloff in der Osternacht 2010

Der Friede des Auferstandenen sei alle Zeit mit Euch!

Dies ist eine heilige Nacht, und drei Dinge des Gedenkens stehen in ihrem Mittelpunkt,

die Schöpfung der Welt und mit ihr der Anfang aller Dinge,

der Auszug des Volkes Israel aus Ägypten und mit ihm das Urbild von der Erlösung in der Geschichte,

und die Auferstehung unseres Herrn von den Toten, mit der die ganze Schöpfung erneuert und die Erlösung der Welt und aller Menschen endgültig gewirkt wird.

Alle drei Dinge haben wir in der Liturgie vollzogen. Das Entzünden des Feuers steht für die Schöpfung und für das Werden des Lichtes,

unser gemeinsamer Gang durch die Nacht und durch die Kirche, aus dem Westen in den Osten, bedeutet den Zug des Volkes Israel, das wie wir der Osterkerze, der Feuersäule gefolgt ist, in der sie Gott durch die Finsternis geleitet hat.

Und wir haben im Wort des Evangeliums die Nachricht von der Auferstehung Jesu gehört und bekennen: Er ist wahrhaftig auferstanden.

So wie die ganze Welt auf das Wort Gottes hin ins Dasein trat, so ist Christus auf dieses Wort hin aus dem Grabe getreten und hat den Sieg über den Tod davongetragen, auf den seine Jünger, nun auch wir und mit uns die ganze Kirche hoffen.

So wie die Schöpfung auf das Wort Gottes hin ins Dasein trat, so auch trat Christus aus dem Grabe und vollendete damit erst die Schöpfung, indem er ewiges Leben wirkte.

Die Ruhe Gottes am siebenten Tag hatte sich nun erfüllt in der Grabesruhe Christi. In seiner Auferstehung scheint uns das hellste Licht. Es scheint das Licht, das auch noch die Sonne überstrahlt, denn es ist sein ewiges Licht.

Dies ist die heilige Nacht, in der sich alles vollendet, in der alles ans Ziel kommt, in der alles neu beginnt.

Solange es Menschen gibt, haben sie in der Gewalt des Frühlings, in seiner alles belebenden Kraft, etwas von dem gespürt, was durch das Schöpfungswort im Dasein der Welt angelegt war, aber erst im Ostergeschehen Wirklichkeit geworden ist. Die Menschen haben den Frühling verehrt, weil sie die Macht der Natur zwar schon bestaunten, aber das Wesen der Welt noch nicht erkannten, noch nicht bekannten – es war ihnen der noch nicht bekannt, der selbst das Wesen der Welt ist – Christus.

Durch diese heilige Nacht nun aber können wir wissen und dürfen bekennen, dass wir mit Christus aus dem Grabe ins Leben treten. Ohne Christus aber wird dem Menschen die Welt nur zum Grab, so wie auch das frische Grün des Frühlings wieder dahingehen wird, welkt und verdorrt.

Dies ist die Nacht in der alles das geschehen ist, in der das Wesen der Welt offenbar geworden ist, in der Christus von den Toten auferstanden ist.

Von nun an bis in Ewigkeit sind wir nur als Bekenner Christi Hüter des Lebens, Bewahrer des Guten und Zeugen für das Wort Gottes, das im Anfang war.

Nur als Bekenner Christi sind wir Hüter des Lebens. Wer aber das Leben sucht, indem er in sich selbst dringt und in der Welt forscht und die Dinge seziert, der wird nur finden, dass sich die Dinge sämtlich verlieren und unbestimmt werden und flüchtig sind.

Wer sich aber zu Christus bekennt, dem wird das Leben in jeder Regung der Schöpfung entgegentreten und heilig sein und in den Lobgesang einstimmen, den er selbst jedes Jahr in dieser Nacht singt.

Wir sind Geschwister in seinem Namen, wir sind die Hüter des Lebens und die Bewahrer des Guten.

Darum schreibt der Apostel:
Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist.
Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott.
Wenn aber Christus, unser Leben, sich offenbaren wird, dann werdet auch ihr offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit.
(Kol 3, 2-4)

Darin entscheidet sich alles, dass Christus nicht sein Leben, sondern unser Leben offenbar werden lässt. Christus, unser Leben, schreibt der Apostel. Das Leben erlangen wir Menschen nur, indem wir uns zu ihm bekennen, denn dann werden auch wir offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit.
Amen
Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Osterfest. Der Friede des Auferstandenen sei in dieser Nacht und alle Zeit mit Euch.

Amen

Thomas Roloff