Sonntag, 18. April 2010

Hoffmannswaldau &



Auch weil der verehrte Prof. Aue einige originelle Nachdichtungen zu Christian Hofmann von Hofmannswaldau verfertigt hat, auf die er mich kürzlich hinwies und die ich längst hier anbringen wollte (er hat sie wirklich geradezu liebevoll präsentiert, man findet sie unter diesem Link), hatte ich seit Tagen das dringende Bedürfnis, einmal etwas außer der Reihe zu diesem Dichter zu schreiben, um dann, als ich dies heute endlich in Angriff nehmen wollte, darüber zu stolpern, daß er am 18. April 1679 starb.

Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Grabschrift [Nr. 50]
Eines Mohren

Kein Europäer soll die schlechte Grabschrift lesen
Und lachen, daß ich schwarz und nackend bin gewesen.
Ich trug der Mutter Bild, dich kleidet Bock und Kuh:
Du bist mehr Vieh als Mensch, ich war mehr Mensch als du.

Epitaph [No. 50]
of a black man

No White shall read this poor obituary
and laugh, because no gown, but naked skin I carry;
I carry Mother's skin, you those of goat and cow:
Thou art more beast than Man; I've been more Man than thou!

In der Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB - Leipzig 1880), findet sich über Christian Hofmann von Hofmannswaldau eine „Würdigung“, die ich in Auszügen wiedergeben will, weil sie sehr bezeichnend anzeigt, wie das 19. Jahrhundert über das Barock dachte, und wie im Spiegel gewinnen wir zugleich ein Bild von der Mentalität dieses Jahrhunderts.

"H. hatte sich zwar auch "die Sprachreinlichkeit eines Opitz zur Richtschnur gewählt, bestrebte sich jedoch über diese hinaus, seiner Schreibweise größere Leichtigkeit, Glätte und Fluß zu geben; er gedachte den majestätischen Stil in einen lieblichen überzuführen, und darum wurden Ovid und Marini seine Vorbilder…er legte nur Werth auf treffenden Ausdruck des Gedankens, geistreiche Erfindungen, 'kräftige Beiwörter und andere mit Verstand angewendete Kleinigkeiten', d.h. wol künstliche Bilder und Vergleiche und schlagende Antithesen. Nun ist freilich nicht zu leugnen, daß er zuweilen auch recht unedle und häßliche Bilder braucht, oft Mißgriffe mit geschmacklosen Ausdrücken thut, statt kräftiger süßliche Beiwörter wählt, im allgemeinen aber ist seine Sprache blühend und gefällig und bahnt von dem überstiegenen Pathos des Gryphius den Weg zu der Geschmeidigkeit Günther's und Hagedorn's, den zunächst freilich noch die Uebertreibungen thörichter Nachahmer mit widerwärtigem Schwulst und Unnatur verdeckten."

Wie unschwer zu erkennen, will man doch noch so etwas wie eine Gesamtwürdigung widerwillig zustande bringen, die nicht völlig vernichtend ist. Aber dann bricht es heraus:

"Tiefere Ideen darzustellen, ethische Wirkungen zu erzielen, daran liegt ihm nichts, nur artige Spiele des Witzes und der Phantasie hat er im Sinne, und da diese sich eben auf dem Boden der Liebe am lieblichsten aufführen lassen, betritt er diesen allein, indem er seine Phantasie jedes Zügels entledigt. Die allerunzweideutigsten Schilderungen sinnlicher Liebe, ihre Erregungen und Genüsse werden ohne Scheu und oft kaum verhüllt dargestellt. Reine, edle und wahre Herzensneigung kennt er gar nicht, alles läuft zuletzt auf gemeine Wollust hinaus, wofür ihm die üppigsten Bilder und grellsten Farben zu Gebote stehen."

"So fällt es ihm hauptsächlich zur Last, unserer Poesie ein fremdes Reis eingeimpft zu haben, das ihr stets zur Schmach gereichen wird, zumal dasselbe durch den Unverstand und die Schamlosigkeit eines Theils der Gebildeteren unserer Nation, wenn auch nur kurze Zeit zu Erzeugnissen der frechesten Unsittlichkeit getrieben wurde."

Da haben wir den eigentlichen Stein des Anstoßes. Jedenfalls in Deutschland war mit dem Siegeszug des Bürgerlichen und dem Zurückdrängen jeder aristokratischen Kultur, kulminierend im 19. Jahrhundert, eine verklemmte und unaufrichtige „Moralität“ vorherrschend geworden, für die jemand wie Hofmannswaldau geradezu einer Kriegerklärung an ihre Sittlichkeit gleichkam. Da man aber seine Vergangenheit auch wiederum schätzte bzw. oftmals wohl mehr zur Selbststilisierung brauchte, kamen solche gewundenen Wertungen heraus. Man sieht förmlich, wie sich der Autor des Lexikons dabei krümmte. Das Künstliche, den „Schwulst“ hätte man vielleicht noch gerade so hingenommen, aber diese Dichtung ist „schamlos“! Also steht am Ende zwangsläufig der Verriß.

Dem Bürgerlichen haftet immer auch etwas Beschränkt-Vereinfachendes an, also hat man eine selbstverständliche Aversion gegen die zügellosen Erfindungen und kühnen Phantasien des 17. Jahrhunderts. Eine Kuriosität am Rande, bei Hofmannswaldau hat sich das meiste an Abenteuern wohl im Kopf zugetragen, in seinem äußeren Leben war er nüchtern, tüchtig, grundehrbar und dafür hochgeachtet. Dennoch ist er der Hauptvertreter der „galanten“ Richtung des Barock, und die stellte nun einmal, aus schon erwähnten Gründen, später ein besonders rotes Tuch dar.

Bevor jemand meinen kurzen Ausflug in die Mentalitätsgeschichte des 19. Jahrhunderts für zu konstruiert hält, als Beleg und letztes Zitat etwas von Heinrich Kurz aus seiner „Geschichte der deutschen Literatur“, Leipzig 1888:
„Nun ist es begreiflich, daß er seine Muster nicht mehr, wie Opitz, bei den steifen, aber züchtigen Niederländern [die waren ja auch Calvinisten – eigene Anmerkung], sondern bei den frivolen Italienern suchte, und unter den Römern nicht mehr, wie jener, den ernsten, rhetorischen Seneca, sondern den muthwilligen, von sinnlicher Glut erfüllten Ovid nachahmte. Dadurch traf er zugleich den Ton, der an den Höfen und unter den Vornehmen herrschte, bei welchen die Sittenlosigkeit auf einen schaudererregenden Grad gestiegen war, und es wird leicht erklärlich, warum seine Gedichte so außerordentlichen Beifall fanden…“



Mein wohlseyn such ich im verderben.
Ihr guten freunde / gute nacht /
Der wunsch sey euch von mir vermacht /
Mein leben mag mein feind ererben.

Dies sind die letzten Worte aus dem „Verzweifflungs-gedichte“, das man im Ganzen hier nachlesen mag oder auch in der Interpretation des nachfolgenden Videos anhören. Nein, ihm zu unterstellen, er habe keinen tieferen Gedanken gehabt, ist reichlich albern, eher ist es so, daß hinter mancher gefälligen Oberfläche ein Abgrund wartet, in den mit hinabzusteigen, man sich erst einmal trauen muß.


Alexander Nitzberg rezitiert:
Christian Hofmann von Hofmannswaldau, "Verzweifflungs-gedichte"
hier gefunden

2 Kommentare:

Walter A. Aue hat gesagt…

This Forsythia is magnificent: What a perfect comment on Christian Hofmann von Hofmannswaldau! Now: Should such an uninhibited display of beauty and life force be allowed to bloom in our garden? What might the neighbors say?

MartininBroda hat gesagt…

Nun der letzte Sturm hat die Blütenpracht doch ziemlich gezaust, unglücklicherweise muß dieser Strauch des öfteren zurückgeschnitten werden, weil man sonst den Weg nicht mehr benutzen könnte, er verfügt also wirklich über erhebliche Lebenskraft.