Sonntag, 28. September 2014

Sonntag & (der guten Ordnung halber)



Kürzlich wurde ich zurecht gefragt, ob mir außer diesen Essensbeiträgen überhaupt noch anderes einfallen würde. Ich bin mir da nicht ganz sicher. An den jüngsten Bemerkungen zu Blake hatte ich jedenfalls wahrlich gekaut wie an einem versteinerten Kanten Brot, und ob das für irgendetwas gut ist? Nun ja.

Ich kann mich, was besagten Sonntag angeht, nur noch daran erinnern, daß mir irgendwie jeder Koch-Ehrgeiz abhanden gekommen war. Und folglich kaufte ich etwas, das mehr oder weniger fertig zu sein versprach – ein Rollbraten, der nach Auskunft der Verkaufenden bereits mit Zwiebeln, Gurken und Speck gefüllt sei. Da ich das sowieso nicht essen wollte, glaubte ich einfach blind, daß es exakt die Sorte von „herzhaftem“ Essen sein würde, die gewünscht worden war.




Ich selbst gestattete mir für meine bescheidene Person ein wenig Lamm. Und so ganz langsam (sehr langsam) lerne ich, wie man es hinbekommt, daß es eben nicht „gut durchgebraten“ ist; dann schmeckt Lamm nämlich wie ein Klumpen von zähem alten Brot (oder so ähnlich), „fast noch halb roh“ aber ist es sehr angenehm, nur muß man exakt diese Unterscheidung doch sehr üben, leider.

Das Gemüse (Rosenkohl und Rotkohl) rekrutierte sich aus den tiefgefrorenen Vorräten. Ich sollte endlich einmal ein Datum auf die Behälter schreiben. Noch kann ich davon ausgehen, daß die Sachen maximal ein Jahr alt sind, der (schon fertige und nur aufgewärmte) Rotkohl jedenfalls schmeckte doch schon gut abgehangen, hm. Und falls das letzte Bild irritiert, ich muß es tatsächlich fertigbekommen haben, zwischendurch mit meinen Wurstfingern die Linse des Apparates zu treffen. Auch nicht schön.

Ansonsten war es eigentlich, im Ganzen gesehen, eher nett; nur den Rollbraten, den fülle ich nächstens besser selbst.


nachgetragen am 4. Oktober

Donnerstag, 25. September 2014

And did those feet... (Jerusalem)


Sir Charles Hubert Parry / William Blake - Jerusalem

William Blake 

And did those feet...
(Jerusalem)

And did those feet in ancient time,
Walk upon Englands mountains' green:
And was the holy Lamb of God,
On England's pleasant pastures seen!

And did the Countenance Divine
Shine forth upon our clouded hills?
And was Jerusalem builded here
Among these dark Satanic Mills?

Bring me my Bow of burning gold:
Bring me my Arrows of desire:
Bring me my Spear: O clouds unfold:
Bring me my Chariot of fire!

I will not cease from Mental Fight,
Nor shall my Sword sleep in my hand:
Till we have built Jerusalem
In Englands green and pleasant Land.

Glastonbury Tor

William Blake 

Und tat sein Fuß...
(Jerusalem)

Und tat Sein Fuß in alter Zeit
durch's Grün von Englands Bergen gehn?
Und ward das heil'ge Gotteslamm
auf Englands Weiden einst gesehn?

Und sah das göttliche Gesicht
durch uns'rer Hügel Wolkenmeer?
Und ward Jerusalem gebaut
nebst Satans schwarzen Mühlen her?

Bringt meines Bogens Goldesglühn;
bringt Pfeile mir, die ich erdacht;
bringt meinen Speer: Teilt, Wolken, euch:
Bringt meines Feuerwagens Macht!

Nicht lass' ich ab vom Geisteskampf,
nicht schlaf' das Schwert in meiner Hand,
bis wir Jerusalem erbaut
in Englands grünem, schönen Land.

übersetzt von Walter A. Aue

Glastonbury Abbey, vor 1900

Die Selbstbilder von Nationen sind immer herausfordernd, besonders, wenn man ihnen zufällig nicht angehört (es sei denn, man ist Deutscher). Gegenwärtig dürfen wir das am sich gerade rührenden russischen Imperiums-Verlustschmerz ablesen, aber es reicht weiter zu anderen einer gewissen Bedeutungsauszehrung anheim gefallenen europäischen Namen wie, ja Großbritannien, das so eben daran entlanggeschrammt ist, seinen nördlichen Teil zu verlieren, den es (sprich England) sich nun wirklich mit Jahrhunderte andauerndem Bemühen einverleibt hat. Der Verlust Neuenglands mochte noch angehen, schließlich fand man mit Indien vorübergehend interessanten Ersatz, aber Schottland!?

Wie man sieht, spiele ich auf das entsprechende Referendum der vergangenen Woche an, und ich mußte wahrlich mit meinem "inneren Schweinehund" kämpfen, nicht eine Abfolge der bekannteren patriotischen britischen Lieder (sowohl zuvor als auch danach) hier anzubringen, obwohl ich sie mir immer wieder einmal anhörte („I Vow to Thee, My Country“, „Land of Hope and Glory“ „Rule, Britannia!“, um einige zu nennen).

Man darf wohl jedenfalls sagen, daß sie ästhetisch zumeist leicht anspruchsvoller sind als manch anderes (erwähnt seien etwa die der Franzosen, die nur so von „unreinem Blut“ triefen), aber fast ist man auch versucht zu behaupten, letztlich erinnern sie ein wenig an die englischen Landsitze, die einen toskanischen Palast nachahmen wollen (nur daß nie einer von der Art Leonardos darin wohnte, als sehr abgekürzter Gedanke).

Obwohl die wiederum ihrerseits auch nur die alten römischen Vorfahren hatten übertreffen wollen (um noch weiter abzuschweifen; und ich darf schon jetzt versprechen, wenn ein Beitrag vor sich hin mäandern wird, dann dieser...). Insofern haben die Neuengländer mit ihren Nachahmungen das Muster gewissermaßen schon von ihrem Herkunftsland her mitgebracht, allerdings nahmen sie diese Serie zwar zunächst durchaus auf, haben sie dann aber doch äußerst nonchalant durchbrochen (siehe bspw. hierher, ich wundere mich immer noch, warum sie für den Sitz des Präsidenten ihrer imperialen Republik nicht längst etwas schick Neues aus Stahl und Beton substituiert haben).


Prognosen in Bezug auf die Zukunft sind immer schwierig, für die Vergangenheit ist das leichter. Das ist gar nicht als Paraphrase des beliebten Kalauers gemeint, sondern durchaus ernsthaft: Also der Führer (bzw. Herrscher, setzen wir einfach Richard III. als Platzhalter ein) ist tot - welche Varianten, mit dieser Tatsache umzugehen, kann es geben, es sind überschaubare Muster, die sich dort abwechseln werden..

Mit der Zukunft ist das schwieriger, jemand kann sich 100mal vorhersehbar aufführen, und beim 101. ist es ganz anders, und prompt haben wir den 1. Weltkrieg. Man hat jetzt eine Ahnung, was mir bei dem Referendum alles an spätem Groll, bekämpfter Genugtuung etc. etc. so durch den Kopf ging.

Und was mir, um auch das noch loszuwerden, in der Debatte vor allem auffiel, es ging sehr pragmatisch um Vor- und Nachteile vor allem sehr materieller Art, aber eine Idee vom Britisch-Sein scheint recht eigentlich nicht mehr zu bestehen, oder doch heftig zu zerbröseln. Neuseeland möchte jetzt ein wenig LOTRmäßig einen silbernen Farn auf schwarzem Feld zum neuen Feldzeichen erkiesen (und das von einem wiedergewählten Konservativen mit entweder zuviel phantasmagorischen Nachtstunden oder einem rührenden Neuanfangs-Vibe).

Aber zurück zu den Engländern, die sich als (christliche) Römer fühlen wollten, was ihre entferntesten Vorbewohner ja sogar für eine beachtliche Zeit auch waren.

Titelseite zu "Milton, eine Dichtung in zwei Büchern"
von William Blake, hier gefunden

Wie man sieht, hat mich weniger Blakes „And did those feet...“ für sich beschäftigt, was zugebenermaßen kaum entschuldbar ist, sondern mehr, wie dieses Rätselding zum Mittel für patriotische Aufwallungen benutzt werden sollte und dabei den Urhebern dieser Verwandlung zur vertonten Hymne.gewissermaßen entfleuchte.

Ich habe mich tatsächlich in William Blakes episches Elaborat „Milton“ hineinzubegeben versucht, dem sein lange vergessenes Gedicht vorangestellt ist, aber mich schließlich mit Grausen wieder abgewandt, in Sorge um meinen mentalen Zusammenhalt.

Da traf es sich gut, daß ich auf eine (englischsprachige) Studie (Edward Robert Friedlander: "William Blake's Milton: Meaning and Madness") traf, die mir den Inhalt nochmals erzählte und anschließend folgende (respektvolle) Diagnose stellte: „Blake's poetry and paintings present classic illustrations of the schizophrenic experience. So far as I know, these are the best, most beautiful, and most meaningful ones ever created.“

Er wolle nicht mißverstanden werden, so deren Autor. Blakes Schriften und Bilder seien äußerst interessant und wertvoll: „Blake has opened worlds of marvels and great beauty to us.  Blake rejected social injustice and mechanical philosophies just like most of us do.“ Aber er glaube, daß Blake mit seinen Visionen und Stimmen falsch lag: „They are not guides to metaphysical truths for all of us.“ Und dann läßt er sich doch noch eine Hintertür offen: „I believe that Blake was wrong. But I hope that he was right. Then, when we understand his works, we will have broken through the 'limits of opacity and contraction', and enter a larger, more meaningful world.“

„The Ruins of Time build Mansions in Eternity.“
aus einem Trostbrief Blakes an William Hayley

„Wo kein Umriß ist, da kann es keinen Charakter geben.“ Denn: „Nature has no Outline, But Imagination has. Nature has no Tune, but Imagination has. Nature has no Supernatural, and dissolves: Imagination is Eternity.“

Denn: „Die Natur lehrt uns nicht das Leben des Geistes, sie lehrt uns einzig das Leben der Natur“.

Gott habe aber nicht nur den Körper erschaffen nach seinem Ebenbild, sondern auch die Phantasie des Menschen. Also existiere die ganze Schöpfung im Geist des Menschen (gut, über die Sinnhaftigkeit der Schöpfung hat er viel gegrübelt, vielleicht frei nach dem „literarischen Kalauer“ - "Am Anfang wurde das Universum erschaffen. Das machte viele Leute wütend und wurde allenthalben als Schritt in die falsche Richtung angesehen.").

Aber, wenn „verständige Menschen“ anstrengungslos den größten Unsinn von sich zu geben vermögen, warum sollte dann ein Schizophrener nicht einen Zipfel der Wahrheit zu fassen bekommen haben, und ja es gibt sie, wie ich fest vertraue, es ist keine ferne Legende: “Doctrina multiplex, veritas una” – “Der Lehren sind viele, aber es ist nur eine Wahrheit” - war das Motto meiner einstmaligen Alma Mater. Zurecht.

Wo ich, unzufrieden mit den (ausbleibenden) Einsichten, in meinen Notizen herumwühle, dies immerhin, aus besagter Studie, klingt doch konstruktiv positiv: „Perhaps Blake's greatest contribution to literary methods occurs in this poem: his invention of the dream technique. It was also the cause of the greatest confusion among his earlier critics.  This technique destroys the effect of a continuous and logical narrative...“

Jetzt müßten wir ihm eigentlich fast böse dafür sein, daß er damit quasi die Moderne miterfunden hat, aber ein anderes Wort faszinierte mich zuvor: „Spectre“, der Verstand, aus Unkenntnis getrennt von der Quelle des Seins, mehr einem Schatten gleich, der seine Macht in zweifelhafter Moral auslebt und Schlimmerem.

Für Blake galt dies nicht: "I have very little of Mr. Blake's company," stellte seine Frau fest, "he is always in Paradise."

Blake fasziniert, neben seinem Künstlertum, vor allem durch die Tapferkeit, mit der er seine Weltsicht der Welt entgegen gehalten hat, ob ihm eine Krankheit dabei behilflich war? Sei es drum. Aber sein ständiger Umgang mit Geistern hat mitunter etwas Unterhaltsames. Natürlich ist ihm auch der Teufel erschienen, und er beschreibt ihn genau:

„It is the gothic fiend of our legends, said Blake -- the true devil -- all else are apocryphal.“

Jetzt haben wir immer noch nichts dazu gesagt, wie Plato an Blake seine reine Freude haben muß, und warum das eingangs genannte Lied/ Gedicht grandios ist, und wie große Kunst es nun einmal vermag, nicht nur ganz Verschiedenes zusammenzubringen, sondern auch im Geiste wachzurufen, wie ein Blick von einem Turm auf einem hohen Hügel...

Aber (um doch noch meine Andeutungen zum 1. Weltkrieg ein wenig verständlicher zu machen), daß ausgerechnet dieser Text ausgesucht wurde, um die mißmutig werdende britische Nation "to brace the spirit of the nation, that the people of Great Britain, knowing that they are fighting for the best interests of humanity, may refuse any temptation, however insidious, to conclude a premature peace, and may accept with cheerfulness all the sacrifices necessary to bring the war to a satisfactory conclusion", ja, das gehört zu den Wirrnissen der Menschheit.

Aber wirkliche Kunst übersteht eben auch zweifelhafte Ursprünge.

(und damit brechen wir ab, am 3. Oktober)


Sonntag, 21. September 2014

Sonntag & (fast noch pünktlich)


Ich habe früher einmal einen sentimentalen Roman zu schreiben versucht, voll von Idylle und anrührenden Begebenheiten, Duisendonck hieß die Dame, erinnere ich mich, aber es war am Ende nicht zumutbar. Warum ich das erwähne, nun meine kleinen Beiträge unter der "Sonntags-Rubrik" hier scheinen irgendwie deren Stelle eingenommen zu haben, dabei ist es mit der Idylle doch eine hoch komplizierte und mitunter auch irreführende Angelegenheit; wie auch immer.


Von gewisser Seite wurde erneut sehr energisch nach etwas “Herzhaftem“ gerufen, wahlweise Ente oder Kotelettbraten (was daran „herzhaft“ sein soll, erschließt sich mir zwar nicht besonders, aber dieser Umstand bereitet auch nicht unbedingt Seelenpein). Es wurde ein Krustenbraten, gewissermaßen mit der linken Hand zubereitet.

Eine Frau v. G., die ich vor Zeiten endlich als „familienbefreundet“ angenommen habe, beglückte mich jüngst mit einer Menge von getrocknetem wildem Majoran, nach ihren Worten. Also tat ich etwas charakteruntypisches, ich verwendete das Zeug, blind vertrauend, daß es genau das wäre.

Genauer gesagt, habe ich erst Zwiebeln angeschmort, dahinein Rosmarin, Thymian und besagtes Zeug (was auch sonstwas hätte sein können) dazugeworfen, dann das Stück vom Schwein (gesalzen und gepfeffert natürlich) hinzugetan und mit etwas Sud zugedeckt in den Ofen expediert. Nach einer Stunde wurde es leicht mühsamer, denn der Deckel des Bräters entschwand und das Trum mußte regelmäßig mit dem Bratensaft übergossen werden.



Wer es mag, mag es. Unsere hochbetagte Nachbarin jedenfalls, die wieder einmal zufällig hereinschneite, wollte zwar nichts davon haben, weil sie schon Stunden zuvor gegessen hatte, aber ich konnte zuschauen, wie ich in ihrer Achtung emporstieg. Halt, von den Bohnen wollte sie denn doch etwas nehmen (in aufgekochtem Bohnenkraut gegart und anschließend mit brauner Butter übergossen). Der Effekt war - man nehme den vorigen Satz. 

Irgendetwas hatte den Bratensud übrigens schauerlich sauer gemacht, ob die Zwiebeln, das ominöse Gewürz, ich habe wirklich keinerlei Ahnung, aber etwas alter Honig hat alles wieder hinreichend ausbalanciert. 



Der Kontrast von den Katzen, die sich einige Tage zuvor in der Sonne räkeln, hin zu der dämmrigen Stimmung der Schluß-Bilder gibt den derzeitigen Wetterumschwung wieder: Ein Blick aus dem Tiergarten durch das Hirschtor und dann auf den Luisentempel - Zeugnisse einer kleinen Ausflucht am Sonntag-Abend. Und ich durfte sogar noch ein wenig den Fremdenführer geben, unfreiwillig; nett irgendwie. Wie schnell man doch den "souveränen" Sachwalter von etwas zu geben vermag, das einem eben erst "zugeflogen" ist.



Text folgte am 23. September

Sonntag, 14. September 2014

Sonntag & (verspätet)


In dem Moment, als ich Messer und Gabel zur Hand nahm, fiel mir endlich wieder ein, daß ich Sauerbraten u.ä. eigentlich überhaupt nicht mag. Das war mir bei all meinen Erwägungen völlig abhanden gekommen und ereignete sich so: Es goß fast den ganzen Sonnabend seit dem frühen Nachmittag wortwörtlich wie aus Eimern, die von dort oben in unermüdlicher Zahl über der braven Stadt ausschüttet wurden (was der düsteren Tischbeleuchtung abzulesen ist).

Mein Enthusiasmus, zum etwas entfernteren Ort für empfehlenswerteres Fleisch zu eilen, schrumpfte folglich von Stunde zu Stunde. Jemand freute sich daraufhin schon auf Bismarck-Hering (aus den Weiten des Kühlschranks) und ich raffte mich dann doch auf, woanders ein größeres Stück Rindfleisch zu kaufen (Schwein ist mir irgendwie über und mein Tisch-Gegenüber hatte ja schon ihren eingelegten Hering), über dessen Qualität ich mir aber im Ungewissen sein mußte. Folglich der Gedankenblitz – marinieren, und zwar so, daß die herbst-winterlichen Aromen schon mal wieder eingeübt werden können, an das Wetter angelehnt.



Was genauso geschah, in viel Rotwein, mit ein wenig Balsamico-Essig, Lorbeerblättern, Wacholderbeeren und Rosmarin. Man sollte dafür ja mindestens einen Tag ansetzen, aber dann hätten wir abends essen müssen, und so bedeutsam ist das alles nun auch wieder nicht.

Immerhin roch es ganz gut, als ich das Fleisch dann am nächsten Tag abtropfen ließ, um es anschließend von allen Seiten scharf anzubraten und dann im Backofen zunächst geschlossen und dann ohne Deckel vor sich hin schmoren zu lassen. Das Schwarz ist diesmal kein Zeichen von zuviel Hitze, sondern kommt schlicht von der Marinade. Jemand verzichtete bei näherer Inspektion des Bratens auf den eingelegten Hering, nur der eigene Gurkensalat, soviel Selbstbehauptung mußte denn doch sein und sei auch gegönnt. Dazu Rotkohl (ebenso schon reichlich herbstlich mit Nelken und Pfefferkörnern) und Blumenkohl (mit Muskat).



Als ich aus der Marinade noch eine Sauce machen wollte, mußte ich nach dem ersten Probieren erst einmal den Krampf aus meinen Lippen lösen, es war doch arg, nennen wir es beim Namen – sauer. Aber mit reichlich Honig und Sahne ließ sich das offenkundig erfolgreich überspielen. Und zumindest war so das Fleisch offenbar im Schnelldurchgang erfolgreich durchmariniert worden, sprich, es war mürbe, hatte Aroma etc. Nur, daß ich eben völlig vergessen hatte, daß ich diese Art von Aromen gar nicht so übermäßig schätze (siehe oben). Manchmal steht man eben ganz und gar neben sich.



Tragisch wurde der Umstand, daß die Stadt förmlich im Regen ersoff, dadurch, daß an besagtem Sonnabend die „10. Lange Nacht der Künste“ stattfinden sollte, mit Ausstellungen, Aufführungen und Konzerten etc., und viel davon Open-air, wie man so schön neudeutsch sagt. Es bedarf nicht großer Phantasie, um sich vorzustellen, wie sehr die Sache über weite Strecken wortwörtlich ins Wasser fiel. Und auch wenn einiges bspw. in ein aufgegebenes Kaufhaus verlagert wurde, in dem zwar auch vorher schon geplant Musik stattfinden sollte, ansonsten aber vor allem mehr oder weniger gegenständliche Kunst – es ist nicht wirklich angenehm, zwischen lauter wasserdampfenden Besuchern umherzugehen, wenn die Klimaanlage natürlich schon lange nicht mehr funktionstüchtig ist.



Zur Kunst selbst mag ich fast nichts sagen, das würde den Rahmen eines Essens-Beitrages sehr sprengen, aber zu dieser „Installation“ vielleicht eine kurze Anekdote. Das Gelb bewegte sich in Wirklichkeit zwischen dem auf den beiden Photos - nicht so orange wie auf dem ersten, nicht so grau wie auf dem zweiten. Auf der gegenüberliegenden Wand klebten viele gleichmäßig quadratische Zettel, auf dem Boden waren Papierschnipsel regelmäßig angeordnet. Es hatte durchaus eine Art von Reiz. Und sogar eine Bedeutung, wie man einem Schild ablesen konnte: „Kollaboration zum Thema Monokulturen“. Aha. Einem Bekannten gestand ich, in solchen Fällen meist meinen kindlichen Trieb unterdrücken zu müssen, mit dem Fuß in sowas herumzuscharren. Und was verriet mir der Bekannte unter dem Siegel der Verschwiegenheit - die Künstler hätten ihm gegenüber die heimliche Hoffnung geäußert, daß genau das geschehen würde: „Damit Leben hineinkommt.“ Worauf ich ihm versicherte, exakt den Verdacht gehegt zu haben, weshalb ich es auch unterlassen hätte.


Es kann einem schon schwindlig werden in diesen Zeiten, das gilt nicht nur für Katzen, sondern auch für Menschen.

nachgetragen am 17. September,
(der Laptop hatte heftige Launen lästigerweise)

Sonntag, 7. September 2014

Sonntag &


"Als Kompromiß?!!" empörte sich die Fischfrau des Vertrauens den vergangenen Sonnabend, ihren launigen Unmut nur leicht übertreibend, als ich ihr gestand, wir hätten uns nicht einigen können, und das sei sozusagen als der Kompromiß herausgekommen, mit dem beide Seiten leben konnten. Der Begriff muß wirklich einen üblen Leumund haben.

Dabei hatte ich schlicht aus Selbstverteidigung darauf zu beharren, daß es eines mit Sicherheit nicht am Sonntag geben würde, nämliches fettes Bauchfleisch, auch wenn jemand sooo sehr Appetit darauf hätte (ich hatte bereits die fette Bratwurst bei der freundlichen Grilleinladung vom Sonnabend überhaupt nicht vertragen, ich wußte es vorher schon besser, aber so ist nun mal der Mensch, er versucht es immer wieder).


Also Lachs ist nun ganz sicherlich fettem Bauchfleisch vorzuziehen, es wäre allerdings wahrlich Zeit für eine Variation gewesen, die mußten halt dann die Bohnen erleiden; doch dazu später.

Zunächst muß die Sonnenblume erklärt werden. Wenn wir schon nicht draußen essen konnten, was weniger am Wetter lag (das entlud sich zwar am Abend in einem heftigen Gewitter, doch hatte es vorher durchaus auch kuschelige Momente, so wie am frühen Nachmittag), dachte ich bei mir, dann hole ich die Sonne in Blumentopf-Form eben ins Wohnzimmer, obwohl das Original überraschenderweise durchaus den einen oder anderen Strahl auf die Szenerie warf.


Den Lachs haben wir bildermäßig also jetzt sozusagen umrundet. Er folgte dem bewährten Rezept von - geschmort auf Weißwein und Butterschmalz mit Thymian, Oregano und Rosmarin, obendrauf Pfeffer, Salz und Dill (ich muß mir endlich meinen eigenen Estragon heranziehen, den bekommt man hier irgendwie überhaupt nicht), zunächst geschlossen, dann offen im Ofen. Ich hab ihn etwas zu spät herausgenommen, aber das war auch der einzige Makel, denke ich jedenfalls.



Die Bohnen waren neu, das heißt eigentlich nicht, wir hatten sie vor einigen Tagen geschenkt bekommen, und sie waren auch in Wirklichkeit gelb und nicht grün (das Dämmerlicht des Wohnzimmers halt).

Mein Versuch, orginell zu sein, sah wie folgt aus. Zunächst habe ich sie kurz in Salzwasser gekocht, um der verbreiteten Angst widersprechen zu können, man würde sich daran ganz schnell vergiften, wenn sie nicht mindestens 1 Std. & < gekocht würden. Nun, es war weniger. Darauf habe ich sie abtropfen lassen und mit Zwiebeln, Pfeffer und getrockneten Kräutern der Provence in Butterschmalz geschmort, mit Weißwein-Essig übergossen und kalt werden lassen.


Überraschenderweise fanden die Bohnen Gnade, obwohl ich pflichtschuldig vor ihnen gewarnt und den Geschmack als "exotisch" (nun ja) beschrieben hatte. Auch vom Lachs ist diesen Montag nicht mehr wirklich viel übrig. Ich gebe mir die Schuld daran, obwohl die Waage heute morgen gnädig zu mir war (für meine Verhältnisse), vielleicht wollte sie auch einfach nur nett sein, die Waage.


Wenn ich jetzt noch anfangen würde, nach einem geistreichen Schluß zu suchen, wäre wahrscheinlich schnell wieder eine Woche um und die Last eines ungeschriebenen Beitrags noch auf meinem Kopf. Also greife ich doch besser nach links, wo die Spruchbeutel und anderen (Wörter-)Bücher aufgereiht sind und finde z.B.:

In bonis exterioribus non est felicitas.
Aristoteles, Politica 118

Nicht in dem Guten außer uns liegt unser Glück.


Satius est otiosum esse quam nihil agere.
Plinius d. Jg., Epistulae 1,9,8

Müssigsein ist besser als Nichtstun.


Patiens et fortis se ipsum felicem facit.
Publilius Syrus, Sententiae 464

Der Geduldige und der Tapfere machen ihr Glück selbst.


Und mit diesen römisch heidnischen Weisheiten wollen wir heute enden.

nachgetragen am 8. September