Samstag, 28. März 2009

Georg Trakl &

Verfall

Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken
Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rost'gen Gittern,

Indes wie blasser Kinder Todesreigen
Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.


Decay

On evenings, when the bells of peace are ringing,
I watch the birds' miraculous migration
outstretched in queues, like prilgrims to salvation,
through autumn's clear expanses southward winging;

and strolling through a garden filled by twilight
I dream their fates across the heavens dancing
and hardly feel the hand of time advancing
beyond the clouds on travel through the skylight.

Then shudder I at breaths of waste arraying:
the blackbird wailing in denuded branches,
the crimson vines from rusty fences swaying,

while, like a pallid childrens' dying dances
around the well's dark rim of stones decaying,
blue shiv'ring asters bend in wind's advances.

Übersetzung / Translation
von / by Walter A. Aue

Ich bin von bekannter Seite dazu veranlaßt worden, mich noch einmal mit Trakl zu beschäftigen, und Prof. Aues Übersetzung erspart zugleich meinen englischsprachigen Bekannten, meine Bilder loben zu müssen.

Seltsam ist, da ich meinen ersten Zugang zu Trakl vor allem einem Buch verdanke, nämlich Franz Fühmanns „Vor Feuerschlünden“, in dem er im 1. Teil sein Leben in Beziehung zu Georg Trakls Werk stellt, wie dieses Neu-Lesen nach ca. 25 Jahren (jedenfalls ist es vor 25 Jahren erschienen und wurde kürzlich von seinem Verlag nebst den anderen Werken verramscht, er war damals ein zurecht sehr angesehener Autor in diesem Teil unseres Landes) zu völlig neuen Eindrücken führt.

Mir war etwa in Erinnerung geblieben, wie er mit dem Ende des obigen Gedichts, von mir jetzt eher platt zusammengefaßt, erklärte, kranke Kinder mit Blumen zu vergleichen, das sei sentimentaler Kitsch, Blumen in dieser Weise mit Kindern hingegen ganz und gar nicht. Ich muß zugeben, daß sich mir mit den Jahren eine gewisse Distanz zu Trakls Werk aufbaute, seine unbestreitbare tiefe sprachliche Schönheit war mir wohl zu unlösbar mit einer, sagen wir in aller Sprachverlegenheit Morbidität verbunden, an der ich je länger je mehr den Geschmack verlor.

Beim Wiederlesen von Fühmanns biographiegesättigten Kommentaren trat nun aber auf einmal dessen Leben in den Vordergrund, Kriegsende, Umerziehung, neue Heilsgewißheiten…, eine Geisterbahnfahrt, die einmal für eine Realität stand, beklemmend. Und wer weiß, wie wir einmal auf die heutigen Tage zurückblicken werden.

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