Mittwoch, 6. Mai 2009
Kronprinzessin Cecilie von Preußen
Wir sind ein wenig in Geschichtsstimmung. Am 6. Mai 1954 verstarb Cecilie Auguste Marie Herzogin zu Mecklenburg, die letzte Kronprinzessin des Deutschen Reichs. 2004 durfte Herr Thomas Roloff, der hier schon gelegentlich begegnet ist, in der Pfingstkirche zu Potsdam am Vorabend ihres Todestages eine Gedächtnisansprache halten, die ich schon längst einmal dokumentieren wollte, heute findet sie sich nun hier:
Gedächtnisansprache anlässlich des 50. Todestages ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit Cecilie, Kronprinzessin des Deutschen Reiches und von Preußen
„Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen.“
Im Blick auf die Lebenswege verehrter Menschen werden wir alle oft zu Spurensuchern, die auf Erinnerung und Vergewisserung hoffen. Aus Anlass des 50. Todestages der letzten Kronprinzessin vergegenwärtigen wir uns ihren Lebensweg und im Dämmerlicht der Erinnerung sehen wir ihre Heimat Mecklenburg.
Wenn man Rostock in nordöstliche Richtung verlässt, kommt man eine Straße entlang, die über viele Kilometer schnurgerade auf die Stadt Ribnitz zuläuft.
Wer es nicht weiß, durchfährt dabei fast unbemerkt einen kleinen Ort, der linker Hand in den ausgedehnten Wäldern liegt und von dem nur die kleine Bahnstation an der Straße zeugt.
Wer aber um die Geschichte dieses Ortes weiß, dem geht schon bei seinem Namen das Herz auf so wie auch Cecilie das Herz weit geworden ist: Gelbensande.
Dort steht noch immer ein Jagdschloss der Mecklenburgischen Herzöge und dort verlebte auch Cecilie wunderschöne Tage.
Es war der Ort ihres Glücks.
Beinahe jeder Mensch kennt derartige Orte wohl und trägt einen Teil von dort erlebtem oder erhofftem Glück durch die Welt. Dieses Glück erfüllte das Herz der jungen Herzogin, obgleich sie schon mit zehn Jahren ihren Vater verlor und nur schwer über diesen Verlust hinweggekommen ist.
So kannte sie aber bereits sehr früh beides – das helle Licht des Glückes und den tiefen Schatten der schmerzlichsten Trauer.
Auf der Hochzeit ihres Bruders sollte sich dann ihr Schicksal entscheiden, sie lernte den Kronprinzen des Reiches kennen und lieben. Nur ein Jahr später heiratete sie ihn im Berliner Schloss.
Sie wird ganz voller Hoffnungen gewesen sein angesichts der vielversprechendsten Aussicht, die sie von diesem Ort aus auf ihr Leben nehmen konnte. Sie war zur künftigen Kaiserin des Reiches bestimmt, ihr wurden schnell wunderbare Kinder geschenkt und sie wurde verehrt und geliebt.
Der Aufbruch des ganzen Landes, der technische Fortschritt, die Anfänge der Fliegerei, der Bau gewaltiger Ozeandampfer, die Industrialisierung, die Errichtung prächtiger Bauten wohin man auch blickte, die Eroberung ganzer Kontinente, der weltumspannende Handel, waren das Kennzeichen jener Jahre.
Die Menschen nahmen begeistert, staunend und voller Erwartungen daran Anteil und das Kronprinzenpaar teilte dieses Glück, diesen Glanz mit dem ganzen Lande.
Prinz Wilhelm und Prinzessin Cecilie wohnten im Neuen Garten hier in Potsdam und ließen sich im englischen Stil ihre Residenz erbauen. In gewisser Weise wirkte das ganze Europa jener Tage märchenhaft und das, obgleich über allem doch schon das unheimliche Grollen der unweigerlich herannahenden Katastrophe lag.
Der Weltkrieg zerstörte brutal die Hoffnungen und Aussichten des Kronprinzenpaares und des ganzen Kontinents. Prinz Wilhelm musste in die Verbannung auf die Insel Wieringen in Holland gehen. Cecilie weigerte sich, Deutschland zu verlassen. Es gelang ihr auf höchst respektable Weise, die Familie unter den gänzlich veränderten Bedingungen neu zu etablieren. Ohne Scheu und mit großer Hingabe widmete sie sich vielfältigen gesellschaftlichen Aufgaben und trat unter anderem an die Spitze des „Königin Luise Bundes“.
Es ist erstaunlich, in welchem Maße sie es vermocht hat, in jenen von Unruhen, Besatzung, Inflation, Verelendung und fiebrigen politischen Zuständen geprägten Jahren, Integrität zu wahren und dem Gemeinwesen allein durch ihre beispielhafte Haltung Orientierung und Zuversicht zu geben. Das herannahende große Verhängnis allerdings konnte sie nicht abwehren.
Die tiefe Nacht des Irrtums, der Gewalt und des Terrors senkte sich über Deutschland herab.
Der Krieg, der alle Maßstäbe veränderte, brach über Europa herein und verwüstete das Antlitz der Erde. An seinem Ende gingen die deutschen Städte im Bombenhagel unter, und das Reich, dessen Kaiserin Cecilie werden sollte, versank. Aber auch in dieser furchtbaren Zeit nahmen die Kronprinzessin und ihre Familie Anteil am Schicksal ihres Volkes bis hin zum Tod ihres ältesten Sohnes im Felde. Sie nahm Anteil am Schicksal ihres Volkes, weil sie selbst eine Vertriebene wurde, die all ihren Besitz zurückließ und nach dem Krieg traurige Jahre durchlebte. In allem hat sie ihr Volk nicht verlassen, sondern teilte sein Schicksal, und vielleicht war es das, was ihr ihre eigentümliche klaglose Ruhe verliehen hat.
Es ist, als hörten wir Hiob: „Haben wir Gutes empfangen und sollten das Böse nicht auch annehmen?“ (Hiob 2,10)
Wir blicken nach einem halben Jahrhundert auf eine Frau zurück, die auch in ihrer höchsten Stellung nicht das Maß verloren hat, die in jedem Moment um die Nähe des Leides wusste, die auch ohne ihren Vorrang leben konnte, die unter allen Umständen versuchte, ihre Pflichten zu erfüllen, die auch in kompliziertesten Zeiten um ihre persönliche Integrität gerungen hat und diese wahren konnte. Wir blicken auf eine Frau zurück, der kein Verlust erspart blieb, auch nicht der Tod eines ihrer Söhne. Es ist, als hätte sich das Schicksal unseres Landes in ihrem Leben in besonderer Weise abgebildet.
So war sie ein Opfer des großen Verhängnisses, in das unser Volk hineingestürzt war und vor dem nichts es hat bewahren können.
Es gab kein Entrinnen, es gab keine Flucht, es gab keinen Ausweg und wer anderes behauptet, führt in die Irre, unterschätzt die entfesselten Gewalten und verharmlost die tatsächliche Macht des Bösen. Auch der Aufstand im letzten Augenblick konnte niemals den Verlauf des Dramas wenden, sondern nur noch die Ehre retten.
Nach allen menschlichen Maßstäben sehen wir uns hier einer Tragödie gegenüber. Es bleibt nur, gegen die Wirklichkeit der Welt zu hoffen, dass Gottes Maßstäbe andere sind. Darum erinnern wir uns an Cecilie, weil sie ihrem Geschick nicht zu entfliehen suchte, weil sie teilgenommen hat am Schicksal ihres Volkes, weil sie ihre Pflichten erfüllt hat. Sie hat selbst in unerschütterlichem Glauben gelebt und ihren Kindern diesen Glauben mit auf den Weg gegeben. Nur im Glauben kann man eine hinreichende Begründung dafür finden, dass sie auch in der größten Not noch so ohne Klage geblieben ist. Wie hätte es der Kronprinzessin gut gehen sollen, wenn ihr Land in Trümmern und Tränen versank.
So ist denn die einzige zulässige Rebellion in dieser Welt die des Glaubens gegen die Wirklichkeit, die nicht auf dem Hochmut gründet, neue Wirklichkeiten schaffen zu können, sondern im Vertrauen auf das Kommen Gottes, der auch Herr der Geschichte ist. Wir sind an den Propheten Jesaja verwiesen, der seinem Volke in größter Not verheißen hat: „Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln.“ (Jes. 54,7)
Glaubend stand sie an der Schwelle der Zeit, während in ihrem Haus, dem Cecilienhof, die Sieger tagten und sich auf diesem Wege ihr Name unlöslich mit der Niederlage verband. Die ihr bestimmte Krone war verloren und aller weltlicher Ehren war sie entkleidet. Aber gerade das scheint ihr der stärkste Trost gewesen zu sein, dass sie mitleiden konnte, mit ihrem Volke, dass sie nicht verschont blieb, und dass sie ein Zeichen der Geduld und der Treue setzen konnte. Darum ist ihr gesagt, durch Johannes: „Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“ (Offb. 2, 10)
Cecilie hat nur glauben können, was ihre Nachkommen erfahren durften. Der Herr hat die Seinen nicht verlassen. Darum wohl auch war es den Nachfahren der Kronprinzessin so wichtig, die beiden großen Könige nach Potsdam zurückzubringen. Es konnte kaum ein deutlicheres Zeichen dafür gesetzt werden, dass menschliche Gemeinschaft immer eine Gemeinschaft der Lebenden und der Toten ist.
Zu ihr ist gesprochen: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Jes. 43,1) Darum blicken wir auf diese Frau und haben im Bekenntnis mit ihr Gemeinschaft und sehen in ihr ein Zeichen der Hoffnung. Das ist das eigentliche und ursprüngliche Amt eines jeden Fürsten: Er muss mit seinem ganzen Leben ein Zeichen der Hoffnung sein. Dieses Amt ist nicht erloschen. Dieses Amt erlischt niemals.
Befiehl du deine Wege.
Amen
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