Sonntag, 7. Februar 2010

Predigt von Herrn Roloff zum Sonntag Sexagesimae

"Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer denn kein zweischneidig Schwert, und dringt durch, bis daß es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.
Und keine Kreatur ist vor ihm unsichtbar, es ist aber alles bloß und entdeckt vor seinen Augen. Von dem reden wir."
Hebr 4, 12-13

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herren Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,

das Wort steht im Zentrum jedes Gottesdienstes, in diesem, am Sonntag Sexagesimae, also 60 Tage vor Ostern, wird seine Bedeutung aber noch einmal durch alle drei Lesungen unterstrichen.
Auf einem Dorf wie dem unseren, das noch weitreichend von der Landwirtschaft bestimmt wird, ist das Gleichnis vom vierfachen Acker immer noch ohne weiteres verständlich. Wir haben den Sämann noch bildlich vor Augen, der mit schwerem Schritt über den Acker schreitet, mit der einen Hand die Saatmolle vor dem Leib hält und mit der anderen Hand den Samen in gleichmäßigen Würfen auf das Feld streut.

Eindrucksvoll und ganz und gar der Natur abgelauscht ist das Bild des Jesaja, in dem das Wort mit Schnee und Regen verglichen wird, die vom Himmel fallen, die Erde feuchten und ihr Fruchtbarkeit und Wachstum geben.

Der Predigt liegt aber der Abschnitt des Hebräerbriefs zu Grunde, den wir als Epistel gehört haben. Ich lese ihn noch einmal in der Übersetzung meines Lehrers Hans-Friedrich Weiß, wie er sie uns mit seinem großen Kommentar geschenkt hat. Dort überschreibt er die beiden Verse: „Die Wirkungsmacht Gottes“.

• 12 Denn lebendig ist das Wort Gottes und wirkungskräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, Gelenken und Mark, und urteilend über Gedanken und Gesinnungen des Herzens.
• 13 Und kein Geschöpf ist verborgen vor ihm; alles vielmehr ist unverhüllt und preisgegeben vor den Augen dessen, demgegenüber wir Rechenschaft schuldig sind.

Wir gehen also der Wirkungsmacht Gottes nach, wenn wir über das Wort nachdenken. Sprachwissenschaftler sind der Überzeugung, dass das griechische Wort „LOGOS“ die Urbedeutung des Sammelns, des Zusammenfassens in sich trägt. Die Bedeutung des Wortes nahm also ihren Ausgang in einer vagen fast nur geahnten Vorstellung davon, daß im Wort Dinge gefasst oder wieder gesammelt werden, die verstreut waren, die verloren zu gehen drohten, die vielleicht bereits verloren waren.

Der Italiener Leopardi ging sogar so weit zu behaupten, daß die Welten, in denen unsere Wörter einstmals wohnten, ihrerseits die Wörter bewohnen, die sie überlebten.

Es gibt dieser Ansicht nach einen verborgenen Zusammenklang zwischen dem Wort und dem Leben an sich.

Folgerichtig unterscheidet Leopardi denn auch im Italienischen zwischen parole, dem eigentlichen Wort, und termini, dem bloßen Begriff und stellt dann fest: Termini bezeichnen etwas, erwecken es aber nicht.

Der Wesensgehalt des Wortes ist es, dass es zu erwecken versteht, dass es zum Leben erweckt.

Der Hebräerbrief nun beantwortet uns, warum das Wort dieses vermag, wenn er davon spricht, dass das Wort Gottes lebendig ist. Das Wort ist selbst lebendig. Es ist also keineswegs in dem Sinne ein Zauberwort, das etwas anderes hervorbringen würde als das was es selbst ist. Das Wort selbst ist lebendig, es feuchtet wie Wasser und Schnee die Erde und bringt Leben und Wachstum hervor. Es leuchtet darum auch ein, warum das Wort Mensch wurde. Im Mensch gewordenen Wort, in Jesus Christus, wurde uns etwas zum Bruder und Herrn geschenkt, das schon immer im Wort unter den Menschen war, was jeden Menschen ins Leben ruft. Das Wort ist der einzige Grund dafür, warum es uns so wahr erscheint, das alles ins Leben gerufen wird.

So wie das Wasser in der Atmosphäre und dann auch in der Pflanze, so zirkuliert das Blut im Menschen. So zirkuliert auch das Wort Gottes in seinen Geschöpfen, denn aus ihm, aus dem Wort Gottes sind sie ja. In diesem Zusammenhang wird mir auch klar, worin der tiefe Sinn davon liegt, dass wir im Sakrament das Blut Christi trinken und seinen Leib essen.

Darum ist auch nichts vor Gott verborgen, sondern das Wort Gottes ist inwendig im Menschen. Plötzlich strahlt etwas von dem auf, was der Herr meinte, wenn er sagte: Das Himmelreich ist inwendig in euch!

Eindrucksvoll ist aber auch das unseren Predigttext beherrschende Bild vom zweischneidigen Schwert, das durchdringt bis zur Scheidung von Seele und Geist, Gelenken und Mark und urteilend über Gedanken und Gesinnungen des Herzens.

Dieses Bild ist eindrucksvoll und verstörend, weil es vor allem Dinge benennt, die nach menschlichem Ermessen doch gar nicht zu trennen sind. Wie wollte man einen Baum von seinem Holze, einen Fluss von seinem Wasser, einen Menschen von seinem Leibe scheiden?

Hans-Friedrich Weiß macht in dem bereits erwähnten Kommentar darauf aufmerksam, dass hier ein außergewöhnlich beinahe möchte ich wiederum sagen scharfer kritischer Akzent gesetzt wird.

Weiß wörtlich: „Nicht der heilstiftende Charakter des Wortes Gottes wird hier betont, sondern sein kritisch-bloßlegender Charakter - und dem entsprechend auch die Verantwortung, die dem Hörer dieses Wortes auferlegt ist.“

Wir haben es lieber, wenn vom zudecken, vom vergessen machen, vom alles - wieder - gut - werden die rede ist. Natürlich ist dieser Charakter dem Worte Gottes auch eigen. Dazu muss es aber Gehör finden. Der Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes ist für den Menschen genau das, was für den Acker die Aufnahme des Samens, was die Aufnahme des Wassers, das die Erde feuchtete, für die Pflanze ist.

Wir leben vom Lebendigen! Der Mensch wird erst durch das Wort zum Menschen erweckt. Der Mensch wird durch den Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes zum Menschen erweckt. In einer gewissen Weise kann man sagen, dass das Schreien des Neugeborenen nach der Geburt seine Antwort auf diesen Ruf ins Leben ist, sein erstes Gebet.

So sind es denn drei Dinge in denen uns deutlich entgegentritt wovon wir heute zu reden hatten:

1. Wir lesen im Gottesdienst nicht alte Geschichten, weil wir der Ansicht wären, Gottes Wort könnte auf Papier gefasst werden. Vielmehr sind die Geschichten und ihre Überlieferung untrügliches Zeichen für die lebendige Wirkmächtigkeit des Wortes.
2. Wir glauben dem Wort nicht aus der bloßen Feststellung heraus, dass etwas geschrieben steht, sondern weil es uns in dem Menschen Jesus Christus zum Bruder und Herren geworden ist. Die Wirklichkeit des Mensch gewordenen Gottes, der sein Leiden annimmt, ans Kreuz geht und stirbt, gibt dem Wort erst, ich sage nicht seine Bedeutung, als wäre Christus etwas oder jemand, der zum Wort hinzuträte, sondern er ist das Wort und gibt ihm seine Gestalt.
3. Es formt sich eine Ahnung davon, was Leben eigentlich ist. Das Leben verwirklicht sich im Glauben. Das Leben verwirklicht sich im Gehorsam gegenüber dem lebendigen Wort. Darum ist das Wort das scheidende, das entscheidende Schwert, das durch Mark und Bein dringt. Wer sich nämlich vom Wort trennt, das Wort nicht hört, dem Worte nicht gehorcht, der trennt sich vom Leben ab.

Darum, liebe Gemeinde, ist es nicht richtig, sich darauf einzulassen, wenn gesagt wird: Lasst uns zunächst nur menschlich als Menschen leben und dann erst soll auch noch jeder seinen Glauben haben, möglichst ohne dem Anderen zu nahe zu treten. Die Menschlichkeit, von der wir zu reden haben, entfaltet sich erst und überhaupt aus dem Glauben und aus dem gehorsam gegen Gott. Der 95 Psalm bietet uns einen großen Aufruf zur Anbetung und zum Gehorsam. In ihm heißt es:
Kommt, laßt uns anbeten und knien und niederfallen vor unserem Herrn, der uns gemacht hat.

Denn er ist unser Gott, und wir das Volk seiner Weide und Schafe seiner Hand.

Wenn ihr doch heute auf seine Stimme hören wolltet:

„Verstocket eure Herzen nicht,“

Im Zusammenhang mit diesem Psalm, und hier will ich dann noch einmal meinen Lehrer Hans-Friedrich Weiß zitieren, „geht es“ also in unserem Abschnitt „nicht um das Gerichtswort Gottes schlechthin, sondern um die zur rechten Entscheidung, zur rechten Einstellung (und zum rechten Handeln) rufende Funktion des Wortes Gottes - und gerade so um eine Funktion des Wortes Gottes, die seinen heilstiftenden Charakter nicht etwa außer Betracht läßt, sondern gerade unterstreicht. Die ´Theologie des Wortes Gottes´ im Hebräerbrief hat durchaus diese beiden Seiten: Wort Gottes, d.i. sowohl das heilbegründende, heilstiftende Wort, wie Gott es ´im Sohn` ein für allemal gesprochen hat, als auch das bis in die Tiefen menschlicher Existenz eindringende, das alles offen- und bloßlegende Wort, dem der Hörer Gehorsam zu leisten schuldig ist - nicht um des Gehorsams willen, sondern um seines Heiles willen.“

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Thomas Roloff

1 Kommentar:

Walter A. Aue hat gesagt…

God - as His Likeness, Man - is indeed a double-edged sword...

(Ein Wortspiel, Pardon! Aber eines, das mit Worten, nicht Woertern spielt...)