Dienstag, 9. Februar 2010

Diotimas Geburtstag



Wenn aus der Ferne ...

Wenn aus der Ferne, da wir geschieden sind,
Ich dir noch kennbar bin, die Vergangenheit,
O du Teilhaber meiner Leiden!
Einiges Gute bezeichnen dir kann,

So sage, wie erwartet die Freundin dich?
In jenen Gärten, da nach entsetzlicher
Und dunkler Zeit wir uns gefunden?
Hier an den Strömen der heilgen Urwelt.

Das muß ich sagen, einiges Gutes war
In deinen Blicken, als in den Fernen du
Dich einmal fröhlich umgesehen,
Immer verschlossener Mensch, mit finstrem

Aussehn. Wie flossen Stunden dahin, wie still
War meine Seele über der Wahrheit, daß
Ich so getrennt gewesen wäre?
Ja! ich gestand es, ich war die deine.

Wahrhaftig! wie du alles Bekannte mir
In mein Gedächtnis bringen und schreiben willst,
Mit Briefen, so ergeht es mir auch,
Daß ich Vergangenes alles sage.

Wars Frühling? war es Sommer? die Nachtigall
Mit süßem Liede lebte mit Vögeln, die
Nicht ferne waren im Gebüsche
Und mit Gerüchen umgaben Bäum uns.

Die klaren Gänge, niedres Gesträuch und Sand,
Auf dem wir traten, machten erfreulicher
Und lieblicher die Hyazinthe
Oder die Tulpe, Viole, Nelke.

Um Wänd und Mauern grünte der Efeu, grünt'
Ein selig Dunkel hoher Alleen. Oft
Des Abends, Morgens waren dort wir,
Redeten manches und sahn uns froh an.

In meinen Armen lebte der Jüngling auf,
Der, noch verlassen, aus den Gefilden kam,
Die er mir wies, mit einer Schwermut,
Aber die Namen der seltnen Orte

Und alles Schöne hatt er behalten, das
An seligen Gestaden, auch mir sehr wert,
Im heimatlichen Lande blühet
Oder verborgen, aus hoher Aussicht,

Allwo das Meer auch einer beschauen kann,
Doch keiner sein will. Nehme vorlieb, und denk
An die, die noch vergnügt ist, darum,
Weil der entzückende Tag uns anschien,

Der mit Geständnis oder der Hände Druck
Anhub, der uns vereinet. Ach! wehe mir!
Es waren schöne Tage. Aber
Traurige Dämmerung folgte nachher.

Du seiest so allein in der schönen Welt,
Behauptest du mir immer, Geliebter! das
Weißt aber du nicht,


Was hier abbricht, ist etwas, das Hölderlin wahrscheinlich 1808 geschrieben hat, also in der Zeit, die seiner „Umnachtung“ zugeschrieben wird. Die Gestalt, die da spricht, erscheint aus dem Totenreich, denn Susette Gontard, nach deren Bild er „Diotima“ geschaffen hatte, war bereits dahingeschieden. Der „umnachtete“ Dichter hatte längst mehr mit Toten Umgang. Überliefert ist aus dieser Zeit der Satz:
„Nun versteh‘ ich den Menschen erst, da ich ferne von ihm und in der Einsamkeit lebe!“

Dieses Gedicht, das eines meiner liebsten ist, auch weil es die Schönheit der deutschen Sprache so wunderbar aufschließt, ist eigentlich zu lang für einen Post, aber ich habe es dann doch gebracht. Es wirkt zuerst so unscheinbar, aber wer es langsam vor sich hin spricht, der ist mit dem Abbruch auch nahezu am Ende. So ist Frau Susette Gontard, geb. Borkenstein, geboren am 9. Februar 1769 in Hamburg, Bankiersgattin aus Frankfurt am Main, also unsterblich geworden. Und wir dürfen jeden belächeln, der die Macht der Dichtung in Frage stellt.

4 Kommentare:

Walter A. Aue hat gesagt…

"Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahr lang ins Ungewisse hinab."

(But to us it is given
never and nowhere to rest:
we suffering humans —
vanishing, falling
blindly from one
hour to the next —
are thrown like the water
cliff down to cliff,
yearlong down to an unknown abyss.)

Derik hat gesagt…

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MartininBroda hat gesagt…

Ja lieber Herr Prof. Aue, das hatte ich im letzten Juni zum Todestag Frau Gontards gewählt, Sie werden sich vielleicht erinnern, da ich Ihre Bilder dazu mißbraucht hatte:
http://martininbroda.blogspot.com/2009/06/holderlin-oder-uber-eine-verlorene.html

MartininBroda hat gesagt…

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You don’t have to feel obligated reading my blog because of my comments, but it’s of course kind if you will try to make the effort of a translation tool. My English is very far from good, but for some time I tried to translate my posts. I really should start it again; because there are some readers I really appreciate like you trying to use such tools. So thanks again and you’ve to expect some new comments from me I guess.
:-)