Donnerstag, 31. Dezember 2009

Silvester 2009



Ich wünsche meinen Lesern ein gutes und gesegnetes Jahr 2010.

My warmest wishes for an incredible, adventurous, fulfilling and blessed new year.

Mittwoch, 30. Dezember 2009

Fontane


Theodor Fontane 1890
hier gefunden

Keine Sorge, ich werde hier nicht tagespolitisch, selbst ich habe moralische Standards, die ich ohne hinreichenden Anlaß nicht unterschreiten möchte. Aber bekanntlich wurden wir jüngst darüber aufgeklärt, daß ‚Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt wird‘.

Ähnliches haben andere Nationen früher auch schon so gesehen, allerdings dachten sie dabei eher an Interessen, wie etwa die Briten, die spätestens im 18. Jahrhundert entdeckten, daß sie auf der ganzen Welt welche hätten. Afghanistan ist eines der wenigen Länder, wo ihre Inbesitznahme-Versuche ziemlich kläglich scheiterten.

Wie ich darauf komme, nun es gibt ein Gedicht von Fontane, das einem da unvermittelt wieder in Erinnerung gerät, es handelt vom katastrophalen Rückzug Elphinstone’s aus Kabul und endet so:

"Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,
Einer kam heim aus Afghanistan."

Das ganze Gedicht „Das Trauerspiel von Afghanistan“ (1859) mag man hier nachlesen.

Heinrich Theodor Fontane wurde am 30. Dezember 1819 geboren, daher diese kurzen Bemerkungen zu ihm. Wenn man sich irgendwie der Mark Brandenburg verbunden fühlt, kann man gar nicht umhin, davon Kenntnis zu nehmen. Es ist wohl nicht verstiegen zu sagen, erst er habe dieser Landschaft literarisch wirklich ein Gesicht gegeben. Ob ihm der märkische Adel dies hinreichend dankte, in seinem Gedicht „An meinem Fünfundsiebzigsten“ hegt er da Zweifel, er beschreibt sich dabei recht hübsch selbst. Deshalb sei es zitiert:

Theodor Fontane

An meinem Fünfundsiebzigsten

Hundert Briefe sind angekommen
ich war vor Freude wie benommen,
nur etwas verwundert über die Namen
und über die Plätze woher sie kamen.
Ich dachte, von Eitelkeit eingesungen:
Du bist der Mann der "Wanderungen",
du bist der Mann der märk’schen Geschichte,
du bist der Mann der märk’schen Gedichte,
du bist der Mann des Alten Fritzen
und derer die mit ihm bei Tafel sitzen,
einige plaudernd, andere stumm,
erst in Sanssouci, dann in Elysium;
du bist der Mann der Jagow und Lochow,
der Stechow und Bredow, der Quitzow und Rochow,
du kanntest keine größere Meriten
als die von Schwerin und vom alten Zieten,
du fandst in der Welt nichts so zu rühmen
als Oppen und Groeben und Kracht und Thümen,
an der Schlachten und meiner Begeisterung Spitze
marschieren die Pfuels und Itzenplitze,
marschierten aus Uckermark, Havelland, Barnim
die Ribbecks und Kattes, die Bülow und Arnim,
marschierten die Treskows und Schlieffen und Schlieben,
und über alle hab‘ ich geschrieben.

Aber die zum Jubeltag da kamen,
das waren doch sehr andre Namen.
Auch "sans peur et reproche", ohne Furcht und Tadel,
aber fast schon von prähistorischem Adel:
Die auf "berg" und auf "heim" sind gar nicht zu fassen,
sie stürmen ein in ganzen Massen,
Meyers kommen in Bataillonen,
auch Pollacks und die noch östlicher wohnen,
Abram, Isak, Israel,
alle Patriarchen sind zur Stell‘,
stellen mich freundlich an ihre Spitze,
was sollen mir da noch die Itzenplitze!
Jedem bin ich was gewesen,
alle haben sie mich gelesen,
alle kannten mich lange schon,
und das ist die Hauptsache --- "Kommen Sie, Cohn!"

Ich bin mit Fontane nicht derart vertraut, daß ich hier eine längere Würdigung versuchen dürfte, merkwürdigerweise sind mir seine Dichtungen auch am präsentesten, wenngleich seine Romane und natürlich vor allem seine „Wanderungen“ nicht nur bedeutend sind, sondern zum Glück auch sehr angenehm zu lesen. Sie lassen sich halt in so einem Blog schlecht wiedergeben und darüber zu räsonieren, nun ja. Dann doch lieber einfach nur lesen. Ich etwa habe gerade für mich beschlossen, die „Fünf Schlösser“ wieder einmal in die Hand zu nehmen.

Aber mit einem anderen Gedicht muß ich einfach enden. Er schrieb es einen Tag nach Bismarcks Tod am 30. Juli 1898.

Theodor Fontane

Wo Bismarck liegen soll.
(Geschrieben am 31. Juli 1898)

Nicht in Dom oder Fürstengruft,
er ruh' in Gottes freier Luft
draußen auf Berg und Halde,
noch besser tief, tief im Walde;
Widukind lädt ihn zu sich ein:
»Ein Sachse war er, drum ist er mein,
im Sachsenwald soll er begraben sein.«

Der Leib zerfällt, der Stein zerfällt,
aber der Sachsenwald, der hält,
und kommen nach dreitausend Jahren
Fremde hier des Weges gefahren
und sehen, geborgen vorm Licht der Sonnen,
den Waldrand in Efeu tief eingesponnen
und staunen der Schönheit und jauchzen froh,
so gebietet einer: »Lärmt nicht so! -
Hier unten liegt Bismarck irgendwo.«

Dienstag, 29. Dezember 2009

Am Todestage Rilkes



Rainer Maria Rilke


Herbsttag


Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Day in Autumn

Lord, it is time! Your summer's reign was grand.
Beshadow now the dials of your sun
and let your winds run rough across the land.

The latest fruits command to fill and shine:
For them, let two more warmer days arrive
to push them to perfection and to drive
the final sweetness in the heavy wine.

The man without a house will build no more,
the man without a mate will sole remain,
will wake, will read, write letters long with pain
and walk the boulevards, restless to the core,
where falling leaves are drifting with the rain.
Translation by Walter A. Aue

Am Todestage Rilkes nicht an ihn zu erinnern, das ist beinahe unmöglich. Ich gestehe, ich hatte eigentlich anderes im Sinn, aber wie ich eben sagte, einiges hat einfach Vorrang. Und dann mußte ich feststellen, daß ich eines der beiden berühmten Herbstgedichte Rilkes hier noch gar nicht gebracht habe, genauer gesagt, nicht verbunden mit einer Übersetzung von Prof. Aue. Wenn man dem Link unter der Übersetzung folgt, gelangt man zu seiner Seite, auf der er nicht nur seine Demut über seine Übersetzungsfähigkeiten ausbreitet, sondern auch zu anderen Übersetzungen hinführt.

Meine eigenen Gedanken sind, der Jahreszeit angemessen, eher winterlich, und das obige Bild ist kaum verkennbar aus dem Sommer, nicht einmal aus dem letzten, sondern aus dem vorigen, so steht Rilkes Gedicht gewissermaßen dazwischen. Ich hatte mich kürzlich schon einmal gebremst, hier zu persönlich zu werden, aber ich werde mir die nächsten Sätze, die hier folgen sollen, morgen etwas wacher noch einmal durchlesen, mag sein, daß dies hier dann noch eine kurze Fortsetzung findet.

Montag, 28. Dezember 2009

Sonntag, 27. Dezember 2009

Bach & Nachträge zu St. Stephan









Die freundliche Autorin des Blogs "Rosabella" verwies mich in ihrem Kommentar zu meinem gestrigen Post darauf, daß Johann Sebastian Bach 1725 eine Kantate zum 2. Weihnachtsfeiertag bzw. zu St. Stephanus komponiert habe, sie war sogar so großzügig, den gesamten Text beizufügen.

Ich habe mich darüber sehr gefreut, so daß ich die Kantate (BWV 57) – „Selig ist der Mann“ hier unbedingt anbringen will, einmal volständig in 3 Teilen in einer Interpretation von Harnoncourt oben. Unten folgt dann eine Interpretation, wenn ich das richtig gelesen habe, von Guillermo Eduardo Dorá, zwar nur vom letzten Teil, aber ich fand sie recht lebendig und sie gibt einen guten Kontrast. Mein Dank also an die Bloggerkollegin, auf deren Seiten ich schon manches wunderbare Gedicht entdeckt habe, schade nur daß das für mich eine Entdeckung jüngerer Zeit ist.


Samstag, 26. Dezember 2009

St. Stephanus - "Ich sehe den Himmel offen"

„Ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herzen und Ohren, ihr widerstrebt allezeit dem Heiligen Geist, wie eure Väter also auch ihr.
Welchen Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Und sie haben getötet, die da zuvor verkündigten die Zukunft dieses Gerechten, dessen Verräter und Mörder ihr nun geworden seid.
Ihr habt das Gesetz empfangen durch der Engel Geschäfte, und habt's nicht gehalten.
Da sie solches hörten, ging's ihnen durchs Herz, und sie bissen die Zähne zusammen über ihn.
Wie er aber voll heiligen Geistes war, sah er auf gen Himmel und sah die Herrlichkeit Gottes und Jesum stehen zur Rechten Gottes
und sprach: Siehe, ich sehe den Himmel offen und des Menschen Sohn zur Rechten Gottes stehen.
Sie schrieen aber laut und hielten ihre Ohren zu und stürmten einmütig auf ihn ein, stießen ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn.
Und die Zeugen legten ihre Kleider ab zu den Füßen eines Jünglings, der hieß Saulus,
und steinigten Stephanus, der anrief und sprach: HERR Jesu, nimm meinen Geist auf!
Er kniete aber nieder und schrie laut: HERR, behalte ihnen diese Sünde nicht! Und als er das gesagt, entschlief er.“
Apostelgeschichte des Lukas, Kap. 7, 51 - 60
Abb.: Hans Memling, Hl. Stephan, um 1480

hier gefunden



San Lorenzo Fuori le Mura, Rom
hier gefunden

Heute verehrt die Kirche in besonderer Weise den Hl. Stephanus, der als erster wegen des Bekenntnisses zu Jesus Christus den Tod eines Märtyrers starb. Über dessen Steinigung wird in der Apostelgeschichte berichtet. Seine Reliquien finden sich in San Lorenzo fuori le mura in Rom.

translation in the comments

Freitag, 25. Dezember 2009

Donnerstag, 24. Dezember 2009

Frohe Weihnachten & Merry Christmas



Maria durch ein' Dornwald ging.
Kyrieleison!
Maria durch ein' Dornwald ging,
Der hatte in sieben Jahrn kein Laub getragen!
Jesus und Maria.

Was trug Maria unter ihrem Herzen?
Kyrieleison!
Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen,
Das trug Maria unter ihrem Herzen!
Jesus und Maria.

Da hab'n die Dornen Rosen getragen.
Kyrieleison!
Als das Kindlein durch den Wald getragen,
Da haben die Dornen Rosen getragen!
Jesus und Maria.



Ich wünsche allen, die diesen Ort manchmal oder häufiger besuchen, ein frohes und überstehbares Weihnachtsfest (ein wenig Ironie mußte sein), doch im Ernst, alles Gute, dieser Abend ist wirklich die uneinholbare Gelegenheit, sich an das Gute zu erinnern, das bestehen bleibt.

***

Hope you all will survive this evening.

:-)

Merry Christmas
und all the best from my heart.

Mittwoch, 23. Dezember 2009

Ich wil diß halbe mich - Martin Opitz



Martin Opitz


ICH WIL DIß HALBE MICH ...

Ich wil diß halbe mich / was wir den Cörper nennen /
Diß mein geringstes Theil / verzehren durch die Glut /
Wil wie Alcmenen Sohn mit vnverwandtem Muth'
Hier diese meine Last / den schnöden Leib / verbrennen /

Den Himmel auff zu gehn: mein Geist beginnt zu rennen
Auff etwas bessers zu. Diß Fleisch / die Hand voll Blut /
Muß ausgetauschet seyn vor ein viel besser Gut /
Das sterbliche Vernunfft vnd Fleisch vnd Blut nicht kennen.

Mein Liecht entzünde mich mit deiner Augen Brunst /
Auff daß ich dieser Haut / des finstern Leibes Dunst /
Des Kerckers voller Wust vnd Grawens / werd' entnommen /

Vnd ledig / frey vnd loß / der Schwachheit abgethan /
Weit vber alle Lufft vnd Himmel fliegen kan
Die Schönheit an zu sehn von der die deine kommen.


I WILL THIS HALF OF ME ...

I will this half of me, my part of slightest moment,
That bears the name of body, courageously and steadfast
As Alcmene's son consign to flaming foment,
Cremating thus my burden, this argile and dead cast,

To soar to Heaven; my soul rises in resplendence
Towards a higher estate. This grip of blood, this rind
Is rushing to change out, into that transcendence
Beyond the grasp of flesh and mortal mind.

My light, inflame me with your eyes' enkindling lust,
Igniting draw my freedom from this skin, this fust
Of gloomy flesh, this carcer pulsed with waste and dread,

So, frailty discarded, free, released and leaven,
I can fly far above the air, the vault of Heaven,
To contemplate that Beauty: your beauty's fountainhead.

Martin Opitz von Boberfeld (* 23. Dezember 1597, † 20. August 1639)
Trans. copyright © Michael Haldane 2004

Dienstag, 22. Dezember 2009

Über Demmler und wiederkehrende Erinnerungen



Diese Bemerkungen müssen etwas fragmentarisch bleiben, denn offen gestanden wird dieser Post erst am Folgetag beendet, und es spricht wahrscheinlich nicht gegen den Gegenstand, wohl aber gegen den Autor, wenn dieser über dem Schreiben eingeschlafen ist.



Ich wollte eigentlich etwas zu Georg Adolf Demmler anmerken, mecklenburgisch-schwerin‘scher Hofbaurat und Sozialdemokrat, eine in der Tat etwas ungewöhnliche Mischung, der am 22. Dezember 1804 geboren wurde. Schwerin hat ihm einiges zu verdanken, vor allem das Schloß zu wesentlichen Teilen. Dabei halte ich ihm besonders zugute, daß er bei dem Schloßneubau, der unter ihm begann, wesentliche Vorgängerbauten aus dem 16. und 17. Jahrhundert auf der Seeseite geschont und in den Neubau einbezogen hat.



Insbesondere über sein Verhältnis zu Großherzog Friedrich Franz II. ließe sich noch einiges sagen, aber zum einen habe ich über Demmler vor einem Jahr schon einmal hier etwas kurz bemerkt und dann läßt sich das wohl besser demnächst passenderweise am selben Tag nachholen.

Montag, 21. Dezember 2009

Die Weiber zu Weinsberg



Burg Weibertreu von Hans Baldung Grien 1515
hier gefunden

"AIs König Conrad III. den Herzog Welf geschlagen hatte (im Jahr 1140) und Weinsberg belagerte, so bedingten die Weiber der Belagerten die Übergabe damit: daß eine jede auf ihren Schultern mitnehmen dürfte, was sie tragen könne. Der König gönnte das den Weibern. Da ließen sie alle Dinge fahren, und nahm ein jegliche ihren Mann auf die Schulter und trugen den aus. Und da des Königs Leute das sahen, sprachen ihrer viele, das wäre die Meinung nicht gewesen, und wollten das nicht gestatten. Der König aber schmutzlachte und tät Gnade dem listigen Anschlag der Frauen: 'Ein königlich Wort', rief er, 'das ein Mal gesprochen und zugesagt ist, soll unverwandelt bleiben.'"

"Die Weiber zu Weinsberg", Brüder Grimm, “Deutsche Sagen”, Band 2



Die treuen Weiber von Weinsberg.
Kupferstich von Zacharias Dolendo nach Jacques de Gheyn II
spätes 16. Jahrhundert, hier gefunden


Adelbert von Chamisso

Die Weiber von Winsperg

Der erste Hohenstaufen, der König Konrad lag
Mit Heeresmacht vor Winsperg seit manchem langen Tag,
Der Welfe war geschlagen, noch wehrte sich das Nest,
Die unverzagten Städter, die hielten es noch fest.

Der Hunger kam, der Hunger! das ist ein scharfer Dorn,
Nun suchten sie die Gnade, nun fanden sie den Zorn:
'Ihr habt mir hier erschlagen gar manchen Degen wert,
Und öffnet ihr die Tore, so trifft euch doch das Schwert.'

Da sind die Weiber kommen: 'Und muß es also sein,
Gewährt uns freien Abzug, wir sind vom Blute rein.'
Da hat sich vor den Armen des Helden Zorn gekühlt,
Da hat ein sanft Erbarmen im Herzen er gefühlt.

'Die Weiber mögen abziehn, und jede habe frei,
Was sie vermag zu tragen und ihr das Liebste sei;
Laßt ziehn mit ihrer Bürde sie ungehindert fort,
Das ist des Königs Meinung, das ist des Königs Wort.'

Und als der frühe Morgen im Osten kaum gegraut,
Da hat ein seltnes Schauspiel vom Lager man geschaut;
Es öffnet leise, leise sich das bedrängte Tor,
Es schwankt ein Zug von Weibern mit schwerem Schritt hervor.

Tief beugt die Last sie nieder, die auf dem Nacken ruht,
Sie tragen ihre Eh'herrn, das ist ihr liebstes Gut.
'Halt an die argen Weiber!' ruft drohend mancher Wicht; –
Der Kanzler spricht bedeutsam: 'Das war die Meinung nicht.'

Da hat, wie er's vernommen, der fromme Herr gelacht:
'Und war es nicht die Meinung, sie haben's gut gemacht;
Gesprochen ist gesprochen, das Königswort besteht,
Und zwar von keinem Kanzler zerdeutelt und zerdreht.'

So war das Gold der Krone wohl rein und unentweiht.
Die Sage schallt herüber aus halbvergeßner Zeit.
Im Jahr eilfhundert vierzig, wie ich's verzeichnet fand,
Galt Königswort noch heilig im deutschen Vaterland.

***

Warum nicht diese beliebte und vielfach nacherzählte Begebenheit aus dem frühen Mittelalter hier heute anbringen, dachte ich mir. Zumal es kürzlich um die Brüder Grimm ging, die auch diese Sage gesammelt haben. Sie führt mitten in den Konflikt zwischen Welfen und Staufern.

Der Staufer König Konrad III. hatte am 21. Dezember 1140 in einer Schlacht bei der Burg Weinsberg gesiegt, die Burg ergab sich und nach der Kölner Königschronik versprach der König den Frauen der Burg freien Abzug, es dürfe sogar eine jede forttragen, „was sie auf ihren Schultern vermöchte“. Die Frauen trugen ihre Männer auf dem Rücken aus der Burg, retteten ihnen damit das Leben und waren fortan als die „Treuen Weiber von Weinsberg“ bekannt.

Sonntag, 20. Dezember 2009

Leopold von Ranke und ein fragwürdiger Geburtstag


Kirche in Wiehe
(c) Markus Vette

Ich freue mich tatsächlich sehr, hier heute einen Freund als neuen Gastautor vorstellen zu können. Daher diese kurze Vorbemerkung. Dr. Dr. Markus Vette macht ein paar Bemerkungen u.a. zu Leopold von Ranke, der nach allgemeiner Auffassung am 21. Dezember 1795 geboren wurde. Das Schöne an Markus‘ Büchern ist, daß man bei ihm sicher davon ausgehen kann, daß er nicht von anderen abgeschrieben hat, sondern selbst in den Archiven und Pfarrämtern war, etwa um Kirchenbücher einzusehen.

Das mögen manche als Bemerkung etwas merkwürdig finden, aber leider ist das Abschreiben bei sich wissenschaftlich gebender Literatur heute verbreiteter als man gemeinhin glaubt. Wie auch immer, den vorwiegend geistlichen Gastbeiträgen des Herrn Roloff hoffen wir also künftig auch einige historische und politikwissenschaftliche von diesem Autor an die Seite stellen zu können, auch wenn sein Vertrauen in die Aufklärung und den ganzen Rest, der dem gefolgt ist, weitaus größer sein dürfte als bei mir, aber schließlich ist nichts langweiliger, als ständig zustimmen zu müssen:


(c) Markus Vette

Der fragwürdige Geburtstag

Im kleinen Städtchen Wiehe im Unstruttal am Rande der Goldenen Aue kann man im Kirchenbuch lesen, dass am 20. Dezember 1795 in der Familie Ranke der Sohn Franz Leopold geboren wurde. Der Säugling wurde am 26. Dezember in der Bartholomäus-Kirche getauft. Doch seinen Geburtstag beging und begeht man am 21. Dezember. Warum, weiß man bis heute nicht.

Aus der Familie ging – der Leser ahnt es – der Preußische Historiograph Leopold von Ranke (1865 geadelt) hervor. Nach seiner Auffassung steht jede Zeit in der Geschichte „unmittelbar vor Gott“, lässt sich also nicht auf die Feststellung ihrer Ergebnisse für die nächste Generation reduzieren. Fortschrittsgläubigen und historische Missionen verfolgenden Gelehrten und Politikern konnte dies nicht behagen. Leopolds Brüder wurden nicht nur – wie Generationen seiner Vorfahren – Theologen. Ein Bruder gründete in Teupitz bei Berlin eine Siedlung um Rankenheim am Silbersee, verstarb aber früh. Leopolds Bruder Heinrich wirkte nahe Nürnberg, ihm verdanken wir den Text zu „Tochter Zion“ und „Herbei, Ihr Gläubigen“: Beide Lieder begleiten uns in der Weihnachtszeit. Die Familie war innerhalb einer Generation in ganz Deutschland ansässig geworden. Leopold von Ranke war mit General von Manteuffel befreundet. Seine Frau stammte aus der englischen Aristokratie. Leopold von Ranke und seine Frau hatten vier Kinder, drei wurden erwachsen. Der älteste Sohn Otto beförderte als evangelischer Pfarrer die Sozialarbeit der „Jünglinge“ im wachsenden Norden Berlins, einem sozialen Brennpunkt, seine Schwester heiratete in die Nähe der Heimat, der jüngste Bruder Friduhelm wurde preußischer General. Leopold von Ranke starb 1886 und wurde an der Sophienkirche in Berlin beigesetzt.

Treffen sich in dieser Familie Thron und Altar, Kirche und Kaserne, wie mitunter Preußen holzschnittartig skizziert wird? Wohl kaum. Wer sich mit dem Leben und dem Wirken der Familie Ranke befassen will, sei auf den Ranke-Verein in Wiehe verwiesen, wo man sich des Erbes der Familie bewusst ist. Durch das weihnachtlich verschneite Wiehe fahrend wird man von der Wirkung dieser Familie aus dieser Kleinstadt beeindruckt sein. Dem fragwürdig gebliebenen Geburtsdatum Leopold von Ranke steht seine wissenschaftliche Leistung für die Geschichtswissenschaft, der er die historische Methode auferlegte, fraglos gegenüber.

Samstag, 19. Dezember 2009

Rezepte meiner Großmutter



Ein junger Mann, dem ich noch einen Kommentar schulde, hat kürzlich ein paar bemerkenswerte Gedanken zum Einfluß der neuen Medien auf unser Denken und unsere Fähigkeit zur Wahrnehmung geäußert. Selbstredend ändert sich da einiges. Ich hatte hier heute einen überraschenden Besuch zu ertragen, dem ich mich nicht völlig entziehen konnte, und während der Unterhaltung hatte ich häufig das Bedürfnis, die Fernbedienung in die Hand zu nehmen, um den Kanal zu wechseln, nur daß es kein Kanal in diesem Sinne war. Das nur zur Erläuterung.



Angenehmer Nebeneffekt, es ging häufig ums Essen. Das ist noch nicht der Punkt, sondern meine Frau Mutter erwähnte mehrere Rezepte, die ihr ihre Schwiegermutter vermacht hätte. Und zum Ausgleich für meine Duldsamkeit mußte sie mir ein paar davon danach abschreiben. Es ist exakt das, was auf den Bildern zu sehen ist, ein Problem ist nur, ich kann keine Backzeiten und -temperaturen angeben, weil sie einen Gasofen benutzt hat und meine Mutter die Rezepte nicht alle nachgebacken hat. Nur bei den „Weißen Pfeffernüssen“ wußte sie noch, die hätten bei 200°C 10 Minuten gebraucht. Also ich kann daher nur ermuntern, das Ganze auszuprobieren. Ich dachte, das wäre zur Auflockerung ganz hilfreich, morgen geht es um Ranke.

Donnerstag, 17. Dezember 2009

Imperiale Erinnerungen



„Heil dir im Siegerkranz,
Herrscher des Vaterlands!
Heil, Kaiser, dir!“

So beginnt die quasi Nationalhymne des 2. Kaiserreiches, deren Text allerdings schon am 17. Dezember 1793 veröffentlicht wurde (er ist an diesem Ort zu finden - www.deutsche-schutzgebiete.de). Ein Grund für mich, diese hier einmal zu präsentieren, ohne daß sich tiefergehende Absichten damit verbinden.

Ich habe gelegentlich schon einmal erwähnt, daß es mutmaßlich der Einfluß meiner Stiefgroßmutter war, daß ich als Kind eine schwärmerische Begeisterung für das 2. Kaiserreiche hegte. Sie hatte mir sogar eine kleine schwarz-weiß-rote Fahne genäht. Später ließ diese kindliche Begeisterung für das 2. Kaiserreich nach, irgendwie empfand ich wohl ein gewisses Ungenügen und, nein, sie wich keiner allgemeinen Ernüchterung, meine Begeisterung übertrug sich nur auf das erste Reich, das „Heilige Römische Reich deutscher Nation“, das Original übt doch meist den größeren Reiz aus. Wie man an diesem Blog sehen kann, bin ich von diesem bis heute nie ganz genesen.

Mittwoch, 16. Dezember 2009

Über geliebte Gelehrte - Wilhelm Grimm


Elisabeth Maria Anna Jerichau-Baumann
Jacob und Wilhelm (links) Grimm, 1855
hier gefunden

„Am 16ten des vorigen Monats starb Wilhelm Grimm, Mitglied der Akademie, der als deutscher Sprachforscher und Sammler deutscher Sagen und Dichtungen einen Namen hellen Klangs hat. Das deutsche Volk ist gewohnt, ihn mit seinem älteren Bruder Jacob Grimm zusammen zu denken und zu nennen. Wenige Männer umfaßt es mit so allgemeiner Liebe und Verehrung als die Gebrüder Grimm, die es ein halbes Jahrhundert hindurch in einem Streben und in gemeinsamer Arbeit gekannt hat.“

Die Preußische Akademie der Wissenschaften annoncierte dies im Januar 1860 nach dem Hinscheiden von Wilhelm Carl Grimm, dem jüngeren, und vom Charakter her wohl auch verträglicheren der „Gebrüder Grimm“ am 16. Dezember 1859, vor 150 Jahren also. Und im Grunde ist dem kaum etwas hinzuzufügen. Es ist verrückt, aber es gibt Namen, wo einem als Deutscher das Herz so aufgeht, daß man vermutlich ziemlich einfältig froh grinsend dreinschaut, Wilhelm Grimm ist ein solcher Name.

Die „Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm“, das ist wie Luthers Bibelübersetzung oder der Kyffhäuser oder die Lorelei. Und das wirkliche Eigentümliche ist, wenn man sich etwa Märchen wie „Von dem Machandelbaum“ (English translation) oder die „Die Sterntaler“ (English translation) anschaut, das ist nicht naiv oder heimelig, das ist mindestens so seltsam und wahr wie das Leben selbst.

Neben den Kinder- und Hausmärchen hat er mit seinem Bruder auch deutsche Sagen gesammelt und irische Elfenmärchen übersetzt (hier zu finden), aber die ersteren haben sich doch am tiefsten in das deutsche Gemüt eingesenkt. Es ist vielleicht nicht übertrieben zu sagen, dies ist Literatur, in der das deutsche Volk seinen Charakter wiedergefunden hat.

Und was noch faszinierender ist, beide haben damit in der Breite das erreicht, was sie sich als Gelehrte ebenso zum Ziel gesetzt hatten, das Bewußtsein vom Wert des deutschen Altertums und der deutschen Sprache wieder aufzurichten, und wie schon mein Titel andeutet: Es ist eher selten, daß ein Wissenschaftler für seine Arbeit mit allgemeiner Zuneigung belohnt wird, bei den Brüdern Grimm ist es so.

Dienstag, 15. Dezember 2009

Über unterhaltsame Menschenkenntnis - François de La Rochefoucauld

François de La Rochefoucauld ist zweifelsohne einer der originellsten Aphoristiker. Ich lese ihn immer wieder einmal mit Vergnügen.

Heute stieß ich zunächst durch ein falsch angegebenes Geburtsdatum erneut auf ihn, tatsächlich ist er am 15. September 1613 geboren.

Aber wo ich einmal dabei war, will ich ein paar Zitate nicht vorenthalten:

"Bevor man etwas brennend begehrt, sollte man das Glück dessen prüfen, der es bereits besitzt."

"Wenn die Laster uns verlassen, schmeicheln wir uns mit dem Wahn, wir hätten sie verlassen."

"Wir sind so gewöhnt, uns vor anderen zu verstellen, daß wir es zuletzt auch vor uns selber tun."

„Das Herz hält immer den Verstand zum Narren.“

„Es gibt wenige Menschen, die sich nicht schämten, einander geliebt zu haben, sobald sie einander nicht mehr lieben.“

„Die Leidenschaften haben etwas Ungerechtes und Eigennütziges an sich, das es gefährlich macht, ihnen zu folgen, und zu Mißtrauen selbst dann rät, wenn sie durchaus vernünftig erscheinen.“

„Jeder beklagt sich über sein Gedächtnis, aber niemand über seine Urteilsfähigkeit.“

„Wir haben nicht Kraft genug, um unserer Vernunft ganz zu folgen.“

„Die Philosophie triumphiert leicht über vergangene und zukünftige Übel, aber gegenwärtige triumphieren über sie.“

„Wer sich zuviel mit Kleinem abgibt, wird gewöhnlich unfähig zu Großem.“

„Vollendete Tapferkeit besteht darin, ohne Zeugen zu tun, was man vor aller Welt tun möchte.“

„Alte Leute geben gern gute Lehren, um sich darüber zu trösten, daß sie nicht mehr imstande sind, böse Beispiele zu geben.“

Montag, 14. Dezember 2009

Carl Philipp Emanuel Bach


Carl Philipp Emanuel Bach
Büste im Schauspielhaus zu Berlin
hier gefunden

Ich muß gestehen, daß diese kleine Erinnerung an Carl Philipp Emanuel Bach, den „Hamburger Bach“, etwas verspätet erscheint, er starb am 14. Dezember 1788. Darum will ich es auch unter dem 14. stehen lassen. Er war zu Lebzeiten recht berühmt, berühmter wohl als sein Vater Johann Sebastian Bachs und gilt als Wegbereiter der sog. Wiener Klassik. Aber alles Biographische mag man ausführlicher hier nachlesen.


Konzert für Cello und Orchester in A-Dur
hier gefunden

Seit 1740 war er Cembalist bei Friedrichs II., für dieses Instrument hat er zahlreiche Stücke komponiert und wurde damit stilbildend für die Klaviersonate. Er hat aber Flötensonaten komponiert und einiges andere mehr. 1768 wurde er als Nachfolger Telemanns nach Hamburg berufen, wo er 1788 starb, daher „Hamburgischer Bach“. Durch sein neues Amt schrieb er nunmehr auch einiges an Kirchenmusik, Oratorien, Kantaten und anderes.


Oboenkonzert
Bach Collegium München unter Christopher Hogwood
Stefan Schilli, Oboe
hier gefunden

Ich muß zugeben, wenn das etwas distanziert klingt, dann täuscht der Eindruck nicht. So technisch brillant alles sein mag, innovativ und durchaus auch angenehm zu hören, und natürlich ist es Musik von Rang, sonst hätte ich es hier nicht gebracht, es läßt mich doch eigentümlich kalt. Zumindest reicht es nicht an das heran, was die Musik seines Vaters in mir auszulösen vermag. Um so mehr muß das Urteil der Zeitgenossen verwundern, die den Sohn über den Vater stellten. Es eben doch weniges so unbeständig, wie das gerade gültige Urteil.


Allegretto, Sonate G-Dur, "Hamburger Sonate"
hier gefunden

Sonntag, 13. Dezember 2009

Für Pilgrim



Gottfried Benn

Was schlimm ist

Wenn man kein Englisch kann,
von einem guten, englischen Kriminalroman zu hören,
der nicht ins Deutsche übersetzt ist.

Bei Hitze ein Bier sehn,
das man nicht bezahlen kann.

Einen neuen Gedanken haben,
den man nicht in einen Hölderlinvers einwickeln kann,
wie es die Professoren tun.

Nachts auf Reisen Wellen schlagen hören
und sich sagen, daß sie das immer tun.

Sehr schlimm: eingeladen sein,
wenn zu Hause die Räume stiller
der Café besser
und keine Unterhaltung nötig ist.

Am schlimmsten:
nicht im Sommer sterben,
wenn alles hell ist
und die Erde für Spaten leicht.



Rainer Maria Rilke

Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.



Rainer Maria Rilke

Herbst

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält



Ich bin gestern gebeten worden, ob ich diese 3 Gedichte heute zu einem Post zusammenstellen könne, um damit an jemanden zu erinnern, der vor genau 2 Jahren starb und dem, der darum bat, sehr wichtig war. So wichtig, daß er sich nicht in der Lage fühlte, selbst etwas dazu zu schreiben.

Die Frage ist erlaubt, warum diese 3 Gedichte nicht schon früher am Tage hier auftauchten. Nun, weil ich noch kurz selbst etwas dazu bemerken wollte und mich ausgesprochen ratlos vorfand. Aber, wo wir doch noch miteinander gesprochen haben, will ich es bei diesem bewenden lassen.


Arnold Böcklin, "Die Toteninsel", 3. Fassung
hier gefunden

Rainer Maria Rilke

Schlußstück

Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen,
Lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
Wagt er zu weinen
Mitten in uns.

Samstag, 12. Dezember 2009

Über Tannenbäume



Ich gestehe, für einen Moment war ich versucht, etwas über die Vendée zu schreiben, aber das am Vorabend des 3. Advent? Das soll einem anderen Tag vorbehalten bleiben. Und da im nahegelegenen Forstamt seit gestern Tannenbäume verkauft werden, dachte ich, wenn ich einen Tag später dort auftauche, sei das früh genug.



Weit gefehlt, der Ort war schon scharenweise heimgesucht worden. Und dies war nun die klägliche Auswahl, die sich mir noch anbot.



Diesen einen leidlich brauchbaren, wenn auch etwas kleinen Baum habe ich dann gefunden. So langsam vervollständigt sich also die Staffagerie. Jetzt müßte es nur noch im Gemüt weihnachtlich werden.

Freitag, 11. Dezember 2009

Ruhiger Moment


Rainer Maria Rilke

Advent

Es treibt der Wind im Winterwalde
Die Flockenherde wie ein Hirt,
Und manche Tanne ahnt, wie balde
Sie fromm und lichterheilig wird;

Und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
Streckt sie die Zweige hin - bereit,
Und wehrt dem Wind und wächst entgegen
Der einen Nacht der Herrlichkeit.

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Geschichtsvarianten


"City Hall stands in front of Newspaper Row
- the former publishing headquarters of The World (left),
The Tribune (center)
and The Times (right) in downtown Manhattan, circa 1906.
Behind the New York Times building is the American Tract Society."


Ich gestehe, es gibt so kleine Momente, wo ich gegenüber der amerikanischen Gemütsstruktur wieder ein wenig mißtrauisch zu werden beginne. Der Abriß bedeutender Bauwerke etwa, aus nichtigem Grund. Hier hat es das auch gegeben, das ist zuzugeben, aber da hat man wenigstens als Entschuldigung zur Hand, daß es kulturlose Kommunisten waren oder ebenso barbarische Nachkriegsarchitekten & „Stadtplaner“, die ihre kleine Kulturrevolution durchzogen. Man kann also wenigstens sagen, in dem Jahrhundert ging es drunter und drüber, da wurde ständig irgendetwas Unerfreuliches nach oben gespült.

Aber dort doch eigentlich nicht, es ging alles seinen mehr oder weniger erschütterungsfreien Gang nach dem Bürgerkrieg, wenn man von der Große Depression einmal absieht. Wie ich darauf komme, nun wie ich gerade lese, wurde am heutigen Tage im Jahre 1890 das „New York World Building“ fertiggestellt, ein Wolkenkratzer in New York City für die Zeitung „The New York World“, von 1890 bis 1894 der höchste Wolkenkratzer der Welt, 1955 für eine Auffahrt zur Brooklyn Bridge abgerissen. Und ich muß sagen, das Gebäude scheint so übel nicht gewesen zu sein. Man ist wirklich versucht zu sagen, letztlich war „Amerika“ doch auch nur einer dieser „Gegenentwürfe“.

Ganz im allgemeinen gesprochen: Unterschiedslos Neuem nachzujagen, verrät einen Mangel an Urteil, Beständigkeit und der Fähigkeit, Dinge von Wert zu erkennen, zu schätzen, im Notfalle folglich auch zu schützen. Ich denke und hoffe, daß das Gegenteil davon die europäische Weltsicht, früher hätte man gesagt abendländische Weltsicht ist oder sein sollte, vielleicht etwas zu antiquarisch, aber sei es drum.



Meine Bemerkungen im letzten Jahr zu Friedrich Franz I., Großherzog von Mecklenburg, geboren am 10. Dezember 1756, waren zweifelsohne eher armselig. Er ist nun einmal eine der Gestalten, die mit dem Land verbunden sind, in dem ich lebe, ein eher unbeachtetes, aber altes Land, dieses Mecklenburg.

Man mag vorläufig Näheres über ihn hier nachlesen, vielleicht fällt mir morgen noch etwas Gescheites ein, warum an ihn erinnern sollte, die Bücher dazu liegen vor meiner Nase, ich müßte nur endlich hineinschauen.

Mittwoch, 9. Dezember 2009

Winckelmann


Torso im Belvedere
hier gefunden

"Diese vorzügliche und edle Form einer so vollkommenen Natur ist gleichsam in die Unsterblichkeit eingehüllt, und die Gestalt ist bloß wie ein Gefäß derselben; ein höherer Geist scheint den Raum der sterblichen Teile eingenommen und sich an die Stelle derselben ausgebreitet zu haben...

Oh, möchte ich dieses Bild in der Größe und Schönheit sehen, in welcher es sich dem Verstande des Künstlers geoffenbart hat, um nur allein von dem Überreste sagen zu können, was er gedacht hat und wie ich denken sollte! Mein großes Glück nach dem seinigen würde sein, dieses Werk würdig zu beschreiben. Voller Betrübnis aber bleibe ich stehen, und so wie Psyche anfing, die Liebe zu beweinen, nachdem sie dieselbe kennengelernt, bejammere ich den unersetzlichen Schaden dieses Herkules, nachdem ich zur Einsicht der Schönheit desselben gelangt bin.

Die Kunst weint zugleich mit mir, denn das Werk, welches sie den größten Erfindungen des Witzes und Nachdenkens entgegensetzen und durch welches sie noch jetzt ihr Haupt wie in ihren goldenen Zeiten zu der größten Höhe menschlicher Achtung erheben könnte, dieses Werk, welches vielleicht das letzte ist, an welches sie ihre äußersten Kräfte gewendet hat, muß sie halb vernichtet und grausam gemißhandelt sehen. Wem wird hier nicht der Verlust so vieler hundert anderer Meisterstücke derselben zu Gemüte geführt! Aber die Kunst, welche uns weiter unterrichten will, ruft uns von diesen traurigen Überlegungen zurück und zeigt uns, wie viel noch aus dem Übriggebliebenen zu lernen ist und mit was für einem Auge es der Künstler ansehen müsse."


Ich bedaure, daß ich mich heute zu keiner bedeutenderen Würdigung Winckelmanns aufzuraffen vermag, der am 9. Dezember 1717 in Stendal geboren wurde. Es wird in Bezug auf ihn gern davon gesprochen, inwieweit sein Bild des antiken Griechenlands ein beschränktes gewesen sei, das man hätte überwinden müssen. So richtig das sein mag und sein „edle Einfalt, stille Größe“ in der Tat auch kaum dessen Wesen ausreichend beschreiben dürfte, so kommt ihm doch das Verdienst zu, den Sinn für Größe und Schönheit der antiken Kunst und Lebenssicht entscheidend wiedererweckt zu haben.

Dienstag, 8. Dezember 2009

Über Herzoginnen, Kunstpreise, die unbefleckte Empfängnis &


Liselotte von der Pfalz
hier gefunden

Der bekannteste britische Kunstpreis, der Turner-Preis, ging dieses Jahr nicht etwa an kopulierende Plastikpuppen (Chapman Brothers) oder ein ungemachtes Bett (Tracey Emin), zwei „Kunstwerke“, die in der Tat dafür einmal nominiert worden waren, daher die Klammern, nein dieses Jahr ging er an Richard Wright für ein Wandgemälde (ich hoffe dieser Link funktioniert), das zwar ebenfalls unkonventionell (allerdings, wenn jeder unbedingt genau das sein will, nämlich „unkonventionell“, hat dieses Wort seine Bedeutung im Grunde auch längst verloren) daherkommt, aber auch gleichzeitig seltsam schön erscheint. Das ist eigentlich in der heutigen Kunst verboten, was man etwa an diesem milieutypischen verkniffenen Kommentar ablesen kann.

Es gibt ein hübsches Zitat von Kim Howells aus dem Jahre 2002 dazu, als er Junior Minister für Kultur, Medien und Sport war:

“If this is the best British artists can produce then British art is lost. It is cold mechanical, conceptual bullshit. Kim Howells. P.S. The attempts at contextualisation are particularly pathetic and symptomatic of a lack of conviction.”

Das, was ich sehen kann, scheint in der Tat keine dieser verbrämten Scharlatanerien zu sein, sondern ein merkwürdiger Ausdruck flüchtiger Schönheit, gewonnen aus einem Zusammentreffen von Zufall und sorgfältiger Absicht, vielleicht oberflächlich, aber in einer Weise, daß man über das Wesen von Oberflächen nachzudenken beginnt. Oscar Wilde wußte einiges darüber zu sagen.


Adolph von Menzel
Clara Schmidt von Knobelsdorff, bereit zum Ausgehen, 1848
hier gefunden

Wie auch schon vor einem Jahr bemerkt, ist dies einer der Tage, an denen man nicht weiß, woran man zuerst erinnern soll. Wenigstens kann ich auf den Geburtstag von Adolph von Menzel guten Gewissens verzichten, da ich kürzlich dieses sehr angenehme Blog gefunden habe.

Am liebsten würde ich erneut etwas von Liselotte von der Pfalz in Erinnerung rufen, Herzogin von Orléans, Schwägerin Ludwig XIV., Mutter des Regenten; ihre Briefe sind mir wirklich ans Herz gewachsen, was merkwürdig klingen mag, ich habe zu ihrem Geburtstag ein paar zitiert. Das Bild oben stellt sie übrigens in ihrer Jugend dar. So nur ein kurzes Zitat heute:

„Aber das natürliche sprechen mag wohl nicht so gar reguliert in der politesse sein, ist aber viel nobler und expressiver und mehr, wie man denkt, also gar gewiß besser.“

Auch diesmal werde ich wieder nichts über den immer noch aufschlußreichen „Syllabus Errorum“ Pius IX. schreiben, aber obgleich Lutheraner, kann ich doch nicht umhin, wenigstens noch festzuhalten, daß eben dieser Papst am 8. Dezember1854 das Dogma von der „Unbefleckten Empfängnis Mariens“ verkündet hat, so daß die katholische Kirche heute eben dieses Fest „immaculata conceptio“ begeht.


Diego Velázquez
Inmaculada Concepción; c.1618
hier gefunden

In Kürze ist damit gesagt, daß die seligste Jungfrau Maria vom Augenblick ihrer eigenen Empfängnis an bis zu ihrem Tode durch die Gnade Gottes von jedem Makel der Erbsünde unversehrt bewahrt wurde, so wie ihr Sohn, unser Herr und Heiland Jesus Christus. Um dann doch noch den Protestanten etwas durchschimmern zu lassen, sie rückt ihm damit in Bezug auf die Heiligkeit bedenklich nahe.

Aber da ich unmöglich mit so einer Bemerkung enden kann. Papst Benedikt XVI. erklärt dieses Dogma so: Wenn wir unseren Blick zu Maria wenden, erkennen wir "in ihr das 'Lächeln Gottes', den unbefleckten Widerschein des göttlichen Lichtes".

Montag, 7. Dezember 2009

Fernes Erinnern - Otto II.


Kaiser Otto II.
Bruchstück des "registrum gregorii", um 983
hier gefunden


Am 7. Dezember 983 starb Otto II., der einzige deutsche Kaiser, der in Rom beigesetzt wurde. Frühverstorbener Nachfolger eines großen Vaters, über den das Urteil im Laufe der Jahrhunderte erheblich schwankte. Ich hoffe, daß mir im Laufe es heutigen Tages ein paar sinnvolle Sätze zu ihm einfallen werden.

Samstag, 5. Dezember 2009

Über Platen und einen Italiener



Ich habe gelegentlich schon einmal erwähnt, daß meine Sympathie für Karl August Georg Maximilian Graf von Platen-Hallermünde, der am 5. Dezember 1835 starb, etwas unentschieden ist, aber das soll mich nicht daran hindern, aus diesem Anlaß drei Gedichte von ihm zu zitieren.

Und dann stolperte ich über die Nachricht, daß am heutigen Tage im Jahre 1602 im Palazzo Pitti in Florenz die Uraufführung der Oper Eurydike von Giulio Caccini erfolgte, und da ich nun einmal ein Freund der frühen Oper bin, soll es auch von ihm 3 Beispiele geben. Sollte sich jemand wundern, wo er eines dieser Stücke schon einmal gehört hätte, dann war es vielleicht im Film Donnie Darko.



August von Platen

Der Strom, der neben mir verrauschte, wo ist er nun?
Der Vogel, dessen Lied ich lauschte, wo ist er nun?
Wo ist die Rose, die die Freundin am Herzen trug,
Und jener Kuß, der mich berauschte, wo ist er nun?
Und jener Mensch, der ich gewesen, und den ich längst
Mit einem andern Ich vertauschte, wo ist er nun?




August von Platen

Du wähnst so sicher dich und klug zu sein,
So ganz der Welt und dir genug zu sein?
Doch unbefriedigt schien mir jedes Herz
Und jedes Wesen, das ich frug, zu sein;
Ein duftig Rätsel schien die Rose mir,
Und jedes Blatt nur auf dem Flug zu sein;
Des Baumes Schatten, unter dem ich lag,
Schien mir ein köstlicher Betrug zu sein;
Im Weine löschen wollt' ich heißen Durst,
Doch ohne Boden schien der Krug zu sein;
Es schien der Sterne königliche Schar
Nur von Gefangnen mir ein Zug zu sein;
Gehemmt in Fesseln schien mein eigen Lied,
In die ich's wider Willen schlug, zu sein.



August von Platen

Klaglied Kaiser Otto des Dritten

O Erde, nimm den Müden,
Den Lebensmüden auf,
Der hier im fernen Süden
Beschließt den Pilgerlauf!
Schon steh ich an der Grenze,
Die Leib und Seele teilt,
Und meine zwanzig Lenze
Sind rasch dahingeeilt.

Voll unerfüllter Träume,
Verwaist, in Gram versenkt,
Entfallen mir die Zäume,
Die dieses Reich gelenkt.
Ein andrer mag es zügeln
Mit Händen minder schlaff,
Von diesen sieben Hügeln
Bis an des Nordens Haff!

Doch selbst im Seelenreiche
Harrt meiner noch die Schmach,
Es folgt der blassen Leiche
Begangner Frevel nach:
Vergebens mit Gebeten
Beschwör ich diesen Bann,
Und mir entgegen treten
Crescentius und Johann!

Doch nein! Die Stolzen beugte
Mein reuemütig Flehn;
Ihn, welcher mich erzeugte,
Ihn werd ich wiedersehn!
Nach welchem ich als Knabe
So oft vergebens frug:
An seinem frühen Grabe *
Hab ich geweint genug.

Des deutschen Volks Berater
Umwandeln Gottes Thron:
Mir winkt der Ältervater
Mit seinem großen Sohn.
Und während, voll von Milde,
Die frommen Hände legt
Mir auf das Haupt Mathilde,
Steht Heinrich tiefbewegt.

Nun fühl ich erst, wie eitel
Des Glücks Geschenke sind,
Wiewohl ich auf dem Scheitel
Schon Kronen trug als Kind!
Was je mir schien gewichtig,
Zerstiebt wie ein Atom:
O Welt, du bist so nichtig,
Du bist so klein, o Rom!

O Rom, wo meine Blüten
Verwelkt wie dürres Laub,
Dir ziemt es nicht, zu hüten
Den kaiserlichen Staub!
Die mir die Treue brachen,
Zerbrächen mein Gebein:
Beim großen Karl in Aachen
Will ich bestattet sein.

Die echten Palmen wehen
Nur dort um sein Panier:
Ihn hab ich liegen sehen
In seiner Kaiserzier.
Was durfte mich verführen,
Zu öffnen seinen Sarg?
Den Lorbeer anzurühren,
Der seine Schläfe barg?

O Freunde, laßt das Klagen,
Mir aber gebt Entsatz,
Und macht dem Leichenwagen
Mit euren Waffen Platz!
Bedeckt das Grab mit Rosen,
Das ich so früh gewann,
Und legt den tatenlosen
Zum tatenreichsten Mann!

Freitag, 4. Dezember 2009

Erinnerung an Rilke


(c) Walter A. Aue

Rainer Maria Rilke

Sonett an Orpheus,
Zweiter Teil, XIII

Sei allem Abschied voran, als wäre er hinter
dir, wie der Winter, der eben geht.
Denn unter Wintern ist einer so endlos Winter,
dass, überwinternd, dein Herz überhaupt übersteht.

Sei immer tot in Eurydike -, singender steige,
preisender steige zurück in den reinen Bezug.
Hier, unter Schwindenden, sei, im Reiche der Neige,
sei ein klingendes Glas, das sich im Klang schon zerschlug.

Sei - und wisse zugleich des Nicht-Seins Bedingung,
den unendlichen Grund deiner innigen Schwingung,
dass du sie völlig vollziehst dieses einzige Mal.

Zu dem gebrauchten sowohl, wie zum dumpfen und stummen
Vorrat der vollen Natur, den unsäglichen Summen,
zähle dich jubelnd hinzu und vernichte die Zahl.



Sonnet to Orpheus,
Second Part, XIII

Be ahead of all leaving, as if you already
had left, much like the winter now leaving for sure.
For, among winters, there's one so winterly steady
that, having braved it, your heart will forever endure.

Be always dead in Eurydice - full of elation,
fuller of singing return to pure reference ground.
Here, midst the fading, be, in the world of cessation,
be the chalice of song that cracks in the sound.

Be, and concurrently know the terms of non-being,
know the basis supreme of your innermost seeing:
that you realize it fully, if only this time.

To the used-up, and to numbers that, torpid and dumb,
Nature still holds in reserve - to that infinite sum
add in rapture yourself and extinguish the prime.

Übersetzung / Translation von / by Walter A. Aue

Da Rainer Maria Rilke am 4. Dezember 1875 geboren wurde, konnte ich nicht umhin, mit einer der verdienstvollen Übertragungen Professor Aues an ihn zu erinnern, so daß meine geschätzten englischsprachigen Leser auch endlich wieder einmal etwas Erfreuliches zu lesen haben. Und um den Mißbrauch fremder geistiger Güter vollständig zu machen, habe ich eingangs auch noch eines seiner Photos benutzt - "Three Horizons".

Mittwoch, 2. Dezember 2009

Über Philipp Otto Runge und andere Entdeckungen


Selbstporträt
hier gefunden

Ich wollte heute unbedingt etwas über Philipp Otto Runge schreiben, der andere bedeutende norddeutsche Romantiker nach Caspar David Friedrich (nicht zeitlich, aber natürlich sind derartige Rangfolgen immer heikel). Er starb am 2. Dezember 1810 leider recht jung in Hamburg an der Tuberkulose.


"Der Morgen"
hier gefunden

Nun hatte ich den Ehrgeiz, diesmal etwas mehr als nur einen Lexikonartikel wiederzugeben, aber das dauert etwas länger. Wer diesen allerdings lesen will, sollte einmal hier vorbeischauen: Bei meiner Recherche stieß auf einen ganz erstaunlichen Blog namens „Rosabella“, wo sich des Mannes auf sehr angenehme Weise angenommen wurde, aber man sehe selbst.


Dienstag, 1. Dezember 2009

Über einen Parteigänger des Schönen - Friedrich Wilhelm Buttel


Friedrich Wilhelm Buttel
hier gefunden

Anfang diesen Jahres gab es hier einen kleinen Beitrag über eine ehemalige Friedhofskapelle, die heute von häßlichen Klötzen eingezwängt wird, ein Sinnbild geradezu für das, was am vergangenen Jahrhundert verfehlt war. Im Jahrhundert davor hätte man aus einem aufgegebenen Friedhof ganz selbstverständlich einen Park gemacht, jetzt also das. Wie einfach daran der Verlust an zivilisatorischer Substanz ablesbar sei, dies hätten die Verantwortlichen wahrscheinlich gar nicht verstanden, es ist eine andere Art Mensch, wir können nur hoffen, daß sie nie das endgültige Übergewicht gewinnen wird.



Friedrich Wilhelm Buttel errichtete diese Kapelle im Auftrag von Großherzog Friedrich Wilhelm 1864, und da Buttel am 1. Dezember 1796 geboren wurde, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als heute an ihn zu erinnern, wo ich schon seinen Sterbetag, den 4. November 1869, verschlampt habe, wahrscheinlich hatte mich der überraschende verfrühte Schneefall völlig durcheinander gebracht.


Maria Krüger, Schloßkirche Neustrelitz
hier gefunden

Ich habe gelegentlich erwähnt, daß es noch vor etwa 91 Jahren in dieser Gegend, in der ich gegenwärtig lebe, ein kleines Großherzogtum namens Mecklenburg-Strelitz gab. Nun war die Vergangenheit wahrlich nicht immer erfreulicher als die Gegenwart, aber die Chance, daß durch ein glückliches Zusammentreffen die Anzahl der schönen Dinge eher wachsen als abnehmen würde, war entschieden größer. Ich denke, solche Überlegungen werden heutzutage von einem Großteil der Zeitgenossen nicht einmal mehr verstanden, aber das muß uns hier nicht interessieren.


Malchow, Klosterkirche

Ein solch glückliches Zusammentreffen hat in diesem kleinen Flecken vor etwa 150 Jahren einmal stattgefunden, Georg Großherzog von Mecklenburg (von 1816 bis 1860 für den Landesteil Strelitz) nahm 1821 Friedrich Wilhelm Buttel den 24jährigen Schüler Schinkels in seine Dienste, der nach und nach immer mehr an Einfluß gewann, bis er seit 1860 als Oberbaurat schließlich die Hauptverantwortung für sämtliche staatliche Bauvorhaben in diesem Ländchen trug. Das führt dazu, daß man hier auf Schritt und Tritt seinem Wirken begegnet, er aber darüber hinaus nahezu unbekannt ist.

[Nur als Anmerkung: In „Mecklenburg-Strelitz, Beiträge zur Geschichte einer Region“, 2. Aufl. Friedland i. Meckl. 2001 finden sich auf über 700 Seiten immerhin auch 1 ½ zu Buttel und ein Harald Witzke bemerkt - „Großherzog Georg, der sich gern als kunstsinniger Fürst und Mäzen sah…“, S.650. Nun, wie ein Blick auf die Hinterlassenschaften zeigt, sah er sich wohl nicht nur so, die Steine sprechen eher für ihn.]

Da man das Biographische in dem kurzen, aber gründlichen Wikipedia – Artikel nachlesen kann, will ich darauf an dieser Stelle verzichten. Aber es ist wirklich erstaunlich, im Grunde haben wir mit Buttel ein Spiegelbild des weltläufigen Palladios, der uns gestern beschäftigte, im überschaubar Beschränkten. Aber auch dieses Wirken brachte immerhin die Ansätze einer Kulturlandschaft hervor, wie man schon an den aufgeführten Bauten erkennen kann. Es ist nicht zwangsläufig der Wirkungskreis, der einen Mann bedeutend macht, im Grunde ist es immer der Mann, der dem Ort seines Wirkens Bedeutung verschafft.