Mittwoch, 30. Dezember 2009

Fontane


Theodor Fontane 1890
hier gefunden

Keine Sorge, ich werde hier nicht tagespolitisch, selbst ich habe moralische Standards, die ich ohne hinreichenden Anlaß nicht unterschreiten möchte. Aber bekanntlich wurden wir jüngst darüber aufgeklärt, daß ‚Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt wird‘.

Ähnliches haben andere Nationen früher auch schon so gesehen, allerdings dachten sie dabei eher an Interessen, wie etwa die Briten, die spätestens im 18. Jahrhundert entdeckten, daß sie auf der ganzen Welt welche hätten. Afghanistan ist eines der wenigen Länder, wo ihre Inbesitznahme-Versuche ziemlich kläglich scheiterten.

Wie ich darauf komme, nun es gibt ein Gedicht von Fontane, das einem da unvermittelt wieder in Erinnerung gerät, es handelt vom katastrophalen Rückzug Elphinstone’s aus Kabul und endet so:

"Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,
Einer kam heim aus Afghanistan."

Das ganze Gedicht „Das Trauerspiel von Afghanistan“ (1859) mag man hier nachlesen.

Heinrich Theodor Fontane wurde am 30. Dezember 1819 geboren, daher diese kurzen Bemerkungen zu ihm. Wenn man sich irgendwie der Mark Brandenburg verbunden fühlt, kann man gar nicht umhin, davon Kenntnis zu nehmen. Es ist wohl nicht verstiegen zu sagen, erst er habe dieser Landschaft literarisch wirklich ein Gesicht gegeben. Ob ihm der märkische Adel dies hinreichend dankte, in seinem Gedicht „An meinem Fünfundsiebzigsten“ hegt er da Zweifel, er beschreibt sich dabei recht hübsch selbst. Deshalb sei es zitiert:

Theodor Fontane

An meinem Fünfundsiebzigsten

Hundert Briefe sind angekommen
ich war vor Freude wie benommen,
nur etwas verwundert über die Namen
und über die Plätze woher sie kamen.
Ich dachte, von Eitelkeit eingesungen:
Du bist der Mann der "Wanderungen",
du bist der Mann der märk’schen Geschichte,
du bist der Mann der märk’schen Gedichte,
du bist der Mann des Alten Fritzen
und derer die mit ihm bei Tafel sitzen,
einige plaudernd, andere stumm,
erst in Sanssouci, dann in Elysium;
du bist der Mann der Jagow und Lochow,
der Stechow und Bredow, der Quitzow und Rochow,
du kanntest keine größere Meriten
als die von Schwerin und vom alten Zieten,
du fandst in der Welt nichts so zu rühmen
als Oppen und Groeben und Kracht und Thümen,
an der Schlachten und meiner Begeisterung Spitze
marschieren die Pfuels und Itzenplitze,
marschierten aus Uckermark, Havelland, Barnim
die Ribbecks und Kattes, die Bülow und Arnim,
marschierten die Treskows und Schlieffen und Schlieben,
und über alle hab‘ ich geschrieben.

Aber die zum Jubeltag da kamen,
das waren doch sehr andre Namen.
Auch "sans peur et reproche", ohne Furcht und Tadel,
aber fast schon von prähistorischem Adel:
Die auf "berg" und auf "heim" sind gar nicht zu fassen,
sie stürmen ein in ganzen Massen,
Meyers kommen in Bataillonen,
auch Pollacks und die noch östlicher wohnen,
Abram, Isak, Israel,
alle Patriarchen sind zur Stell‘,
stellen mich freundlich an ihre Spitze,
was sollen mir da noch die Itzenplitze!
Jedem bin ich was gewesen,
alle haben sie mich gelesen,
alle kannten mich lange schon,
und das ist die Hauptsache --- "Kommen Sie, Cohn!"

Ich bin mit Fontane nicht derart vertraut, daß ich hier eine längere Würdigung versuchen dürfte, merkwürdigerweise sind mir seine Dichtungen auch am präsentesten, wenngleich seine Romane und natürlich vor allem seine „Wanderungen“ nicht nur bedeutend sind, sondern zum Glück auch sehr angenehm zu lesen. Sie lassen sich halt in so einem Blog schlecht wiedergeben und darüber zu räsonieren, nun ja. Dann doch lieber einfach nur lesen. Ich etwa habe gerade für mich beschlossen, die „Fünf Schlösser“ wieder einmal in die Hand zu nehmen.

Aber mit einem anderen Gedicht muß ich einfach enden. Er schrieb es einen Tag nach Bismarcks Tod am 30. Juli 1898.

Theodor Fontane

Wo Bismarck liegen soll.
(Geschrieben am 31. Juli 1898)

Nicht in Dom oder Fürstengruft,
er ruh' in Gottes freier Luft
draußen auf Berg und Halde,
noch besser tief, tief im Walde;
Widukind lädt ihn zu sich ein:
»Ein Sachse war er, drum ist er mein,
im Sachsenwald soll er begraben sein.«

Der Leib zerfällt, der Stein zerfällt,
aber der Sachsenwald, der hält,
und kommen nach dreitausend Jahren
Fremde hier des Weges gefahren
und sehen, geborgen vorm Licht der Sonnen,
den Waldrand in Efeu tief eingesponnen
und staunen der Schönheit und jauchzen froh,
so gebietet einer: »Lärmt nicht so! -
Hier unten liegt Bismarck irgendwo.«

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