Samstag, 31. Oktober 2015

Reformationstag – der andere Teil

Wartburg zwischen 1890 und 1905

Luther der obrigkeitshörige Bauernfeind und Judenfresser, ohne den nicht all die armen Menschen im dreißigjährigen Krieg hätten sterben müssen, und der dogmatisch engstirnig meinte, wer nicht Christus anhänge, der sei verdammt (er war nicht so tolerant, wie uns das heute selbstverständlich geworden ist), und im Original könne man den sowieso nicht lesen, habe sie auch nicht, während des Studiums nur dann, wenn sie mußte. Aber es gäbe schöne Lesebücher über ihn...

Die habe ich schon wieder vergessen (wahrscheinlich gehen die Titel so à la 'Luther als Frau' oder dgl.). Offensichtlich hatte sie irgendwo gelernt, das Allerwichtigste sei, sich kritisch zu verhalten. Nun, das hat sie angestrengt erfüllt, accompagniert von anderen Akteuren.

Etwas in mir hatte den Braten bzw. dieses offensichtliche Aneinanderkleben von Spiegel-Titelgeschichten schon gerochen, und so nahm ich mir zur Abwehr ein Gesangbuch aus den 50er Jahren mit, da stehen noch schöne Texte drin. Es gab andere Passagen, aber wenn einem der dünnpfiffige Zeitgeist so auf's Hauptgericht gekleckert wird, ist man erst mal bedient und will vor allem nur eins - Erbrechen. Diese lutherische Analphabetin fühlt sich also ins Predigtamt eingesetzt. Aber da fällt uns immerhin ein: „Auf Mose's Stuhl sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer. Alles nun, was sie euch sagen, daß ihr halten sollt, das haltet und tut's; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht tun...“.

Und was meinem diese Woche wieder wacheren Geiste, dank des Herrn Kermani und des (im Original unlesbaren, wie ich heute erfahren habe) Herrn Luther aufgefallen ist: Dieses protestantische Schrumpf-Christentum ist wie der Auftritt einer Schmierentruppe, bei der es nur noch darum geht, sich gemeinsam wohlzufühlen und Stallgeruch auszubilden. Ich komme aus dem Milieu und habe mich seit meiner Kindheit zunehmend fremder dort gefühlt (und nicht, weil Er mir fremder geworden wäre).

Ein Seitenwechsel. Daß man Luther durchaus im Original lesen kann, habe ich bereits angedeutet. Und jetzt wird es etwas kurios. Nach meinem inneren Bewußtsein habe ich bisher nüscht Erwähnenswertes über Vater Luther geschrieben. Aber ich dachte so bei mir, schau mal, dann mußt Du vielleicht nicht alles wieder abschreiben. Na ja. Das bin ja alles auch nicht ich. Aber man vermag sich kaum vorzustellen, mit was für einem inneren Frieden ich aus der Sache herausging. Es folgt also eine kleine ungeplante Lesereise.

Unter dem 18. Februar 2010 lesen wir „Von Vater Luther“ u.a.:

„Die Schwärmer gefallen mir auch deshalb nicht, weil sie die Musik verdammen. Denn sie ist erstens ein Geschenk Gottes und nicht der Menschen; zweitens macht sie fröhliche Herzen; drittens verjagt sie den Teufel; viertens bereitet sie unschuldige Freude. Darüber vergehen Zorn, Begierden, Hochmut. Den ersten Platz nach der Theologie gebe ich der Musik.“

„Es ist kein Zweifel: Viele Samen guter Eigenschaften stecken in den Gemütern, die von der Musik ergriffen werden; die aber nicht von ihr ergriffen werden, sind, denke ich, Stümpfen und Steinen gleich. Denn wir wissen, daß die Musik auch den Dämonen verhaßt und unerträglich ist.“

„Ich bin auch nicht der Meinung, daß durchs Evangelium sollten alle Künste zu Boden geschlagen werden und vergehen, wie etliche falsche Geistliche vorgeben, sondern ich möchte alle Künste, besonders die Musik, gerne sehen im Dienste dessen, der sie gegeben und geschaffen hat.“

Nach dem 23. September 2011 begann ich immer dringlicher darüber nachzudenken, ob ich nicht endlich Katholik werden sollte: „Benedicat vos omnipotens Deus“

Denn der vormalige Papst Benedikt XVI. sagte über Luther u.a.

„Theologie war für Luther keine akademische Angelegenheit, sondern das Ringen um sich selbst, und dies wiederum war ein Ringen um Gott und mit Gott.“

„‚Wie kriege ich einen gnädigen Gott?‘ Daß diese Frage die bewegende Kraft seines ganzen Weges war, trifft mich immer wieder ins Herz. Denn wen kümmert das eigentlich heute noch …? … Die meisten Menschen, auch Christen, setzen doch heute voraus, daß Gott sich für unsere Sünden und Tugenden letztlich nicht interessiert. Er weiß ja, daß wir alle nur Fleisch sind. Und sofern man überhaupt an ein Jenseits und ein Gericht Gottes glaubt, setzen wir doch praktisch fast alle voraus, daß Gott großzügig sein muß und schließlich mit seiner Barmherzigkeit schon über unsere kleinen Fehler hinwegschauen wird. Die Frage bedrängt uns nicht mehr. Aber sind sie eigentlich so klein, unsere Fehler? Wird nicht die Welt verwüstet durch die Korruption der Großen, aber auch der Kleinen... Wird sie nicht bedroht durch die wachsende Bereitschaft zur Gewalt, die sich nicht selten religiös verkleidet? Könnten Hunger und Armut Teile der Welt so verwüsten, wenn in uns die Liebe zu Gott und von ihm her die Liebe zum Nächsten, zu seinen Geschöpfen, den Menschen, lebendiger wäre? … Nein, das Böse ist keine Kleinigkeit. Es könnte nicht so mächtig sein, wenn wir Gott wirklich in die Mitte unseres Lebens stellen würden. Die Frage: Wie steht Gott zu mir, wie stehe ich vor Gott – diese brennende Frage Luthers muß wieder neu und gewiß in neuer Form auch unsere Frage werden, nicht akademisch sondern real. Ich denke, daß dies der erste Anruf ist, den wir bei der Begegnung mit Martin Luther hören sollten.“

Das andere, was Luther auszeichne, sei seine Hinwendung zu Christus: „ Gott, der eine Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, ist etwas anderes als eine philosophische Hypothese über den Ursprung des Kosmos. Dieser Gott hat ein Gesicht, und er hat uns angeredet. Er ist im Menschen Jesus Christus einer von uns geworden – wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich. Luthers Denken, seine ganze Spiritualität war durchaus christozentrisch: ‚Was Christum treibet‘, war für Luther der entscheidende hermeneutische Maßstab für die Auslegung der Heiligen Schrift. Dies aber setzt voraus, daß Christus die Mitte unserer Spiritualität und daß die Liebe zu ihm, das Mitleben mit ihm unser Leben bestimmt.“

Und zum Heutigen:  „Die Abwesenheit Gottes in unserer Gesellschaft wird drückender, die Geschichte seiner Offenbarung … scheint in einer immer weiter sich entfernenden Vergangenheit angesiedelt.“

„Muß man dem Säkularisierungsdruck nachgeben, modern werden durch Verdünnung des Glaubens? Natürlich muß der Glaube heute neu gedacht und vor allem neu gelebt werden, damit er Gegenwart wird. Aber nicht Verdünnung des Glaubens hilft, sondern nur ihn ganz zu leben in unserem Heute. Dies ist eine zentrale ökumenische Aufgabe, in der wir uns gegenseitig helfen müssen: tiefer und lebendiger zu glauben.“

Natürlich ist Vater Luther nicht unfehlbar, so übersetzt er Jeremia 2.5: „So spricht der HErr: Was haben doch eure Väter Fehls an mir gehabt, daß sie von mir wichen und hingen an den unnützen Götzen, da sie doch nichts erlangeten.“

Eine englische Übersetzung geht:
Thus says the LORD, "What injustice did your fathers find in Me, That they went far from Me And walked after emptiness and became empty?“

Das ist besser.

Unter „Über die Wirksamkeit Einzelner“ vermeinte ich von Luther vermelden zu müssen: „… daß ich die Nöte und Gefahren, die Unruhe und Zwietracht, die sich um meiner Lehre willen in aller Welt erhoben haben… sorgsam genug bedacht und erwogen habe… Darum müssen wir bedenken, wie Gott wunderbar und schrecklich ist in seinen Ratschlüssen, daß nicht am Ende das, was wir ins Werk setzen, um der Unruhe zu steuern, damit anfängt, daß wir Gottes Wort verdammen, und so viel mehr einer neuen Sintflut ganz unerträgliche Leiden zustrebt...

Ich könnte es hier mit vielen Beispielen aus der Schrift… veranschaulichen, wie sich gerade dann am sichersten zugrunde richteten, wenn sie mit besonders klugen Plänen darauf ausgingen, Ruhe und Ordnung in ihren Reichen zu behaupten. Denn er, Gott, fängt die Schlauen in ihrer Schlauheit und kehret die Berge um, ehe sie es inne waren. Darum ist's die Furcht Gottes, deren wir bedürfen…

Wenn ich nicht mit Zeugnissen der Schrift oder mit offenbaren Vernunftgründen besiegt werde, so bleibe ich von den Schriftstellen besiegt, die ich angeführt habe, und mein Gewissen bleibt gefangen in Gottes Wort. Denn ich glaube weder dem Papst noch den Konzilien allein, weil es offenkundig ist, daß sie öfters geirrt und sich selbst widersprochen haben. Widerrufen kann und will ich nichts, weil es weder sicher noch geraten ist, etwas gegen sein Gewissen zu tun. Gott helfe mir, Amen.“

Und über die allerseligste Gottesmutter schreibt Martin Luther: „Die großen Dinge sind nichts anderes, als daß sie Gottes Mutter geworden ist, in welchem Werk ihr so viele und große Güter gegeben sind, daß niemand sie begreifen kann. Denn da folget alle Ehre, alle Seligkeit, und daß sie im ganzen menschlichen Geschlecht eine einzigartige Person ist über alle, der niemand (darin) gleich ist, daß sie mit dem himmlischen Vater ein Kind, und ein solches Kind hat. Und sie selbst kann ihm keinen Namen geben vor überschwänglicher Größe und muß es dabei bleiben lassen, daß sie heraus brünstet und schäumt, es seien große Dinge, die nicht auszureden seien noch zu messen. Darum hat man in einem Wort alle ihre Ehre begriffen, so man sie Gottes Mutter nennet. Es kann niemand Größeres von ihr noch zu ihr sagen, wenn er gleich so viel Zeugen hätte wie Laub und Gras, Sterne am Himmel und Sand im Meer ist."

Die Lutherstube auf der Wartburg zwischen 1890 und 1900

Und vom vorjährigen Reformationstag bringen wir nur dies in die Erinnerung zurück (wir sind rechtschaffen müde, brechen hier ab und gehen anschließend zu Bett):

„So siehst du, was an Gott glauben heißt, nämlich, ein solches Herz gewinnen, das groß und unverzagt wird gegen alles, was der Teufel und die Welt vermag, Armut, Unglück, Schande und Sünde dazu.“

“Die Welt ist gleich wie ein trunkener Bauer, hebt man ihn auf einer Seiten in den Sattel, so fällt er zur andern Seiten wieder herab; man kann ihm nicht helfen, man stelle sich, wie man wolle. Also will die Welt auch des Teufels sein.“

"Vergil hat viel schlechte Dichter hervorgelockt, Philipp Melanchthon viel schlechte Dialektiker, ich viel schlechte Theologen, denn einige schreiben nach dem Holzmaß; manche meinen, wenn sie drei Sätze hätten, wäre es schon eine Schlußfolgerung."

Es ist wahr, daß halbgelehrte Leute die unnützesten Leute auf Erden sind, und wäre ihnen viel besser, daß sie gar nichts könnten. Denn sie gehorchen niemand nicht, können es alles selbst bessser denn alle Welt, wissen zu urtheilen alle Kunst und Schrift, und Summa, sie können niemand etwas Rechtschaffenes lehren und lassen sich auch von niemand lehren."

„Erasmus ist ein rechter Momus, der alles verspottet, auch die ganze Religion und Christum. Und auf daß er's desto baß tun könne, erdenkt er Tag und Nacht Wankelwort, daß seine Bücher auch können von Türken gelesen werden. Wenn man meinet, er habe viel gesagt, so hat er nichts gesagt. Denn alle seine Schriften kann man ziehen und deuten, wie und wohin man will.
Erasmi vornehmste Lehre ist, man soll den Mantel nach dem Winde hangen, dass er möchte Ruhe und gute Tage haben und ist gestorben wie ein Epikuräer.“

„Erasmus Roterodam hält die christliche Religion und Lehre für eine Komödien oder Tragödien, in welcher die Ding, so darinnen beschrieben werden, niemals also geschehen und ergangen sind wahrhaftig, sondern sind allein darum erdichtet, daß die Leute nur zu einem feinen äußerlichen Wandel und Leben unterrichtet und angerichtet würden zu guter Disziplin und Zucht.“

"Der Pöbel wollte, daß keine weisen, verständigen, gelehrten Leute und Prediger wären, daß sie möchten leben wie sie wollten. Wenn das geschähe, so verginge die Welt; denn ohne Verstand, Weisheit und Gesetze können weder Türken noch Tataren leben und haushalten."

„Es können nicht alle zugleich Könige, Fürsten, Ratsherren, Reiche und Freie sein, denn die Welt kann ohne mancherlei und unterschiedliche Personen nicht bestehen: Wie vor Gott kein Ansehen der Person ist, sondern alle gleich sind, so braucht doch die Welt das Ansehen der Person und die Ungleichheit. Und das dazu, damit die Bösen im Zaume gehalten und der öffentliche Friede gewahrt werde, der bei völliger Gleichheit und Unterschiedslosigkeit aller Menschen nicht bestehen kann.“

„Es ist wohl leicht, eine Obrigkeit und Regenten bei Seite schaffen aber es ist nicht gleich eine bessere da... Wer da wollte eine Gleichheit machen, daß der Knecht so viel gelten soll, als sein Herr, die Magd so viel Gewalt haben, als die Frau, ein Bauer so viel als sein Fürst, der würde ein sehr löbliches Regiment einführen, wie man an den Aufrührern wohl gesehen hat. Da würde wohl niemand seines Lebens, Ehre und Gutes sicher sein können und keine Nacht ruhig schlafen... und ehe man in Deutschland eine neue Weise des Reichs anrichtete, so wäre es dreimal verheeret.“

„Denn Aufruhr ist... wie ein groß Feuer, das ein Land anzündet und verwüstet.  Dem gemeinen Mann ist nun sein Gemüth zu stillen und zu sagen, daß er sich enthalte auch der Begierden und Worte, so zum Aufruhr sich lenken. Denn die Weise ist nichts nütze, bringt auch nimmermehr die Besserung, die man damit suchte. Denn Aufruhr hat keine Vernunft, und geht gemeiniglich mehr über die Unschuldigen, als über die Schuldigen.“

„Und sonderlich von den Bildern hab ich am letzten also geredt, daß man sie solle abthun, wenn sie angebetet; sonst mag man sie wohl leiden... und müssen nicht so bald zufahren, wenn ein Mißbrauch eines Dings vorhanden ist, daß wir dasselbige Ding umreißen oder zunichte machen wollten. Denn wenn wir alles wollten verwerfen, des man mißbraucht, was würden wir für ein Spiel zurichten? Es sind viel Leute, die die Sonne, den Mond, und das Gestirn anbeten; wollen wir darum zufahren und die Sterne vom Himmel werfen, die Sonne und den Mond herab stürzen?"

"Der Wein und die Weiber bringen manchen in Jammer und Herzeleid, machen viele zu Narren und wahnsinnigen Leuten; wollen wir drum den Wein wegschütten, und die Weiber umbringen? Nicht also! Gold und Silber, Geld und Gut stiften viel Böses unter den Leuten: soll man drum Solches alles wegwerfen? Nein, wahrlich! Ja, wenn wir unsern nächsten Feind vertreiben wollten, der uns am allerschädlichsten ist, so müßten wir uns selbst vertreiben und tödten. Denn wir haben keinen schädlicheren Feind, denn unser eigen Herz; wie der Prophet Jeremias sagt C. 17., V. 9...

"Der Fall Adams hat unsere Natur verderbt, daß sie ganz unbeständig geworden ist. Sie läuft hin und wider wie Quecksilber!... Adam und Eva werden sich gar weidlich oft die neunhundert Jahre miteinander gescholten haben: 'Du hast den Apfel gefressen.' Darauf die Antwort: 'Warum hast du ihn mir gegeben?"

„Christus, da er Menschen erziehen wollte, mußte er Mensch werden. Sollen wir Kinder erziehen, so müssen wir auch Kinder mit ihnen werden.“

„Denn je älter wir werden, je törichter wir werden! Wenn wir alt werden, so beginnen wir zu disputieren, wollen klug sein und sind doch die größten Narren.“

Daß selten ein gut Werk aus Weisheit und Fürsichtigkeit fürgenommen werde oder geschehe, sondern es müsse alles in einem Irrsal oder Unwissenheit geschehen.

„Es ist kein Baum, der zuvor nicht wäre ein Sträuchlein gewesen. Zeit bringt Rosen.“

Luther auf seiner letzten Reise in Eisleben, als ein Barbier ihm die Haare schnitt und den Bart abnahm: Die Erbsünde im Menschen wäre gleich eines Mannes Bart, welcher, ob er wohl heute abgeschnitten würde, daß einer gar glatt ums Maul wäre, dennoch wüchse ihm der Bart des Morgens wieder. Solches Wachsen der Här und Barts hörete nicht auf, dieweil ein Mensch lebete; wenn man aber mit der Schaufel zuschlägt, so höret's auf.  Also bleibet die Erbsünde auch in uns und reget sich, dieweil wir leben; aber man muß ihr widerstehen und solche Här immerdar abschneiden.

„Den Vergil in seinen Bucolicis kann niemand verstehen, er sei denn fünf Jahre Hirte gewesen. Den Vergil in seinen Georgicis kann niemand verstehen, er sei denn fünf Jahre Ackermann gewesen. Den Cicero in seinen Episteln kann niemand ganz verstehen, er habe denn 25 Jahre in einem großen Gemeinwesen sich bewegt. Die Heilige Schrift meine niemand genugsam geschmeckt zu haben, er habe denn hundert Jahre lang mit Propheten wie Elias und Elisa, Johannes dem Täufer, Christus und den Aposteln die Gemeinden regiert. Versuche nicht diese göttliche Äneis, sondern neige dich tief anbetend vor ihren Spuren! Wir sind Bettler. Das ist wahr. 16. Februar, anno 1546“

Martin Luther auf dem Sterbebett

"Wir sind Bettler. Das ist wahr." So sagt Vater Luther am Ende, und in Dankbarkeit bin ich mir sicher, daß er von dort, wo er jetzt weilt, zu unserem Fürsprecher geworden ist, so wir ihn darum bitten.

Reformationstag - der nette Teil 1


Ich hasse es, wenn Menschen bei Nachrichten mit „Ich“ anfangen, sofern sie nicht gerade Hölderlin heißen. Nun hab ich's gerade getan, aber dieses ist ja auch eine private Seite und zum Verständnis des nachfolgenden nicht vollständig unerheblich.

Noch bin ich nicht so alt, alles um Unpäßlichkeiten kreisen lassen zu müssen, aber in dieser Woche kam zu meiner Erkältung eine Magengeschichte dazu, was zu folgendem Dialog gestern führte.

Zu Frau W. gesprochen: 'Du kannst völlig vergessen, daß ich mich morgen an den Herd stelle, nur weil Reformationstag ist, da kotze ich höchstens in den Topf'. Antwort: 'Aber für ein kräftiges Frühstück wird es ja wohl noch reichen. Davon habe ich übrigens schon geträumt'.

Das bekam sie also heute (Fisch in Varianten) und guckte anschließend in einer deutlichen Mischstimmung stundenlang aus unserer Wunderküche in den goldenen Herbst. Postkartenreif, das dort draußen. Und irgendwann hörte ich: 'Was ist das da für ein Licht?' Und fing eintretend mit einer genervt pedantischen Erklärung an, um innezuhalten.



Es war das farbige Rosetten-Fenster von der anderen Seite des Querschiffs der Schloßkirche, das die Herbstsonne durchleuchtete. Es war unglaublich. Wenn man illustrieren wollte, was christliche Mystik bedeutet, das wäre es gewesen. Meine Kamera ist zu schlecht dafür (und meine Sprache zu dürftig), ich habe deshalb sogar den freundlichen Nachbarn über uns meine Anwesenheit aufgedrängt, vergeblich.




Das sind also die idyllischen Bilder des Scheiterns. Aber das Ereignis bleibt ja real. Es waren in Wirklichkeit viel mehr Farben, und es war vollständig. Als würden aus einem Haufen von vergilbendem Laub Chöre von Licht hervorbrechen - ruhig, geheimnisvoll, in sich geborgen, unangreifbar, immer schon da, als begönne die Dunkelheit, aus sich heraus zu leuchten. Als hätte das Nichts beschlossen, den Schöpfer zu preisen... Wir schweifen ab.

Ist es wichtig, das Geheimnisvolle beschreiben zu können? Wesentlich ist nur, daß es sich ereignet.




Dienstag, 27. Oktober 2015

Navid Kermani II


Die Bäume regnen ihre Blätter herab, seit Stunden, wie in einem ewigen Moment. Das ist auch Gnade, dem zuschauen zu dürfen. Schönheit ist Gnade. Wo bleiben die betroffen machenden Bilder? So mag mancher ausrufen. Nun ich passe gerade etwas obsessiv auf die Couch auf, deshalb lege ich mich auch länger drauf, denn das muß erst einmal jemand wegtragen können. Solches schränkt die Bildmotive ein, und den Großherzog hatten wir ja gerade.


Navid Kermanis „Ungläubigen Staunen“ über das Christentum kommt mir weit weniger entgegen, als ich erwartet hatte, ich weiß nicht warum. Ich versuche es gerade zu lesen. Da bietet sich dann für heute doch noch ein Rekurs zu seiner Friedenspreisrede in Frankfurt a. M. an. Die Reaktionen waren bemerkenswert. Ich fand sie teilweise an Orten, von denen ich gar nicht wußte, daß es sie gibt. So leistet sich offenbar diese Regierung ein Internetportal für einen moderaten Islam (da muß man erst ins Impressum gehen, um sich dessen bewußt zu werden), und liest dort zu o.g. Rede unter der Überschrift „Den Islam aus den Klauen der Fanatiker befreien“ zum Schluß:

„In der Paulskirche, die heute gar nicht mehr wie eine Kirche aussieht, sondern eher wie ein Amphitheater, hat Navid Kermani uns und alle(n), die ein offenes Herz dafür haben, eine Katharsis, eine Läuterung und Waschung der Herzen geschenkt, von der wir erst in dem historischen Moment, in dem wir sie empfangen haben, erkannten, wie furchtbar lange... sie uns vorenthalten worden war.“

Auch schön gesagt. Manche rangen sich zu einer betretenen Würdigung auf, andere fühlten sich unanständig angefaßt. Aber wir wollen hier ja keine Presseschau veranstalten. Herr  Knipphals von der taz, Literaturredakteur, und die Frauenrechtlerin Kelek in der Welt geben einen guten Eindruck, was die Rede alles so aufzurühren vermochte. Das muß genügen.

Diese Rede ist eine gute Lektion darüber, wie unterschiedlich eine gehörte und eine gelesene zu wirken vermag. Ich mutmaße, daß in der gehörten einfach so viel mehr mitschwingt, und das erzeugt dann wohl mitunter eine Resonanz, von der der Betroffene später gar nicht mehr recht weiß, wie sie zustande kam.

Zum irrsinnigen Syrienkrieg, der Arabellion, politischen Optionen, der Liebe von Mönchen zum Islam, dazu, und zu anderem, werde ich jetzt nichts sagen. Aber ich will einen Moment des Entsetzens verraten, der mich während der Rede befiel:

Er beschreibt, man hätte annehmen können, daß wenigstens die religiösen Fundamentalisten die eigene Kultur wertschätzen. Nein, sie taten das Gegenteil: Indem sie zu den „Uranfängen“ zurückkehren wollten, zerstörten sie das Eigene:

„Wir wundern uns nur deshalb über den Bildersturm des 'Islamischen Staates', weil wir nicht mitbekommen haben, dass in Saudi-Arabien praktisch überhaupt keine Altertümer mehr stehen. In Mekka haben die Wahhabiten die Gräber und Moscheen der engsten Prophetenangehörigen, ja selbst das Geburtshaus des Propheten zerstört. Die historische Moschee des Propheten in Medina wurde durch einen gigantischen Neubau ersetzt, und wo bis vor wenigen Jahren noch das Haus stand, in dem Mohammed mit seiner Frau Khadija wohnte, steht heute ein öffentliches Klo.“

Nein, ich bin kein heimlicher Liebhaber des Islams, tut mir leid, aber da war ich fassungslos. Über diesen Abgrund an Zerstörung, die Verachtung der Tradition, die religiöse Leere. Wir Christen sind durch Schwarmgeister, Puritaner und verwandten Unrat auch in der Vergangenheit gestraft worden. Aber das! Und so habe ich seine Rede dann auch verstanden.

Dagegen war die Klage des Quintus Aurelius Symmachus, nein, kein laues Lüftchen, aber man ahnt Dinge und Muster. Und spürt als lebendiges Wesen den Verlust und das Ungeheuerliche. Herr Kermani beschrieb den Untergang seiner Kultur, der gerade stattfindet. Und offen gestanden war es das, was mich mit Wucht getroffen hat.

„Nichts, absolut nichts findet sich innerhalb der religiösen Kultur des modernen Islams, das auch nur annähernd vergleichbar wäre, eine ähnliche Faszination ausübte, von ebensolcher Tiefe wäre wie die Schriften, auf die ich in meinem Studium stieß. Und da spreche ich noch gar nicht von der islamischen Architektur, der islamischen Kunst, der islamischen Musikwissenschaft – es gibt sie nicht mehr.“

„Es gibt keine islamische Kultur mehr, jedenfalls keine von Rang. Was uns jetzt um die Ohren und auf die Köpfe fliegt, sind die Trümmer einer gewaltigen geistigen Implosion.“

Und auf einmal spürt man, wie hinter den Tagesparolen und -trügereien eine ganz andere Wirklichkeit katastrophischen Ausmaßes stattfindet. Der Islam verendet gerade, erfahre ich, und wünsche doch das Gegenteil. Denn zu meiner Überraschung entsetzt mich die Evidenz dieser Beobachtung. Was könnte man dann noch außer Beten? Diese Rede von Herrn Kermani war ein bestürzender Wirklichkeitseinbruch.

Und jetzt kehre ich zu seinem Buch zurück und ärgere mich weiter, was dabei aber doch für ein Vergnügen angesichts des Vorigen.


nachgetragen am 29. Oktober

Montag, 26. Oktober 2015

Navid Kermani I


Ich will schon so lange noch einmal etwas Wohlwollendes (ja, ich habe den herablassenden Tonfall auch bemerkt) über Herrn Kermani schreiben, aber irgendwie entwischt der einem immer. Kürzlich hatte ich mich sehr amüsiert:

Wir beginnen also in den Niederungen. Dieses (west)-deutsche Kirchentags-Christentum illustriert sich bekanntlich perfekt in einem Magazin, welches sich die EKD leistet, der Schrumpfform des vormaligen Deutsches Allgemeinen Sonntagsblatts, namens „chrismon“. Das fällt einem aus den „großen“ Tageszeitungen entgegen, die ich inzwischen auch nur noch sehr sporadisch zu lesen vermag. Und da hatte doch Herr Kermani eben dieses Magazin, in einem Nebensatz, ohne Namensnennung, erledigt.

„Dieses protestantische Christentum, das ich auf einem Forum des Kirchentags höre oder das mir in der evangelischen Beilage der Zeitung begegnet, mag ja sympathisch sein, aber es lässt mich kalt. Es kommt mir oft wie eine Doppelung dessen vor, was uns der gesunde Menschenverstand ohnehin sagt. Den Menschen dort abholen, wo er ist, heißt es dann – ein grauslicher, anbiedernder Gedanke, der zu einer ästhetischen Verarmung und auch theologischen Verharmlosung sondergleichen geführt hat.“

Der Chefredakteur war verstört und beleidigt, wie man hier sehen kann, er wußte aber offenkundig nicht genau, warum. Die gefühlte Milieu-Nähe trog wohl doch ein wenig. Den Satz des Anstoßes brachten wir schon. In seiner Rechtfertigung schreibt Herr B. „Religion als sinnliche Erfahrung, die nur dann funktioniert, wenn sie geheimnisvoll, weltfern, mystisch bleibt.“

Und nachdem er Luther als „Volk aufs Maul Schauer“ belobhudelte, erfreute er sich an Prominten-Prolls, nein, nicht den Geißens, sondern an T. S. „'Sie gehen mir auf den Sack!' Wie Til Schweiger CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer in einem TV-Talk anraunzte, würden wir Navid Kermani nie entgegnen. Martin Luther, da sind wir sicher, hätte die Reaktion des Schauspielers schenkelklopfend erfreut: Grober Keil auf groben Klotz!“.

Und damit ist zu dem Herrn auch alles Notwendige gesagt, von ihm selbst. Aber das Aufjaulen ist schon verräterisch und kenntlich Machend. Wir wollen das fortsetzen, hoffentlich sind bis morgen aus seinem "Ungläubigen Staunen" die Lösungsmittel entwichen, die mir das Lesen unmöglich machten. Erinnert mich an einen lieben Pastor, der viele kluge Bücher besaß, von denen einige zu mir gewandert sind. Aber leider war er ein starker Raucher...

Danach bekam er (Herr K.) dann den Friedenspreis in Frankfurt/ M., das habe ich mir vollständig angehört, und das Wasser schoß mir zum Schluß in die Augen, aber das ist ja nun auch keine sinnvolle Aussage.

wird fortgesetzt

Sonntag, 25. Oktober 2015

Sonntag & (nur kurz)



Es wäre wirklich origineller, wenn ich die Marmeladengläser (in 18 Varianten, ich habe gezählt) auffahren würde, die uns zugestoßen sind; das ist die Folge, wenn die Bekanntschaften eher ländlich situiert sind und es wieder einmal Herbst wurde in unserem Vaterland. Aber dazu müßte ich auf den Boden zurück, und dazu bin ich zu faul (man denke sich auch noch (sehr viele) Äpfel, Birnen und Nüsse hinzu (und eingelegte Pilze, wofür immer die gut sein sollen, wir werden sehen).

Nein, das Sonntagsessen fiel nicht aus, doch es war etwas mühsam. Aber was bedeutet das schon. Dieser zurückliegende Geburtstag von Frau W. war durchaus nicht nur eine Übung in Gemütsbeherrschung, ich durfte auch ein paar sinnvolle Rezepte aufschnappen. Diesmal findet sich davon noch nichts. Das ist hier ein ganz alter Stiefel - metaphorisch gesprochen - ein langweiliger Schweinebraten mit Kräuterkruste und Rosenkohl und nein, nicht Kartoffeln.

Ich habe keine Ahnung, was der Hersteller, außer Hartweizengries und Eiern, da sonst noch hineingetan haben könnte. Denn die Nudeln waren ziemlich gut. Die Sauce von dem etwas trockenen Schweinebraten auch. Aber das Ganze war doch mehr eine Randnotiz, die nun auch nachgetragen ist. Und ja, der Kamera war offenkundig ein wenig rosarot zumute, aber ich bin zu träge, die Täuschung nachträglich zu verfälschen.

nachgetragen am 27. Oktober

Von der Feindesliebe (geistlich)



Ich bin mit so vielem hinterher, und leider ist dem auch der nachfolgende Andachtstext für den vergangenen Sonntag von Herrn Roloff zum Opfer gefallen. Ich bringe ihn jetzt dennoch, nachträglich.

Und als eine Art Ausgleich, wofür auch immer, zuvor ein paar Bilder, die nichts aussagen sollen. Das letzte ist heute Morgen entstanden, als ich, sozusagen mit aufzuhängender Wäsche über dem Arm, unseren Großherzog grüßte...



Worte aus der Kirche zum 25. Oktober 2015, dem 21. Sonntag nach dem Trinitatisfest

Von der Feindesliebe

Sadako Sasaki war ein nur zwölfjähriges Mädchen, das heute vor sechzig Jahren in Hiroshima an den Folgen des amerikanischen Atombombenabwurfs starb. Bekanntheit erlangte sie durch den trostlosen Umstand, dass eine Freundin ihr nach der Erkrankung von einer alten Legende erzählte. Wer eintausend Origami-Kraniche falten würde, der bekäme von den Göttern einen Wunsch erfüllt. Innerhalb von weniger als einem Monat faltete sie mehr als eintausend dieser Kraniche und setzte ihre Arbeit auch dann weiter fort. Wohl mehr als eintausend und dreihundert gefaltete Kraniche sollen es am Ende gewesen sein, bevor das kleine Mädchen dennoch starb.

Kann man diese traurige Geschichte in Beziehung setzen zum Gebot der Feindesliebe, das zum Evangelium des heutigen Sonntags gehört? Es ist uns gesagt, wir sollen unsere Feinde gerade darum lieben, damit wir Kinder des himmlischen Vaters werden.

Wer ist diesem Kind zum Feind geworden? Als die Bombe fiel, war Sadako gerade einmal zwei Jahre alt. Sie wurde unbarmherzig zermalmt durch ein übermächtiges Schicksal. Aber auch dieses gewaltige Schicksal hatte einen Anfang. In Potsdam gab der amerikanische Präsident den Befehl zum Einsatz der Bombe, die militärisch keinen Sinn mehr machte. Piloten, die mit Namen bekannt sind, führten den Befehl gehorsam aus. Zehntausende Menschen verbrannten sofort, als am 6. August 1945 die Bombe um 8:16 Uhr Ortszeit in 600 Metern Höhe explodierte. Noch in zehn Kilometern Entfernung gingen durch die Hitzewirkung der Explosion Bäume in Flammen auf.

Amerika hatte diesen Krieg nicht begonnen. Aber immer bringt ein Übel das nächste, noch größere hervor. Sadako Sasaki wünschte sich von ganzem Herzen, sie könne diesem Sturmlauf des Bösen Einhalt gebieten und ihr Leben retten, wenn sie Kraniche falten würde. Sie ist dennoch gestorben. Seitdem aber erinnern sich überall auf der Welt Kinder an sie und falten diese Kraniche. Das sanktioniert nicht die Handlungen der Feinde. Die bleiben ein Verbrechen. Aber es wird nicht mehr im Hass die Antwort gesucht. Vielmehr folgen diese Kinder, selbst wenn sie ihn nicht kennen, dem Rat des Königs Salomo: „Hungert deinen Feind, so speise ihn mit Brot, dürstet ihn, so tränke ihn mit Wasser, denn du wirst feurige Kohlen auf sein Haupt häufen, und der Herr wird dir´s vergelten.“ Hier kommt die vage Hoffnung auf, dass die Spirale von Hass und Feindschaft unterbrochen werden kann. Dazu braucht es die einfache Liebe dieser Kinder, die noch immer ihre Kraniche falten. Es braucht aber auch Herrschende, die sich wie Salomo, Weisheit erbitten und nicht langes Leben, Reichtum oder der Feinde Tod.

Unser Leben ist ganz in Gottes Hand und uns nicht gegeben, um anderen Menschen ihr Leben zu nehmen.

Bei Paulus lesen wir: „Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod.“

Thomas Roloff
nachgetragen am 27. Oktober

Samstag, 24. Oktober 2015

24. Oktober 1935


Ich hab's ja nicht so mit Zahlen. Deshalb hatte ich mir irgendwann eine Brücke für Esel gebaut, namens - erst kam der „Führer“, dann er, dann Sie. „Er“ war mein lieber Herr Vater. Das ist zwar etwas sarkastisch (nicht auf meinen Vater bezogen), aber so sind wir halt.

Margot Johanna Wisser, geb. Wienhold wurde also 80, weil unter obigem Datum geboren. Das ist jetzt exakt die Art von Beiträgen, die ich hier eigentlich nicht so sehr ansiedeln wollte. Nu isses anders gekommen, aber es soll kurz bleiben und sich auf eine Art Bildlegende beschränken. Es sind sowieso nur Ausschnitts-Momente. In anderen Worten – das meiste fehlt.

Auf den ersten 3 Bildern wird kräftig (nun ja) „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ geschmettert, mehrere Strophen lang!



Frau W. hat früher (es war sehr viel Nostalgie präsent) gern gereimte Hochzeitszeitungen vorgetragen. Diesmal schrieb sie sich gewissermaßen selber eine.


Das Schöne war, es gab mehrere Menschen, die sich nützlich machten. Selbst mein schon sehr an den Rand meines Gedächtnisses gewanderter Herr Bruder war ausgesprochen hilfreich, an der Kaffeefront. Ich habe somit auch das Abendbrot eher überrascht zur Kenntnis genommen.


Immerhin hatte er eine schöne Aufnahme ihres völlig verschollenen Herkunftsortes Weichselmünde mitgebracht. „So Gott will und wir leben“ werde ich die morgen über ihrem Fernsehsofa aufhängen. Davor liegt etwas sehr „Luschtiges“. Ein Blumenstrauß aus Lebensmitteln: Käse, Schinken, Salami etc. zu Blüten geformt und... Viele mögen das.


Ein Augenblick der Ruhe.


Das schief Grinsende in der Ecke bin ich, wie ich mir nach mehrmaligem Nachdenken zumuten mußte. Aber man sollte sich nicht täuschen lassen. Nicht nur ist nicht alles, was hinkt, ein Vergleich, auch ist nicht alles, was grinst, nett.

Nur zur Erklärung -  Es gibt Menschen, die stellen sich dumm, es gibt Menschen, die stellen sich klug, und es gibt Menschen, die stellen sich und werden Kandesbunzlerin. Aber das sollte gar nicht hierher. Gibt aber eine Ahnung von den beiläufigen Unterhaltungen.

 nachgetragen am 25. Oktober

Montag, 19. Oktober 2015

Neustrelitz (von oben)







nachgetragen am 22. Oktober

Sonntag, 18. Oktober 2015

Sonntag & (nachgetragen)


Man wacht auf, hat lustige Einfälle, aber auf dem Weg von der Couch zum Schreibtisch sind sie völlig verschwunden. Gegen wen spricht das, die Erfindungen oder? Hm...

Das war am Sonntagabend, da war ich etwas geschafft. Am Montag fehlte mir der Sinn für die schöne Oberfläche. So ist es also darüber Donnerstag geworden. Manchmal fällt mir zum Essen nichts ein, weil es schlicht zu banal war. Manchmal sind einfach die Umstände anstrengend oder seltsam oder lediglich interessanter. Irgendwo in diesem so abgesteckten Feld bewegen wir uns diesmal.

Das Eingangsbild lassen wir vorläufig auf sich beruhen. Nur soviel: Den Vormittag durfte ich den (einen) Herrn in Neubrandenburg preisen. Und bei dieser kargen Mitteilung wollen wir es auch belassen (obwohl immer noch vieles in meinem Kopf herumspaziert, es paßt nicht ganz hierher, das ist alles). Entsprechend spät traf ich wieder in der „Residenzstadt“ ein.



Die Genese des Nach-Mittags-Essens begann so. Ich kaufte Tage zuvor zwei Blumenkohlköpfe und dachte danach: Und nu? Es wurden dann die wohlbekannten Schnitzel (geklopft, gewälzt (in Mehl), durch heftig gewürztes Eigelb gezogen, und danach mit nahrhaftem Paniermehl umhüllt). Zunächst kräftig angebraten, und dann in dem dazu verwendeten Butterschmalz im Ofen bei linden Temperaturen nachgegart. Das war nett - und langweilig. Frau W.  begehrte die Dinger am folgenden Morgen kalt zum Frühstück...

Aus dem Blumenkohlwasser ließ sich unter Zugabe von Eigelb eine gar nicht mal üble Sauce „zaubern“, so man Saucen mag. Und ja, der größte hiesige Supermarkt [früher hierorts unter dem Namen Kaufhalle bekannt (erinnert mich immer an die lustige Pointe, daß die Dritt-Reichler es zwar vermochten, aus dem „Trottoir“ dauerhaft den „Bürgersteig“ zu zaubern (auch lustig), aber aus der Sauce eben nicht den „Beiguß“, das sehr nebenbei] hielt polnische Entenleber bereit (da könnte man sich gedanklich schon wieder in die Büsche schlagen, tun wir aber nicht). Die habe ich brav gebraten (obwohl, so roh sind sie schon eklig), und später auf einem Bett von aufgebackenen Boskoop-Apfelstücken ruhen lassen. Das war ziemlich gut!





In der Neustrelitzer Stadtkirche wurde an nämlichem Sonntag die Sanierung von Turm und Außenhülle feierlich begangen. Dahin schaffte ich es noch. Ab 5 Uhr spielte eine Band aus Kirchen-Profis (um mal ein Wort zu gebrauchen, das üblicherweise nicht über meine Lippen kommt). Musikalisch will ich dem Teil 2 von Herzen zustimmen; Teil 1 bedeutet, die Titel waren teilweise zu sehr nach „Das weiche Wasser bricht den Stein“, aber das gehört zum Milieu, und da stellen wir uns einfach vor, es wäre englisch, somit verständen wir nichts und dürften es als Sound genießen.

Auf den (leider ziemlich schlechten, wie sich im Nachhinein herausstellte) Bildern, was er mir hoffentlich nicht übelnimmt, ist hiesiger Pastor Feldkamp als sympathischer Percussionist zu sehen. 
Aber vielleicht wird fühlbar, warum ich sie überhaupt machte. Das war also nicht zu bereuen. 

Die Turmbesteigung zuvor, die schon, es gibt zwar im Anschluß vielleicht ein paar verschwommene Bilder, dann aber ohne Kommentar, aber mein verkrampfter Abstieg über diverse "Hühnerleitern", nachdem ich wieder einmal meine Höhenangst (automatisch zuerst zu Heidenangst korrigiert, auch lustig) vergessen hatte, führte dazu, daß ich am folgenden Montag mit Mühe die zwei Stufen zum Tabak - Lotto & Whiskey Shop hinauf kam (dabei rauche ich gar nicht, ist mir jedenfalls nicht aufgefallen). 


nachgetragen am 22. Oktober

Sonntag, 11. Oktober 2015

Sonntag & (kurz nachgetragen)


Zitrusbäume sind doch fiese Viecher. Da holt man sie wegen des irritierend frühen Frosteinbruchs mühselig in die Wohnung, und dann versuchen sie gleich, einem mit ihren ekligen Dornen ins Gesicht zu stechen. Nun steht er also doch im Erker. Das erste Bild gibt davon einen mäßigen Eindruck.

Und man bekommt zugleich vielleicht eine Ahnung davon, wie es ist, als Besichtigungs-Gegenstand für gelangweilte Touristen herhalten zu dürfen.

Wir sind derzeit frisch wie ein Blätterhaufen im Gespensterwald, mit anderen Worten - heftig erkältet. Geistig somit eher inaktiv. Darum nur ein kurzer Nachtrag. Der Sonnabend war noch halb nett, ich schlief auf der Couch ein, und kurz nach 9 Uhr erwachend war etwa der dritte Gedanke, du hast kein Katzenfutter mehr...

Ich eilte also zum letzten späten Geschäft und bekam auf dem Rückweg sogar noch etwas vom verkaufsoffenen Sonnabend hier in der Residenzstadt mit, genauer gesagt dessen sich auflösende Reste, mit Schlager, Feuertänzern und Mittelalter. Und wie ein Eingeborener habe ich mir natürlich was mit Glassteinen andrehen lassen (*grr).


Zum Essen: Man erinnert sich vielleicht noch an das etwas zu zähe Fleisch vom letzten Sonntag, das aber eine recht ordentliche Sauce abgab. Nun, das ruhte tiefgekühlt vor sich hin und wurde jetzt wiedererweckt, um ein Gulasch abzugeben. Zwischenzeitlich hatte Frau Mutter Besuch von ihrer ältesten Freundin erhalten, die hatte ebenfalls eines mitgebracht, und diesmal, Überraschung, wurde sogar die Paprika akzeptiert. Es war auch sonst recht ordentlich. Die Überbleibsel davon wurden also hinzugegeben. Weitere Zutaten waren nur noch viel saure Sahne, noch mehr eingelegte Paprikastücke und kleingeschnittene eingelegte Gurken, die kurz mitkochten, denn eigentlich war das Ganze ja bereits fertig.

Frau W. fand dann doch noch einen Ausweg, ihr Mißvergnügen auszudrücken - die Gurkenstücke wurden akribisch an den Rand des Tellers gedrängt. Denn den Geschmack der Sauce vom letzten Sonntag hatte sie nun mal gelobt, das Gulasch ihrer ältesten Freundin sowieso, Sahne mag sie in jeder Form. Da war sie ein wenig in der Zustimmungsfalle, aus der ich ihr mit den Gurken freundlich heraushalf.




Man mag es mir nachsehen, daß meine Fähigkeit zur gehobenen Konversation gerade quasi nicht vorhanden ist, so, wo bleibt das Unterhaltende? Da kam mir der Großherzog Georg von gegenüber zu Hilfe. Der hat nämlich rege mit Goethe korrespondiert, letzteren hatte ich gerade entstaubt, da fielen mir seine Venezianischen Epigramme in die Hand, und ich dachte anmaßenderweise, mein Gott der Mann hatte mitunter (dies sei einschränkend betont, seinem Christentum etwa, so er eines hatte, ist Italien gar nicht bekommen) doch wirklich Einsichten, daß er Sprache hatte, will ihm gar niemand bestreiten. Also enden wir ganz vorgetäuscht bildungsbürgerlich mit demselben.


Alle Freiheits-Apostel, sie waren mir immer zuwider;
Willkür suchte doch nur jeder am Ende für sich.
Willst du Viele befrein, so wag' es, vielen zu dienen.
Wie gefährlich das sei, willst du es wissen? Versuch's!

Frankreichs traurig Geschick, die Großen mögen's bedenken;
Aber bedenken fürwahr sollen es Kleine noch mehr.
Große gingen zugrunde: doch wer beschützte die Menge
Gegen die Menge? Da war Menge der Menge Tyrann.

Fürsten prägen so oft auf kaum versilbertes Kupfer
Ihr bedeutendes Bild; lange betrügt sich das Volk.
Schwärmer prägen den Stempel des Geists auf Lügen und Unsinn;
Wem der Probierstein fehlt, hält sie für redliches Gold.

Tolle Zeiten hab ich erlebt, und hab nicht ermangelt,
Selbst auch töricht zu sein, wie es die Zeit mir gebot.

aus: Johann Wolfgang von Goethe, Venezianische Epigramme

nachgetragen Mitwoch früh

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And a “translation” I wrenched from myself at last


Citrus trees are undoubtedly nasty critters. Since because of the irritating early frost you try with heavy effort to find a place for it in the house, and the same time it tries to sting you into the face with its ugly thorns. Now it stands in the oriel. The first image gives a moderate (rather mediocre) impression.

And maybe you get an idea of what it's like to be obviously a sightseeing object for bored tourists (sitting behind the oriel windows).

We feel currently fresh as a pile of leaves in the Haunted Woods, in other words - a fierce cold. Mentally thus rather inactive. Therefore only a short addendum. The Saturday was still half nice, I fell asleep on the couch, and woke shortly after 9 clock in the evening, my 3rd thought was – you own no cat food anymore...

So I hurried to the last late shop and got on my way back slightly an impression from the sale open Saturday here at down-town, more precisely its disintegrating remains, with pop “music”, fire dancers and some medieval entertaining on the marketplace. And like a stupid native from the past, I let myself be impressed by glass stones (*grr).

About the dish. You may still remember the a little too chewy meat from last Sunday, that at least gave a decent sauce. Well, it rested frozen and was now brought back to deliver a goulash. Recently dear mother had received a visit from her oldest friend who had also brought one, and this time, surprise, even the bell pepper was accepted. It was otherwise fairly decent. So I got the idea. Both remnants were put together. Other added ingredients were just a lot of sour cream, more pickled peppers and pieces of chopped pickled gherkins, it was cooked only briefly, because actually the whole thing was already finished, just a bit unpleasantly cold.

And finally Mrs. W. found a way to express her displeasure - the cucumber pieces were meticulously placed on the edge of the plate. Because she praised already the taste of the sauce from last Sunday, the goulash of her oldest friend anyway, cream she likes in any form. So she was a little in the consent trap from which I helped her out friendly with the cucumbers.

One may see that my ability to appear thoughtful is just quasi non-existent, so, where is the Amusing? Thankfully Grand Duke George from the opposite shows me a way out. He had a lively correspondence with Goethe, Goethe I had just dusted, more precisely some of his books. I remembered his Venetian epigrams, and reading it I thought pretentious well no one doubts that he knows language, but sometimes he even had insights (this is said limiting; for his his Christianity e.g., if he even possessed one, Italy wasn't very conducive). So we end up with this borrowed spirit.

[I found some, of course copyrighted, translations, if you'll follow the link you'll see the text immediately.

It starts with: No. 50 (there are various counts) “All those preachy apostles of freedom, I never could bear them...” You can find it here. Mr. Ken Cockburn (I learned the origin of the name is not as silly as the unsagacious one might assume) translated it, as well as the third in my small selection (his No. 56): “Autocrats will mint, on thinly silvered copper...”

My 2nd piece - “France's pitiable fate, the great may reflect on its meaning...” - is from a translation I found in this book p 127 No. 53].

And the last one means something like: “Crazy times I've experienced and I haven't left out / being foolish myself as it suited the time.”