Donnerstag, 30. Mai 2013

Über das Unsichere von Restaurationen &

Baustelle des Stadtschlosses in Potsdam im September 2012

Wenn man im „wirklichen“ Leben etwas reparieren will, das auf der Straße des Untergangs schon weit vorangekommen ist, gestaltet sich dies üblicherweise schwierig. Es mag überraschen, aber ich war beim „Wiederaufbau“ des Potsdamer Stadtschlosses zunächst ausgesprochen skeptisch. Doch es war eine besorgte Skepsis, keine ablehnende. Ich muß sagen, wie immer es auch innen später aussehen mag (ich muß da ja nicht hineingehen), es ist besser. Die äußere Hülle heilt bereits erheblich den gestörten Raum der Stadt. Aber um das sagen zu können, muß man vorher gesehen haben, daß etwas beschädigt war.

Daran gibt es einen vorherrschenden Mangel, des Wollens, des Vermögens, wie auch immer. Man mag mitunter nicht in Dasselbe erneut hineintreten, daher muß ich aus dem Gedächtnis zitieren. Über Kirchen und Schlösser: 'Die Monarchie ist abgeschafft, im Osten glaubt sowieso keiner mehr an Gott, also weg mit dem alten Sch... und her mit der Moderne!' Es war ein Kommentar zu einem Artikel über den Nicht-Wiederaufbau der Leipziger Universitätskirche. Gerade in seinen schlichteren Vertretern drückt sich der Zeit-“Geist“ häufig erfreulich klar aus. Man  schaut dann unfreiwillig, schüttelt sich, geht weiter, hat aber doch einen zurückbleibenden Eindruck. Und findet zurück zur Orientierung im Gelände.

Augustusplatz mit Paulinerkirche, 1948

Blick auf die Universitätskirche St. Pauli, 1951

Was man dort sieht, haben die, denen ein Stück dieses Landes für einige Jahrzehnte zur Beute gegeben war, weit nach dem Kriege unzerstört vernichtet. Warum? Weil sie es konnten, weil sie es wollten. Es geschah übrigens am 30. Mai 1968 um 9.58 Uhr. Ihre Wendenachfolger, darunter ein katholisch-westdeutscher Herr Häuser, Rektor der Universität seines Zeichens, haben erfolgreich verhindert, daß dieser Bau wiedererschaffen wurde. Ob jemand nominell katholisch oder ein Funktionär einer C-Partei ist, muß nicht viel besagen, wie wenig ersteres tatsächlich bedeuten kann, wird bei einem Neubau, ebenfalls in Leipzig, unübersehbar.

Die katholische Kirche baut dort nämlich gerade ein großes "Heizkraftwerk mit Schornstein" namens St. Trinitatis (Näheres findet sich nach diesem Link). Eine hübsche Passage in besagtem Artikel: In einer fast (sic!) kirchenfeindlichen Atmosphäre, wie sie im Streit über die Universitätskirche zutage getreten sei, solle der Neubau offenbar möglichst wenig auffallen. Hoffnung auf Akzeptanz durch Wegducken also. Ich fürchte, diese Hoffnung auf wenigstens kulturelle Duldung geht ziemlich in die Irre, aus recht verschiedenen Gründen.

Nur 2 davon, vorausgesetzt wird 1. die Wertschätzung oder gar ein Begriff von Kultur, 2. Arglosigkeit auf der anderen Seite (ich wollte jetzt eigentlich einen Bogen zu Dávila schlagen, der das alles so wunderbar luzide erklären kann, aber es ist schon spät). Man fragt sich natürlich, warum etwa in Dresden eine Frauenkirche wiedergewonnen werden konnte und hier Vergleichbares nicht. Mein erster Gedanke - das jeweilige Milieu muß diese verdeckte Feindschaft auch tragen. In Dresden war offenbar doch zuviel vom Geist der alten Stadt noch übrig, in Leipzig die geistige Demontage der Moderne schon fortgeschrittener. Sachsen, das Eldorado hochstapelnder Westdeutscher und verspäteter Moralisten, scheint in derlei wirklich alle Varianten der Neuzeit aufführen zu wollen.

Dresden, Frauenkirche

Wir wollen zu einem Ende kommen. Offen gestanden fand ich das nachfolgend abgebildete Gebäude fast, ja – nett, als Einkaufszentrum, oder in Las Vegas. Aber bedenkt man, was es ersetzen sollte.

"Paulinum"

Dieser eher unfreundliche Artikel aus der FAZ spricht von 'marktschreierischer Kommerzästhetik einer Mall und postsowjetischem Neurussenschick'. Nun ja, wir loben die Absicht. Ähnliches gilt für einen älteren Artikel aus der „Zeit“.  Ein Artefakt wirklichen Bemühens läßt sich übrigens an dieser Stelle auffinden.

Nur kurz zum Zeit-Artikel: In seiner Fassungslosigkeit verrennt er sich deutlich in den kurz gegriffenen Begründungen und in der rührenden Hoffnung, das Böse lokal verorten zu können. Zu benennen, daß der aggressive Säkularismus, der bei dieser unerfreulichen Geschichte seinen penetrant nach Schutt, Moder und Schlimmerem riechenden Eigengeruch hervorzeigt, tatsächlich in allem ungeschminkt entgegentritt, ist seine Stärke.

Unser Thema allerdings haben wir verfehlt, denn eigentlich sollte es um die Schwierigkeit von Restaurationen gehen. Aber es wird schon hell. Die Vögel machen heftig Lärm, und ich sollte kurz meinem Bett einen guten Morgen wünschen.

Sonntag, 26. Mai 2013

Sonntag & Nachtrag




Hoch oben am Rathaus der (früheren) Residenzstadt Neustrelitz prangt das Stadtwappen und grüßt in Richtung Stadtkirche, nein, diese hat keinen schiefen Turm. Nur das Photo war offenkundig etwas aus der Lotrechten geraten, der Urheber (ich) hatte wohl um den inneren und äußeren Halt zu ringen. Ich hatte versprochen, Bilder von meinem ersten Auftreten mit dem Chor der „Gospel-Union“ nachzuliefern (nebenbei bemerkt, eine eigentümliche Erfahrung). Sie sind naturgemäß nicht von mir, und der Urheber wird sich hoffentlich nicht auf den sprichwörtlichen Schlips getreten fühlen, wenn ich behaupte, daß sie leicht suboptimal geraten sind. Gut für mich, so bin ich kaum zu erkennen und mache mich nur in Maßen lächerlich. Einräumen muß ich allerdings, daß die Stadtkirche schon ein ziemlich finsterer Kasten war. Man hätte für bessere Bilder wirklich einen erheblichen Aufwand treiben müssen.



(c)  Björn Weber

Das Sonntagsessen rutschte folglich in den späten Nachmittag. Ich will den üblichen Bericht (der sowieso reichlich zu spät käme) diesmal umgehen und nur summarisch erwähnen, daß meine Frau Mutter ihre hier wahrlich ausführlich eingeführten Schweinerouladen zubereiten konnte, ich hingegen wich doch lieber zu einem Rumpsteak aus. Anfang der Woche gab es übrigens noch überraschenden Verwandtenbesuch aus Ostfriesland nach 13 Jahren. So fand sich denn doch noch das seelenverwandte Publikum, welches die Rouladen in höchsten Tönen lobte, und der Weltfrieden war so teilweise wiederhergestellt.



nachgetragen am 29. Mai

Samstag, 25. Mai 2013

1813


Georg Friedrich Kersting, "Auf Vorposten",
Theodor Körner, Karl Friedrich Friesen und Heinrich Hartmann als Lützower Jäger,

Herr Roloff wird heute in seinem beschaulichen Schönhausen vor den versammelten Schützen des Land-Kreises die nachfolgende Predigt halten. Da er von historischen Fahnen u.dgl. umrahmt sein dürfte, hat er sich erkennbar bemüht, sie nüchtern zu halten. Die Zeiten halt (sage ich). Was mir ansonsten auffällt, das dröhnende Schweigen zu diesem Jahr 1813 in diesen Tagen. Es waren ja auch nur die Umstände der Wiederbelebung dieser Nation. Manchmal fällt man im Leben halt zwar nicht gerade unter die Räuber, aber doch wohl unter zweifelhafte Gesellschaft.

Major von Lützow

Predigt zum Gedenkgottesdienst 
aus Anlass des 200. Jahrestages 
der Einsegnung des Lützowschen Freikorps in Schönhausen

Friede sei mit euch allen!

Liebe Gemeinde,

der Mensch ist zur Freiheit berufen! Aber wie jeder andere Ruf auch entfaltet derjenige zur Freiheit, über den wir heute nachdenken wollen, nur dann seine rechte Wirkung, wenn man ihn auch befolgt. Zum anderen setzt der Ruf zur Freiheit notwendig die Erfahrung der Unfreiheit voraus. Diese Unfreiheit nun war die eigentliche und entscheidende Last der napoleonischen Zeit, auf die wir heute aufgrund des 200. Jahrestages der Einsegnung des Lützowschen Freikorps in unserer Kirche zurückblicken.

Napoleon wiederum war das Ergebnis der großen französischen Revolution, die auch die Freiheit aber auch Gleichheit und Brüderlichkeit im Namen führte. Dieser Dreiklang war der Schlachtruf einer Revolte, die am Ende Napoleon als Diktator gebar. Der Diktator ist immer geradezu die vergiftete Frucht einer jeden Revolution. Da mögen die Verheißungen, die an ihrem Anfang gestanden haben, noch so schön sein. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verkamen zur bloßen Dekoration eines verhängnisvollen Weges.

Warum aber ist das so?

Es hat im Kern damit zu tun, dass nur zur Freiheit berufen kann, wer auch Freiheit zu gewähren vermag.

Das zweifellose Genie Napoleons lag freilich darin, die glühende Lava des Volkszorns, der sich aus dem Krater der Revolution ergoss, über Europa so zu lenken, dass er seiner Ruhmsucht und seiner Abenteuerlust diente. Es ist gar nicht zu bestreiten, dass sein vordergründiger Erfolg ganz Frankreich in einen Rausch versetzte. Dieser Rausch aber ging zu Lasten anderer Länder und Völker. Sie wurden ausgeplündert, verheert und geschunden. Vor allem mussten sie zu jedem neuen Feldzug des „großen Korsen“ tausende Soldaten stellen. Auch unser Dorf Schönhausen hatte unter der Fremdherrschaft schwer zu leiden. Dennoch erhielt die revolutionäre Propaganda das Hirngespinst aufrecht, als könnte am Ende der napoleonischen Umgestaltung, die doch in Vielem eine bloße Zerstörung Europas gewesen ist, und der dann auch das Heilige Reich zum Opfer fiel, ein glückliches Zeitalter für alle Menschen stehen.

Das aber ist der Irrtum oder vielmehr die Lüge aller Revolutionen. Sie behaupten, dass erfülltes und glückliches Leben der Menschen erst zustande gebracht werden kann, wenn die Bedingungen dazu hergestellt sind. Diese Bedingungen aber wollen sich die Menschen selbst machen, und sie wollen sie dann immer auf Kosten anderer machen.

Als Christen aber glauben wir, dass erfülltes Leben immer möglich ist, weil es in der Gemeinschaft mit Gott gründet. Da mag der einzelne Mensch arm oder reich, stark oder schwach, groß oder klein sein. Gerade in den sehr verschiedenen Verhältnissen sollen sich seine Menschlichkeit und sein Glaube erweisen. Wer sollte es denn besser wissen als wir, dass gerade die guten Zeiten oft die Sitten verderben? Wer hat nicht schon erlebt, dass gerade die Menschen missraten, die scheinbar alles haben, außer der Stärke, ihrem Reichtum gewachsen zu sein? Es ist ein menschenfeindliches Trugbild, zu unterstellen, alle Menschen würden edel und gut, wenn nur die Bedingungen dazu auf revolutionärem Wege geschaffen würden. Immer waren das Ergebnis dieser Anmaßung Tyrannei und Zerstörung.

Jedes gesunde und wache Volk tritt diesem Denken darum auch irgendwann entschlossen entgegen. So erhoben sich denn auch die Deutschen im Jahre 1813. Es ist bis heute bewegend, mit welcher Begeisterung und Hingabe Menschen diesen Kampf aufnahmen, von dem sie wussten, dass er ihnen das Leben kosten konnte. Die Toten aus Schönhausen trugen die Namen Briest, Bulle, Cuno, Draeger, Grassau, Holloff, Horstmann, Küsel, Lühmann, Schmicker, Thürnagel, Witte und auch den Namen Bismarck. Diese Menschen suchten nicht Abenteuer und Ruhm, sondern stellten sich schlicht ihrer Verantwortung und ihrer Pflicht.

Den Deutschen erwuchs aus dem Sieg in den Befreiungskriegen ein Erlösungserlebnis, wie man es wohl mit dem des Volkes Israel vergleichen muss, als es aus Ägypten gezogen war. Es war ohne Zweifel die prägende nationale Empfindung, die den gesamten Weg zur Einheit bestimmen sollte. Im Zusammenklang mit den Stein-Hardenbergschen Reformen, die u.a. die kommunale Selbstverwaltung hervorbrachten, entwickelte sich darüber hinaus ein bürgerliches Verantwortungsgefühl, das den kirchlichen und politischen Ordnungen des ganzen 19. Jahrhunderts sein Gesicht geben sollte.

Unser Gemeinwesen kann sich menschlich nur dann gestalten, wenn es den Menschen als Geschöpf Gottes und all sein Streben als Sehnsucht nach Gott in die Mitte stellt. Es ist dabei meine tiefe Überzeugung, dass man Mitmenschlichkeit und Verantwortung niemals von jemandem fordern, sondern immer nur konsequent selbst üben kann. Dann muss man auf das Beispiel vertrauen, welches dadurch allen Menschen gegeben ist.

Liebe Gemeinde,

es gibt keinen Grund dazu, Kriege zu glorifizieren. Alle Kriege sind immer eine Geißel für die Menschheit. Wir haben jede Ursache täglich dafür zu danken, dass wir im Frieden leben. Das darf uns aber dennoch nicht in den Irrtum verführen, dass es nichts mehr gäbe wofür wir einzutreten und auch zu kämpfen verpflichtet wären. Unser Glaube, unsere Weise zu leben und der Wahrheit, dem Recht und der Freiheit zu dienen, sind in jeder Generation bedroht. Auch in unserer Zeit müssen wir überzeugt und überzeugend, gerade und klar für sie eintreten

Wenn wir dieser Bedrohung stand halten wollen, dann müssen wir zunächst und vor allem dem Ruf desjenigen folgen, der Freiheit nicht nur verspricht, sondern sie auch gewährt. Ihn lobt Zacharias und bittet, „dass wir erlöst aus der Hand unserer Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die ihm gefällig ist“.

Und darum bekenne ich vor dieser Versammlung:
Christus ist unsere Freiheit!

Amen

Der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen
Thomas Roloff


Nachtrag

Eine Spur hat das Ereignis auch in der örtlichen Presse hinterlassen, wie man hier nachsehen kann, ansonsten war die Veranstaltung, soweit sie draußen stattfand, wohl völlig im Dauerregen versoffen.

Mittwoch, 22. Mai 2013

Richard Wagner - ein anderer Nachtrag


Palazzo Vendramin-Calergi 

Ich glaube nicht, daß in diesem Leben noch ein Wagner – Jünger aus mir werden wird (Menschen, die mich näher kennen, wurden schon mit diversen, natürlich sich wiederholenden Anekdoten dazu gequält). Außerdem ist aus Anlaß des 200. Geburtstags von Richard Wagner hinreichend viel Unsinn geschrieben worden, das muß von mir nicht auch noch vermehrt werden.

Aber ich hatte mich aufgerafft, ins Bücherregal zu greifen und in Friedrich Dieckmanns „Richard Wagner in Venedig“, Leipzig 1983, zu lesen, merkwürdige Lektüre. Mehr über jemanden zu erfahren, macht ihn häufig nicht sympathischer, aber ist „Sympathie“ nicht sowieso ein Kriterium für schlichter angelegte Gemüter? Nein, wir werden diese schlüpfrige Bahn nicht betreten.

Das besagte Buch endet sehr ergreifend (und darum dieser beiläufige Beitrag); zunächst mit einer Passage aus den „Erinnerungen an Richard Wagner“ von Angelo Neumann, der u.a. als erster für die Aufführung des gesamten Rings in Italien 1883 im Teatro La Fenice in Venedig zwei Monate nach Wagners Tod verantwortlich zeichnet; hier aber geht es darum, wie Venedig von Wagner Abschied nahm:

„Das Munizipium von Venedig  hatte uns für die Aufstellung des Orchesters  die nur für besondere festliche Gelegenheiten bestimmte große Prachtbarke zu Verfügung gestellt: da nahm Anton Seidl mit seinem Orchester Platz. Die Künstler und Künstlerinnen folgten in sechs der wohlbekannten langgestreckten Gondeln nach, während viele hundert andere dieser schlanken Boote uns den Canal Grande entlang das Geleite gaben, bis zum Palazzo Vendramin, wo sich alle rings um uns anreihten, der gesamte venezianische Adel in den eigenen prächtigen Fahrzeugen, in Flor verhangen, dann alle die Fremden, die noch Gondeln hatte finden können: eine fast unübersehbare, reich bewegte, ernst ergreifende Trauergemeinde…

Anton Seidl unten auf dem Wasser setzte mit den mächtigen Klängen des Trauermarsches  aus der Götterdämmerung ein. Wir entblößten das Haupt: und alle rings umher zu Wasser und zu Lande – alle Dächer im Umkreis des Canal Grande waren mit Menschen besät – folgten unserem Beispiele. In tiefer Ergriffenheit wurde nun dieses  unvergleichliche Tonstück vernommen,… während wohlige laue Düfte aus den blühenden Gärten und Inseln wie von fern herübergeweht kamen.

Nach einer Pause folgte auf den Heroenmarsch  die Tannhäuser–Ouvertüre, die einen brausenden Jubel erregte und vieltausendfaches Echo in aller Herzen fand, während das erste Stück unter andächtigem Schweigen verklungen war. Hiermit war die Feier beendet. Unter den Klängen der Marcia reale verließ die ganze Flotille in langsam gleitendem Zuge den Spiegel des großen Canals und die Gondeln kehrten auf den mancherlei Canaletti heim.“

Wie tiefsinnig. Venedig, das Abendleuchten des Abendlands, die fiebrige Folie für Bewegtheiten mancherlei Art, erkennt und erweist seinen Respekt. Wo auch hätte Wagner seinen Tod finden können als in Venedig?


Tristan - Isoldes Liebestod

Dieckmann fügt dann an, daß sich der Kunstgeist dieser Stadt - „ein Geist der Späte, des Herbstes, leuchtender Erinnerung“ - noch einmal in ihm erfüllt habe. Monteverdi habe sie hier begonnen, die Oper, zweieinhalb Jahrhunderte zuvor, und Wagner einem Endpunkt zugeführt, soviel Neues er auch ausgelöst hätte. Wagner habe dies ebenso gesehen, sagt er, Cosima zitierend, aus dem Jahre 1882, Liszt hatte wieder einmal aus Beethovens späten Klaviersonaten vorgespielt:

„Aber es ist zu Ende mit der Musik, und ich weiß nicht, ob meine dramatischen Explosionen das Ende aufhalten können. Es hat so kurz gedauert. Aber diese Dinge haben mit Zeit und Raum nichts zu schaffen.“

Wohl gesprochen. Ob wir am Ende sind? Wir können uns auch dessen nicht gewiß sein. Gefühlte Sicherheiten trügen oft. Aber an Wagner vermögen wir, neben anderem, ergriffen lernen, wenn es denn sein muß, wie es sich anfühlen wird, dieses Ende.

Daß der Palazzo Vendramin-Calergi heute ein Spielkasino beherbergt, wie ich lese, einst im Besitz eines Henri d’Artois, der nicht König von Frankreich wurde, weil er die Trikolore zu sehr verabscheute - der Mann hatte zumindest Charakter - ist nicht ohne Pointe. Wir jedenfalls enden hier, für heute.


Wagner Tannhäuser-Ouvertüre und Venusberg
hier gefunden

nachgetragen am 25. Mai

Sonntag, 19. Mai 2013

Pfingsten - Nachtrag



Bevor ich den nächsten besorgten Anruf erhalte: Sehr verspätete

Frohe Pfingsten

Drum herum stehen ein paar Bilder von dem besagten Pfingstsonntag, die für sich sprechen müssen, denn für Erläuterungen ist mir gerade etwas die Zeit abhanden gekommen, aber vielleicht gibt es heute Abend noch einen Nachtrag zu Nicolás Gómez Dávila, den soll es eigentlich seit Sonnabend geben.




Samstag, 18. Mai 2013

Nicolás Gómez Dávila


Nicolás Gómez Dávila, 1930

Sobald Menschen auch nur an Religion denken, werden sie dümmer, wollten kürzlich einige Kanadier glauben machen. Ich will mich zu dieser „Studie“ nicht weiter auslassen, über methodisch Fragwürdiges oder Ähnliches etwa (ich hatte es hier versucht), aber sie paßt so perfekt in das gegenwärtige Dahinplätschern des Zeitgeistes.

Nicolás Gómez Dávila, geboren vor genau 100 Jahren in Bogotá, meinte, das exakte Gegenteil stünde der Wahrheit zur Seite. Der vergessende Mensch der Moderne (und was er vergißt, ist vor allem alles, was religiöse Suche über die Natur des Menschen in Jahrtausenden herausgefunden hat) sinke ab in einen Morast aus Leere, Triebabfuhr und gefesseltem Denken (vulgo Ideologien). Die Moderne verfehle die Natur des Menschen.

Es ein wenig so, wie wenn man als völlig indoktriniertes Kind (die Inhalte sind austauschbar, wie wir sehen werden) glaubhaft und befreiend aufgezeigt bekäme, es ist fast alles ganz anders, in Wirklichkeit. Zum Glück sind wir dieses Kind nicht. Aber wir leben in dieser konkreten Zeit und müssen ihre Begleitgeräusche jeden Tag zu ertragen üben, und dagegen ist „volkstümliche Volksmusik“ sozusagen noch Musik.

Da hilft dann ein Mozart oder eben ein Dávila. Ihn zu lesen ist ein großes Vergnügen. Dávilas geschliffene Aphorismen durchschneiden wie ein Dolch beiläufig das Gewebe der Phrasen und zweifelhaften Sicherheiten, die uns derzeit das Wesen der Dinge zu verhüllen suchen. Aber über ihn zu schreiben zu versuchen, das schüchtert ein.

Daß er sich vor allem aphoristisch mitteilte, gehört seinem Denken wesensmäßig an (was es nicht einfacher macht, wie mir vor 2 Jahren bereits auffiel). Es ist erstaunlich, Plato schrieb Dialoge, der Aristokrat Heraklit hat vielleicht Aphorismus und Paradoxie nicht erfunden, aber wohl als erster in unserem Abendland zum Leuchten gebracht. Es ist eine andere Art des Denkens, die das abgeschlossene System nicht braucht, weil sich ein solches doch gerade gegen das abschließen muß, was es zu erforschen vorgibt.

„Das Universum ist nicht System, das heißt: logischer Zusammenhang. Sondern hierarchische Struktur von Paradoxen.“
„Der Mensch kann sich gegen die Inkohärenz des Universums nur mittels einer analogen Inkohärenz schützen.“

Dávila weiß um die Fragwürdigkeit eines jeden Denkens, das die Wirklichkeit voreilig in dem Korsett eigener Vorstellungen unterbringen will. Das gelingt nur mit einem Selbstbewußtsein, das nicht dominiert wird von Weltbewußtsein, Selbstsuggestion und radikaler Weltvereinfachung (womit z.B. Puritaner, Calvinisten, kirchliche und andere Ikonoklasten nicht nur die Kirchen entleeren konnten). Zu diesem Selbstbewußtsein zählt auch ein äußerst beschränkter Mitteilungsdrang.

Er wurde fast zufällig „bekannt“. Um ein sprachlich leicht geschmacksunsicheres Bild zu gebrauchen: Dávila ist wie ein Hochgebirge über einer versumpften Ebene. Also nichts, das meint, etwas beweisen zu müssen. Er ist einfach anwesend. Und das genügt.

Der Mensch

Offen gestanden, kann ich es nicht leiden, wenn mir jemand erklärt, dieser oder jener sei höchst bedeutsam, ohne zumindest zu versuchen, mir die Gründe dafür auszubreiten. An diesem Punkt sind wir gerade, also, nun gut. Versuchen wir, die Spur seines Denkens aufzunehmen.

Der Mensch: Dávila setzt ein, mit einem sehr wachen, inzwischen ungewohnten Blick auf dessen wirkliche Existenz: „Dem Sein wohnt keine Grenze inne, kein Verlangen erklärt sich selbst für befangen.“ Doch dieses Verlangen stößt auf Ablehnung, Begrenzung. Jedes Subjekt lebt in einem Winkel eindringender Begrenzungen, in der Spannung anstürmender Konflikte.

„Die Gewalt, der grausame Diener der durch die Grenze bestimmten Essenz der Dinge, bestimmt die Normen der aktualisierten Existenz.“ „Alles in der Welt ist Grenze, Zielpunkt, Ende.“ 

Das gilt für alles Lebendige, was aber die Existenz des Menschen absurd macht, ist, daß er nicht nur ein Bewußtsein dessen hat, sondern eines, das über diese Gegebenheit hinausreicht. Je bewußter er sich seiner wird, je mehr er Mensch wird, um so weniger kann er sich in der Welt erträglich einrichten. Er vermag in Wahrheit nicht, in sich zu ruhen, immer taumelt er an der Grenze seiner selbst.

„Der Mensch ist ein verlorenes Tier, ohne ein verlassenes Tier zu sein. Der Mensch weiß nicht, wohin er gehen soll, gleichwohl hat er die Pflicht, anzukommen.“ 

Die Absurdität seiner Existenz ist aber keine äußerliche Angelegenheit, nichts, das sich abstreifen ließe, oder innerweltlich erlösen. Die Situation des Menschen ist nichts Äußerliches, Zufälliges, sie ist die Natur des Menschen. Er ist keine reine Essenz, die einer unreinen und fremden Existenz unterworfen wäre.

„Der Mensch ist die Unreinheit seiner menschlichen Natur selbst“, er ist „seine gebrochene und zerstörte Bedingtheit“. Das Scheitern ist die Substanz seines Lebens. „Das Bewußtsein ist Strukturierung der Ohnmacht und des Scheiterns.“ Der bewußte Mensch wird sich seiner Bedingtheit bewußt, und seiner Ohnmacht. (Zitate aus Textos I, Karolinger – Verlag, 2003)

Weder Annahme noch Ablehnung dieser Einsicht sind eine Hilfe für den Menschen, Ablehnung würde Suizid bedeuten, Annahme ein „unmittelbares Vertieren“. Doch gibt es einen Ausweg für das Bewußtsein, das seine Bedingtheit akzeptiert, der Mensch kann „außerhalb jedes vorstellbaren Umstandes erlöst werden“.

Das ablehnende Bewußtsein aber meint, Essenz und Existenz des Menschen trennen zu können, indem letzteres zur zufälligen Situation erklärt wird, mit deren Veränderung auch die menschliche Natur verwandelbar wird. „Für das ablehnende Bewußtsein ist das begründende Prinzip reine Immanenz, und der Mensch kann nur im Rahmen seiner eigenen Natur erlöst werden.“ (ebenda)

Die Welt ist das, dem zu widerstehen ist, und im Widerstehen findet der Mensch sich oder ein Surrogat seiner selbst, entscheidend ist die Art des Widerstehens.

Ansichten der Wahrheit 

Ein Einschub. Eben erinnere ich mich, wie meine wissenschaftlicher gestimmten Freunde üblicherweise die Brauen hochziehen, wenn sie das Wort „Wahrheit“ im religiösen oder philosophischen Kontext hören. Zu meiner Freude bin ich gerade über zwei Zitate gestolpert, die ich früher schon einmal anbrachte und erneut nicht vorenthalten will, ich denke, sie führen weiter:

„Der Positivismus war weder bloße Philosophie noch reine Methodologie; er war eine jener Schulen des Argwohns, die in der 'modernen' Zeit ihre Blüten getrieben haben. Ist der Mensch denn tatsächlich in der Lage, mehr zu kennen als das, was seine Augen sehen oder seine Ohren hören können? Existiert eine andere Wissenschaft als die rein empirischen Wissens? Sind die Fähigkeiten der menschlichen Vernunft ausschließlich den Sinnen unterworfen, und werden sie innerlich von den mathematischen Gesetzen bestimmt, die sich als besonders nützlich erwiesen haben, wenn es darum geht, die Phänomene auf rationale Weise zu ordnen oder aber die Prozesse des technischen Fortschritts zu lenken?

Aus positivistischem Blickwinkel machen Begriffe wie zum Beispiel Gott oder Seele selbstverständlich keinerlei Sinn. Im Bereich der sinnlichen Erfahrung haben sie eben keine Entsprechung.“ (Johannes Paul II. „Die Schwelle der Hoffnung überschreiten“)

„Es ist müßig, ständig von dem Gegensatz zwischen Vernunft und Glauben zu reden. Die Vernunft selbst ist eine Sache des Glaubens. Davon auszugehen, daß unsere Gedanken überhaupt in einer Beziehung zur Wirklichkeit stehen, ist ein Glaubensakt.“ (Gilbert Keith Chesterton, „Orthodoxie – Eine Handreichung für die Ungläubigen“)

„Definieren läßt sich der Mensch hingegen als Dogmen verfertigendes Tier. In dem Maß wie er Lehrsatz auf Lehrsatz und Schlußfolgerung auf Schlußfolgerung setzt, um die gewaltige Ordnung einer Philosophie oder Religion zu schaffen, wird er – in dem einzig legitimen Sinn, den das Wort haben kann – immer mehr zum Menschen. Läßt er als ausgefuchster Skeptiker eine Lehre nach der anderen fallen; lehnt er es ab, sich an ein System zu binden... erklärt er, er glaube nicht an Zweckbestimmung; sieht er sich in Gedanken als Gott, der selbst keinerlei Glauben hat, aber auf alle Religionen hinabblickt, - dann sinkt er nach und nach zurück in die Unentschiedenheit der streunenden Tiere und die Bewußtlosigkeit der Gräser. Bäume haben keine Dogmen. Rüben sind extrem weitherzig.“ (Gilbert Keith Chesterton, „Ketzer – Eine Verteidigung der Orthodoxie gegen ihre Verächter“)

Bevor wir uns aber den Wegen des rebellierenden Bewußtseins nähern, wäre doch endlich die Frage zu stellen (sie ist natürlich schon halb beantwortet), was denn den Menschen, dessen Existenz naturgemäß absurd ist, in diese Bredouille gebracht hat. Es war natürlich Gott.

Gott

Von Augustinus gibt es das schöne Wort „homo desiderium dei.“ – „Der Mensch ist die Sehnsucht nach Gott" oder „Der Mensch ist die Sehnsucht Gottes", es läßt sich in beide Richtungen übersetzen und beides ist wahr. Hinzu paßt ein anderes: „Kehre zu dir selbst zurück; im Inneren des Menschen wohnt die Wahrheit; und wenn du entdeckst, daß deine Natur wandelbar ist, gehe über dich selbst hinaus.“

Dávila sagt es leicht abgewandelt. Nach ihm ist Gott die Essenz der Mensch-Werdung, ein Vorgang, der aus biologischer Determiniertheit heraus nicht erklärt werden kann; im Gegenteil, ein Bruch, eine Spannung entsteht: Ein Organismus verweigert sich der Logik seiner tierhaften Existenz, er bricht die biologische Kontinuität. Mit dem Aufstieg aus der „dichten Tierhaftigkeit“ kommt es zur Geburt Gottes, sein Wesen ist in diesem Aufstieg des Menschen. Gott bedarf des Menschen zu seiner Existenz, aber er geht nicht aus ihm hervor, ja er mutet ihm die Freiheit zu, das rein Biologische zu übersteigen.

Wem hier etwas schwindlig wird, dem sei versichert, er steht nicht allein. Allein schon hier wird deutlich, daß ein Etikett wie „katholischer Denker“ ein wenig zu klein für Dávila ist. Allerdings ist es ist auch eine Herausforderung, die Gedanken Dávilas so nachzuzeichnen, daß man sie selbst versteht. Ich bezweifle, daß mir dies bisher hinreichend gelungen ist, oder in seinen Worten:

„Meine einzige Angst ist die, daß meine Mittelmäßigkeit entwürdigen könnte, was ich bewundere.“

1. Teil, beendet am 23. Mai, wird fortgesetzt
2. Teil, beendet am  7. Juni, hier

Freitag, 17. Mai 2013

Über Tribune & Tribunale


Blick auf das Forum Romanum im Alten Rom, 1866

"Tribun [lat.]: Titel röm. Beamter und Offiziere" schreibt mein Lexikon der Antike (Leipzig 1982), das inzwischen so vergilbt ist, daß man auf den ersten Blick ohne nachzudenken glauben könnte, es sei in Herculaneum ausgegraben worden. Weiter erfahre ich dort, es habe zum einen das Amt des Militärtribunen (tribunus militum) gegeben, in der römischen Republik die sechs höheren Offiziere jeder Legion, die abwechselnd kommandierten. Ihre Bedeutung wäre gesunken, als im 1. Jahrhundert v. Chr. die dem Senatorenstand angehörenden Legaten den Befehl über die Legionen übernahmen. In der Kaiserzeit habe dann jede Legion einen Militärtribun senatorischer und fünf ritterlicher Herkunft gehabt. 

Stefan Bauer, Blick über das Forum Romanum, Rom

Davon zu unterscheiden seien die Tribuni militum consulari potestate (Militärtribunen mit konsularischer Macht), römische Oberbeamte in der frühen Republik, die anstelle der Konsuln gewählt wurden (wer mag, kann das hier nachlesen).

Und dann gab es die Volkstribunen (tribunus plebis) seit etwa 490 v. Chr., deren Hauptaufgabe in der Vertretung der plebejischen Interessen gegenüber den Patriziern bestand. Seine Person war sakrosankt. Besondere Macht besaß der Volkstribunen durch das Vetorecht gegen die kurulischen Magistrate und den Senat. Er konnte Versammlungen der Plebs einberufen. In der Kaiserzeit erlosch die Bedeutung des Amtes, seine Funktion aber lebte in der Tribunicia potestas des Kaisers fort, sie begründete einen wesentlichen Teil seiner Macht. Bekanntlich war das „Amt“ des „Kaisers“ für die Römer anfangs schwer in ihre „Verfassungsordnung“ einzugliedern („Könige“ durften sie schließlich nicht sein), dies war eine der Konstruktionen, mit denen man sich behalf.

Lotharkreuz Domschatzkammer Aachen mit Augustus-Kameo

Dies ist nicht so ganz aufregend. Abgesehen davon vielleicht, daß es zur Entstehung des Amtes des  Volkstribunen eine hübsche Geschichte bei Titus Livius gibt, Hintergrund die „secessio plebis in montem sacrum“ - der Auszug des römischen Volkes auf den heiligen Berg:

Wir sind der Überlieferung nach im Jahre 494 v. Chr., die Patrizier hatten sich der Könige entledigt und eine aristokratische Republik begründet, in der die Plebejer, der andere Teil des römischen Volkes, eher wenig zu lachen hatten.

Nach einem Feldzug wurden die Versprechungen, die dem plebejischen Teil des Heeres gemacht worden waren, vom Adel nicht eingehalten, die Plebejer zogen empört auf den Mons Sacer und erwogen, sich ihre eigene Stadt zu gründen. Darauf schickte man zu ihnen Agrippa Menenius Lanatus und der erzählte folgende Geschichte:

B. Barloccini, Secessio plebis, 1849

Vorzeiten wären die Menschen keine ihrer Einheit bewußten Wesen gewesen. Jeder Körperteil handelte für sich selbst, habe sogar seine eigene Sprache gehabt. Schließlich empörte sich alles gegen den Magen, der, wie sie glaubten, untätig mitten im Leibe lag und von den Anstrengungen der übrigen lebte. Der Magen aber tue nichts dafür, sondern genieße sein Wohlleben.

Man verschwor sich also gegen ihn, die Hände wollten keine Speisen mehr zum Munde führen, der Mund nichts aufnehmen, die Zähne nicht kauen, und so fort. Das sollte den Magen gefügig machen.

Doch alle Glieder und der ganze Körper verfielen und verloren ihre Kraft. Darauf erkannten sie, daß der Magen wohl doch nicht müßig war und auf irgendeine Weise die Kraft der aufgenommenen Nahrung an die Glieder weitergab.

Menenius Agrippa schloß, der Zorn des Volkes gegen den Adel sei diesem inneren Aufruhr zu vergleichen, und besänftigte so den Zorn des Volkes.

Soweit die Geschichte, tatsächlich wurde der Zorn des Volkes wohl durch einen ersten Interessenausgleich gemildert, wozu eben das Amt des Volkstribunen gehörte. Und abgesehen davon begannen die ungehobelten Römer, rechtlich zu denken, was über die Jahrtausende noch Erhebliches mit sich bringen sollte.

Die Wendung vom „Volkstribunen“ taucht übrigens heute allenfalls noch polemisch auf, ansonsten vielleicht noch in Quiz-Shows (wir nähern uns - nach längerem Anlauf - dem Anlaß für diese Anmerkungen).

Giuseppe Vasi, Ponte Nomentano mit Heiligem Berg im Hintergrund

Ich gestehe, ich halte herzlich wenig von Kreuzworträtseln. Heute war in der hiesigen Lokalzeitung offenkundig als Synonym für „Indiz“ das Wort „Beweis“ gefragt, aber wenn man das Niveau der Berichterstattung zum gegenwärtigen Hauptaufreger-Prozeß sieht, verwundert das wiederum auch nicht. Aber das kann der Herr Morgenländer alles viel besser decouvrieren als ich mit meinen überschaubaren Geistesgaben. Er erinnert übrigens unter dem recht tapferen Titel „Gerechtigkeit für Beate Zschäpe“ an ein paar Grundsätze des Rechts, die wir eben o.g. Römern zuerst zu verdanken haben.

Aber nicht nur mit dem Ernstnehmen gewisser Grunsätze bei leidlicher juristischen Grundbildung ist es in den Zeiten von „Schwarm-Intelligenz“ und instinktgesteuertem Herden-Denken nicht mehr weit her. Auf die gleiche selbstgefällige Wurstigkeit trifft man, und so schließt sich der Kreis, wenn man vom Tribun zur Tribüne springt, und glaubt, dies müsse ebenfalls etwas mit Recht zu tun haben. So geschehen in einer dieser Sendungen, die ich nicht sehe, die Frage lautete: „Wer auf der 'Tribüne' Platz nimmt, tut dies der Wortherkunft zufolge eigentlich, um…? Als Antwort wurde erwartet: „B) Recht zu sprechen“.

Aber ich mag dazu eigentlich nichts mehr sagen, ein anderer Blog aus Bremen, der Bremer Sprachblog, hat das hinreichend getan, so man das alles genauer und richtiger wissen will.

beendet am 18. Mai

Donnerstag, 16. Mai 2013

Frühling &




Oskar Loerke

Lindenblüte

Träume gehen
Mir voran
Wie auf Füßen,
Und sie stehen
Dann und wann
Unter süßen
Bäumen still und sehn mich an.

Doch sie lassen
Ungesehn
Mich vorüber.
… Düfte fassen
Sie und drehn
Kreisend über
Erd und Wipfel ihre Zehn.



Ludwig Tieck 

Blumen

Blumen sind uns nah befreundet,
Pflanzen unserm Blut verwandt,
Und sie werden angefeindet,
Und wir tun so unbekannt.

Unser Kopf lenkt sich zum Denken
Und die Blume nach dem Licht,
Und wenn Nacht und Tau einbricht
Sieht man sich die Blätter senken.
Wie der Mensch zum Schlaf einnickt,
Schlummert sie in sich gebückt.

Schmetterlinge fahren nieder,
Summen hier und summen dort,
Summen ihre trägen Lieder,
Kommen her und schwirren fort.

Und wenn Morgenrot den Himmel säumt,
Wacht die Blum' und sagt, sie hat geträumt,
Weiß es nicht, dass voll von Schmetterlingen
Alle Blätter ihres Kopfes hingen.



Martin Opitz

Ein Garten ist die Welt: Die Blumen ihre Lust:
Hier schön und schöne hier / wohin du gehen mußt.
Der Lilien weißer Glanz / der Majoran nicht minder /
Der süße Bienenklee / des Frühlings erste Kinder
Die Veilchen brechen aus; doch lassen sich ingleichen
Das bleiche Sorgenkraut und scharfe Senf wohl an:
Der Winter ist der Tod / dem Lilie / Majoran /
Klee / Veilchen / Sorgenkraut und scharfer Senf muß weichen.



Sonntag, 12. Mai 2013

Sonntag & Exaudi



Exaudi, Domine, vocem meam, qua clamavi ad te; miserere mei, et exaudi me!
Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe! Sei mir gnädig und erhöre mich!
Ps 27,7

Der Sonntag Exaudi steht zwischen Pfingsten, das unmittelbar bevorsteht, und Christi Himmelfahrt, die gerade geschehen ist. Zwei auf den ersten Blick eher unspektakuläre Feste des Jahreskreises, hinter denen wahre Dramen stecken.


An dem „resurrexit tertia die… et ascendit in cœlum“, „am dritten Tage auferstanden... und aufgefahren in den Himmel“ scheidet sich nicht nur das Christliche vom Nicht – Christlichen, es beschreibt auch „innerkirchlich“ die Grenze zwischen denen, die das Christliche als eine Art moralisch - kulturelle Gewohnheit sehen, die man sich zeitgenössisch zurechtmachen müsse, und denen, die wissen, daß ihm immer etwas Befremdliches anhaften muß, oder wie Paulus im 1. Brief an die Korinther schreibt (1,23); „wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit“.


Und dann Pfingsten, die Verheißung des „Trösters“, des Heiligen Geistes, des Beistandes Gottes, der über den Aufstieg Christi hinaus seine Gegenwart verbürgt. Die dritte Person der Heiligen  Dreifaltigkeit, Lieblingsgestalt aller Schwarmgeister, Irrlehrer und aufgeregten Phantasten, schwer faßbar, so daß er, sagen wir, nicht unbedingt im Zentrum der solideren christlichen Tradition steht. In der Tat, schwierig das alles.

Hm, das wollte ich eigentlich gar nicht schreiben, es ist mir sozusagen gerade zugestoßen. Es sollte nur den üblichen Sonntagsnachtrag geben. Wir saßen also draußen und es regnete (aus einem grimmigen Einfall heraus hörten wir irgendwann „Jazz for rainy days“, also ich fand es wunderbar).


Das Essen selbst war geteilt. Meine Frau Mutter teilte mir mit, daß sie meine Hackbraten nicht mag. Nun, es gibt wahrlich Schlimmeres. Sie machte also ihre „Klopse“ (Hackfleischbälle, gemischt mit  Zwiebeln, Ei und Semmelmehl und gebraten in viel ausgelassenem Speck), ich veranstaltete eine neue Variante meines Hackbratens. Kurz beschrieben: Champignons und Zwiebeln wurden angebraten, mit dem Hackfleisch vermischt, zusammen mit Semmelmehl, Eiern, frisch gehacktem Thymian und Petersilie, Pfeffer, Salz und etwas Tomatenmark (darum sieht es so schwarz aus -  der Zucker!), und im Backofen gebacken. Das Tomatenmark hätte ich besser weggelassen; ansonsten, nett.


Dazu den ersten Spargel des Jahres mit eine Sauce Hollandaise.


Vielleicht ist jemand erfolgreicher im Auffinden von Musikstücken als ich, sicherlich (außerdem läuft mir gerade die Zeit etwas davon), dann empfehle ich, doch einmal nach dem Folgenden zu suchen: „Unravel“ - Maria Joao, „Come In From The Rain“ - Shirley Horn, „Soon It´s Goona RainArt“ - Art Van Damme, „Rain“ - Jimmie Lunceford & His Orchestra, „A Lazy Afternoon“ - Ernestine Anderson...


Swingle Singers - Unravel