Sonntag, 13. Dezember 2009

Für Pilgrim



Gottfried Benn

Was schlimm ist

Wenn man kein Englisch kann,
von einem guten, englischen Kriminalroman zu hören,
der nicht ins Deutsche übersetzt ist.

Bei Hitze ein Bier sehn,
das man nicht bezahlen kann.

Einen neuen Gedanken haben,
den man nicht in einen Hölderlinvers einwickeln kann,
wie es die Professoren tun.

Nachts auf Reisen Wellen schlagen hören
und sich sagen, daß sie das immer tun.

Sehr schlimm: eingeladen sein,
wenn zu Hause die Räume stiller
der Café besser
und keine Unterhaltung nötig ist.

Am schlimmsten:
nicht im Sommer sterben,
wenn alles hell ist
und die Erde für Spaten leicht.



Rainer Maria Rilke

Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.



Rainer Maria Rilke

Herbst

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält



Ich bin gestern gebeten worden, ob ich diese 3 Gedichte heute zu einem Post zusammenstellen könne, um damit an jemanden zu erinnern, der vor genau 2 Jahren starb und dem, der darum bat, sehr wichtig war. So wichtig, daß er sich nicht in der Lage fühlte, selbst etwas dazu zu schreiben.

Die Frage ist erlaubt, warum diese 3 Gedichte nicht schon früher am Tage hier auftauchten. Nun, weil ich noch kurz selbst etwas dazu bemerken wollte und mich ausgesprochen ratlos vorfand. Aber, wo wir doch noch miteinander gesprochen haben, will ich es bei diesem bewenden lassen.


Arnold Böcklin, "Die Toteninsel", 3. Fassung
hier gefunden

Rainer Maria Rilke

Schlußstück

Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen,
Lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
Wagt er zu weinen
Mitten in uns.

4 Kommentare:

Walter A. Aue hat gesagt…

Es ist etwas Seltsames um die Traurigkeit. Ihre Schoenheit ist tiefer und anhaltender als die der Froehlichkeit. Schubert soll einmal auf die Frage, warum er denn immer nur traurige Lieder schreibe, geantwortet haben: "Ja, gibt's denn andere?"

There is a strange attraction about sadness. Its beauty is deeper and more enduring than that of gladness. In America, sadness has been excluded from public discourse and relegated to the blues and to "folk music". Pity!

Pilgrim hat gesagt…

I don´t know how to thamk you! Merci, mon ami! Ptrpz Pilgrim

Pilgrim hat gesagt…

To Mr. Aue N/A

Walter A. Aue hat gesagt…

To Pilgrim: Sorry! My comment was premature; it solely addressed the two autumnal Rilke poems.