Burg Pfalzgrafenstein bei Kaub
Die Befreiungskriege, die auch als Jahrestag längst geschlagen sind, wirken ganz eigentümlich. Sie vereinen so viel in sich, nicht zuletzt an Vorahnungen und Visionen, die dann still am Wege verschieden. Eine konfuse Zeit. Mindestens so verworren wie die heutige, nur waren die meisten Akteure bedeutender, vielleicht. Aber nicht unbedingt charakterstärker, das wäre eine weitere Illusion.
Da ich bei diesen Temperaturen sowieso nicht schlafen kann, beginne ich also mit einem meiner berüchtigten Nachträge und zitiere im nachfolgenden zuerst einfach wieder den „Bildersaal deutscher Geschichte“ (und das nicht aus Gedankenträgheit), den ich hier u.a. vorgestellt habe. Der Fürst Blücher, von dem bald sie Rede sein wird, kommt übrigens früher an dieser Stelle (viel zu kurz) vor.
Wir sind im Jahre 1813, die Völkerschlacht von Leipzig ist gerade ruhmreich geschlagen, aber die deutschen Fürsten wollen sich trotzdem lieber irgendwie durchmerkeln. Sie machen Napoleon ein Friedensangebot:
"Am 2. Dezember empfingen die Verbündeten Napoleons Antwort, eine solche, auf die sie unmöglich eingehen konnten; so sollten eine Reihe wichtiger rechtsrheinischer Plätze und ein Teil Hollands französisch bleiben, Holland müßte Republik werden, die einzelnen Staaten Deutschlands dürften sich nicht in einem Bunde vereinigen, Westfalen sollte unter Jérôme ein von Frankreich unabhängiges Königreich werden, Preußen sollte nur Magdeburg zurückerhalten, dagegen Erfurt für den Verlust Warschaus an Sachsen fallen. Napoleons Verblendung rettete Deutschland vor der Gefahr, das linke Rheinland zu verlieren, und nötigte selbst die Friedfertigen zur Fortsetzung des Krieges.
An demselben 2. Dezember verkündete eine Proklamation der verbündeten Fürsten, daß der Krieg fortgesetzt werden müsse, daß er sich nicht richte gegen Frankreich, sondern gegen Napoleons zügellose Machtstellung, und daß er zum Ziele habe die Unabhängigkeit Frankreichs und aller Staaten Europas. Dieser Entschluß der Fürsten zum Kriege machte den alten Blücher wieder froh und wohlgemut, ja ausgelassen heiter, so daß er es sich gefallen ließ, daß man seinen Geburtstag zweimal festlich beging und daß er selbst bei dem ihm zu Ehren veranstalteten Balle eine Quadrille mittanzte.
All diese Freudigkeit war nur der äußere Widerschein der frohen Siegeshoffnung, die ihn erfüllte. Zwar gelang es ihm im Dezember wegen des stark treibenden Grundeises nicht, Brücken über den Rhein zu schlagen und die Festung Mainz völlig einzuschließen; aber er bereitete doch den Rheinübergang sorgfältig vor und verlegte, den Feind zu täuschen, am 29. Dezember sein Hauptquartier zurück nach Frankfurt. Sacken sollte den Rhein bei Mannheim, St. Priest bei Koblenz, York bei Kaub überschreiten.
York war davon bereits von Höchst aus am 26. Dezember durch folgenden Brief Blüchers benachrichtigt worden: "Eü Excellenze benachrichtige vorleüffig ganz Ergebst, wie ich den 1. January mit tages anbruch den Reihn mit der Armeh Paßiren werde, die Disposition soll morgen erfollgen um mein vorhaben zu verheimligen werde ich den 29t dieses mein quartir nach Frankfuhrt verlegen, und solche einrichtung treffen lassen als wen ich uf eine Dauer da verbleiben werde."
Burg Pfalzgrafenstein von Süden
Wilhelm Camphausen: Blüchers Rheinübergang bei Kaub
Und nun hinein nach Frankreich, nach Paris! Zwar siegte Napoleon Ende Januar 1814 über Blücher und die Russen bei Saint Dizier und Brienne, aber am 1. Februar unterlag er Blücher bei La Rothière, es war die erste Niederlage auf heimischem Boden, unglückverkündend wies sie ihn in die Zukunft. Daher gab er seinem Gesandten für den am 8. Februar in Châtillon eröffneten Friedenskongreß weitgehende Vollmachten. Doch das Glück schien sich ihm wieder zuzuwenden. Blücher marschierte die Marne, Schwarzenberg die Saone abwärts; Napoleon schob sich zwischen beide Armeen und schlug sie.
Jetzt sprach er voll Siegesgewißheit: "Was denken meine Feinde von mir? Ich bin jetzt näher zu Wien als sie zu Paris!" und zog die Friedensvollmachten zurück. Sein Glück hatte ihn geblendet; er kannte seinen Willen und sein Genie, aber er sah nicht, daß die Kräfte seiner Truppen versagten. Nach einem blutigen Gefecht bei Craonne wurde er von dem Heere des erkrankten Blücher am 9./10. März vor Laon mit großen Verlusten zurückgeschlagen (Blücher hatte sich bei Laon mit Bülow, der unterdessen Holland erobert hatte, vereint - Blücher war in den Tagen der Schlacht von Laon krank; ...) und am 20. März von Schwarzenberg bei Arcis sur Aube überwunden. War Napoleon verloren?
In schweren Gedanken sehen wir ihn vor einem Kamine stehen, Vergangenheit und Zukunft überdenkend... Wäre es nicht besser gewesen, die Anerbietungen der Gegner von Frankfurt und dann von Châtillon anzunehmen und sich mit den natürlichen Grenzen Frankreichs zu begnügen? War seine Herrschaft in Paris noch sicher? Sollte er dem Feinde vor den Toren seiner Hauptstadt entgegentreten? Durch einen kühnen siegreichen Zug nach den Vogesen und durch einen Einfall in Süddeutschland, in die Gebiete der auch jetzt noch ihm geneigten ehemaligen Rheinbundfürsten, hoffte er die Heere der Verbündeten zum Rückzug zu zwingen. Es war das Wagnis eines Spielers, der mit dem letzten Wurfe alles wagt und alles verliert. Am 29. März standen die Verbündeten vor Paris. Die Kaiserin Marie Luise floh, König Joseph, des Kaisers Bruder folgte; die Marschälle Marmont und Mortier versuchten die Stadt zu halten, umsonst; am Abend des 30. März. boten sie die Übergabe derselben an.
Von der Höhe des Montmartre aus schaute Gneisenau mit leuchtenden Augen voll Siegesstolz auf die besiegte Stadt, von der aus so viel Unglück über sein Vaterland gekommen war; Blücher aber war ein solch herzergreifender Anblick nicht vergönnt, ihn quälten heftige Augenschmerzen, er und die Freunde fürchteten, daß er erblinde. Und doch durchzog sein Herz ein großes Gefühl des Stolzes und der Befriedigung, voll Wehmut und Freude sprach er: "Luise ist gerächt.""
Caub und die Pfalz im Rhein um 1900
nachgetragen am 2. Juli
die dazu nachfolgenden Beiträge sind als "älter"angehängt
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