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Freitag, 19. Juli 2024

Tagesbeobachtungen

Frühsommerfeld mit Mohn- und Kornblumen sowie Kamille in Pommern, hier gefunden

Die Erheiterung, während der man bemerkt, daß man entnervt nach einem Gedanken "virtuell" zurücksucht, den man nur eben gerade handschriftlich niedergeschrieben hat.

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Erklärung: Auch nur ein heimatversichernder Mensch, versuche ich natürlich Dinge aufzurufen, die dem Gemüt Stärke und Zutrauen schenken, und sei es die Lieblingsblume unserer Königin und eines ihrer Söhne. Darum das Eingangsbild und das Ausgangslied, das sich wiederum auf dessen Sohn bezieht (mit hilfreichen Verweisen).

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Profanes: Wie möglicherweise die meisten, lasse ich beim Aufschneiden eines Brotes einen Kanten übrig, der sich anschließend zu dem Übrigen zusammenfügen läßt, warum auch immer. Kürzlich, beim Wieder-Auswickeln, schoß mir dieser Kanten geradezu aus der Hand und dabei um die Ohren, ich versuchte ihn zu fangen, finde ihn seitdem aber nicht mehr. 

Nun sind meine persönlichen Gemächer seit länger neulich doch eher übersichtlich geschrumpft, was wunderbar ist, wie ich gelernt habe. Aber: Es gibt keinen logischen Ort, an dem sich dieser, zielsicher inzwischen verrottende Kanten verstecken könnte. Es kann ihn nicht geben. Das frißt wirklich an den Nerven.

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Resentment ist reichlich sicher das Schlüsselwort zur Erklärung des Linken, wie Prof. Jordan Peterson (nur als Einstiegshilfe für die, welche lange unter einem Stein leben mußten) klar ausgeführt und (als unser Hausgespenst der verdienstvolle Herr Klonovsky - man möge die Belege bitte selber suchen) Herr K. an Ungestalten der französichen Revolution -  von der das ganze große Unglück seinen Ausgang nahm - hinreichend beschrieben hat -  all diese erfolglosen Advokaten, Literaten, Mißgestalteten, die einen Urheber ihres faktischen Elends (der möglicherweise einfach ein natürlicher war) suchen und auslöschen mußten. 

Und ginge darüber die Welt zugrunde. Was sie irgendwie ja dann auch tat.

Jetzt aber taucht dieses Wort neu auf: J.D. Vance sei „wütend und rachsüchtig“. Rachsüchtig? Und geht nicht zur Linken? Warum eigentlich wendet er sich gegen die, die immer nur das Beste für die Elenden dieser Welt zu suchen behaupten. Er sei ganz klar ein Verräter. Dadurch sei er auch „die perfekte Besetzung für Trumps Rache“. Letzeres allerdings kann ich nachvollziehen.

Das ist vielleicht so, nur kommt jetzt die Rachsucht von der anderen Seite. Das macht es nicht besser. Etwas geschieht hier gerade. Und gespenstisch, wie klein diese Zirkel sind, selbst in diesem vermeintlich nicht nur äußerlich weitläufigen Nordamerika. In die der Donald da dazwischengetrumpelt ist.

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En Nachtrag, gewissermaßen auch zu meinem jüngsten widerwilligen Ausflug in die Gegenwart. Und zu dem Gemeinten, das und das und, was das nachfolgende Lied betrifft, das:

 von hier


Der Kaiser ist ein lieber Mann,

und wohnet in Berlin,

und wär' das nicht so weit von hier,

so ging' ich heut' noch hin.


Wisst ihr, was ich beim Kaiser wollt'?

Ich gäb' ihm meine Hand,

und brächt' das schönste Blümchen ihm,

das ich im Garten fand.


Und sagte dann: In treuer Lieb'

bring' ich das Blümchen dir!

Und dann lief' ich geschwinde fort,

so wär' ich wieder hier.

Freitag, 21. Januar 2022

Über den Prinzen Carl & das Ende einer Linie

Ansicht des Schlosses Glienicke vom Babelsberg aufgenommen, Carl Daniel Freydanck, ca. 1838, Bild von hier

Was läßt sich Überwältigenderes, Bleibenderes, Trostreicheres über jemanden sagen, als daß er Schönheit in die Welt gebracht hätte. Wir wissen ja meist nur, was andere berichten. Aber wenn wir wirklich Glück haben, finden wir die noch die unmittelbare Anschauung davon. 

Vor 12 Jahren fragte ich an dieser Stelle, was die Königin Luise denn Bleibendes hinterlassen hätte. Nun, ihre Kinder zuallererst. Recht unterschiedlich begabte, aber immer äußerst charaktervolle Kinder. Die Königin soll gesagt haben, er wäre ihr schönstes Kind. So es stimmt, das hätte er wiedergegeben. 

10. Geburtstag von Kronprinz Friedrich Wilhelm 1805 in Paretz (Gemälde von Heinrich Anton Dähling), stehend zwischen seinem Vater, König Friedrich Wilhelm III., und seinen Brüdern Wilhelm und Karl. An Königin Luise lehnt sich Prinzessin Charlotte, daneben ihre Schwester Alexandrine. Bild von hier

Ich spreche vom Prinzen Carl und von Schloß Glienicke. Er hatte das Landgut bei Potsdam 1824 erworben und sah hier die Möglichkeit, seine Italieneindrücke von 1822 im Märkischen in gestalteten Raum zu verwandeln, das Zusammenwirken von antiker Überlieferung und Formempfinden, Architektur und Skulptur, sprechend zu einer zugeneigten Landschaft.

Potsdam und seine Umgebung sind zuerst Stein gewordene königliche Träume, was immer andere dazugetan haben mögen. Davon ist das Schloß Glienicke ein ganz eigentümlicher Teil. Friedrich Wilhelm IV., dem der Ort vieles zu verdanken hat, unterstützte noch als Prinz den Bruder, der ihm mit Sicherheit nicht im Geringsten an Kunstsinn und Begeisterungsfähigkeit für das bedeutsam Schöne nachstand, dabei, seine „italienische Phantasie" Gestalt gewinnen zu lassen.

Blick von der Römischen Bank auf Schloss Glienicke, Carl Daniel Freydanck, ca. 1845 / 1838, Bild von hier

Karl Friedrich Schinkel und Ludwig Persius als Architekten sowie Peter Joseph Lenné als Gartenschöpfer schufen dann eine Synthese von Bauten und Landschaft, die beeindruckt mit ihren Sichtbeziehungen zum weiteren Raum, den vollendeten Proportionen, der sanften Harmonie, beiläufiger Schönheit und anhänglicher Überlieferungsfreude, die sich an den gesammelzen Artefakten zeigt, wie antiken Mosaiken aus Karthago und Marmorfragmenten von antiken Skulpturen und Sarkophagen.

Stibadiumsskizze, Carl Daniel Freydanck, 1847, Bild von hier

Man mag sagen, daß dem Prinzen Carl bei seinen glänzenden Anlagen eine wirklich angemessene Aufgabe verwehrt blieb, was zu einer gewissen Resignation geführt haben kann. Unberechtigterweise, denn immerhin sein Werk Glienicke leuchtet seitdem durch die Zeit. 

Er begründete eine Linie des Hauses Preußen. Am 21. Januar 1883 verstarb Carl von Preußen, Sohn des Königs Friedrich Wilhelm III. und der Königin Luise. Diese Linie endete im Mannesstamm mit dem Tod von Friedrich Karl von Preußen am 19. Juni 2006.

Nachfolgend ist der Trauergottesdienst dokumentiert, den Herr Roloff aus diesem Anlaß halten durfte. 

Reiterportrait, Prinz Carl von Preußen, Friedrich Anton Kilp, ca. 1872, Bild von hier


Trauerrede

auf

SKH Prinz Friedrich Karl von Preußen

(13. März 1919 - 19. Juni 2006)


St. Peter und Paul auf Nikolskoe, 13. Juli 2006


St. Peter und Paul bei Nikolskoe, Carl Daniel Freydanck, 1844, Bild von hier

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

„Wer da glaubt, daß Jesus sei der Christus, der ist von Gott geboren; und wer da liebt den, der ihn geboren hat, der liebt auch den, der von ihm geboren ist.

Daran erkennen wir, daß wir Gottes Kinder lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten.

Denn das ist die Liebe zu Gott, daß wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer,

denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ Amen (1. Joh. 5, 1-4)

Noch einmal klingt sein Name laut durch diese Kirche, die seine Vorfahren zur alleinigen Ehre Gottes aber auch zur Verschönerung der Landschaft hier hoch über den Wassern haben errichten lassen.

Noch einmal klingt sein Name laut in diesem Raum und reiht sich in die Folge der Namen von Königssöhnen, die sich unlöslich verbunden haben mit dem Land, das ihren eigenen Namen trägt und dessen Namen sie tragen.

Noch einmal erklingt sein Name:

Prinz Friedrich Karl Viktor Stephan Christian von Preußen.

...und verklingt.

Er führte das Prädikat „Königliche Hoheit“ und hat nun abgelegt alles, was von Hoheit an ihm war und was königlich gewesen, das ist nun fern.

Wappen von Prinz Friedrich Karl von Preußen als Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies, Bild von hier

Wir haben uns versammelt um das herum von ihm, das sterblich war und wollen Abschied von ihm nehmen hier an dem Ort, der wie kaum ein anderer mit seinem Zweig der Familie verbunden war, der nun mit ihm erlischt.

Als Friedrich Karl von Preußen am 13. März 1919 in Glienicke geboren wird, ist die Monarchie bereits zerstört.

Von Anfang an zeugte also schon sein Name von einer anderen Welt, von vergangener Zeit. Das Oberhaupt der Familie war im Exil, das Land zerrissen, die Gefahren längst nicht gebannt. In allem drückte sich aus, dass diese Welt noch weniger Heimat sein konnte als jemals und auch ein königlicher Prinz nur ein Wanderer ist, ohne bleibende Stadt. Ist dort schon die Ursache zu suchen für das Unbeständige, das sein Leben immer wieder tragisch überschattete?

Friedrich Karl war gerade acht Jahre alt, als er seinen Vater, Friedrich Sigismund, einen erfolgreichen und bewunderten Reiter, der unser Land bei der Olympiade in Amsterdam vertreten sollte, durch einen Unfall verlor.

Der Vater hatte im Sport einen Weg gefunden, seinem Land zu dienen, seiner Familie Ehre zu machen und sich selbst Ziele zu setzen. Gerade hatte er seiner Familie ein Haus am Lehnitzsee erworben, konnte es selbst aber nicht mehr beziehen.

Wir haben hier keine bleibende Stadt.

St. Peter und Paul in Berlin-Wannsee. Kolorierte Lithographie, ca. 1850, Bild von hier

Es war nun die Mutter allein, die ihre beiden Kinder mit der Liebe einer Frau aufzog, die leider auch viel zu früh sterben musste. Seit 1938 waren beide Kinder Waisen.

Im II. Weltkrieg diente Friedrich Karl als Oberleutnant, bis er im August 1943 in Folge des so genannten „Prinzenerlasses“ aus der Wehrmacht entlassen wurde. Damit war ihm die Möglichkeit genommen, dem zu entsprechen, was der Herzog von Braunschweig schon im I. Weltkrieg durch die Worte beschrieben hatte: „Für uns Fürsten ist das einzige, was wir für die braven Leute tun können, das, dass wir mit ihnen leiden, bei ihnen sind, ihnen zeigen, dass wir auch wie sie von allem fern bleiben müssen und können.“

Ein Studium der Forstwirtschaft folgte und verschaffte Friedrich Karl zumindest Möglichkeiten, um in der Heimatlosigkeit, die dem Zusammenbruch folgte, wieder Fuß zu fassen. Nachdem er 1961 Lady Stuart geheiratet hatte, hätte eigentlich sogar doch noch ein schönes Leben beginnen können.

Es war ihm nicht vergönnt.

Ein grauenhafter Unfall entriss ihm die geliebte Frau. Auch die Geburt als Prinz verschafft kein Anrecht auf Glück. Friedrich Karl ging für einige Jahre nach Afrika. Er erlebte das Scheitern einer zweiten Ehe, bevor er sich für seine letzten Jahre auf die spanischen Balearen zurückzog.

Von dort ist er nun hierher heimgekehrt. Als den letzten Herrn auf Glienicke werden wir ihn anschließend auf dem Prinzenfriedhof beisetzen, auf dem auch schon seine Eltern ruhen.

Sein Leben, wie auch sein Leib sind nun zu Asche verbrannt. Mehr wäre also nicht zu sagen, wenn er nicht getauft wäre in Jesus den Christus, denn dadurch ist er von Gott geboren.

Gott prüft uns in unserem Leben, zuweilen entreißt er uns was wir lieben, zuletzt ruft er uns selbst aus dieser Welt, aber niemals verlässt er uns.

Durch diese Liebe zu einem Gott, der uns nicht verlässt, ertragen wir die Verlassenheit. Die Verlassenheit, die uns in dieser Welt befällt, wird zur Gnade, weil sie uns zu jeder Zeit in Erinnerung ruft, dass wir auf dieser Welt nicht ganz zu Hause sind, sondern die künftige suchen.

Das Leid, das wir zu tragen haben, bleibt nicht sinnlos, weil es uns Anteil nehmen lässt am Leid der Mitmenschen und am Leid Christi. Die Ruhelosigkeit wird zum Zeichen für alle, weil sie kündet von der Ruhe, die wir eben nur finden können bei Gott.

Wie verwandelt ist nun unser Blick auf Friedrich Karl. Das was für ihn schwer zu tragen war, wird uns zum Zeichen.

St. Peter und Paul - Schnitt Altarnische, Bild von hier

Die ganz selbstverständliche, keine Grenzen kennende, universale und kosmopolitische Wirklichkeit seiner Familie ist etwas, um das die Völker heute wieder ringen, nachdem sie ihren Wert so lange gering geschätzt haben.

Die Bedeutung der großen Familien ist doch auch darum gesunken, weil das Bewusstsein von der Einheit, Gemeinsamkeit und von dem Wert der Geschichte geschwunden ist. Wir alle werden diese Gewissheit aber nur wiederfinden in dem Glauben, der Menschen und Völker untereinander verbindet und auch zu dem Gott führt, der in Christus alles niederreißt, was uns trennen will und sei es der Tod.

In diesem Glauben hat Friedrich Karl gestanden und nun alle Hoheit und alles Königliche abgelegt, in das die Welt ihn gestellt hat, und das sie doch nicht erfüllen konnte.

Von diesem Tag an kündet aber die Kirche hier hoch über den Wassern auch von seinem Leben und von dem Leid, das ihn heimgesucht hat, denn er ist nun aufgehoben in die Verheißung: Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. In diesem Sieg werden ihm Hoheit und Königlichkeit zu Teil, die unvergänglich sind.

Amen


Lasset uns beten:

Herr, unser Heiland,

du kommst zu uns mit unergründlicher Liebe

und gibst uns den Frieden, der höher ist als alle Vernunft.

Amen

St. Peter und Paul in Berlin, Christus, Bild von hier

nachgetragen am 23. März 2022


Montag, 2. September 2019

Beiläufig über Kornblumen &

Die Gartenlaube (1887). S. 193, Originalzeichnung von A. Zick,
„Königin Luise bekränzt auf der Flucht nach Memel 
den Prinzen Wilhelm mit Kornblumen.“, hier gefunden

Die obige Abbildung folgt einer anderen Erzählung darüber, wie die enge Verbindung des Andenkens an die Königin Luise mit der Kornblume entstand, als die nachfolgende.

"Kornblume - ständige Begleiterin in Getreidefeldern"

"Die Lieblingsblume des deutschen Kaisers. 

Kaiser Wilhelm der Erste hat, wie man weiß, Blumen gern, und sein Geburtstagstisch ist stets mit einer Fülle der prachtvollsten Sträuße bedeckt, aber auch eine gar schmucklose Blume des Feldes, die Kornblume nämlich, darf unter ihren glänzenderen Schwestern niemals fehlen. Alle Söhne und Töchter der verewigten Königin Louise von Preußen bewahren für sie – im Andenken an die theure Dahingeschiedene – eine ausgesprochene Vorliebe, welche sich auf ein scheinbar höchst unbedeutendes Begebniß zurückführen läßt.

Die Königin Louise verlebte bekanntlich zwei Jahre – von 1806 bis 1808 – in Königsberg und bewohnte während der Sommermonate eine daselbst vor dem Steindammer Thore belegene ländliche Besitzung. Die Einsamkeit dieses Aufenthaltes, in welchem nur das Rauschen der alten Waldbäume, das helle Gezwitscher der Vögel und das Summen leichtbeschwingter Insecten die tiefe Stille unterbrachen, that dem leidenden Gemüthe der schwer geprüften Fürstin wohl. Hier wandelte sie oft mit ihren Kindern und sprach sanfte, treue Mutterworte zu ihnen, welche den Sinn, das Herz, ihren Geist bilden, ihren Charakter stählen sollten.

Daniel Christian Rauch, Kreuzbergdenkmal
Prinzessin Charlotte als Juno des Friedens, hier gefunden

Eines Morgens, als die Königin mit den Kindern sich wiederum in den Park begeben wollte, bot ein Landmädchen, welches mit einem Korbe voll Kornblumen neben der Gartenpforte stand, diese der hohen Frau an. Louise beschenkte, freundlich dankend, das Mädchen, und nahm die Kornblumen, über deren herrliche blaue Farbe die zehnjährige Prinzessin Charlotte sich voll Bewunderung äußerte, mit sich in den Garten. Als man auf einem Ruhesitze Platz genommen hatte, versuchte die Prinzessin, nach Anleitung der Mutter, von den Kornblumen einen Kranz zu winden, und so groß war die Freude über den gelungenen Ausfall dieser Arbeit, daß die gewöhnlich bleichen Wangen der Prinzessin vom hellsten Roth überhaucht wurden. 

Und als sie dann den vollendeten Kranz auf ihr schönes Haar drückte, stand er dem feinen, edel geschnitzten Gesichte so trefflich, daß die zuschauenden Geschwister, darunter auch der jetzige Kaiser, durch laute Ausrufe von ihrer Freude Kunde gaben. Was mochte in dem Herzen der Königin sich regen, als sie die Augen ihrer Kinder so froh erglänzen sah über eine Spende, deren materieller Werth sich kaum beziffern ließ?

Centaurea cyanus, hier gefunden

Die Gewalt der Waffen hatte dem theuern Vaterlande Unglück über Unglück gebracht; wer konnte ahnen, daß die jetzt mit einem Kranze von Feldblumen geschmückte Prinzessin einst das Diadem einer Kaiserin auf ihrer Stirn tragen würde? Wer konnte ahnen, daß das scheinbar vernichtete Preußen einst seinen schützenden Arm vom Fels zum Meere breiten und Louisens Sohn als deutscher Kaiser das geeinte Deutschland zu ungeahnter Machtstellung und Ehre erheben würde?

Allein die Königin sah in dem einfachen, durch schuldlose Freuden beglückten Sinn ihrer Kinder ein Eden erstehen, aus dem unvergängliche Quellen des reinsten Genusses sich ergießen mußten. In tiefer Rührung zog sie die Geliebten an ihr Herz, und die Kornblume, welche ihr so Schönes offenbart, wurde und blieb ihre und ihrer Tochter Charlotte Lieblingsblume.

Pjotr Fjodorowitsch Sokolow, Kaiserin Alexandra mit Tochter Maria

Als Charlotte zwanzig Jahre später als Kaiserin von Rußland ihre Heimath durch einen Besuch erfreute, glaubten die Bewohner von Königsberg in der mächtigen Kaiserin die angenehmsten Erinnerungen zu wecken, wenn die jungen Mädchen, welche beim Einzuge der Fürstin ihr Blumen streuten, mit Kränzen von Kornblumen geschmückt, vor ihr erschienen. Und sie hatten sich nicht getäuscht; die Kaiserin sprach ihren Dank und ihre Freude aus, daß man die Kornblume gewählt, um sie zu ehren."

Die Gartenlaube (1877). Heft 3, Seite 56

Mohn, Kornblume und Hundskamille an einem Feld

nachgetragen am 4. September

Freitag, 19. Juli 2019

Luisens gedenken

Königin Luise von Preußen, 
Gemälde von Josef Maria Grassi, 1802, hier gefunden

Wer sich einmal das Vergnügen bereitet hat, in den Briefen der Königin Luise zu lesen, weiß, wie viel lebensvoll Unterhaltames, charmant Selbstironisches, Verspieltes wie Geistreiches sich darin findet.

Für ihren Todestag wäre das aber wohl unpassend. Ich habe daher zwei Stücke herausgesucht, die einen gänzlich anderen Ton anschlagen. In dem ersten Brief, an ihren Vater, hält sie sich in Königsberg auf, noch immer auf der Flucht vor Napoleon, in völliger Ungewißheit über die unmittelbare Zukunft, dabei aber eine eine unglaubliche Seelenstärke beweisend.

Der zweite Brief klingt zunächst weniger schwermütig. Doch wenn man weiß, daß es der letze an ihre Schwester Therese sein wird, erscheint er wie ein geahntes Vermächtnis. Zu beiden wird es am Ende ein paar Anmerkungen geben, ob sie nun nötig seien oder nicht.

Friedrich Georg Weitsch: Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise
im Park von Schloß Charlottenburg, 1799, hier gefunden

Aus 2 Briefen der Königin Luise von Preußen

Luisens „politisches Glaubensbekenntnis“ in einem Brief an ihren Vater vom April 1808 aus Königsberg

„Mit uns ist es aus, wenn auch nicht für immer, doch für jetzt. Für mein Leben hoffe ich nichts mehr. Ich habe mich ergeben, und in dieser Ergebung, in dieser Fügung des Himmels bin ich jetzt ruhig und in solcher Ruhe, wenn auch nicht irdisch glücklich, doch, was mehr sagen will, geistig glückselig. Es wird mir immer klarer, dass Alles so kommen mußte, wie es gekommen ist. Die göttliche Vorsehung leitet unverkennbar neue Weltzustände ein und es soll eine andere Ordnung der Dinge werden, da die alte sich überlebt hat, und in sich selbst als abgestorben zusammen stürzt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeern Friedrich des Großen, welcher, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt sie uns. Das siehet Niemand klarer ein, als der König. Noch eben hatte ich mit Ihm darüber eine lange Unterredung und er sagte in sich gekehrt wiederholentlich: das muß auch bei uns anders werden.“

"Von ihm [dem Feind] können wir Vieles lernen, und es wird nicht verloren sein, was er gethan und ausgerichtet hat. Es wäre Lästerung zu sagen, Gott sei mit ihm; aber offenbar ist er ein Werkzeug in des Allmächtigen Hand, um das Alte, welches kein Leben mehr hat, das aber mit den Außendingen fest verwachsen ist, zu begraben.

Gewiß wird es besser werden; das verbürgt der Glaube an das vollkommenste Wesen. Aber es kann nur gut werden in der Welt durch die Guten. Deßhalb glaube ich auch nicht, daß der Kaiser Napoleon Bonaparte fest und sicher auf seinem, jetzt freilich glänzenden Thron ist. Fest und ruhig ist nur allein Wahrheit und Gerchtigkeit, und er ist nur politisch, das heißt klug, und er richtet sich nicht nach ewigen Gesetzen, sondern nach Umständen, wie sie nun eben sind. Damit befleckt er seine Regierung mit vielen Ungerechtigkeiten. Er meint es nicht redlich mit der guten Sache und mit den Menschen. Er und sein ungemessener Ehrgeiz meint nur sich selbst und sein persönliches Interesse. Man muß ihn mehr bewundern, als man ihn lieben kann. Er ist von seinem Glück geblendet und er meint Alles zu vermögen. Dabei ist er ohne alle Mäßigung, und wer nicht Maß halten kann, verliert das Gleichgewicht und fällt.

Königin Luise und Napoleon in Tilsit, 
Denkmalentwurf von Gustav Eberlein, 1899, hier gefunden

Ich glaube fest an Gott, also auch an sittliche Weltordnung. Diese sehe ich in der Herrschaft der Gewalt nicht; deßhalb bin ich in der Hoffnung, daß auf die jetzige böse Zeit eine bessere folgen wird. Diese hoffen, wünschen und erwarten alle besseren Menschen, und durch die Lobredner der jetzigen und ihres großen Helden darf man sich nicht irre machen lassen.

Ganz unverkennbar ist Alles, was geschehen ist und was geschieht, nicht das Letzte und Gute, wie es werden und bleiben soll, sonderfn nur die Bahnung des Weges zu einem bessern Ziele hin. Dieses Ziel scheint aber in weiter Entfernung zu liegen, wir werden es wahrscheinlich nicht erreicht sehen, und darüber hinsterben. Wie Gott will; Alles, wie Er will. Aber ich finde Trost, Kraft und Muth und Heiterkeit in dieser Hoffnung, die tief in meiner Seele liegt. Ist doch alles in der Welt nur Übergang! Wir müssen durch.

Sorgen wir nur dafür, daß wir mit jeden Tage reifer und besser werden. - Hier, lieber Vater! haben Sie mein politisches Glaubensbekenntnis, so gut ich, als eine Frau, es formen und zusammensetzen kann. Mag es seine Lücken haben, ich befinde mich wohl dabei."

Gedenktafel in Memel an den Aufenthalt
von Königin Luise und ihres Ehemanns Friedrich Wilhelm III., 
1807 - 1808 während der Flucht vor Napoleon, hier gefunden

Luise an ihre Schwester Therese, Fürstin von Thurn und Taxis, Potsdam 8. Juni 1810

"Meine Seele ist grau geworden durch Erfahrungen und Menschenkenntnis,  aber mein Herz ist noch jung. Ich liebe die Menschen, ich hoffe so gern und habe allen, ich sage, allen meinen Feinden verziehen. Die Menschen sind dennoch recht schlecht, und es sitzt hier ein Nest Menschen, die so arg und ärger sind als die Kienraupe; diese fressen die Wurzel des Baumes ab, so daß er sterben muß, und jene nagen an jedem guten Namen, bis der Mensch für Herzenskränkung stirbt. Hardenberg ist wieder unser, durch und mit Napoleons Bewilligung. Es ist ein Engel in der Not."

"Gern hätte ich der Heilquelle, die mir das Leben wieder gab und stärkte, eine Träne der Dankbarkeit gebracht. Tränen der Freude kann ich ihr nicht weinen, aber der Dankbarkeit, wie gesagt, mit aufrichtigem Herzen. Ich habe gelebt und gelitten, das ist wahr, es mußte aber so kommen, um mich zu läutern und festzustellen, im Glauben und Demut vor Gott, die die wahre Erkenntnis ist. In diesen wenigen Zeilen hast Du mein ganzes Bild, und wenn du mir folgst, so wirst du immer in allen meinen Handlungen diese Grundlinien meines Seins wiedererkennen."

Porträt der Königin Luise von Preußen, 
Biskuitporzellan auf blauem Grund im Goldrähmchen, 
Königliche Porzellan-Manufaktur, Berlin um 1810, hier gefunden

Anmerkungen zum Brief an ihren Vater:

Die  Authentizität des Briefes ist bezweifelt worden. Dagegen zunächst ein allgemeinerer Gedanke: Nicht daß ich die Königin mit unserem Herrn und Heiland oder gar der allerseligsten Jungfrau vergleichen will, aber die Methode kommt einem doch bekannt vor. Solch originelle Gedanken könne Er unmöglich gehabt haben, das müßten spätere Gemeindebildungen sein, was, nebenbei gesagt, das Bemerkenswerte nach hinten verschiebt. Die späteren Redakteure sind also die eigentlichen Helden.

Es ist die gleiche merkwürdig umgekehrte, gewissermaßen rückwirkende Kausalität: Zuerst kommt die Person, die überraschend beeindruckt und unerwartete Folgen auslöst, und diese Folgen wiederum haben sich dann sozusagen ihren Ursprung herbeigeschrieben. Das ist die Art von Unsinn, der neuzeitlich über uns hereingebrochen ist.

Die Königin hat ihre Zeitgenossen tief beindruckt und vermutlich nicht nur durch ihre Aura und ihre Wallegewänder. Ihr bevorzugtes Mittel der Kommunikation war, neben dem persönlichen Gespräch, Briefe, viele davon.

Seelengröße, Widerstandskraft, Anteilnahme und Bestärkungswille zeichneten die Königin aus, um nur einige ihrer Tugenden zu nennen. Und all das sprcht sich in ihren Briefen aus.

In den schweren Zeiten der Napoleonischen Bedrückungen und seines unaufhaltsam scheinenden Erfolges richteten sich Menschen an ihr auf. Die ungebrochene Seelenkraft des Landes sprach aus ihr und gewann in ihr eine viele bezaubernde Gestalt. Wenn Menschen auch ihre eigenen Erwartungen  und Sehnsüchte in sie hineintrugen, was gäbe es Natürlicheres.

Nun konkreter. Der Brief, der nur in Auszügen oben wiedergegeben wurde, ist vom Potsdamer Hofprediger und Bischof Rulemann Friedrich Eylert wiedergegeben (in seinem umfänglichen Werk - „Charakterzüge und historischen Fragmente aus dem Leben des Königs von Preußen, Friedrich Wilhelms III.“) und bei Caroline von Berg. Welche sich als „aufrichtige Freundin“ der Königin bezeichnete, von der Friedrich Wilhelm III. in seinen eigenhändigen Aufzeichnungen allerdings meinte: „Es war eine gefährliche Frau in ihrem Gemisch von Enthusiasmus und hoher Poesie mit Trivialität“, die „manches Üble gestiftet“ habe. Caroline Friederike Gräfin von Berg war Hofdame und engste Vertraute der Königin, in ihren Armen verstarb Luise am 19. Juli 1810 in Hohenzieritz. Sie war ihre erste Biographin. Das ist an Nähe kaum zu überbieten.

Beiden kann man wohl vorhalten, daß sie das vorgefundene Material in gewisser Weise bearbeitet hätten (mit Glättungen etc.). Da nun eben das Original nicht vorliegt, kann man nur mutmaßen, inwieweit, aber für freie Erfindungen fehlt eben ebenso ein Beleg, wie auch immer. Im Kontext ihrer sonstigen, im Original überlieferten Briefe, spricht dafür eher nichts.

Anmerkung zum Brief an ihre Schwester Therese:

Es ist der letzte Brief an ihre Schwester, den diese erst nach ihrem Tode empfing. Die Fürstin von Thurn und Taxis hatte daran mitgewirkt, daß der Freiherr von Hardenberg schließlich zum „Staatskanzler“ berufen werden konnte.

Königin-Luise-Gedenkstätte, Schloß Hohenzieritz, 2014

2 Stimmen zur Königin

Der Tod der Königin löste in ganz Deutschland und natürlich sehr stark in Preußen eine ungemeine Betroffenheit aus. Eine Trauer, die überraschenderweise nicht zu lähmendem Verstummen führte, sondern sich in ungekanntem Maße dann auch vielfach aussprach.

Das wohl schönste Gedicht, das für Luise Auguste Wilhelmine Amalie, Herzogin zu Mecklenburg, spätere Königin von Preußen geschrieben wurde, stammt von Heinrich von Kleist, es ist zwar vor ihrem Tode entstanden, allerdings im Todesjahr:


An die Königin von Preußen

Zur Feier ihres Geburtstages den 10. März 1810

Erwäg ich, wie in jenen Schreckenstagen,
Still deine Brust verschlossen, was sie litt,
Wie Du das Unglück mit der Grazie Tritt
Auf jungen Schultern herrlich hast getragen,

Wie von des Kriegs zerrißnem Schlachtenwagen
Selbst oft die Schar der Männer zu dir schritt,
Wie trotz der Wunde, die Dein Herz durchschnitt,
Du stets der Hoffnung Fahn‘ uns vorgetragen:

O Herrscherin, die Zeit dann möcht‘ ich segnen!
Wir sahn Dich Anmut endlos niederregnen -
Wie groß Du warst, das ahndeten wir nicht!

Dein Haupt scheint wie von Strahlen mir umschimmert;
Du bist der Stern, der voller Pracht erst flimmert,
Wenn er durch finstre Wetterwolken bricht!


Eine andere poetische Erfindung gewissermaßen stammt von Schinkel. Dieser hatte noch 1810 den Entwurf eines Mausoleums für die Königin Luise vorgelegt, von dem er wußte, daß er nicht verwirklicht werden würde. Schließlich war durch Friedrich Wilhelm III. längst der Auftrag an Heinrich Gentz ergangen, ein solches zu erbauen. Schinkel hatte sogar am Entwurf mitgewirkt.

Anton von Werner, Wilhelm I. am Sarkophag 
seiner Mutter Königin Luise im Charlottenburger Mausoleum 
(am 19. Juli 1870), 1881, hier gefunden

Dennoch lieferte er diesen aufwendigen Entwurf mit drei großen aquarellierten Zeichnungen von Grundriß, Außenansicht des Eingangs und Innenraum und gab dazu Anmerkungen, die über das technische weit hinausgehen.

Folgen wir ein wenig seinen Beschreibungen. Er ging den entgegengesetzten Weg, den wir einschlagen wollen, und hatte zuvor den Innenraum beschrieben:

Entwurf für ein Mausoleum der Königin Louise, Außenansicht

„Vor dieser Halle ist eine Vorhalle, die von den dunkelsten Bäumen beschattet wird, man steigt Stufen hinan und tritt mit einem sanften Schauer in ihr Dunkel ein, blickt dann durch drei hohe Öffnungen in die liebliche Palmenhalle, wo in hellem morgenrothen Lichte die Ruhende, umringt von himmlischen Genien liegt."

Entwurf für ein Mausoleum der Königin Louise, Innenraum

"Ein mannigfach gewölbter Raum, dessen Bögen sich auf freistehenden Säulen zusammenziehen, so angeordnet, daß die Empfindung eines schönen Palmenhains erregt wird, umschließt das auf Stufen mit vielen sprossenden Blättern, Lilien- und Rosenkelchen sich erhebende Ruhelager. Die schöne Gestalt der Königin liegt mit der Krone auf dem Haupte hier in sanfter Ruhe.

Zwei himmlische Genien mit ausgebreiteten Flügeln und Palmenzweigen stehen auf sprossenden Lilien an der Seite des Hauptes, blicken hold auf dasselbe hinunter und streuen Blumen herab, ein anderer Genius an den Füßen, auf einem Blätterkelch knieend, schaut zum Himmel im Wonnegefühl der Anschauung ihres verklärten Geistes.

Das Licht fällt durch die Fenster von drei Nischen, die das Ruhelager von 3 Seiten umgeben; wodurch über die ganze Architektur, welche in weißem Marmor ausgeführt ist, ein sanft rothes Dämmerlicht verbreitet wird.“

Büste der schlafenden Königin Louise
von Christian Daniel Rauch, 1817, hier gefunden

Schinkel deutet die Aufgabe eines solchen Gedenkortes an. Zunächst:

"Die irdische Hülle der verewigten Königin soll der Nachwelt aufbewahrt werden, es wird ihr also ein Ort geweiht, der durch eine liebliche Feierlichkeit jeden, der ihn betritt, zu den Gefühlen erhebt, welche dem Andenken an das verehrte Leben entsprechen."

Aber dieser Ort sollte nicht nur gefühlsmäßig erheben, sondern:

"Man sollte sich in dieser Halle wohlbefinden, und jedem sollte sie zur Erbauung seines Gemüths offen stehen, – das wollte ich. Ein jeder sollte darin gestimmt werden, sich Bilder der Zukunft zu schaffen, durch welche sein Wesen erhöht, und er zum Streben nach Vollendung genöthigt werde."

Selbstprüfung, Zu-sich-selbst-Finden und Erhebung am Vorbild der Königin zu Bildern der Zukunft. Diese Aufgabe sah Schinkel beim Betrachten des Bildes der Königin.

Louise Élisabeth Vigée Le Brun
Luise von Mecklenburg-Strelitz, Königin von Preußen, 1802

nachgetragen am 24. Juli 

Samstag, 6. Juli 2019

Präliminarien zu einer Predigt


Erik Satie - Gymnopédie No.1

Es ist widerständig, wenn man einer Predigt, die anschließend eingestellt werden soll, etwas hinzufügen muß, das unerfreulich ist. Zumal, wenn man eben aus einem wundervollen Orgelkonzert zurückkommt, veranstaltet von zwei Warener Damen, über französische Orgelmusik vor und nach 1900, eine Musik, einfallsreich, sentimental, gelöst, spielerisch, ohne dabei je flach zu werden, man sich also in gelöster Stimmung befindet, aber doch gern diese Predigt bringen will. Nun ja.

Aber vielleicht kann man über diesen Topos nur angemessen schreiben, wenn man sich in gelöster Stimmung befindet. Warum ist eine Vorbemerkung überhaupt nötig. Nun deswegen:


Es gibt in diesem vor sich hin wesenden Volkskörper besonders Eifernde, die alles für N.zi! halten, was über ihre Kindergarten-Erinnerung zurückreicht, verstört, verhetzt, aber darin eben um so eifriger, das Auszulöschende auszumachen. Ich mag mich weder in die Sprache noch sonst irgendwie in die Nähe dieses Milieus begeben (daher die Abkürzung), sondern einige allgemeine Beobachtungen teilen, woran man das Böse erkenne.

Und um nur noch das zu erklären:


Das geschändete Denkmal steht in Magdeburg und wurde 1877 zum Gedenken an die Gefallenen der Einigungskriege im Park am Fürstenwall errichtet. Eine Inschrift lautet: „Den im Kampfe für Deutschlands Ehre und Einheit gefallenen Kriegern des Stadtkreises Magdeburg“. Man muß davon ausgehen, daß von dem Vorgang in diesen Zeiten öffentlich nicht weiter Notiz genommen werden wird (allenfalls affirmativ).

Kaiserproklamation, Kriegerdenkmal in Magdeburg,
Relief modelliert 1877 von Emil Hundrieser, hier gefunden

In der Predigt des Herrn Roloff wird es u.a. um die Fallstricke des das Gute Wollen gehen. Und es drängte sich ja förmlich auf, auf das Obige einzugehen. Aber er hat sich denn doch dagegen entschieden. Ich will es auch nicht, und wiederum irgendwie doch. Denn solcherlei darf nicht unkommentiert bleiben.

Also, woran erkennt man das Böse? Nun zuerst hilft ein Wort des Herrn aus Matthäus 7, die Verse 15 und 16:

Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man denn Trauben lesen von den Dornen oder Feigen von den Disteln? 

Worte werden also nicht helfen. Das Böse wird immer sagen: „Ich bin das Gute.“ Denn es west in der Lüge. Seine Wirkungen verraten es, denn es will vor allem eines – Vernichtung. Und dafür nutzt es die Schwächen der menschlichen Natur wie Mißgunst, Neid, Rachsucht (selbst für eingebildetes Unrecht), Trägheit, Geistfeindschaft, Gefallsucht, Eitelkeit, Dummstolz, Gier, so wie die übrigen. Und es benutzt sie nicht nur, sondern stachelt sie auf und rechtfertigt sie, es nutzt diese Schwächen und verkleidet sie als Tugenden. So daß der dem Bösen Anheimgefallene seine dunklen Seiten ausleben kann und zugleich als vorbildhaft gelten darf.

Die Lüge hat keinen Bestand, sie erzeugt Spannungen, also muß der ihr Anheimgefallene ständig kämpfen, den Feind ausmachen oder erfinden, er muß die Spannung, die er ja spürt, nach außen kehren und an der Welt abarbeiten. Er ist somit ständig empört und in Bewegung (so wie beim Fahrradfahren, wenn er sich nicht bewegt, wohin immer, fällt er um, es sei denn, er fährt gegen eine Wand, dann fällt er auch um).

Die Lüge haßt die Wirklichkeit, denn in der Wirklichkeit wohnt der Vater der Wahrheit. Also besteht ihr ganzes Nicht-Wesen aus Feindseligkeit. Darum muß denunziert, dekonstruiert, umgedeutet, verdächtig gemacht werden, muß ihre Erkennbarkeit in Zweifel gezogen, nein bestritten werden, denn es gibt gar keine Wahrheit, sondern nurmehr Macht.

Die Lüge zerfrißt den emporsteigenden menschlichen Geist. Sie bekämpft, was in gewachsenen und bewahrten Erfahrungen, in der Tradition von Institutionen, im Band von Gemeinschaften, in der Geschichte von Völkern und vielem mehr zu einem inneren Gerüst geworden ist, an und auf dem eine höhere Kultur erwachsen kann und will.

Wo sie gegen dieses ankämpft, kommt es nicht nur zu dem Offenkundigen, wie Zerstörung und Vernichtung von Leben, auch die Errungenschaften der Geschichte des menschlichen Geistes gehen verloren. Auf die schauerliche Bühne treten Regressionen, Atavismen, ja ein Rückfall ins Magische. So wie bei dem neuerlichen Phänomen, daß, wer sich mit dem als Feind Ausgemachten abgebe, indem er ihm die Hand reiche, ihn grüße, gar spreche, umgehend infiziert sei. Und daher müsse man am besten alle auslöschen, bei denen sich dieses ereigne.

Das soll genügen. Ich wollte nur ein kleinen Wegweiser anbieten durch den Dschungel der Wirklichkeit, die dieser Tage uns alle bedrängt. Also noch etwas Leichteres zum Abscluß:


Erik Satie - Poudre d'Or

Um noch einmal nach Magdeburg zurückzukehren. Ein Denkmal für die Königin Luise, durch Bürgerspenden zustande gekommen, wurde 1963 gestürzt und in eine Baugrube geworfen. 2009 ermöglichten als „Ausdruck des Bürgersinns“ Spendengelder örtlicher Unternehmer ein neues Denkmal am historischen Standort.


nachgetragen am 8. Juli

Dienstag, 4. April 2017

Von Königin Luise, und wie man ein Gedenken zu bereinigen sucht


Wer das Nachfolgende etwas zu langatmig findet, dem empfehle ich zur schnellen Orientierung den Beitrag: „Louisen-Gedenkstätte sorgt für viel Diskussionsstoff“ auf dem Blog Strelitzius samt dem Kommentar des Dr. Rajko Lippert dazu. Das gibt mir nebenbei die Möglichkeit, über die Sache hinaus, nämlich die irritierenden Pläne des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Neugestaltung der Gedenkstätte am Sterbeort der Königin in Hohenzieritz, scheinbar Nebensächliches anzumerken.

Aber auszugsweise will ich den Kommentar des Herrn Dr. Lippert hier wiedergeben: „Das Unvermeidliche wird getan: Das Sterbezimmer bleibt in respektablem Zustand. Zugegeben, das gefällt mir wirklich... Aber warum gefällt mir das? Weil fast alles beim Alten geblieben ist und eine neue Idee dazu kam. Der Rest:
a) 1 Zimmer mit 2 Bildern, 2 Türen, 2 Medienstationen und einer Holztafel, auf der sich alle einkritzeln dürfen (weil wir ja jetzt alle irgendwie gleich sind – nicht, dass das nur wie früher adlige Familienmitglieder tun),
b) 1 Zimmer mit 1 Kassentresen, 1 Standuhr, ein paar Bildern, die man sich ansehen kann, wenn man an der Kasse ansteht – und damit hat man ja den wesentlichen Teil der Ausstellung schon gesehen.“

Die Experten

Doch beginnen wir mit dem Positiven. Dr. Friederike Drinkuth, Referatsleiterin im Referat 440 - Staatliche Schlösser und Gärten in Mecklenburg-Vorpommern im hiesigen Finanzministerium – ist zweifellos eine honorige Person, so wie auch ihr Stellvertreter Dr. Jörg Meiner.

Erstere erhielt 2016 den Annalise-Wagner-Preis für ihr Buch „Männlicher als ihr Gemahl“ über Herzogin Dorothea Sophie von Mecklenburg-Strelitz (1692-1765), die Gemahlin Adolf Friedrichs III., worin sie erklärte, diese sei die eigentlich beherrschende Gestalt jener Zeit gewesen, so ginge die Verlegung der Residenz aus dem abgebrannten Schloß in Strelitz in das neugegründete, deswegen auch Neu-Strelitz, auf sie zurück.

Ihr Stellvertreter im Referat, Dr. Jörg Meiner, längere Zeit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg zugehörig, hat einiges Launige zu Friedrich Wilhelm IV. verfaßt, etwa unter dem Titel: "Durch äußeren Glanz innere Macht erkennen lassen" oder "Wohnen mit Geschichte. Die Appartements Friedrich Wilhelms IV." (man findet es schnell, wenn man danach sucht). Und auch anderes zur preußischen Geschichte. Aber wir haben uns gerade entschlossen, exzessiv zu zitieren, nämlich aus dem erstgenannten Beitrag. Das macht dann die Haltung zum beschriebenen Gegenstand doch recht exemplarisch deutlich.

"Die lange Tradition von politisch determinierter Herrschaftsarchitektur in den Monarchien Europas war ihm aus seinem Unterricht und vielen Stichwerken bekannt. So scheint es nicht allein aus der privaten Vorliebe des königlichen Architekturdilettanten zu resultieren, dass sich auf den meisten seiner hinterlassenen Zeichnungsblätter architektonische Motive finden. Hier kreuzt sich vielmehr der Hang Friedrich Wilhelms zur großangelegten und mit einer diffusen Tendenz zum Genialischen versehenen Bauplanungseuphorie mit der Einsicht, dass die Monarchie aus politischen Gründen eine schlagkräftige und überzeugende architektonische Außendarstellung benötige, sowohl im Profanbau als auch bei Kirchenbauten."

"Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) gehört zu den interessantesten preußischen Herrschern. Aber nicht weil er seine Regentschaft mit politischem oder militärischem Handeln im gesellschaftlichen Gedächtnis verankern konnte, nicht weil er Demokraten mit Soldaten ausmerzen wollte und er 1848 eine mehr als unglückliche Figur machte. Sondern er ist vor allem aufgrund seines Talents und seines Gespürs für das künstlerische Element im individuellen und sozialen Leben in Erinnerung geblieben."

Und dann zitiert er seinerseits aus der Leipziger "Illustrirten Zeitung" von 1846: "Zwei Eigenschaften sind es, welche das unumschränkte Königthum von je mit seinem Begriffe zu verbinden suchte: die der Macht und des Glanzes... Auch das Königthum in Preußen verschmähte es seit seinem Entstehen nur unter Friedrich Wilhelm I. nach Außen hin das zu scheinen, was es war, und wie einfach auch das Privatleben Friedrich's d. Gr. und Friedrich Wilhelm's III. blieb, doch ließen sie selten eine Gelegenheit entgehen, mit königlichem Glanz ihren Thron zu umgeben, während Friedrich I. und Friedrich Wilhelm IV, welcher jetzt Preußens Krone trägt, sich Beide darin begegnen, die äußere Erscheinung des Souverains möglichst imposant durch seinen Hof, seine Residenz im engeren und weiteren Sinne möglichst glänzend, mit einem Worte königlich zu machen.

Dieses Streben im rechten Sinne aufgefaßt, eben wie es uns in Preußen jetzt entgegentritt,... kann keineswegs getadelt werden und es ist eines großen, mächtigen und reichen Volkes würdig, daß, so lange es überhaupt Herrscher hat, diese auch als seine Repräsentanten seiner entsprechend sich zeigen und durch äußeren Glanz innere Macht erkennen lassen.

Darum, wie umfassend und kostspielig auch die Unternehmungen, namentlich auf dem Gebiete der Baukunst sind, denen Friedrich Wilhelm IV. seine Aufmerksamkeit besonders gern schenkt, können seine Unterthanen doch auf der einen Seite mit Vertrauen denselben zuschauen, indem der geregelte Staatshaushalt und der gute Wille des Königs genügende Bürgschaft gegen jede Beeinträchtigung des Allgemeinwohls dadurch bieten; auf der andern Seite aber sogar mit Stolz auf dieselben blicken, weil sie unvergängliche Zeugen des Geschmacks und der Kunstbildung unserer Zeit bleiben werden."
Er (nämlicher Dr. Meiner) kommentiert dieses zeitgenössische Urteil darauf wie folgt: "Die architektonische Außenwirkung des Staates und des Königshauses trägt nach der gewiss zu verallgemeinernden Überzeugung dieses Zeitgenossen somit wesentlich zur Stabilisierung der traditionellen gesellschaftlichen Ordnung bei. Das Bürgertum und seine königlichen 'Repräsentanten' ziehen gleichsam an ein und demselben vaterländischen Strang."

(Jörg Meiner: "durch äußeren Glanz innere Macht erkennen lassen". Die Pläne zur Erweiterung alter Residenzschlösser in den Zeichnungen Friedrich Wilhelms IV., in: zeitenblicke 9, Nr. 3 [23.12.2010])

Wozu dieses weite Ausholen? (Nachdem zuvor einiges an Lektüre nachgeholt worden ist.) Nun Interesse und profunde Kenntnis wird man danach wohl kaum anzweifeln dürfen, aber es scheint ein eher kühles, fast naturkundliches Interesse, das kaum in Verdacht gerät, allzu empathisch werden zu wollen, und sehr aus für das Gegenwärtige charakterischen Urteilen und Haltungen lebt.

(Das pure Gegenteil, nämlich laienhaften Enthusismus kann übrigens, wer will, hier nachlesen. Denn Friedrich Wilhelm IV. beließ es eben nicht nur bei seiner "Bauplanungseuphorie". Sein Denken wurde nicht selten zu Stein, und von diesen Steinen zehren wir geistig noch heute.)

Sterbelager der Königin Luise in Hohenzieritz 
am Morgen des 19. Juli 1810

Der Anlaß

Warum also diese Einführung? Der Verein Kulturgut Mecklenburg-Strelitz, der sich der Erinnerung an das Erbe dieses vergangenen Landes verschrieben hat, lud für vergangenen Dienstag, also den 28. März, ins Kulturquartier Mecklenburg-Strelitz nach Neustrelitz zur Veranstaltung "„Wie geht es weiter mit der Luisengedenkstätte Hohenzieritz?“

Nach dem Übergang der Königin-Luise-Gedenkstätte im Schloss Hohenzieritz von einem privaten  Verein an das Land Mecklenburg-Vorpommern vor einem Jahr solle die Gedenkstätte am 3. Juni 2017 wieder eröffnet werden.

In das neue Konzept und die Umbauarbeiten würden Dr. Friederike Drinkuth und Dr. Jörg Meiner von der Abteilung Staatliche Schlösser und Gärten im Finanzministerium einführen, um sich anschließend den Fragen des Publikums und der Diskussion zu stellen.

Das Geschehen

Das taten sie, supervisiert von Herrn Stefan Wenzl, Leiter der Abteilung 4 im Finanzministerium von Mecklenburg-Vorpommern - Staatshochbau, Liegenschaften, Schlösser und Gärten, der nur gelegentlich eingriff..

Das Konzept ist sagen wir "puristisch", so in etwa wie der "Wiederaufbau" Kassels nach dem letzten Weltkrieg puristisch erfolgte. Alles solle sich auf das Sterbezimmer konzentrieren, nichts von ihm ablenken. Was nicht authentisch mit Ort und Zeit verbunden sei (und davon ist ja auch noch so viel übrig), würde entfernt (also eingelagert, vernichtet oder an die Leihgeber zurückgeschickt). Und damit die (wenigen) Bilder besser wirkten, bekämen die Wände der kahlgeräumten Räume einen Anstrich in (einem aseptisch anmutenden) Grün (würdig einer Gerichtsmedizin).

Königin-Luise-Gedenkstätte, Schlo0 Hohenzieritz, 2014

Bis vor kurzem sahen sie aus, wie auf dem Bild oben recht gut erkennbar. Ein Ort geschaffen von Liebhabern, die Geschmack, Geist und Anmutung jener Zeit herüberbringen wollten, eine Aura aufrufend, in der der Interessierte auf angenehm verwandte Bestrebungen traf. Da vom Originalen kaum noch etwas die unerfreuliche Zwischenzeit überstanden hatte, mußte man oft improvisieren, aber tat dies sorgsam, hat in seinem Eifer das Ganze vielleicht sogar zu einem allzudichten Wunderkabinett eindringlicher Anhänglichkeit und Sympathie werden lassen. Aber die Gesamtwirkung dieser überschaubaren Zimmer war überüberwältigend, und lebendig.


Dies alles soll nun also fort, offensichtlich stört es. Nun klingt das neue Konzept nicht gänzlich unlogisch. Wenn es für ruinöse Räume, wo vorher nichts mehr gewesen, völlig neu entworfen worden wäre, sogar plausibel. So aber ist es das Konzept einer Auslöschung von dem, was Menschen, die sich diesem Ort verbunden fühlen, in Jahren zusammentrugen und aufbauten.

Und jetzt kommen wir zu dem, was diese Veranstaltung endgültig so gruselig machte. Beide Experten waren in ihrem Vortrag eloquent, detailsicher, entgegenkommend, freudlich bis zur Euphorie, auch voller Lob und Dankbarkeit für das bürgerschaftliche Engagement, das an diesem Ort gewirkt habe. Sie appellierten geradezu an dieses bürgerschaftliche Engagement (das gewissermaßen vor ihnen saß, der Verein allerdings hat sich inzwischen aufgelöst), das so notwendig sei (es gibt kein Personalkonzept) und auf das man hoffe (obwohl man sein Wirken gerade so leisetönend, aber dafür konsequent, entsorgt hatte).

Warum leisetönend? Nun ein Zuhörer fragte anschließend, was die denn genommen hätten. Das gibt vielleicht einen Hinweis, daß auch andere etwas als irgendwie gruselig empfanden. Es waren leise bedachte Worte, die ihren eigenen Narrativ ausrollten, bedacht im Sinne von, daß augenscheinlich ein Wort das andere ergeben müßte, auch wenn der Satz, den sie bildeten, keine wirkliche Logik hatte. Ein für solche Anlässe sprachungewohnter Erzählungsstrom (freundlich, gedämpft, entschleunigt, ständig anknüpfend, voller glaubhafter Empathie, alles Kontroverse auslassend, ja geradezu einen Anlauf zu derselben förmlich unanständig aussehen lassend). Wie das psychedelische Raunen einer ertrunkenen Ophelia? Wir suchen gerade nach Referenzstellen, die das spürbar Absurde einordenen könnten.

Ein nüchternerer Kommentar war anschließend: Ich hatte auch den Eindruck, die wollten uns in den Schlaf singen.

Was eben die Sache so gruselig machte. Die, deren Wirken man abräumen wollte, saßen vor einem, und der Singsang zu diesem geplanten Zerstörungswerk enthielt alles Mögliche, aber kein Bedauern, kein Mitgefühl, und sei es ein resigniertes, kein Einräumen, daß das professionelle Neue das amateurhafte Alte halt beiseite schieben müsse. Das, was man sagte, und das, was man doch gleichzeitig zeigte, sie hatten nahezu nichts miteinander zu tun. Ein Beispiel: Man sei dankbar für für die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Hause Mecklenburg. Wenig später wurde eine höchst verärgerte Botschaft Herzog Borwins verlesen. Keine Reaktion.

Die Fassade bekam erst in der Fragerunde leichte Risse und brachte dann dem Herrn Abteilungsleiter seinen Auftritt. Eine Zuhörerin gab vorsichtig ihren Eindruck kund, alles wirke doch sehr leergeräumt und kalt. Keine Antwort. Dann (man muß wissen, eigentlich sitzt in dem Schloß heute die gut ausgestattete Verwaltung des Müritz-Nationalparks), ob die Nationalparkverwaltung nicht einige Räume abtreten könne, um die bisherige Ausstellung in Teilen zu retten. Antwort, man habe nicht die Absicht, aus dem ganzen Schloß ein Museum zu machen. Nun, das war nicht die Frage.

Dann mit einer gewissen Empörung in der Stimme, man habe ja wohl endlich bemerkt, was für ausgewiesene Fachleute hier für das Ministerium wirken würden, und die verdienten deutlich mehr Respekt, und überhaupt erwarte er schon ein gewisses Vertrauen in eine verantwortungsvolle Verwaltung, die schließlich zuständig sei. Auf den Einwand der fehlenden Information und des mangelnden Versuchs einer Einbindung derjenigen, die sich bisher engagiert hätten -  man habe schließlich immer seine Bereitschaft zur Information gezeigt, nach den Entscheidungen selbstverständlich. Schließlich habe man die Verantwortung.

Der Ausblick?

Herr Jürgen Haase vom Residenzschloßverein Neustrelitz hat inzwischen bei der Denkmalbehörde Anzeige gegen die Verwaltung der Schlösser und Gärten MV wegen mutmaßlicher Beschädigung eines baulichen Denkmals erstattet. Grund sei die geplante Umgestaltung der Luisengedenkstätte im Schloß, die die Zerstörung eines Denkmals bedeute, so kann man hier nachlesen. Anscheinend ein erneuter Akt von „Bilderstürmerei und Kulturbarbarei". Bezeichnend für ihn sei eine Aussage der Behördenvertreter gewesen, wonach es für die geplanten Arbeiten im Hohenzieritzer Schloss keine denkmalpflegerische Zielstellung geben würde.

Das ist löblich und hat selbstredend meine Sympathie. Aber, nun ja. Daß Bilderstürmerei nie sine ira et studio erfolgt, weiß man. Also gehe man davon aus, daß das Andenken an unsere Königin schlicht in das Gedränge inzwischen meist auch beamteter ideologischer Akteure geraten ist. Das Vergangene muß dahinscheiden und zu einem angejahrten Ornament werden, mit dem man sich diesmal gerade noch schmücken will. Das Gedenken sediert man besser menschenfreundlich. Bevor das großartige Neue kommt, von dem schon so viel erzählt wurde. Freie Bahn dem Neuen. Das Alte hindert doch nur. Dabei will es einfach nicht vergehen.

Hoffen wir, daß dieser Alptraum aus Täuschung und Schlimmerem von uns genommen werde, und wir erschöpft, doch erlöst, bald davon erwachen dürfen.


Donnerstag, 18. Juni 2015

Über die Befreiungskriege - ein erster Nachtrag

Burg Pfalzgrafenstein bei Kaub

Die Befreiungskriege, die auch als Jahrestag längst geschlagen sind, wirken ganz eigentümlich. Sie vereinen so viel in sich, nicht zuletzt an Vorahnungen und Visionen, die dann still am Wege verschieden. Eine konfuse Zeit. Mindestens so verworren wie die heutige, nur waren die meisten Akteure bedeutender, vielleicht. Aber nicht unbedingt charakterstärker, das wäre eine weitere Illusion.

Da ich bei diesen Temperaturen sowieso nicht schlafen kann, beginne ich also mit einem meiner berüchtigten Nachträge und zitiere im nachfolgenden zuerst einfach wieder den „Bildersaal deutscher Geschichte“ (und das nicht aus Gedankenträgheit), den ich hier u.a. vorgestellt habe. Der Fürst Blücher, von dem bald sie Rede sein wird, kommt übrigens früher an dieser Stelle (viel zu kurz) vor.

Wir sind im Jahre 1813, die Völkerschlacht von Leipzig ist gerade ruhmreich geschlagen, aber die deutschen Fürsten wollen sich trotzdem lieber irgendwie durchmerkeln. Sie machen Napoleon ein Friedensangebot:

"Am 2. Dezember empfingen die Verbündeten Napoleons Antwort, eine solche, auf die sie unmöglich eingehen konnten; so sollten eine Reihe wichtiger rechtsrheinischer Plätze und ein Teil Hollands französisch bleiben, Holland müßte Republik werden, die einzelnen Staaten Deutschlands dürften sich nicht in einem Bunde vereinigen, Westfalen sollte unter Jérôme ein von Frankreich unabhängiges Königreich werden, Preußen sollte nur Magdeburg zurückerhalten, dagegen Erfurt für den Verlust Warschaus an Sachsen fallen. Napoleons Verblendung rettete Deutschland vor der Gefahr, das linke Rheinland zu verlieren, und nötigte selbst die Friedfertigen zur Fortsetzung des Krieges.

An demselben 2. Dezember verkündete eine Proklamation der verbündeten Fürsten, daß der Krieg fortgesetzt werden müsse, daß er sich nicht richte gegen Frankreich, sondern gegen Napoleons zügellose Machtstellung, und daß er zum Ziele habe die Unabhängigkeit Frankreichs und aller Staaten Europas. Dieser Entschluß der Fürsten zum Kriege machte den alten Blücher wieder froh und wohlgemut, ja ausgelassen heiter, so daß er es sich gefallen ließ, daß man seinen Geburtstag zweimal festlich beging und daß er selbst bei dem ihm zu Ehren veranstalteten Balle eine Quadrille mittanzte.

All diese Freudigkeit war nur der äußere Widerschein der frohen Siegeshoffnung, die ihn erfüllte. Zwar gelang es ihm im Dezember wegen des stark treibenden Grundeises nicht, Brücken über den Rhein zu schlagen und die Festung Mainz völlig einzuschließen; aber er bereitete doch den Rheinübergang sorgfältig vor und verlegte, den Feind zu täuschen, am 29. Dezember sein Hauptquartier zurück nach Frankfurt. Sacken sollte den Rhein bei Mannheim, St. Priest bei Koblenz, York bei Kaub überschreiten.

York war davon bereits von Höchst aus am 26. Dezember durch folgenden Brief Blüchers benachrichtigt worden: "Eü Excellenze benachrichtige vorleüffig ganz Ergebst, wie ich den 1. January mit tages anbruch den Reihn mit der Armeh Paßiren werde, die Disposition soll morgen erfollgen um mein vorhaben zu verheimligen werde ich den 29t dieses mein quartir nach Frankfuhrt verlegen, und solche einrichtung treffen lassen als wen ich uf eine Dauer da verbleiben werde."

Burg Pfalzgrafenstein von Süden

Am Abend des 31. Dezember schlugen die Russen bei Kaub eine Schiffbrücke zu der kleinen Insel hinüber, auf welcher die alte Pfalz liegt... Dort bestiegen die Brandenburgischen Füsiliere in tiefer Stille die Kähne und begrüßten um Mitternacht bei ihrer Landung das jenseitige Ufer mit einem lauten Hurra. "Der widerstandt des Feindes war nicht bedeüttendt, und als ich (Blücher) am frühen neujahrsmorgen den Stoltzen Rein Passierte, ertöhnten die uffer vor Freudengeschrey, und meine braven Truppen Empfingen mich mit Jubel, und die jenseittigen Deutschen bewohner Empfingen mich mit Freudenthränen."

Wilhelm Camphausen: Blüchers Rheinübergang bei Kaub

Und nun hinein nach Frankreich, nach Paris! Zwar siegte Napoleon Ende Januar 1814 über Blücher und die Russen bei Saint Dizier und Brienne, aber am 1. Februar unterlag er Blücher bei La Rothière, es war die erste Niederlage auf heimischem Boden, unglückverkündend wies sie ihn in die Zukunft. Daher gab er seinem Gesandten für den am 8. Februar in Châtillon eröffneten Friedenskongreß weitgehende Vollmachten. Doch das Glück schien sich ihm wieder zuzuwenden. Blücher marschierte die Marne, Schwarzenberg die Saone abwärts; Napoleon schob sich zwischen beide Armeen und schlug sie.

Jetzt sprach er voll Siegesgewißheit: "Was denken meine Feinde von mir? Ich bin jetzt näher zu Wien als sie zu Paris!" und zog die Friedensvollmachten zurück. Sein Glück hatte ihn geblendet; er kannte seinen Willen und sein Genie, aber er sah nicht, daß die Kräfte seiner Truppen versagten. Nach einem blutigen Gefecht bei Craonne wurde er von dem Heere des erkrankten Blücher am 9./10. März vor Laon mit großen Verlusten zurückgeschlagen (Blücher hatte sich bei Laon mit Bülow, der unterdessen Holland erobert hatte, vereint - Blücher war in den Tagen der Schlacht von Laon krank; ...) und am 20. März von Schwarzenberg bei Arcis sur Aube überwunden. War Napoleon verloren?

In schweren Gedanken sehen wir ihn vor einem Kamine stehen, Vergangenheit und Zukunft überdenkend... Wäre es nicht besser gewesen, die Anerbietungen der Gegner von Frankfurt und dann von Châtillon anzunehmen und sich mit den natürlichen Grenzen Frankreichs zu begnügen? War seine Herrschaft in Paris noch sicher? Sollte er dem Feinde vor den Toren seiner Hauptstadt entgegentreten? Durch einen kühnen siegreichen Zug nach den Vogesen und durch einen Einfall in Süddeutschland, in die Gebiete der auch jetzt noch ihm geneigten ehemaligen Rheinbundfürsten, hoffte er die Heere der Verbündeten zum Rückzug zu zwingen. Es war das Wagnis eines Spielers, der mit dem letzten Wurfe alles wagt und alles verliert. Am 29. März standen die Verbündeten vor Paris. Die Kaiserin Marie Luise floh, König Joseph, des Kaisers Bruder folgte;  die Marschälle Marmont und Mortier versuchten die Stadt zu halten, umsonst; am Abend des 30. März. boten sie die Übergabe derselben an.

Von der Höhe des Montmartre aus schaute Gneisenau mit leuchtenden Augen voll Siegesstolz auf die besiegte Stadt, von der aus so viel Unglück über sein Vaterland gekommen war; Blücher aber war ein solch herzergreifender Anblick nicht vergönnt, ihn quälten heftige Augenschmerzen, er und die Freunde fürchteten, daß er erblinde. Und doch durchzog sein Herz ein großes Gefühl des Stolzes und der Befriedigung, voll Wehmut und Freude sprach er: "Luise ist gerächt.""

Caub und die Pfalz im Rhein um 1900

nachgetragen am 2. Juli
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