Dienstag, 7. Mai 2013
Über Stuck & Schönheit
Wenn man irgendwann fest überzeugt ist davon, daß die menschengeschaffene Welt gerade unaufhaltsam immer häßlicher werde, ein böser verirrter Wille immer weiter voranschreite in seinem Wüten gegen alles Schöne, Erbauliche, dem Menschlichen Angemessene, dann bringt einen manchmal überraschend ein Zeitungsartikel auf freundlichere Gedanken. Man findet ihn, falls man diesem Link folgt (leider ohne die Bilder, die mußte ich irgendwie nachtragen, also sehe man auch hier und hier).
Nach der „Entstuckung“ gibt es also vermehrt die „Re-Stuckung“, und siehe: „Aus dem hässlichen Entlein ist ein stolzer, strahlend schöner Schwan geworden. Lange Stuckbänder grenzen die Stockwerke voneinander ab. Pilaster und Gebälke rahmen die hübschen, zweigeteilten Holzfenster. Und ein Band aus kleinen Konsolen unterhalb der Traufe verleiht der Fassade einen würdigen Abschluss.“
Nun mag der ausgehende „Historismus“ nicht der Gipfelpunkt der Architekturgeschichte sein, aber er ist um so vieles angenehmer, verständiger, einfühlender, wissender als das zerstörerische Herumgeklotze, das darauf folgen sollte. Es ist einfach menschlichere Architektur mit einer Ahnung davon, welchen Erbes man gewachsen sein müßte. Die Nachfolgenden haben sich dieser Anstrengung gar nicht erst ausgesetzt, sondern es einfach zu zerstören gesucht (man erinnere nur an Hans Scharouns „Stadtlandschaften“).
Nun ist Deutschland leider das Heimatland der Zwangsvorstellungen, wohin auch immer sie mutieren. Der deutsche Hang, sich in hypertrophem Irrsinn zu verlieren, hat sich ja bekanntlich gegenwärtig mehr ins Ökologische gewendet. Wenn wir schon nicht die Welt retten können, dann wenigstens das Klima. „Dämmstoffwahn“ ist ein zeitgenössisches Stichwort.
Und so ist diese zarte Pflanze wiedererwachenden Sinns für das Nicht-Häßliche, Nicht-Banale schon wieder bedroht von der Vorstellung, wenn man alle Häuser in Styropor einpacke, würde die Welt heil. Es übrigens nicht nur ästhetisch, sondern auch ökonomisch-technisch barer Unsinn, wie überraschend.
In naiveren Zeiten glaubte ich, es gäbe einen eingeborenen Sinn für das Höhere, Schöne. Ich bin mir dessen nicht mehr so recht sicher (ich kämpfe noch um meinen eingeborenen Platonismus). Wenn man Bilder wie die angebrachten sieht, sollte einem doch das Leere, banal Abstoßende dieses „zeitgenössischen Bauens“ förmlich ins Auge stoßen. Das tut es aber regelmäßig nicht.
Also freuen wir uns am Optimismus des Artikels und erinnern uns darüber hinaus daran, wenn einem zu mißtrauen ist, dann allem, das in der Maske des Alltäglichen, Verständigen und Selbstverständlichen daherkommt.
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2 Kommentare:
If I understand correctly the bits of the articles that I read, it seems that there is an encouraging trend toward rebeautification of buildings. If so, that's good news. But the 20th Century has given us so much ugly architecture that we're going to be stuck with a lot of unattractive streetscapes for a long time.
The second photo in your post reminds me of another unfortunate impulse toward "uglification," namely, graffiti. I think the problem is even worse in Europe than in America, and I think it represents a confluence of hatred for beauty and disrespect for others' property rights.
"In naiveren Zeiten glaubte ich, es gäbe einen eingeborenen Sinn für das Höhere, Schöne."
Schon. Und ja schoen. Aber geheimnisumwebt. Eine der wenigen Fragen, die ich (vielleicht noch) nicht beantworten kann, ist, warum Blumen schoen sind. Darin liegt nicht das Wunder der Blume (wie wir gemeinhin sagen), sondern das Wunder des Menschen.
Und was die "moderne" Architektur anlangt, nun ja, manches daran ist "interessant", wenig daran ist gut und das meiste ist nachgemachte Schmiere.
Aber wir sehen von der Renaissance heute ja auch nur Michelangelo und da Vinci und nicht die 99% Mit- und Nachlaeufer. So wird's dem Modernismus (antem und vor allem post) auch ergehen. Und dann wird sich, wie Kaestner sagt, die Platte wieder weiterdrehn auf Gottes schoenem Grammophon...
Also, nur nicht den Glauben an das Schoene (spielt ja keine Rolle ob absolut oder relativ) aufgeben: Es ist eines der letzten Dinge, die der Mensch hat. Und die ihn gluecklich machen koennen.
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