Samstag, 25. Mai 2013

1813


Georg Friedrich Kersting, "Auf Vorposten",
Theodor Körner, Karl Friedrich Friesen und Heinrich Hartmann als Lützower Jäger,

Herr Roloff wird heute in seinem beschaulichen Schönhausen vor den versammelten Schützen des Land-Kreises die nachfolgende Predigt halten. Da er von historischen Fahnen u.dgl. umrahmt sein dürfte, hat er sich erkennbar bemüht, sie nüchtern zu halten. Die Zeiten halt (sage ich). Was mir ansonsten auffällt, das dröhnende Schweigen zu diesem Jahr 1813 in diesen Tagen. Es waren ja auch nur die Umstände der Wiederbelebung dieser Nation. Manchmal fällt man im Leben halt zwar nicht gerade unter die Räuber, aber doch wohl unter zweifelhafte Gesellschaft.

Major von Lützow

Predigt zum Gedenkgottesdienst 
aus Anlass des 200. Jahrestages 
der Einsegnung des Lützowschen Freikorps in Schönhausen

Friede sei mit euch allen!

Liebe Gemeinde,

der Mensch ist zur Freiheit berufen! Aber wie jeder andere Ruf auch entfaltet derjenige zur Freiheit, über den wir heute nachdenken wollen, nur dann seine rechte Wirkung, wenn man ihn auch befolgt. Zum anderen setzt der Ruf zur Freiheit notwendig die Erfahrung der Unfreiheit voraus. Diese Unfreiheit nun war die eigentliche und entscheidende Last der napoleonischen Zeit, auf die wir heute aufgrund des 200. Jahrestages der Einsegnung des Lützowschen Freikorps in unserer Kirche zurückblicken.

Napoleon wiederum war das Ergebnis der großen französischen Revolution, die auch die Freiheit aber auch Gleichheit und Brüderlichkeit im Namen führte. Dieser Dreiklang war der Schlachtruf einer Revolte, die am Ende Napoleon als Diktator gebar. Der Diktator ist immer geradezu die vergiftete Frucht einer jeden Revolution. Da mögen die Verheißungen, die an ihrem Anfang gestanden haben, noch so schön sein. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verkamen zur bloßen Dekoration eines verhängnisvollen Weges.

Warum aber ist das so?

Es hat im Kern damit zu tun, dass nur zur Freiheit berufen kann, wer auch Freiheit zu gewähren vermag.

Das zweifellose Genie Napoleons lag freilich darin, die glühende Lava des Volkszorns, der sich aus dem Krater der Revolution ergoss, über Europa so zu lenken, dass er seiner Ruhmsucht und seiner Abenteuerlust diente. Es ist gar nicht zu bestreiten, dass sein vordergründiger Erfolg ganz Frankreich in einen Rausch versetzte. Dieser Rausch aber ging zu Lasten anderer Länder und Völker. Sie wurden ausgeplündert, verheert und geschunden. Vor allem mussten sie zu jedem neuen Feldzug des „großen Korsen“ tausende Soldaten stellen. Auch unser Dorf Schönhausen hatte unter der Fremdherrschaft schwer zu leiden. Dennoch erhielt die revolutionäre Propaganda das Hirngespinst aufrecht, als könnte am Ende der napoleonischen Umgestaltung, die doch in Vielem eine bloße Zerstörung Europas gewesen ist, und der dann auch das Heilige Reich zum Opfer fiel, ein glückliches Zeitalter für alle Menschen stehen.

Das aber ist der Irrtum oder vielmehr die Lüge aller Revolutionen. Sie behaupten, dass erfülltes und glückliches Leben der Menschen erst zustande gebracht werden kann, wenn die Bedingungen dazu hergestellt sind. Diese Bedingungen aber wollen sich die Menschen selbst machen, und sie wollen sie dann immer auf Kosten anderer machen.

Als Christen aber glauben wir, dass erfülltes Leben immer möglich ist, weil es in der Gemeinschaft mit Gott gründet. Da mag der einzelne Mensch arm oder reich, stark oder schwach, groß oder klein sein. Gerade in den sehr verschiedenen Verhältnissen sollen sich seine Menschlichkeit und sein Glaube erweisen. Wer sollte es denn besser wissen als wir, dass gerade die guten Zeiten oft die Sitten verderben? Wer hat nicht schon erlebt, dass gerade die Menschen missraten, die scheinbar alles haben, außer der Stärke, ihrem Reichtum gewachsen zu sein? Es ist ein menschenfeindliches Trugbild, zu unterstellen, alle Menschen würden edel und gut, wenn nur die Bedingungen dazu auf revolutionärem Wege geschaffen würden. Immer waren das Ergebnis dieser Anmaßung Tyrannei und Zerstörung.

Jedes gesunde und wache Volk tritt diesem Denken darum auch irgendwann entschlossen entgegen. So erhoben sich denn auch die Deutschen im Jahre 1813. Es ist bis heute bewegend, mit welcher Begeisterung und Hingabe Menschen diesen Kampf aufnahmen, von dem sie wussten, dass er ihnen das Leben kosten konnte. Die Toten aus Schönhausen trugen die Namen Briest, Bulle, Cuno, Draeger, Grassau, Holloff, Horstmann, Küsel, Lühmann, Schmicker, Thürnagel, Witte und auch den Namen Bismarck. Diese Menschen suchten nicht Abenteuer und Ruhm, sondern stellten sich schlicht ihrer Verantwortung und ihrer Pflicht.

Den Deutschen erwuchs aus dem Sieg in den Befreiungskriegen ein Erlösungserlebnis, wie man es wohl mit dem des Volkes Israel vergleichen muss, als es aus Ägypten gezogen war. Es war ohne Zweifel die prägende nationale Empfindung, die den gesamten Weg zur Einheit bestimmen sollte. Im Zusammenklang mit den Stein-Hardenbergschen Reformen, die u.a. die kommunale Selbstverwaltung hervorbrachten, entwickelte sich darüber hinaus ein bürgerliches Verantwortungsgefühl, das den kirchlichen und politischen Ordnungen des ganzen 19. Jahrhunderts sein Gesicht geben sollte.

Unser Gemeinwesen kann sich menschlich nur dann gestalten, wenn es den Menschen als Geschöpf Gottes und all sein Streben als Sehnsucht nach Gott in die Mitte stellt. Es ist dabei meine tiefe Überzeugung, dass man Mitmenschlichkeit und Verantwortung niemals von jemandem fordern, sondern immer nur konsequent selbst üben kann. Dann muss man auf das Beispiel vertrauen, welches dadurch allen Menschen gegeben ist.

Liebe Gemeinde,

es gibt keinen Grund dazu, Kriege zu glorifizieren. Alle Kriege sind immer eine Geißel für die Menschheit. Wir haben jede Ursache täglich dafür zu danken, dass wir im Frieden leben. Das darf uns aber dennoch nicht in den Irrtum verführen, dass es nichts mehr gäbe wofür wir einzutreten und auch zu kämpfen verpflichtet wären. Unser Glaube, unsere Weise zu leben und der Wahrheit, dem Recht und der Freiheit zu dienen, sind in jeder Generation bedroht. Auch in unserer Zeit müssen wir überzeugt und überzeugend, gerade und klar für sie eintreten

Wenn wir dieser Bedrohung stand halten wollen, dann müssen wir zunächst und vor allem dem Ruf desjenigen folgen, der Freiheit nicht nur verspricht, sondern sie auch gewährt. Ihn lobt Zacharias und bittet, „dass wir erlöst aus der Hand unserer Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die ihm gefällig ist“.

Und darum bekenne ich vor dieser Versammlung:
Christus ist unsere Freiheit!

Amen

Der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen
Thomas Roloff


Nachtrag

Eine Spur hat das Ereignis auch in der örtlichen Presse hinterlassen, wie man hier nachsehen kann, ansonsten war die Veranstaltung, soweit sie draußen stattfand, wohl völlig im Dauerregen versoffen.

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