Mittwoch, 31. August 2011

Erinnert

Deutsches Eck, zwischen 1890 und 1905

Wir leben in dieser Übergangszeit der Erinnerungslosigkeit. Nun, es gibt natürlich etwas, daß sich als eine Art Geschichtsbewußtsein geriert, aber das ist doch zu gezielt ausgesucht und von einem merkwürdigen Motivkomplex geformt. Aber unerfreulicherweise ist das auch ein Erbe des vergangenen Jahrhunderts, in dem man von einer ideologisch gestimmten Bewußtseinslage zur nächsten fiel. Das Bild dort oben, ich gebe zu, es hat etwas leicht gewaltsam Barbarisches, aber dann geriet es in den Strom der Geschichte…

Achtelfinale Deutschland gegen Schweden, Public Viewing am Deutschen Eck, Fussball WM 2006 hier gefunden

... und gewann sympathische Züge. Genau an diesem Tag im Jahr 1897 wurde hier an der Mündung der Mosel in den Rhein ein Reiterstandbild Kaiser Wilhelm I. zum Gedenken an die Reichsgründung 1871 eingeweiht. 1929 war es Zeuge einer spontanen Freudenkundgebung der örtlichen Bevölkerung, als die letzten französischen Besatzungs-Soldaten die Stadt verließen (ja, das hat es in den letzten 200 Jahren mehrfach gegeben), 1945 wurde es von den Alliierten zufällig zerstört, und dem Koblenzer Verlegerehepaar Theisen ist es zu danken, daß es gegen den Widerstand der üblichen Verdächtigen dort wieder steht, und sei es auch nur noch als pittoreske Kulisse.

Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck in Koblenz
(c) Brego, hier gefunden


Man mag leicht dem Irrtum erliegen, hier würde ein fanatischer Anhänger des 19. Jahrhunderts schreiben. Dem aber ist gar nicht so, eher geht es darum, den Fanatikern und klandestinen Neu-Ideologen etwas streitig zu machen und etwas wie Normalität abzutrotzen. Ein scheinbarer Sprung: Ich tat mir heute ein wenig Fernsehen an und sah „Die Reise“ von Markus Imhoof (es geht um einen Herrn Vesper, der zeitweise Spielkamerad für eine Frau Ensslin war). Schnell angewidert hielt ich aber aus, weil mich immer noch die Frage umtreibt, was konstituiert die psychische Verfaßtheit exakt wiedererkennbarer Muster, und ich wurde fündig. Und dann ging mir auf, aus all diesen wären spielend leicht Pol Pots, Maos oder Stalins geworden, wir haben einfach Glück gehabt, es war die falsche Zeit für sie. Sie waren gar nicht abgestoßen von der kurz zuvor zutage getretenen Inhumanität, sondern lediglich neidisch.

Und wo wir bei den besagten Unerfreulichkeiten des vergangenen Jahrhunderts sind, am 31. August 1941 tötete sich die enge Freundin Rilkes Marina Zwetajewa, ich habe sie bereits einmal erwähnt und breche besser ab, mein Kopf bringt mich gerade um. Und wenn ich es recht betrachte, und da auch Frau Wesendonck heute starb, enden wir besser mit ihr und nicht mit dem Radetzkymarsch, der heute uraufgeführt wurde.


Wesendonck-Lieder, Richard Wagner: Träume
hier gefunden

Sonntag, 28. August 2011

Sonntag &



Eine Wiederholung, die diesmal wunderbar herausgekommen ist, nur leider ohne aktuelle Bilder (von dem freundlichen Kamerahersteller K. bekam ich die freundliche Mail, daß man sich für mein Verständnis bedanke, wenn die gerade ausverkaufte Kamera erst später geliefert werden könne, wie schön für ihn, daß sie bereits bezahlt ist, und ich kann mich auch nicht erinnern, irgendwelches Verständnis geäußert zu haben).

Es sah etwa so aus wie dort oben (als ich das Rezept das erste Mal ausprobiert hatte), vielleicht kann ich die Bilder noch nachliefern, da meine alte Kamera noch halbwegs funktioniert, aber eben nur halbwegs. Lachs auf einem Bett aus angedünstetem Wurzelgemüse (Mohrrüben, Zwiebeln, Sellerie und Porree), die Kräuter dazu diesmal Rosmarin, Oregano, Thymian und Estragon (letzteres war neu), auf den gepfefferten und gesalzenen Fisch hatte ich wieder Butterstücke gelegt und das Ganze nach einer Viertelstunde kräftig mit Weißwein begossen. Es ist kurios, aber der Lachs ist in der Tat ziemlich genau nach 30 Minuten durch, man muß da wirklich aufpassen, haben wir diesmal gemacht und das Ergebnis war, und ich lobe mich selten, wie eingangs bereits erwähnt.

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I cooked something again that this time came out wonderfully, but unfortunately no current pictures again (from the friendly camera manufacturer K. I got a kind email about how grateful they are for my understanding the currently sold-out camera could not be delivered until later, how nice it’s already paid, and I can’t remember I’ve mentioned any understanding).

It looked more or less like this up there (when I tried the recipe the first time), maybe I can deliver some actual pictures later since my old camera still works somehow, but only halfway. Salmon on a bed of sautéed root vegetables (carrots, onions, celery and leek), the herbs this time - rosemary, oregano, thyme and tarragon (the latter was new), the peppered and salted fish got small pieces of butter on top and after fifteen minutes the whole thing was drowned with white wine. It is funny, but the salmon is in fact almost exactly done after 30 minutes, one has to be really carefully therefore, we were this time and the result was, and I rarely praise myself, as already mentioned.
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nachgetragene Bilder



Samstag, 27. August 2011

Angenehmer Tag


The Bells of St Mary-le-Tower, Ipswich
hier gefunden

Nun überwiegend. Und wo sich der heutige Tag schon etwas später herumtreibt (immer diese Nachträge) und eher anders verlief, vielleicht ist es nicht gänzlich sinnlos, kurz in das Notizbuch zu schauen und nachzuerzählen, was dort steht. Warum sich zum Sklaven des Unerfreulichen machen. Also beginnen wir mittendrin.

An besagtem Sonnabend hören wir also irgendwann eine Stimme, die merkwürdig an einen vergangenen Potentaten dieses Teils unseres Vaterlands (nun ja, aus Gewohnheit gebraucht man halt manchmal altmodische Begriffe) erinnert, wir folgen irritiert und dann ist es nur ein Politiker der Linken, der einmal saarländischer Ministerpräsident war. ‚Enteignet die Reichen und alles wird gut‘, nun ja, wenn’s denn helfen würde (ist schon mehrfach übel ausgegangen; nicht daß wir die gegenwärtige Variante viel höher schätzen würden, aber dennoch, es gibt Abstufungen) und das revolutionäre Feuer sah doch mehr nach einem gemalten Kamin aus. Demnächst sind Landtagswahlen und es gab gerade eine allgemeine Volksbelustigung. Also wurde die Chance von den üblichen Verdächtigen genutzt, den lautesten Beifall gab es übrigens als er brandmarkte, daß die Renten nicht ordentlich steigen würden.

Ich eile zu meiner Verabredung und werde vom netten Nachbarssohn aufgehalten, der auf dem Marktplatz irgendeinem merkwürdigen Junggesellen-Ritual (vor der anstehenden Hochzeit) folgt, das anscheinend verlangt, Krimskrams zu verkaufen. Eigentlich war ich auf dem Weg zu einer privaten Einladung, die unter anderem sehr guten Käse und noch besseren Champagner versprach. Letzterem konnte ich leider nur maßvoll zusprechen, da ich noch aufrecht in ein Konzert gelangen wollte, daß in St. Johannis „The Church Choir of Boys and Gentlemen from the church of St Mary-le-Tower“ aus Ipswich, Suffolk gab, sehr angenehm übrigens, wenn auch ein bißchen viel 20. Jahrhundert für meinen Geschmack. Gesungene Moderne hat immerhin den Vorteil, daß Disharmonien nicht so schmerzhaft zu spüren sind. Ich konnte kein passendes Video finden, daher das Glockenläuten dort oben. Bisher wußte ich nur, daß es Hexen in Ipswich gibt (wenn man Filmen Vertrauen schenken sollte).

nachgetragenes Bild

Und wenn wir uns noch ein Reich nennen dürften, wäre unser Kaiser nunmehr verheiratet. So war es nur Georg Friedrich Prinz von Preußen, Chef des vormals regierenden Hauses Hohenzollern, der Sophie Prinzessin von Isenburg ehelichtete. Jemand, der mir davon berichtete, sagte, als er auf die Straße trat, hatte er noch für einen Moment das Gefühl, die Welt wäre wieder immer im Lot. Dann kam die Wirklichkeit zurück.
nachgetragen am 30. August

Donnerstag, 25. August 2011

Herr Nietzsche

Lou von Salomé spannt Paul Rée und Friedrich Nietzsche vor ihren Karren
hier gefunden


Letztes Jahr blieb es im Entwurf stecken, wie ich gerade sehe, nun, er starb am 25. August 1900; das Jahr zuvor hatte ich mich dazu aufgerafft, und noch vorher fand ich diese Zitate ganz unterhaltsam:

Der Verbrecher ist häufig genug seiner Tat nicht gewachsen: er verkleinert und verleumdet sie.“
Jenseits von Gut und Böse

„Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, daß er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“
Jenseits von Gut und Böse

Nun, unterhaltsam ist er, man darf ihn nur nicht immer zu ernst nehmen:

„Vor uns selbst stellen wir uns alle einfältiger, als wir sind: wir ruhen uns so von unsern Mitmenschen aus.“
Jenseits von Gut und Böse

„Schopenhauer wünscht, daß man die Schurken kastriert und die Gänse ins Kloster sperrt: von welchem Gesichtspunkte aus könnte das wünschbar sein? Der Schurke hat das vor vielen Menschen voraus, daß er nicht mittelmäßig ist; und der Dumme das vor uns, daß er nicht am Anblick der Mittelmäßigkeit leidet.“
aus dem Nachlaß der Achtzigerjahre

„Der Asket macht aus der Tugend eine Not.“

„Jeder Grausame ist nicht in dem Maße grausam, als es der Mißhandelte glaubt; die Vorstellung des Schmerzes ist nicht dasselbe wie das Leiden desselben.“

„Wer sich selbst erniedrigt, will erhöhet werden.“

„Herkunft des Komischen. – Wenn man erwägt, daß der Mensch manche hunderttausend Jahre lang ein im höchsten Grade der Furcht zugängliches Tier war, und daß alles Plötzliche, Unerwartete ihn kampfbereit, vielleicht todesbereit sein hieß, ja daß selbst später, in sozialen Verhältnissen, alle Sicherheit auf dem Erwarteten, auf dem Herkommen in Meinung und Tätigkeit beruhte, so darf man sich nicht wundern, daß bei allem Plötzlichen, Unerwarteten, in Wort und Tat, wenn es ohne Gefahr und Schaden hereinbricht, der Mensch ausgelassen wird, ins Gegenteil der Furcht übergeht: das vor Angst zitternde zusammengekrümmte Wesen schnellt empor, entfaltet sich weit – der Mensch lacht. Diesen Übergang aus momentaner Angst in kurzdauernden Übermut nennt man das Komische. Dagegen geht im Phänomen des Tragischen der Mensch schnell aus großem, dauerndem Übermut in große Angst über; da aber unter Sterblichen der große dauernde Übermut viel seltener als der Anlaß zur Angst ist, so gibt es viel mehr des Komischen als des Tragischen in der Welt; man lacht viel öfter, als daß man erschüttert ist.“

„Freude im Alter. – Der Denker und ebenso der Künstler, welcher sein besseres Selbst in Werke geflüchtet hat, empfindet eine fast boshafte Freude, wenn er sieht, wie sein Leib und Geist langsam von der Zeit angebrochen und zerstört werden als ob er aus einem Winkel einen Dieb an seinem Geldschranke arbeiten sähe, während er weiß, daß dieser leer ist und alle Schätze gerettet sind.“

„Es sind die ungebundeneren, viel unsichereren und moralisch-schwächeren Individuen, an denen das geistige Fortschreiten in solchen Gemeinwesen hängt: es sind die Menschen, die Neues und überhaupt vielerlei versuchen. Unzählige dieser Art gehen, ihrer Schwäche wegen, ohne sehr ersichtliche Wirkung zugrunde; aber im allgemeinen, zumal wenn sie Nachkommen haben, lockern sie auf und bringen von Zeit zu Zeit dem stabilen Elemente eines Gemeinwesens eine Wunde bei. Gerade an dieser wunden und schwach gewordenen Stelle wird dem gesamten Wesen etwas Neues gleichsam inokuliert; seine Kraft im ganzen muß aber stark genug sein, um dieses Neue in sein Blut aufzunehmen und sich zu assimilieren. Die abartenden Naturen sind überall da von höchster Bedeutung, wo ein Fortschritt erfolgen soll. Jedem Fortschritt im großen muß eine teilweise Schwächung vorhergehen. Die stärksten Naturen halten den Typus fest, die schwächeren helfen ihn fortbilden.“

„Das Beste an uns ist vielleicht aus Empfindungen früherer Zeiten vererbt, zu denen wir jetzt auf unmittelbarem Wege kaum mehr kommen können; die Sonne ist schon hinuntergegangen, aber der Himmel unseres Lebens glüht und leuchtet noch von ihr her, ob wir sie schon nicht mehr sehen.“
Menschliches Allzumenschliches, Bd. 1

Ich lese jetzt noch etwas weiter.

Mittwoch, 24. August 2011

Bartholomäus

Heute ist der Tag des Apostel Bartholomäus, Patron der Bergleute, Gipser, Bauern, Winzer, Hirten, Lederarbeiter, Gerber, Sattler, Schuhmacher, Schneider, Bäcker, Metzger und Buchbinder. Er soll gegen Haut- und Nervenkrankheiten, Zuckungen sowie Dämonen und Geister helfen. Ein recht nützlicher Heiliger also (wenn auch die meisten Geschichten zu ihm eher verstörend sind), zu dem Herr Roloff dieses kleine Kalenderblatt geschrieben hat:

Kirche des Hl. Bartholomäus in Kafr Kanna
hier gefunden

Was kann aus Nazareth Gutes kommen?

Gedanken zum Bartholomäustag


Nathanael Bar Tholmai, Nathanael, Sohn des Tholmai, zu Deutsch des Furchenziehers, war wohl der vollständige Name des Apostels, dessen Gedenken die Kirche am 24. August feiert. Philippus hatte Nathanael berichtet: „Wir haben den gefunden, von welchem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben“. Dann will er ihn zu Jesus führen. Nathanael aber weigert sich mit dem sprichwörtlich gewordenen Satz: „Was kann aus Nazareth Gutes kommen?“ Für die Juden war es völlig undenkbar, dass das Heil nicht ganz und gar aus ihrer Mitte kommen sollte. Nazareth allerdings lag in Galiläa, und das gehörte bereits seit Jahrhunderten nicht mehr zu ihnen.

Nun sieht der Herr aber Nathanael kommen und spricht zu ihm: „Siehe, ein rechter Israelit, in welchem kein Falsch ist“. Und als Nathanael sich wundert, woher Jesus ihn kennt, offenbart dieser ihm: „Ehe denn dich Philippus rief, da du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.“ Dieses kleine Wunder genügt ihm dann für sein Bekenntnis: „Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!“ So berichtet uns der Evangelist Johannes die Berufung des Jüngers, den die anderen drei Evangelien nur noch als Bartholomäus kennen.

An dieser Begebenheit wird erneut sichtbar, wie tiefgreifend allein die Begegnung mit Christus das Leben eines Menschen verändern kann. Die Begegnung mit Jesus verlangt nach einer Antwort, die nur in dem Bekenntnis zum Lehrer, Gottessohn und zum König der Welt bestehen kann. Bartholomäus folgte von nun an dem Herren und soll nach seiner Himmelfahrt die Auferstehungsbotschaft zunächst nach Persien und dann nach Armenien getragen haben.

Dort wurde er eines Tages zum König Polymios gerufen und heilte dessen Tochter. Der König ließ sich daraufhin mit seiner Familie taufen und riss die Götzenbilder im Land nieder. Die verstoßenen heidnischen Priester flüchteten nun zu Astyages, einem Bruder des Königs, der ihm feindlich gesonnen war. Astyages kam mit eintausend Soldaten, sie schlugen den Apostel, zogen ihm bei lebendigem Leibe die Haut ab und kreuzigten ihn dann. Alles das geschah vermutlich im Jahre 51 nach Christus. Der Heilige wirft mit seinem Martyrium bereits ein strahlendes Licht auf den ersten christlichen Staat; zu dem Armenien im Jahre 301 noch vor Rom geworden ist.

Der Legende nach wurde der Sarg des Bartholomäus ins Meer geworfen und bei der Insel Lipari in der Nähe Siziliens angespült. So gelangten die Reliquien nach Benevent und später ein Teil seines Schädels sogar bis nach Deutschland. 1238 brachte Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen die Reliquie in den Frankfurter Dom am Main, der von da an nach Bartholomäus benannt war und zum Krönungsort der Kaiser werden sollte. Bartholomäus wurde somit zum Patron der Stätte, an der bis 1792 die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt wurden.

Weltgeschichtliche Bedeutung erlangte im Jahre 1572 die Bartholomäusnacht. Nach einem gescheiterten Attentat auf Admiral Gaspard de Coligny, dem Führer der protestantischen Hugenotten in Frankreich, eskalierte der Streit zwischen den Konfessionen, und Königin Katharina de Medici nutzte das, um in der Nacht auf den 24. August desselben Jahres Tausende Hugenotten in Paris, wo sie aus Anlass der Hochzeit Heinrichs von Navarra versammelt waren, umbringen zu lassen, unter ihnen befand sich auch Coligny. Es strebte damit die Zeit grausamer blutiger Religionskriege neuen Höhepunkten zu, und sie sollte auch noch das halbe 17. Jahrhundert andauern.

Die Bauernregel zum 24. August mutmaßt: „Wie der Bartholomäustag sich hält, ist der ganze Herbst bestellt.“

Thomas Roloff

Dienstag, 23. August 2011

Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow



"Advent" (with English subtitles)
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Morgen bring ich sie um“, nein nicht heute, und dieses „Morgen“ wird sich vermutlich noch lange hinziehen, aber man kann ja ein wenig Tagträumen, das verschafft Erleichterung, manchmal ein ganzes sogenanntes Leben lang.

Es gibt einen kultivierten Humor, der ist so schneidend klar und dabei grandios unterhaltsam, daß ihn die einen nicht mögen, weil sie ihn nicht verstehen, und die anderen nicht, weil sie sich bloßgestellt fühlen, bei den meisten wohl eine halbbewußte Mischung aus beidem. Andere meinen, sein Humor war veraltet. Der Gegenstand vielleicht, die Haltung kaum.


Bundestagsrede (with English subtitles)
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Jemand, der daran erinnerte, daß „Geist“ im Deutschen einmal eine Bedeutung hatte, ist gegangen. Es gibt also immer noch Gründe zu hoffen, das klingt sinnlos, ist es aber nicht. Wenn ich mir diese alte Politik–„Parodie“ ansehe, nun gut, das Milieu ist vergangen, aber das Muster treibt ungebrochen sein Unwesen. Welch ein Aristokrat des Geistes.

„Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.“ Oder anders gesagt: „Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen.“

Möge Gott seiner Seele gnädig sein. Ich bin mir sicher, der fühlt sich gerade prächtig unterhalten.

Sonntag, 21. August 2011

Sonntag ohne Bilder


Dean Martin – Lullaby
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Letzten Sonntag mochte ich eigentlich nichts erzählen, weil die Bilder etwas anderes vorgaben als es der Realität entsprach, heute ist es ähnlich, aber anders: Es gibt keine Bilder, nun sie existieren, aber die Kamera gibt gerade nach und nach ihren Geist auf. Ich muß mir also wohl endlich eine neue zulegen. Dann doch noch wenigstens ein kurzer Bericht. Ich hatte letztens von diesem furchtbar versalzenen geräucherten Schweinebauch berichtet. Den Rest davon haben wir also zusammen mit Weißkohl geschmort (und Zwiebeln, Piment, Pfeffer, Lorbeerblättern, fast keinem Salz), und siehe da, es war durchaus eßbar. Dazu ein paar Kotelett, die ich über Nacht in eine Marinade eingelegt hatte (aus Senf, Öl, Zwiebeln, Balsamiko-Essig, Rotwein und klein gehacktem Rosmarin). Absolut eßbar das Ganze, wie gesagt, nur ohne Bilder. Als kleinen Trostpreis gibt es dafür Dean Martin mit "Lullaby".

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Last Sunday I didn’t really wanted to talk about dinner because the pictures were pretending something that not really matched with reality, today it’s similar, but different: there are no pictures, well they exist, but my camera is on its way to Nirvana it seems. Obviously I have to buy a new one. Nevertheless at least a brief report: Recently I whinged about this awful over salted smoked pork. The rest of it we’ve simmered along with cabbage (and onions, allspice, pepper, bay leaves, almost no salt), and lo and behold, it was quite edible. A couple of chops, which I had soaked overnight in a marinade (made of mustard, oil, onion, balsamic vinegar, red wine and minced rosemary) were added. Completely edible the whole thing, I said already just no pictures. As a small consolation gift Dean Martin with “Lullaby”.
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Nachgetragene Bilder





Mittwoch, 17. August 2011

Preußisches


Friedrich der Große oder auch II. starb am 17. August 1786 in Potsdam, also vor 225 Jahren. Ich wurde heute ermahnt, ich müsse unbedingt über ihn schreiben, schließlich hätten wir beide vor 20 Jahren, also am 17. August 1991 miterlebt, wie er gemäß seines letzten Willens wieder nach Potsdam verbracht wurde, um vor seinem geliebten Sanssouci bestattet zu werden, seine Gebeine natürlich. Sein eher unerfreulicher Vater, Friedrich Wilhelm I. fand seine wohl letzte Ruhe in der Friedenskirche. Gespenstisch, diesen alten Tagesschau-Bericht dazu zu sehen (es ist gleich die erste Meldung, und wo ich nicht weiß, wie lange dieser Link funktionieren wird, hier ist er). Wie hatte ich zustimmen müssen: „20 Jahre sind doch nüscht!“.

In der Tat, aber das ist nicht neu, denn wie heißt es von den Menschen: „… tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. Du lässest sie dahinfahren wie einen Strom; sie sind wie ein Schlaf, gleichwie ein Gras, das doch bald welk wird, das da frühe blüht und bald welk wird und des Abends abgehauen wird und verdorrt… Darum fahren alle unsere Tage dahin durch deinen Zorn; wir bringen unsre Jahre zu wie ein Geschwätz… denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon.“

Über einen protestantischen Heiligen

Das Kloster von Cluny - Eingang zur Abtei

Schon gelegentlich habe ich daran erinnert, wie die Französische Revolution seit 1798 die größte romanische Kirche des Abendlands, die Abtei von Cluny, zum Steinbruch gemacht und so bis auf geringe Reste zerstört hat. Etwa zehn Kilometern entfernt befindet sich das kleine Dorf Taizé. Dort hat ein Mann, zunächst völlig auf sich allein gestellt, ein Zeichen ganz entgegengesetzten Geistes geschaffen. Als am 16. August 2005 Frère Roger, eigentlich Roger Schutz, während eines Gottesdienstes von einer Geistesgestörten niedergestochen wurde, er starb im Alter von 90 Jahren, war die Erschütterung in allen christlichen Konfessionen spürbar.

Selbst sein Tod weckte so, selbst wenn es nur ein Moment war, den Geist der Verbundenheit. Ein Protestant, der auch in der katholischen Kirche in höchstem Ansehen stand und steht, das ist nicht ganz so häufig und verweist darauf, daß es wohl eine besondere Persönlichkeit gewesen sein muß, und wie bei allen Menschen, die durch das Charisma ihrer Person wirken, ist es nicht einfach zu sagen, was sie so heraushob.

Dieses Charisma durfte ich als junger Mensch selbst erleben. Dies ist auch der eigentliche Grund für diesen Beitrag. Daß er eben auch in Verbindung mit einer gewissen jugendlichen Frömmigkeitsströmung steht, macht es einem in „reiferem“ Alter etwas schwerer, aber das verschwindet, wenn man sich dem Mann selbst wieder zuwendet. Frère Roger war jemand, für den man dann doch einmal das Modewort „authentisch“ verwenden sollte, ein Mann, der Frieden, Versöhnung, Zuwendung und tiefe Spiritualität ausstrahlte.

Auf der Seite der Communauté de Taizé fand ich dafür folgende Sätze, die mir sehr bezeichnend erscheinen. Frère Alois, der jetzige Prior der Gemeinschaft zitierte sie beim Gedenken in Taizé:
„Jeder Mensch lebt mit einer offenen Wunde, die ihm die Fehlschläge im Leben, Erniedrigungen oder ein schlechtes Gewissen zugefügt haben.“ „Christus verklärt diese Wunde, so daß sie zu einem Ort der Kraft wird, zu einer Quelle schöpferischer Energien, aus der Gemeinschaft, Freundschaft und gegenseitiges Verstehen strömen.“

Jan Sokol: Cluny, intérieur du farinier (1275))
hier gefunden

Frère Roger sah Taizé als "ganz bescheidene Flamme ökumenischer Hoffnung" und dies war denke ich sein tiefster Antrieb. Er wollte mit seiner Person für die Heilung des Risses zwischen den Konfessionen einstehen. Daher hatte er versucht, Papst Pius XII. von der Dogmatisierung der leiblichen Himmelfahrt Mariens abzubringen, wie wir wissen vergeblich. Andererseits erhielt er als Protestant bei der Beisetzung Johannes Pauls II. von Kardinal Ratzinger, dem jetzigen Papst Benedikt XVI., die Kommunion gespendet. Was erklärlicherweise erhebliches Aufsehen erregte (man sehe hier und hier), bis hin zur Spekulation, er sei heimlich konvertiert. Seine Antwort darauf war:

„Geprägt vom Lebenszeugnis meiner Großmutter fand ich, wie sie, meine Identität als Christ darin, in mir den Glauben meiner Ursprünge mit dem Geheimnis des katholischen Glaubens zu versöhnen, ohne mit irgendjemandem zu brechen.“

Kardinal Kasper griff bei der Beerdigung von Frère Roger dies auf, indem er sagte:
„Er wollte den Glauben der ungeteilten Kirche leben, ohne mit irgend jemandem zu brechen, in tiefer Brüderlichkeit. Er glaubte vor allem an die Ökumene der Heiligkeit, jener Heiligkeit, die den Grund der Seele verändert und allein zur vollen Gemeinschaft führt.“

Oder mit anderen Worten, Frère Roger war einer der wenigen Menschen, denen es gelungen ist, in ihrer Person den Riß, der durch Kirche und Christenheit geht, zu überwinden.

Frère Roger beim Gebet in Taizé
(c) João Pedro Gonçalves, hier gefunden

Dienstag, 16. August 2011

Montag, 15. August 2011

Assumptio Mariae


Himmelfahrt Christi. Ausgießung des Heiligen Geistes.
Entschlafen der Gottesmutter
Katharinenkloster, Sinai
hier gefunden

Was für ein wunderbares Fest. Hm, dieser Satz hat sich gerade selbst geschrieben, also lassen wir ihn so stehen. Die Kirche gedenkt in ihrem katholischen Teil an diesem Tag der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel, die Orthodoxie spricht von Mariä Entschlafung. Pius XII. hat am 1. November 1950 in der Apostolischen Konstitution „Munificentissimus Deus“ festgehalten:

„Die erhabene Gottesmutter, die mit Jesus Christus von aller Ewigkeit her … in geheimnisvoller Weise verbunden war; sie, die unbefleckt war in ihrer Empfängnis, die in ihrer Gottesmutterschaft unversehrte Jungfrau blieb, sie, die hochherzige Gehilfin des göttlichen Erlösers, der über die Sünde und ihre Folgen den vollen Sieg errungen hat: sie erhielt als herrliche Krone all ihrer Ehrenvorzüge, daß sie von der Verwesung im Grab verschont blieb und wie ihr Sohn nach dem Sieg über den Tod mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen wurde, um dort zur Rechten ihres Sohnes, des unsterblichen Königs der Ewigkeit, als Königin zu erstrahlen.“

Er führt weiter aus, er habe zu ihr „in so vielen traurigen Wechselfällen“ Zuflucht genommen und die gesamte Menschheit „ihrem Unbefleckten Herzen öffentlich und feierlich“ geweiht und dabei „ihren wirksamen Schutz immer und immer wieder“ erfahren. Es sei auch zu erwarten, daß „in einer Zeit, wo die Irrlehren des Materialismus und die daraus folgende Verderbnis der Sitten das Licht der Tugend zu ersticken und durch die Entfesselung von Kampf und Krieg so viele Menschenleben zu vernichten drohen … daß die Wahrheit von der Himmelfahrt Marias allen in klarem Lichte zeige, für welch erhabenes Ziel wir nach Leib und Seele bestimmt sind.“ Und daher dekretiert er:

„Die unbefleckte, immerwährend jungfräuliche Gottesmutter Maria ist, nachdem sie ihren irdischen Lebenslauf vollendet hatte, mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen worden.“

Carl Gustav Jung war von diesem neuen Dogma begeistert, und erhoffte sich gewissermaßen die Vervollständigung der trinitarischen Gottheit. Aber die Kirche ist dann doch davor zurückgeschreckt, mit der Dogmatisierung als Miterlöserin, als Corredemptrix eine Grenze zu überschreiten. Jung verweist auf den gern vergessenen Umstand, daß die Marienfrömmigkeit gerade in Kriegs- und Notzeiten stark wurde (etwa beim Abwehrkampf gegen den Islam), und zwar aus dem Volk heraus (so war es auch zu Ende des vorletzten und Beginn des letzten Jahrhunderts - Lourdes 1858, Fátima 1917), und daß es gerade häufig Kinder waren bestärkte ihn darin, daß hier das kollektive Unbewußte am Werk war, das nach einem Heilbringer, einem Friedensstifter verlange. Diese populäre Bewegung bestehe „nicht in einer neuen Gottesgeburt, sondern in der fortschreitenden Inkarnation Gottes“ (Antwort auf Hiob). Ein bemerkenswerter Gedanke, aber es soll hier nicht um Jung gehen, vielleicht schaffe ich es ja endlich einmal, ein wenig über ihn zu schreiben.

Bevor wir also mit diesem Bild des heutigen Abends enden (ich dachte, es sei ganz passend, wird Maria doch nicht von ungefähr häufig mit Himmelserscheinungen in Verbindung gebracht), wollen wir noch einmal an diese Worte Papst Benedikt XVI. erinnern:

"…. das Hochfest der Aufnahme der seligen Jungfrau Maria in den Himmel … bietet uns die Gelegenheit, zusammen mit Maria die Höhen des Geistes zu erklimmen, wo wir die reine Luft des übernatürlichen Lebens atmen und die authentischste Schönheit betrachten, die Schönheit der Heiligkeit."
beendet am 17. August


Sonntag, 14. August 2011

Sonntag &

poorly translated

Wie zu erkennen, bin ich diesmal etwas zögerlich mit meinem ritualisierten Sonntags-Essens-Bericht. Der banale Grund - ich habe mich danach erst mal für einen Erholungsschlaf niederlegen müssen. Es tendierte in Richtung gruselig. Die Erklärung: Meine Frau Mutter hatte gefragt, ob wir nicht wieder geschmorten Spinat machen könnten, der war offensichtlich irgendwann einmal gelungen. Jetzt kommt der fatale Fehler: Wir hatten noch ein großes unbenutztes Stück geräucherten Bauchspeck, den dachte ich könnte ich doch fürs Schmoren auslassen, und die Scheiben packe ich zum Schluß obendrauf. Also werden Zwiebeln, Knoblauch, Spinat und ein paar übriggebliebene Champignons angeschmort und das ganze kommt mit beigefügtem Thymian und Oregano und geriebenem Käse noch kurz in den Ofen, zum Schluß obenauf die Speckscheiben. Da ich davon ausging, daß der Speck wohl salzig wäre - viel Pfeffer, kaum Salz. Dieses wenige war schon zuviel, denn wie sich herausstellte, hätte man auch einen Brocken Salz anbraten können. Nun ja, dummerweise habe ich trotzdem etwas davon gegessen, mit dem Effekt, daß ich mich sehr überwinden mußte, darüber auch noch zu schreiben.


Das letzte Bild: Auch eine Art Resteverwertung. Wir hatten dummerweise noch eine große Leberwurst von einem ortsansässiger Fleischer im Kühlschrank, die ebenfalls scheußlich versalzen war. Frage, was macht man damit außer wegwerfen? Von diesem freundlichen Blogger kam der Tip – in einem Hackbraten verwenden? Also versuchen wir das mal, in das Gehackte kamen außer kleingeschnittenen Zwiebeln und Paprika und gehackten Kräutern (siehe oben + Rosmarin), Eiern und Semmelmehl noch besagte Leberwurst. Das Ganze im Blätterteigmantel. Um es gleich zu sagen, obwohl ich mir redlich Mühe gegeben hatte, andere Geschmacksvarianten hinzuzufügen. Der Leberwurstgeschmack dominiert, oder anders gesagt, es schmeckte wie aufgewärmte Leberwurst, hm. Zumindest war der Salzgeschmack nicht mehr dominierend, also ein eher halber Erfolg. Wenigstens die Hefeklöße waren in Ordnung. Nun, wieder etwas fürs Leben dazugelernt.


As one can see, this time I'm a little hesitant with my ritual Sunday dinner report. The plain reason – I had to lay down after it for a recovering sleep. It tended towards creepy. The explanation: My mother asked if we could have braised spinach again, which apparently succeeded once. And now comes the fatal mistake: We still had a large unused piece of smoked bacon, which I thought I could use for braising, and at the end I would put the slices on top of the whole stuff. So onions, garlic, spinach and a few leftover mushrooms were braised, thyme, oregano and grated cheese were added and the thing in the oven for a short time. Since I assumed that the bacon would be of course salty - a lot of pepper, little salt. This was already too much, because as it turned out, I could have braised a chunk of salt instead. Well, unfortunately eating a bit of it nevertheless brought the effect that I had to struggle hard to write about it as well.


The picture above - a kind of leftovers likewise, we had unfortunately still a big liver sausage from a local butcher in the fridge, which was also over salted. What to do with it except throw away? A friendly blogger does advice - use it in a meatloaf? So we try that, to the chopped onions and chopped bell pepper and chopped herbs (rosemary + see above), eggs and bread flour was added mentioned sausage. The whole thing wrapped in puff pastry. To say it clear, although I had made honest effort to add other flavors the sausage flavor dominates, in other words, it tasted like warmed liver sausage, hm. At least the salt taste wasn’t dominant anymore, a rather partial success. At least the yeast dumplings were fine. Well, again learned something for life.

Samstag, 13. August 2011

Über Mauern und Irrtümer

Ich hatte Herrn Roloff, wenn ich mich recht besinne, einmal versprochen, seine Predigten nicht zu veröffentlichen, bevor er sie auch gehalten hat. Insofern führt das Datum in die Irre, tatsächlich haben wir bereits Sonntag, ich bin soeben vom Gottesdienst zurück und wollte vor den üblichen Essensvorbereitungen dies gern noch hier anbringen.

Es ist eine recht politische Predigt, zumindest im ersten Teil, was eher ungewöhnlich für ihn ist, aber im 2. Teil haben wir dann wieder den angenehm vertrauten Predigtton, fast hätte ich gesagt des 19. Jahrhunderts. Und da er sich deutlich auf den 13. August 1961 bezieht, dachte ich, dann stellen wir sie auch dorthin. Er ist sehr entschieden im Ton. Manche werden das schroff finden, vielleicht weil sie meinen, dies Wort „Sozialismus“, was ja im Grunde auch ein rechtes Wieselwort ist, würde sich noch immer mit irgendwelchen verschwommen emanzipatorischen Hoffnungen verbinden lassen. Herr Roloff verweist hingegen auf das, was sich bisher unter diesem Zeichen ereignet hat, und kommt nachvollziehbar zu seinen Schlüssen.



Predigt zum 8. Sonntag nach dem Trinitatisfest 2011

Jes 2, 1-5

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,

diese wunderbare Verheißung vom Ende und von der Erfüllung aller Geschichte, wie sie uns hier durch den Propheten Jesaja gegeben ist, soll die Grundlage dafür sein, in unsere eigene jüngste Geschichte zu blicken. Das Wort „Schwerter zu Pflugscharen“ nämlich ließ in den 80er Jahren noch einmal geradezu archaisch deutlich werden, welche Gewalt von der Heiligen Schrift ausgeht.

Die Mächtigen der damaligen Zeit fühlten sich bedroht durch eine Forderung, die sie doch selbst erhoben und sich zu eigen gemacht hatten. Der sowjetische Künstler Jewgeni Wiktorowitsch Wutschetitsch hatte die Skulptur vom kraftvollen Schmied, der ein riesiges Schwert in eine Pflugschar umschmiedet, geschaffen. Die Sowjetunion schenkte das Kunstwerk der UNO 1957, und nun steht es noch immer an ihrem Hauptsitz am New Yorker East River. Man spürt daran bis heute, wie irrational die Verhältnisse in der Spätphase der DDR-Zeit geworden waren. Zahlreiche Jugendliche wurden brutal gemaßregelt, wenn sie den Aufnäher mit diesem Slogan der Friedensbewegung an ihrer Kleidung trugen.

Wutschetitsch hatte übrigens auch das Treptower Ehrenmal und die Mutter Heimat von Stalingrad erschaffen. Monumentale Bildwerke einer uns langsam immer fremder werdenden Epoche. Gerade darum aber haben wir die Pflicht, an diese Zeit zu erinnern.

Dieser Sonntag steht zeitlich natürlich auch im Zusammenhang mit dem Gedenken an den 50. Jahrestag des Baus der Berliner Mauer, der gestern begangen wurde. Die Mauer war die Garantin für die Aufrechterhaltung aller absurden und menschenunwürdigen Zustände in der DDR und in der gesamten östlichen Hemisphäre.

Es hat sich in den letzten Tagen eine zynische Debatte über die Ursachen der Mauer entsponnen, und es gibt Menschen, die diesem monströsen Bauwerk zumindest eine gewisse Berechtigung zusprechen wollen. Da heißt es, die Mauer wäre das Ergebnis des verlorenen Krieges gewesen und war gar nicht so sehr durch die deutschen Kommunisten verschuldet. Diese hätten angesichts der Tatsachen gar keine andere Wahl gehabt. Heute würde man vermutlich sagen, die Mauer wäre alternativlos gewesen.

So versteckt sich immer einer hinter den Untaten des anderen. Zwei Dinge müssen dazu immer gesagt werden: Zum einen ist Geschichte nicht irgendein anonymes Schicksal, das über Menschen und Völker hereinbricht, sondern Geschichte wird aus dem, was Menschen tun. Zum anderen darf man auch nicht vergessen, dass zu den sichtbar Handelnden immer diejenigen hinzukommen, die dieses Handeln dulden.

Dann wiederum wird von maßgeblichen politischen Kräften unserer Tage eingeräumt, dass man zwar an dem Ziel des Sozialismus festhalten würde, eine Mauer aber zu dessen Durchsetzung nicht mehr in Frage käme. Dazu muss gesagt werden, dass es sich bei dieser Bewertung mindestens um einen historischen Irrtum, wenn nicht sogar um eine vorsätzliche Täuschung handelt. Die Mauer war doch gar nicht die Voraussetzung für den Aufbau der neuen, gerechten, sozialistischen Gesellschaftsordnung. Der wurde bereits seit 1952 konsequent betrieben. Die Mauer war das zwangsläufige Ergebnis dieses Aufbaus, der in seinem Kern eine fortgesetzte Zerstörung der bürgerlichen und christlichen Ordnung unseres Landes gewesen ist, die ohnehin bereits schwersten Schaden genommen hatte. Die Menschen entschieden sich aber in immer größer werdender Zahl gegen diesen Weg und verließen das Land.

Es wurde ganz klar, Freiheit und Sozialismus sind nicht zu vereinbaren. Eine Gesellschaft, die die Würde des Menschen, seinen Glauben, seine Freiheit und sein Eigentum nicht achtet, kann immer nur hinter Mauern errichtet werden.

Natürlich sind das ganz einfache Sätze, aber gerade sie sind wie das Licht, das in einen Raum fällt und auf einen Schlag alles Gespensterhafte, Nebulöse und Unklare verschwinden und die Tatsachen im wahrsten Sinne des Wortes zutage treten lassen.

Wenn das nun schon für diese Zusammenhänge gilt, um wieviel mehr trifft es auf das zu, was der Prophet Jesaja ausspricht. Damals, in den 80er Jahren, konnte man genau das erkennen: Das Prophetenwort wurde in die Zeit hineingesprochen, und es war wie ein klares Licht, vor dem die ganze Heuchelei, Unaufrichtigkeit, ja Verlogenheit der damals Mächtigen sichtbar wurde.

Die DDR entlarvte sich zum wiederholten Male als das, was sie in ihrem Kern immer war, eine brutale Diktatur, die ein ganzes Volk eingesperrt und seine Gegner willkürlich verfolgt hat. Wo es kein Recht gibt, da kann es schon gar keine Gerechtigkeit geben, wo es keine Freiheit gibt, da gibt es auch keinen Frieden.

Im Wort des Propheten, im Wort Gottes, in unserem Glauben allein finden wir den verbindlichen und den uns mit Menschen verbindenden Maßstab für ein Leben in Würde. Die Würde des Menschen wird ihm von Gott verliehen. Wo also der Glaube aufhört, da ist auch immer die Würde des Menschen in Gefahr. Es gilt aber auch umgekehrt, dass wo die Würde des Menschen nicht geachtet wird, da darf man sich auf den Glauben nicht mehr berufen. Der wahre Glaube entzündet sich gleichsam auch immer wieder an der Achtung der Gottesebenbildlichkeit aller Menschen.

Das ist es nun aber, was wir im Einzelnen vom Propheten Jesaja erfahren:

• „Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des Herren Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen,“

Damit wird uns deutlich gemacht, dass die Geschichte ein Ziel und unser Weg ein Ende hat. Wir können uns darauf verlassen, dass unsere Geschichte und immer auch unser persönlicher Weg ein Weg mit Gott ist. Der Gott, der sich auf den Bergen als mächtig erwiesen hat, auf dem Sinai, auf dem Zion, auf dem Tabor, auf dem Golgatha, wird auch in der letzten Zeit für alle sichtbar sein, weil er auf dem Berge sein wird, der höher ist als alle Berge.

• „und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns auf den Berg des Herren gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen!“

Wir werden überrascht sein, wer da alles gelaufen kommen wird, und natürlich, wenn der Berg Gottes sichtbar ist, dann werden es alle schon immer gewusst haben. Warum aber sollte uns das kränken? Vielmehr sollen und werden wir uns freuen:

• „Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herren Wort von Jerusalem“

Es ist eine tröstliche Gewissheit, dass uns diese Weisung verheißen aber, auch bereits zuteil geworden ist.

• „Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“

Das ist eine gnädige Vorstellung vom Gericht. Oft habe ich den Eindruck, dass wir Menschen uns die Worte Richten und Zurechtweisen verdorben haben in unserer Erwartung, da wird jemand mal so richtig angeschnauzt, kriegt sein Fett weg und wird ordentlich bestraft, dass es uns eine Freude, eine rechte Schadenfreude ist.

Das aber ist offensichtlich nicht gemeint, wie wir am Ergebnis leicht sehen können. Gott richtet, indem er aufrichtet, heil macht, zum Guten befähigt. Er weist zurecht, indem er neue Wege eröffnet, auf denen das Leben dann weitergehen kann in der Gemeinschaft mit ihm und mit den Menschen. Gottes Jüngstes Gericht ist darum wohl eher einem wirklichen Richtfest zu vergleichen, wie wir es begehen, wenn wir uns Häuser bauen. Gottes Jüngstes Gericht ist ein Richtfest zum ewigen Leben.

So lernen denn auch die Menschen erst durch und mit und im Richterspruch Gottes, alles fortzuräumen, was sie am Guten hindert und wirklichen Frieden zu halten. Nicht wir bringen den Frieden hervor, das wäre menschliche Hybris, sondern Gott schenkt ihn uns.

• „Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des Herrn!“

Hier spricht nun scheinbar ganz unvermittelt der Prophet Jesaja in seine Gegenwart hinein, an seine Mitmenschen gerichtet. Kommt, lasst uns wandeln im Licht des Herrn! Das ist es, was auch die Kirche unserer Gegenwart vermitteln kann und muss, die Gewissheit vom Ende, vom Kommen und Richten Gottes ist bereits jetzt ein Licht, das leuchten wird, wenn man sich dem anschließt, der von sich gesagt hat: Ich bin das Licht der Welt.
Christus ist unser Licht und unsere Freiheit, mit ihm können wir auch über Mauern springen.

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.

Amen
Thomas Roloff

Mittwoch, 10. August 2011

Lektüre


Wenn man nichts zu sagen hat, sollte man nicht unbedingt schweigen, wie Herr Wittgenstein meint ("wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen"), man kann auch erneut zu lesen beginnen, um dann anzuzeigen, das wäre vielleicht interessant.

Kurz gesagt, der Herr Morgenländer hat sich sehr einfühlsam eines Konservativen angenommen (als dieses Wort noch von Wert war) - Friedrich Julius Stahl.

Gareth Russell
findet einige prägnant zutreffende Worte über den Umstand, wie der Mob die Tuilerien schändete.

Und um im Angenehmen zu enden: Der Blogger Jay schrieb wundervoll über die Holländer im Allgemeinen und eine gewisse Art von Malerei im Besonderen. Es ist schon eine hohe Kunst, selbst über Ressentiments angenehm zu schreiben.
beendet am 11. August

Montag, 8. August 2011

Graun


Carl Heinrich Graun, "Montezuma"
"Non han calma le mie pene" - Joan Sutherland
hier gefunden

Carl Heinrich Graun starb am 8. August 1759. Und jetzt mögen sich einige fragen: Wer? In der Tat, die Wertschätzung Friedrichs des Großen hat ihn nicht vor dem weitgehenden Vergessen bewahren können. Deswegen wollte ich doch noch unbedingt kurz mit diesen gefunden Beispielen an ihn erinnern, die übrigens zeigen, daß er nicht ganz so vergessen ist. Ich habe nebenbei bemerkt dann doch einen meiner oft versprochenen, aber selten ausgeführten Nachträge verfertigt, ein wenig zu zeitgenössisch für meinen Geschmack.


Carl Heinrich Graun, "Montezuma"
'Ah immaginar non puoi' - Dorothea Wirtz
hier gefunden

beendet am 10. August

Sonntag, 7. August 2011

Sonntag &

poorly translated

"Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr gleich seid wie die übertünchten Gräber, welche auswendig hübsch scheinen, aber inwendig sind sie voller Totenbeine und alles Unflats." Diese freundliche Stelle aus Matthäus 23 (Vers 27) kam mir heute in den Sinn, als ich die gestern gekauften Champignons näher besah.

Da war wohl etwas mit der Kühlkette durcheinander geraten oder man hatte das extrem schwüle Wetter in seinen Auswirkungen unterschätzt. Äußerlich schienen sie zunächst in Ordnung, aber dann. Wir haben sie dennoch genommen (und wie man sieht überlebt). Die Schweineschnitzel schnurrten darauf mächtig zusammen, so schien also das Fiasko vorprogrammiert. Erstaunlicherweise blieb das aber aus.

Offensichtlich kann man also manchmal durchaus mit mäßigen Zutaten etwas hinbekommen, es war eine Art Gratin mit Schweineschnitzeln auf den besagten Pilzen, mit Zwiebeln und Thymian und Oregano. Sogar meine Frau Mutter schien angetan, die es sichtlich genossen hatte, sich den ganzen Vormittag über die schlecht eingekauften Pilze zu empören. Zum Glück mag sie kein Rindfleisch, also hatte ich mein Rumpsteak ganz für mich, ja es war noch leicht rötlich und hat so geschmeckt, wie es auf dem Bild aussieht, großartig. Ach so, wie man erkennen kann, Hefeklöße dazu zur Abwechslung.

Und da Joachim Ringelnatz an einem 7. August (1883) geboren wurde und hier kürzlich von Friedrich dem Großen die Rede war:


Joachim Ringelnatz
Die Schnupftabaksdose

Es war eine Schnupftabaksdose,
Die hatte Friedrich der Große
Sich selbst geschnitzelt aus Nußbaumholz.
Und darauf war sie natürlich stolz.

Da kam ein Holzwurm gekrochen.
Der hatte Nußbaum gerochen.
Die Dose erzählte ihm lang und breit
Von Friedrich dem Großen und seiner Zeit.

Sie nannte den alten Fritz generös.
Da aber wurde der Holzwurm nervös
Und sagte, indem er zu bohren begann:
„Was geht mich Friedrich der Große an!“


“Woe unto you, scribes and Pharisees, hypocrites! for ye are like unto whited sepulchres, which indeed appear beautiful outward, but are within full of dead men's bones, and of all uncleanness.” These friendly words from Matthew 23 (verse 27) came to my mind today when I had a closer look at the mushrooms I bought yesterday.

There was probably something got mixed up with the cold chain or someone had underestimated the extremely humid weather in its effects. Outwardly, they seemed fine at first, but then. We used them nevertheless (and as you can see survived it obviously). Then the pork cutlets were shrinking extremely, o joy, there comes the inevitable fiasco. Amazingly, however it didn’t come.

So obviously you can even sometimes with not the best ingredients manage to cook something nice. It was a sort of gratin - the pork cutlets on mentioned mushrooms, with onions, thyme and oregano. Even my mother seemed to enjoy it after she enjoyed the whole morning to talk about these terrible wrong-bought mushrooms. Luckily she doesn’t like beef, so I had my steak just for me, yes it was still slightly red and tasted the way it looks in the picture, in other words great. Oh and as you may have recognized already, yeast dumplings for a change.

And since the German writer Ringelnatz was born on a 7th August (1883) and Frederick the Great was recently mentioned here:

Joachim Ringelnatz
The Snuff Box

A snuff box once was made
By King Frederick the Great,
Who carved it from a walnut log
Which made the box prideful agog…

(You might read the rest of the poem here or here)

Freitag, 5. August 2011

Kaiserin Friedrich


Victoria als preußische Kronprinzessin,
porträtiert von Franz Xaver Winterhalter, 1867

Wenn Beiträge hier nicht zustande kommen, ist es meist ein Gemisch jeweils ganz unterschiedlicher Gründe. Bei der „Kaiserin Friedrich“, der Mutter unseres letzten Kaisers, war es wohl nur die unbestreitbare Tatsache, daß ich Dame nicht sonderlich mag. So ging es mir vor einem Jahr schon einmal. Ein Nachtrag dennoch.

Denn ich hatte noch einmal ein wenig gelesen, um das Gefühl vielleicht etwas abzumildern. Und stieß in dem grandiosen Buch von Nicolaus Sombart über Wilhelm II. – im Grunde ein verzweifelter Appell an seinen Historikerfreund C. G. Röhl, dem Kaiser in seiner mehrbändigen Biographie „etwas gerechter zu werden“, sofort wieder auf diesen Satz, der Grund des Anstoßes sei: „Er liebt den Kaiser nicht“.

Die verweigerte Empathie ist eines der typischen Kennzeichen der Bewohner dieses irritierenden Zeitalters, gerade bei den sich intellektuell begabt Fühlenden. Aber wie kann man etwas verstehen können, dem man sich nicht wirklich zuwenden oder notfalls aussetzen will? Man hat gar nicht die Absicht, das ist die banale Antwort.

Mir fiel zufällig ein Artikel aus einer der sogenannten Qualitätszeitungen von einem Herrn Müller von vor zwei Jahren wieder in die Hand, in der er eher brüchig eloquent gegen das Rekonstruieren wettert. Ein bezeichnendes Dokument im o.g. Sinne. Zunächst räsoniert er darüber, das 19. Jahrhundert hätte noch gewußt, es würde zitieren, heute aber wäre an dessen Stelle die Haltung des „Nachbestellens“ getreten, und die „warme Stube der Wiederbringung“, die „Kategorie des Verlusts, erlebt im Schmerz“ sei verschwunden. Fast hätten wir den guten Mann jetzt sympathisch gefunden, aber während wir den Dunst der Nebelkerzen hinweg wedeln, werden wir stutzig, ihm mißfällt der Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche, ausgerechnet!

Ausgerechnet die Dresdner Frauenkirche wird als Muster eines Fakes genannt, nicht einer der Fälle, wo einem Einkaufszentrum die Tapete eines Schlosses aufgeklebt wurde, hm. Klingt uns das unaufrichtig? Wo doch dort mit soviel Umständlichkeit in dem Wiederverwenden von allem, was noch verwendbar schien, gearbeitet wurde, also bis zum Respekt vor der materiellen Substanz, ja mit Liebe sogar, bis hin zur wiederhergestellten authentischen Nutzung. Und nein, es wurde keinem aus Betonblöcken gebildeten seelenlosen Raum eine alte Fassade davorgehängt, so bezeichnend für diese Fassadenrepublik.

Ihm mißfällt auch der geplante Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, schließlich haben wir keinen König mehr, und Herr Ulbricht ließ es abreißen, und jetzt kommt es: „Aber es steht eben nicht mehr, es ist einem Entschluss zum Opfer gefallen, den man … kühn in seiner Unmissverständlichkeit nennen muss: mit der Tradition Preußens ein für allemal zu brechen und hierfür ein klares, unwiderrufliches Zeichen zu setzen. Und so sprengte die DDR das Schloss, um genau an dieselbe Stelle einen Palast der Republik zu setzen.“

Er verstreut dann noch ein paar interessantere Gedanken, aber wir wissen bereits zu viel, als daß wir diesen gefälligen Ablenkungen noch nachgehen wollten.

Wenn man den Habitus der Durchschnitts-Intellektuellen von vor 210 Jahren mit heute vergleicht, findet man keinen großen Unterschied. Es ist nur weniger geworden, woran sie sich abarbeiten können. Sie wollen die Zerstörung und sie hassen die Kirche (wo es sie noch gibt).

Während der gloriosen Zeit der Französischen Revolution wurden in Cluny 1793 erst die Archive verbrannt, dann die Kirche geplündert und 1798 kaufte ein Kaufmann die größte romanische Kirche des Abendlandes, um sie als Steinbruch zu verwenden. De facto gibt es sie nicht mehr. Mehr braucht man nicht zu wissen.
beendet am 9. August

Donnerstag, 4. August 2011

Prinz Heinrich

Obelisk gegenüber dem Schloß Rheinsberg
hier gefunden

Ich bin ein bißchen rostig in der Gewohnheit geworden, Kalenderblätter zu schreiben. Machen wir doch einmal eine Ausnahme - Prinz Heinrich. Ich habe eine sehr verschwommene Kindheitserinnerung: Ein respektabler Mann, Kreiskirchenkatechet Haase (eine Art Vorgesetzter der kirchlichen Religionslehrer für dieses Terrain) erklärt mir einen Obelisken (weil in Französisch), der gute Mann war Offizier im letzten Weltkrieg gewesen und kam dann bei der Kirche unter… (der Rest bald)

Schloß Rheinsberg, nach 1950
hier gefunden

Ich war ein Kind, daher blieb mir seine ernsthafte Bewegtheit natürlich unverständlich. Was es mit diesem Obelisken auf sich hat, beschreibt Fontane in gewohnt angenehmer Art.

„Vielleicht die größte Sehenswürdigkeit Rheinsbergs ist der Obelisk, der sich, gegenüber dem Schlosse, am jenseitigen Seeufer auf einem zwischen dem Park und dem Boberow-Walde gelegenen Hügel erhebt. Er wurde zu Anfang der neunziger Jahre vom Prinzen Heinrich ‚dem Andenken seines Bruders August Wilhelm‘ errichtet und trägt an seiner Vorderfront das vortrefflich ausgeführte Reliefportrait ebendieses Prinzen…

Aber nicht dem Prinzen allein ist das Monument errichtet, vielmehr den preußischen Helden des Siebenjährigen Krieges überhaupt, allen jenen, die, wie eine zweite Inschrift ausspricht, ‚durch ihre Tapferkeit und Einsicht verdient haben, daß man sich ihrer auf immer erinnere‘.

Da nun solcher preußischen Helden in jener Ruhmeszeit unzweifelhaft sehr viele waren, so lag es dem Prinzen ob, unter den vielen eine Wahl zu treffen. Diese Wahl geschah, und achtundzwanzig wurden schließlich der Ehre teilhaftig, ihre Namen auf dem Rheinsberger Obelisken genannt zu sehen. Jeder Name steht in einem Medaillon und ist von einer kurzen, in französischer Sprache abgefaßten Charakteristik begleitet…

Der Obelisk richtet sich in seiner Kritik in erster Reihe gegen den König, aber an manchen Stellen, und zwar gleichzeitig ausgesprochener Anerkennung unerachtet, doch auch gegen den einen oder andere der berühmtesten Generale.“

„Die schönsten Worte richten sich unzweifelhaft an Zieten…“
„General von Zieten erreichte ein ebenso glückliches als ehrenvolles Alter. Er siegte in jedem Gefechte. Sein kriegerischer Scharfblick, vereinigt mit einer heroischen Tapferkeit, sicherten ihm den glücklichen Ausgang jeden Kampfes. Aber was ihn über alles erhob, waren seine Redlichkeit, seine Uneigennützigkeit und seine Verachtung aller derer, welche auf Kosten der unterdrückten Völker sich bereicherten.“

Schloß Rheinsberg, 1857
hier gefunden

Prinz Heinrich, ein jüngerer Bruder des großen König Friedrich teilte viele von dessen insbesondere musischen Neigungen, was nicht unbedingt dazu führte, daß sich beide sehr nahe standen. Auch Heinrich war militärisch erfolgreich, seinen Bruder hielt er eher für einen Hasardeur. So schreibt er einmal:

"Der König hat uns in diesen grausamen Krieg gestürzt und nur der Mut der Generale und Soldaten kann uns wieder herausreißen. Seit dem Tage, an dem er zu meiner Armee gestoßen ist, hat er Unordnung und Unglück angerichtet. Alle meine Anstrengungen in diesem Feldzug und das Glück, das mich unterstützt hat, alles ist verloren durch Friedrich."

Abgesehen von dem einen oder anderen militärischen Auftrag hat ihn Friedrich von allem ferngehalten, was sich an Projekten – etwa die polnische Krone – anbot. Es hat sich alles zerschlagen. Andererseits waren sich Heinrich und Friedrich wohl zu ähnlich, um sich nahe stehen zu können.

Heinrich hat Rheinsberg dann mehr gepflegt als sein Bruder, obwohl es sich immer noch vor allem mit dessen Namen verbindet, wie dieser war er sehr frankophil. 1784 empfängt ihn Ludwig XVI. ihn in Versailles. Der Rektor des Lycée preist Friedrich II. als aufgeklärten Monarchen und in Heinrich begrüße er einen grand homme, für den es nur eines Thrones bedurft hätte, um Friedrich ebenbürtig zu werden. Ein Mann der verpaßten Möglichkeiten, das gibt es des öfteren. Noch einmal Fontane:

„Wenn man wieder ins Freie tritt, um, über den Schloßhof hin, dem Park und dem See zuzuschreiten, so kann man die Frage nicht abwehren: Wie kommt es, daß dieser kluge, geistvolle Prinz Heinrich, dieser Feldherr sans peur et sans reproche, dies von den nobelsten Empfindungen inspirierte Menschenherz so wenig populär geworden ist? Man geh in eine Dorfschule und mache die Probe. Jedes Tagelöhnerkind wird den Zieten, den Seydlitz, den ‚Schwerin mit der Fahne‘ kennen, aber der Herr Lehrer selbst wird nur stotternd zu sagen wissen, wer denn eigentlich Prinz Heinrich gewesen sei. Selbst in Rheinsberg, das der Prinz ein halbes Jahrhundert lang bewohnt hat, ist er verhältnismäßig ein Fremder. Natürlich, man kennt ihn, aber man weiß wenig von ihm. Einige von den Alten entsinnen sich seiner, erzählen dies und das, aber die lebende Generation lernt Geschichte wie wir, das heißt, liest lange Kapitel vom Kronprinzen Friedrich und seinem Rheinsberger Aufenthalt und hat sich daran gewöhnt, den Konzertsaal und das Studierzimmer als die alleinigen Sehenswürdigkeiten des Schlosses anzusehen. Die Zimmer des Prinzen Heinrich, Prinz Heinrich selbst, alles ist bloße Zugabe, Material für die Rumpelkammer. Das harte Los, das dem Prinzen bei Lebzeiten fiel, das Geschick, ‚durch ein helleres Licht verdunkelt zu werden‘, verfolgt ihn auch im Tode noch. An derselben Stelle, wo er durch fast zwei Menschenalter hin gelebt und geherrscht, geschaffen und gestiftet hat, ist er ein halb Vergessener, bloß weil der Stern seines Bruders vor ihm ebendaselbst geleuchtet.“
zu Ende geschrieben am 5. August

Dienstag, 2. August 2011