Dienstag, 7. April 2009
Luise von Preußen
Herr Roloff, der den Lesern dieses Blogs bekannt sein dürfte, hatte gestern der Pflicht zu entsprechen, eine preußische Prinzessin beizusetzen. Nähere persönliche Angaben zu Prinzessin Luise finden sich auf der offiziellen Seite des Hauses Hohenzollern.
Der Trauergottesdienst fand in der Kirche St. Peter und Paul auf Nikolskoe (Berlin-Wannsee) statt und die Beisetzung auf dem Prinzenfriedhof im Schlosspark zu Glienicke. Mit ihr starb das letzte Mitglied des Hauses Hohenzollern, das noch in der Regierungszeit Wilhelms II., des letzten deutschen Kaisers, geboren wurde.
Nachfolgend seine Predigt:
Trauerpredigt bei der Beisetzung IKH Prinzessin Luise von Preußen
1. Mose 12, 2 „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein.“
Friede sei mit euch von dem, der da war, und der da ist, und der da kommt!
Ganz, aus großer Ferne, trifft uns noch einmal der Schimmer eines fast vergessenen Glanzes.
Ganz, aus größter Ferne, erreicht uns ein Ton, der lange nicht gehört wurde.
Wie ein Traumbild steht vor uns der Zug von Generationen einer hochwürdigen Familie, die auf den Königssohn Carl zurückgeht, heldenhafte Generale hervorbrachte, Schönes schuf und in Gottesfurcht lebte.
Ganz am Ende dieses Zuges erblicken wir, die wir heute begraben:
IKH Prinzessin Luise von Preußen.
Als sie am 23. August 1917 geboren wurde, tobte in ganz Europa der Weltkrieg, in dessen Folge eine Welt versank. Am 6. April desselben Jahres, also genau heute vor 92 Jahren, erlag der Onkel der Prinzessin, Friedrich Karl, in englischer Gefangenschaft der als Flieger erhaltenen Verwundung. In seinem Gedenken übernahm neben der Kaiserin die deutsche Luftwaffe die Patenschaft über das erste Kind des Prinzen Friedrich Sigismund und seiner Gemahlin Prinzessin Marie-Luise zu Schaumburg-Lippe.
Bis in die Geschichte der eigenen Familie hinein war der kleinen Prinzessin von nun an gegenwärtig, dass die Taufe nicht nur zum Leben in dieser Welt ertüchtigt, sondern mit ihr das Kleid angezogen wird, durch das wir an das Leiden Christi erinnert werden, in welchem wir die Ewigkeit gewinnen.
Trotz des Zusammenbruchs der Monarchie und der damit unausweichlichen Veränderungen und Gefährdungen im Leben der königlichen Familie, wurden der Prinzessin und ihrem 1919 geborenen Bruder zunächst schöne Kindheitsjahre in Glienicke zuteil. Ihr Vater war ein verdienter Soldat, ein begeisterter Sportler, ein gefeierter Reiter und ein vorbildlicher Aristokrat, der sich und seiner Familie, unter den neuen Bedingungen, durch eigene Leistung, Ansehen und sogar große Zuneigung im Deutschen Volk zu erwerben wusste.
In den Begegnungen mit Prinzessin Luise, bis in ihre letzten Tage hinein, konnte jedermann spüren, wenn die Sprache auf ihre Eltern kam, wie voller Bewunderung und kindlicher Liebe sie ihnen gegenüber war.
Unverwunden blieb, dass sie nicht einmal 10jährig diesen strahlenden Vater hergeben musste. Friedrich Sigismund war an den Folgen eines Reitunfalls gestorben und wurde 1927 unter überwältigender Anteilnahme des Reiches und im Beisein seiner Kinder hier in Glienicke beigesetzt. Der Ort schöner Kindheitsträume wurde ihr nun auch zu einer steten Erinnerung an den toten Vater. Heilt das Herz einer Tochter jemals nach solchem Verlust?
Nach diesem Schicksalsschlag bezog die Witwe mit ihren beiden Kindern das Haus Lehnitzsee in Neu Fahrland.
Es waren finstere Zeiten, die nun heraufzogen, auch wenn sie zunächst noch scheinbar strahlend daherkamen.
Die Familie verlor durch den Zugriff des nationalsozialistischen Staates das Schloss Glienicke, das eigentliche Symbol ihrer Geschichte. Für Prinzessin Luise und ihren Bruder aber sicher noch schwerer zu verkraften war der Verlust ihrer Mutter, die 1938 viel zu früh starb. Bis in ihr gesegnet hohes Alter hinein sprach die Prinzessin rührend von ihren Eltern, und wohin sie auch reiste, immer hatte sie ein Bild von ihnen bei sich. Allein schon daran können auch wir noch ermessen, wie schwer die Last war, die sie trug.
Trotz des dann sehr bald entfesselten Krieges und der eigentümlichen, durch die Mächtigen jener Jahre belauerten und verdächtigten Stellung, in der die Angehörigen vormals regierender Häuser lebten, suchte sie nach ihrem eigenen Weg und hoffte, in der Bürgerlichkeit einer Ehe Zuflucht zu finden. Die Abwesenheit ihres Mannes im Kriege und die Umstände nach dem Zusammenbruch unseres Landes ließen dieses Vorhaben scheitern. Aber ihr Sohn gab ihrem Leben eine neue Perspektive, stellte sie in große Verantwortung und schenkte den nächsten Jahren einen tiefen Sinn. Sie war ohne Zweifel eine gute Mutter. Mit ihrem Sohn gemeinsam flüchtete sie 1945 aus dem geliebten Potsdam.
Eine ergreifende Szene spielte sich dabei in Neu Fahrland ab. Das berühmte Pferd ihres Vaters, der Heilige Speer, hatte dort sein Gnadenbrot bekommen. Nun aber, da die Flucht der Menschen, die ihn liebten, und an denen auch das brave Tier hing, spürbar wurde, flüchtete sich auch das arme Pferd und starb.
Die kleine Familie fand zunächst Zuflucht bei der Fürstin Wittgenstein in Berleburg, dann beim Herzog von Arenberg in Nordkirchen, und Ende der 50er Jahre bezog sie, als Tochter einer Schaumburger Prinzessin, eine Wohnung im Schloss Bückeburg.
Ganz ohne äußere Kulisse war sie nun gleichsam auf die schmucklose Würde ihres königlichen Wesens zurückgeworfen.
Ohne oder gar gegen ihre eigene oft so tragische Geschichte zu leben war misslungen. Ihr war im Grunde nur der Name geblieben, den sie nun mit größtem Stolz wie ein Zeichen ehrfurchtgebietend durch eine Zeit trug, die vieles gar nicht mehr verstehen wollte, und für die sie geradezu ein Artefakt fremder Welten war. Aber gerade darum erklärte sie immer wieder geduldig die Wege ihres eigenen Lebens und erzählte aus Zeiten, die uns sagenhaft fern scheinen, durch die sie aber gegangen ist.
Als kleines Mädchen stand sie gemeinsam mit dem Reichspräsidenten am offenen Grab des Vaters, am dänischen Königshof besuchte sie die Mutter des letzten Zaren Maria Feodorowna von Russland, und nach der Teilnahme an den Krönungsfeierlichkeiten Georgs VI. reiste sie 1937 nach Doorn und saß mit dem Kaiser zu Tisch.
Sie hatte ein beeindruckendes Empfinden für die Tragik des Jahrhunderts, das wir hinter uns gelassen haben. Bereits ihre bloße Gegenwart machte deutlich, dass die Geschichte nicht das Toben anonymer Mächte über den Köpfen der Völker ist, sondern schlicht das, was Menschen tun.
Will man die Geschichte begreifen, dann muss man zunächst die Menschen erkennen und verstehen, was sie sind. Mit großer Freude verfolgte sie alles, was zur Pflege des Erbes ihrer Familie getan wurde und versuchte nach Kräften daran teilzunehmen. Solange es ihre Gesundheit zugelassen hat, besuchte sie Glienicke und nach der Wiedererlangung der Einheit unseres Landes auch wieder Potsdam.
Ihr Leben überspannt in jeder Hinsicht eine gewaltige Zeit. Dankbar feierte sie mit den Ihren den 90. Geburtstag. Allein schon darum wusste sie und ließ auch spüren, dass sie eine Gesegnete ist. Der Glaube war ihr nie in Frage gestellt, und gerade darum wusste sie genau, dass der Segen Gottes nicht die Versicherung vordergründigen Glückes ist. Gerade in den letzten Jahren hat sie auch noch ihr Maß an körperlichen Leiden mehr als erfüllt.
Der Segen unseres Gottes bezeichnet uns, erhebt den Menschen aus der Namenlosigkeit, und macht ihn zum Zeichen, auch noch in den Leidenstagen. Und nur durch Gottes Segen gewann der Name, den sie trug, seine Bedeutung. Sie war ihrem Sohn und ihrer ganzen Familie ein Segen. Wenn sie ein Vorwurf treffen könnte, dann höchstens der, manchmal zu sehr geliebt zu haben. Es mag sein, dass sie manches zu lange festhalten wollte, aber das vielleicht doch nur, weil sie vieles zu früh hergeben musste.
In allem ließ sie deutlich werden, von etwas Größerem getragen zu sein, das nicht an den Äußerlichkeiten dieser Welt hängt. Sie ragte schon selbst über die Zeit hinaus und wies darin auf den Herren der Zeit. Sie trug in unsere glaubensarme Welt ohne äußere Attribute eine Königlichkeit, die nur noch den Willen kennt, auf den König des Lebens zu verweisen.
Darin ist sie eine Gesegnete, dass sie unvergesslich macht, wovon Petrus, dem diese Kirche geweiht ist, spricht: „Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, das ihr verkündigen sollt die Wohltaten des, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht;“
Dieser Gott hat IKH Prinzessin Luise von Preußen am 23. März 2009 zu sich gerufen.
Im Garten ihrer Kindheit und Träume werden wir, was sterblich an ihr war, beisetzen. Auf ihre Weise wird sie nun Glienicke wieder in Besitz nehmen.
Und einmal, wenn der Friedhof im Park seinen verwunschenen, stillen Charakter wiedergefunden hat, wird sich vielleicht ein Wanderer dorthin verirren, und ein Kundiger wird ihm erklären: Hier ist sie versammelt, die Familie des Prinzen Carl von Preußen, der ein Sohn der verehrten und sehr geliebten Königin Luise gewesen ist, und die ihrem Lande ein Zeichen war, und die Gott fürchtete.
Und der Schimmer fast vergessenen Glanzes trifft ihn ganz. Amen
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