Mittwoch, 29. April 2009
von Sinclair
Wir verbleiben heute im Literarischen. Und diesmal ist es das Gegenteil eines pflichtschuldigen Gedenkens. Isaac von Sinclair starb am 29. April 1815, ich gebe zu, für mich wäre das Hochziehen der Augenbrauen bei Nennung dieses Namens nicht unbedingt überraschend. Interessant und bemerkenswert erscheint er mir als Freund Hölderlins, über den er lange seine Hand hielt, ehe er, zu dieser Zeit noch mit der Französischen Revolution sympathisierend, in einen Prozeß geriet, woran wohl auch ihre Freundschaft zerbrach.
Als die kleine Landgrafschaft Hessen-Homburg im September 1806 dann ihre Selbständigkeit verlor, für diese war von Sinclair führend tätig gewesen, war er der Mittel beraubt, weiter für ihn sorgen zu können, und Hölderlin wurde nach Tübingen in das Autenrieth‘sche Klinikum verbracht, was ihn endgültig traumatisiert zu haben scheint.
Bettina von Arnim hat in ihrem Roman "Die Günderode" über von Sinclair (als "St. Clair") einiges Aufschlußreiches geschrieben (wenn auch manche Aussagen über Hölderlin heute etwas skeptisch gesehen werden), von dem ich gern längere Passagen wiedergeben will, der ungekürzte Text findet sich hier.
„Der St. Clair ist gut, voll Herz; er wollt ja zum kranken Hölderlin reisen - er soll doch hin! nach Homburg - ich möcht wohl auch hin. - Er sagt, es würde dem Hölderlin gesund gewesen sein; ich möcht wohl, ich darf nicht. - Der Franz sagt: »Du bist nicht recht gescheut, was willst du bei einem Wahnsinnigen? willst Du auch ein Narr werden?« - - Aber wenn ich wüßt, wie ich's anfing, so ging ich hin, wenn Du mitgingst, Günderode, und wir sagten's niemand, wir sagten, wir gingen nach Hanau. Der Großmama dürften wir's sagen, die litt's; ich hab heute auch mit ihr von ihm gesprochen und ihr erzählt, daß er dort an einem Bach in einer Bauernhütte wohnt, bei offnen Türen schläft und daß er stundenlang beim Gemurmel des Bachs griechische Oden hersagt; die Prinzeß von Homburg hat ihm einen Flügel geschenkt, da hat er die Saiten entzweigeschnitten, aber nicht alle, so daß mehrere Klaves klappen, da phantasiert er drauf; ach, ich möcht wohl hin, mir kommt dieser Wahnsinn so mild und so groß vor. Ich weiß nicht, wie die Welt ist, wär das so was Unerhörtes, zu ihm zu gehen und ihn zu pflegen.
Der St. Clair sagte mir, »ja, wenn Sie das könnten, er würde gesund werden, denn es ist doch gewiß, daß er der größte elegische Dichter ist; und ist's nicht traurig, daß nicht ein solcher behandelt werde und geschützt als ein heiliges Pfand Gottes von der Nation«, sagte er; »aber es fehlt der Geist, der Begriff, keiner ahnt ihn und weiß, was für ein Heiligtum in dem Mann steckt; ich darf ihn hier in Frankfurt gar nicht nennen, da schreit man die fürchterlichsten Dinge über ihn aus, bloß weil er eine Frau geliebt hat, um den Hyperion zu schreiben; die Leute nennen hier lieben heiraten wollen, aber ein so großer Dichter verklärt sich in seiner Anschauung; er hebt die Welt dahin, wo sie von Rechts wegen stehen sollte, in ewiger, dichterischer Fermentation; sonst werden wir nie die Geheimnisse gewahr werden, die für den Geist bereitet sind. Und glauben Sie, daß Hölderlins ganzer Wahnsinn aus einer zu feinen Organisation entstanden; wie der indische Vogel in einer Blume ausgebrütet, so ist seine Seele, und nun ist es die härteste rauhe Kalkwand, die ihn umgibt, wo man ihn mit den Uhus zusammensperrt; wie soll er da wieder gesund werden. Dieses Klavier, wo er die Saiten zerrissen, das ist ein wahrer Seelenabdruck von ihm; ich hab auch den Arzt darauf aufmerksam machen wollen, aber einem Dummen kann man noch weniger begreiflich machen als einem Wahnsinnigen.« ….
Bildungsflicken hängt man einem auf, mit denen man nichts anzufangen weiß, aber die Tiefe und Gewalt eines einzigen Seelengrundes zu erforschen, da hat kein Mensch Zeit dazu; … Wenn ich bedenk - welcher Anklang in seiner Sprache! - Die Gedichte, die mir St. Clair von ihm vorlas - zerstreut in einzelnen Kalendern - ach, was ist doch die Sprache für ein heilig Wesen. Er war mit ihr verbündet, sie hat ihm ihren heimlichsten, innigsten Reiz geschenkt, nicht, wie dem Goethe, durch die unangetastete Innigkeit des Gefühls, sondern durch ihren persönlichen Umgang. So wahr! er muß die Sprache geküßt haben. Ja, so geht's, wer mit den Göttern zu nah verkehrt, dem wenden sie's zum Elend.“
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