Selbstbildnis
Christian Daniel Rauch wurde am 2. Januar 1777 geboren. Es ist seltsam. Als ich nachsah, wer im Kalender stand und folglich meinen Anmerkungen entgangen war, stachen 2 Namen hervor, eben dieser und der von König Friedrich Wilhelm IV. Nun über letzteren gibt es etwas hier. Beim ersteren nur Bemühungen, denen Umstände dazwischenkamen, und dann die andauernde Charakterschwäche, ferner bitte ich um Nachsicht für zu erwartende Rechtschreibfehler, ich habe soeben meine Schreibtischlampe zerlegt, etc. etc. Das Übliche eben.
Christian Daniel Rauch war Kammerdiener der hochverehrten Königin Luise und später dann ein so anerkannter Künstler, daß sich der Berliner Wortwitz zu obiger Bemerkung herausgefordert sah (andere meinen, sein Lehrer Schadow selbst hätte gesagt: „Mein janzer Ruhm is in Rauch uffjegangn“; Schadow war ein souveräner Mann, es wäre plausibel). Nun ja.
Wenn wir uns Rauchs Werk nähern, treten wir ein in eine vergangene Welt von Statuen und Gesichtern. Dieses Land ist leicht charakterisierbar durch seine Denkmalsentleertheit, was darauf hindeutet, daß in den letzten sagen wir 200 Jahren einiges übereinandergestolpert ist. Unvergessen wird er bleiben als Schöpfer des Grabmals unserer Königin Luise. Aber um sein Leben wenigstens kurz zu streifen:
Geboren wurde er in Arolsen, im kleinen Fürstentum Waldeck. Obwohl in beschränkten Verhältnissen aufgewachsen, gab es schon früh eine Beziehung zur höfischen Sphäre, sein Vater war Kammerdiener des Fürsten zu Waldeck und sorgte sich um eine anspruchsvollere Bildung. Eine Bildhauerlehre mußte Rauch abbrechen, als der Vater und bald darauf auch sein älterer Bruder starben. Letzterer war Kammerdiener des preußischen Königs gewesen und 1797 konnte Rauch in dessen Stelle bei Friedrich Wilhelm II. eintreten. Nebenher suchte er seine künstlerischen Studien fortzusetzen.
Nach dem Tod des Königs gelangte er dann in den Dienst bei Königin Luise, mit deren Namen er verbunden bleiben sollte. In Berlin fand er sich schnell in freundschaftliche Verhältnisse mit dortigen Künstlern, 1803 wurde er Schadows Gehilfe, der sein Talent erkannt hatte. Aber die Königin bestand darauf, daß er in ihrem Dienst verblieb. Doch endlich gewährte ihm der König auf sechs Jahre ein Stipendium für einen Aufenthalt in Italien. Er lernte in Rom Wilhelm von Humboldt kennen, wie auch Canova und Thorvaldsen, letztere sollten nicht ohne Folgen bleiben. Von Rom aus erlebte Rauch Unglück und Niedergang Preußens.
Sarkophag der Königin Luise von Preußen
Wo der Klassizismus das Leben zu überhöhen sucht, bekommt er leicht einen Zug ins Blutleere. Davon kann hier keine Rede sein, und das bei einem Grabmal. Wir sehen vor uns dem Vorbild unangreifbar nachfolgend ein Bild von Würde und Hoheit, Schönheit und Selbstgewißheit, wo der Tod zur Schwelle wurde, die die Königin soeben liebenswürdig und weltklug überschritt. Heidnisch? Kaum. Wenn es so etwas wie christlichen Klassizismus gibt, finden wir ihn am diesem Ort. Der im besten Sinne erfaßte und ja auch überhöhte Körper, der die realen Leiden desselben vergessen macht, läßt etwas durchscheinen von dem, was über ihn hinausgeht und immer noch beseelt und beseelen wird. Ein Mensch wird gefunden in seiner je eigenen höchstgedachten Form.
Seit 1819 wechselte Rauch dauerhaft von Italien nach Berlin. Sein Lebenszentrum wurde das „Lagerhaus“ in der Klosterstraße, wo sich die sogenannte Berliner Bildhauerschule bildete. Rauch war bald ein vielbeschäftigter Mann, bis ins hohe Alter. Sein Stil ist schwer auf den Begriff zu bringen, nicht nur weil er sich wandelte. Christian Daniel Rauch war niemand, obwohl um Bildung bemüht, dem die Eloquenz eines Schinkel zu Gebote stand, er bewegte sich eher im geistigen Strom der Zeit, aber dieses im besten Sinne. Er hat sie uns nicht erklärt, seine Werke müssen für ihn sprechen.
Friedrich Wilhelm III.
Und auch, wenn er später mitunter einen Zug ins eher (geradezu bedrückend altrömisch) Realistische bekommt. An das physiognomisch wohl Erkannte ist er nie gefesselt, sondern er beschreibt das Wesen einer Persönlichkeit über das zufällig Äußerliche hinaus. Die viel spätere Grabstatue des Königs spricht nur von Würde und Ernst eines Charakters, der über sich hinauszuwachsen hatte und darin seinen Frieden fand. 1826 (von daher ist die obige Abbildung) sehen wir einen „Kopf, königlich in der Haltung, die Stirn hoch und klar, die Unterlippe voll, um den Mund einen Zug von Gutmütigkeit und Satire. So, wie ihn der geistliche Berater des Herrschers, der Bischof Eylert, aus langjähriger Beobachtung am besten geschildert hat: 'Melancholie war es nicht, was im Gesichte des Königs lag, noch weniger verbissener Schmerz, am wenigsten Missmut und Überdruss, denn es war klar, frisch und heiter, aber diese Klarheit, Frische und Heiterkeit hatte den Schmelz und die Umschattung einer milden Wehmut; Jung-Stilling würde sie Heimweh nennen'“ (Hans Mackowsky, 1916).
Und noch 2 Beobachtungen von besagtem Autor seien geteilt. „Rauchs Reliefs zeigen seine Begabung auf einer ihrer stärksten Seiten. Er ist ein Meister im Komponieren. Seine Anordnung hat eine Gefälligkeit, eine Eleganz, einen weichen und schönen Fluss der Linien, der wie der rhythmische Fall der besten Prosa seiner Zeit – und wie gepflegt schrieb und sprach damals die gebildete Gesellschaft! - anmutet.“
Wir sind hier im Kern der Rauchschen Kunst, seine Bildwerke zeugen von einem grundsätzlichen Einverstehen, das aus einem gemeinsamen Sehen, einem verwandtschaftlichen Bemühen, einer Sphäre des Gesprächs erwächst. „Wenn Rauchs Büsten in der Auffassung der Individualität alle einen verwandtschaftlichen Zug offenbaren, so hat dies keinen anderen Grund, als dass sie in dem gleichen Maasse Selbstdarstellungen des Künstlers und individuelle Spiegelungen eines hoch gestimmten Zeitempfindens sind. Nicht oft trifft es sich, dass Dargestellter und Bildner so völlig eins in den Grundlagen ihrer Weltanschauung sind, wie es bei Rauch und seinen Modellen der Fall war... Rauchs.... Geheimnis bestand darin, das Modell bedeutend erscheinen zu lassen, ohne der Wahrheit Abbruch zu thun. Er hält sich in gleicher Weise von Drastik fern, wie er die leere Eleganz meidet. Man hat seine Natur adlig genannt, und das Wort edel passt wie kein anderes auf das Metaphysische seiner Kunst. Es stellt damit unverfälscht die Kultur seiner Zeit zur Schau, jener Zeit, wo die grossen Kapitalien mehr auf geistigem wie auf materiellem Gebiet zu finden waren.“
Agnes Rauch mit Efeukranz
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