Mittwoch, 8. Oktober 2008

Franz Emanuel August Geibel

Ich muß gestehen, ich mag dieses selbst auferlegte Korsett nicht, und deshalb tue ich jetzt einmal kurz so, als wäre gerade eben der 17. Oktober, denn an just diesem im Jahre 1815 wurde Franz Emanuel August Geibel geboren, von dem ich nachfolgend ein Gedicht präsentieren möchte, dessen Übersetzung ich wieder einmal Prof. Aue zu danken habe:


Emanuel Geibel

Ich sah den Wald sich färben

Ich sah den Wald sich färben,
Die Luft war grau und stumm;
Mir war betrübt zum Sterben
Und wußt' es kaum, warum.

Durchs Feld vom Herbstgestäude
Hertrieb das dürre Laub;
Da dacht' ich: deine Freude
Ward so des Windes Raub.

Dein Lenz, der blütenvolle,
Dein reicher Sommer schwand;
An die gefrorne Scholle
Bist du nun festgebannt.

Da plötzlich floß ein klares
Getön in Lüften hoch:
Ein Wandervogel war es,
Der nach dem Süden zog.

Ach, wie der Schlag der Schwingen,
Das Lied ins Ohr mir kam,
Fühlt' ich's wie Trost mir dringen
Zum Herzen wundersam.

Es mahnt' aus heller Kehle
Mich ja der flücht'ge Gast:
Vergiß, o Menschenseele,
Nicht, daß du Flügel hast.


Emanuel Geibel

I saw the forest staining

I saw the forest staining,
the air was mum and grey;
Sad was my spirit, waning,
but why I could not say.

Through fields, from shrubs of autumn,
the dried-up leaves were blown:
So wind had robbed my bosom
and all my joy had gone.

My spring, so full of flowers,
my summer, full of mirth,
had vanished, and my powers
had frozen to the earth.

A voice of jubilation
sounds sudden in the skies:
A bird on its migration
to Southern climate flies.

Oh, when I hear the beating
of wings, the song so free,
I feel a solace meeting
my heart exquisitely,

because its fleeting visit
to me so clearly sings:
Remember, human spirit,
the fact that you have wings!

Translation / Übersetzung
by / von Walter A. Aue

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