Samstag, 8. Januar 2011

Lawrence Alma-Tadema oder die Faszination der Oberfläche

"The Finding of Moses", 1904

"Alma-Tademas Bilder können uns kein tieferes Interesse einflößen", sie gehörten nur dem modernen "Zimmer-Ausschmückungs-Apparat" an. Und ein Künstler, der "alles ägyptisiert", dürfe sich nicht wundern, "wenn man, sooft er nur sein Sacktuch zieht, jedesmal fürchtet, ein kleines Taschenkrokodil hervorspringen zu sehen".

Ich vertrottele gerade. Da hätte ich schwören können, schon einmal etwas über Alma-Tadema geschrieben zu haben, dabei war es John William Waterhouse! Die obige Lektürefrucht entstammt nicht meinen Bildungsbemühungen, ich habe sie in einer Besprechung von Rosemary Barrows Buch "Lawrence Alma-Tadema" durch die FAS gefunden, amüsant zu lesen. Falls jemand dem Link folgt, sei nachzutragen, die Besprechung stammt von 2002. Warum das erwähnenswert ist? Nun, der Bemerkung - „1995 fand das 1960 erfolglose Gemälde "The finding of Moses" für 1,56 Millionen Pfund bei Christie's einen Käufer“ - ist hinzuzufügen, am 4. November 2010 wechselte dasselbe Werk für 35.922.500 $ den Besitzer. Wer weiß, in welchem vermutlich eher südöstlich von uns gelegenen Anwesen es jetzt sein Dasein fortsetzt.

Nicht nur Bücher haben ihre Schicksale. Und daß ein Werk von der Höhe der Bewunderung in den Abgrund der Mißachtung fiel, um heute in ungeahnte Höhen der Wertschätzung aufzusteigen, sagt viel über unsere, sagen wir letzten 100 Jahre aus.

"A coign of vantage", 1895
hier gefunden

Ich habe der freundlichen Bloggerin Rosabella zu danken, daß sie mich an seinen Geburtstag erinnerte, den 8. Januar 1836. Denn er ist einer der Maler, die ich durchaus mag, allerdings auf eine offenkundig eher unreflektierte Art. Ich mag diesen Farbenrausch, die Verläßlichkeit des Dargestellten, die Echtheit der Imagination, wie sich alles zu einer so selbstverständlichen Schönheit zusammenfügt, daß man mit den Händen nach einem Stück der Antike greifen möchte, die da vor einem liegt (meist ist es ein antikes Sujet). Bei uns hat man das Historienmalerei genannt, aber es gibt da niemanden, der diesen unverwechselbaren Zauber vorweisen kann. Das ist das Merkwürdige, man ist sofort in den Bann geschlagen von diesen berückenden Szenerien oder sollte man sagen, von dieser berückenden Oberflächlichkeit?

"Silver Favourites"
hier gefunden

Ich habe übrigens nicht von ungefähr auf die englische Variante des entsprechenden Lexikonartikels verwiesen, denn was der deutsche dürr protokolliert, beschreibt der englische unterhaltsam, einfühlend und vor allem detailreich, nicht untypisch leider. Und damit sind wir schon sehr nahe an Alma-Tadema, das Bild mag abseitig wirken, aber seine Gemälde haben oft etwas von einem Schmetterling, man kann sich an dessen lebendigem Flug erfreuen, man kann ihn aber auch aufspießen und anschließend klassifizieren, er verliert dabei aber wesentlich an Zauber.

Mit anderen Worten, ich bin etwas hilflos darin zu sagen, was mich an ihm fasziniert. Natürlich ist er technisch brillant. Er hat sehr sorgfältig historische Genauigkeit erreicht, Komposition und Lichtführung sind souverän und immer interessant, dabei ist er nicht pedantisch, es gibt oft eine nahezu schwebende Leichtigkeit und dann wiederum spürt man förmlich die Wärme der Körper und ahnt, wie der vereisten viktorianischen Haltung etwas Sinnlichkeit zugeführt wurde, in gesellschaftlich akzeptabler Weise, wohl einer der Gründe seines Erfolges.

Er zeigt eine Nähe zur späten Antike, man fühlt ihr Raffinement, die Freude an der Fülle der Sinne, ihre Überreife, von mir aus auch ihre Dekadenz, aber bei aller Genauigkeit hat man doch überwiegend das Gefühl, daß die bezaubernden Schönheiten eher Engländerinnen sind, oder sagen wir, die Art von Engländerinnen, die sie in ihren geheimeren Träumen gerne wären. "Victorians in toga" hat man das genannt, dabei war er kurioserweise ursprünglich Holländer. Aber es stimmt schon nicht selten, die Bilder haben etwas von einem englischen Landhaus, das als römischer Palast erscheinen will, aber das ist nicht alles.

Er ist ein Perfektionist der Oberfläche, sei es die der warmen Haut einer erstrahlenden Schönheit oder die des weißesten Marmors, man hat ihm entsprechende Spottnamen gegeben - "marbellous painter". Es stimmt, die Regungen der Seele bleiben hinter diesen Fassaden eher verborgen, die Gesichter zeigen häufig den Ausdruck einer gepflegten Langeweile, nicht immer, gerade für das letzte hier würde ich das überhaupt nicht gelten lassen.

Zu Lebzeiten war er hochgeehrt, amüsant, sich seine Zeitgenossen in Erinnerung zu rufen, als lebten sie in geschiedenen Welten. 1876 Mitglied der Royal Academy, 1899 Erhebung in den Adelsstand, beigesetzt wurde er 1912 in der St. Pauls Kathedrale. Die Perfektion der Oberfläche wurde später zum Vorwurf der Oberflächlichkeit, aber auch dieser Vorwurf ist oberflächlich, wie sagt doch Keats: „A thing of beauty is a joy for ever: / Its loveliness increases; it will never / Pass into nothingness…“


"Sappho and Alcaeus", 1881
hier gefunden

2 Kommentare:

Rosabella hat gesagt…

muss man denn immer alles erklären, warum etwas so ist wie es ist? auch ich vermag keine Worte zu finden, weshalb mich seine Bilder in seinen Bann ziehen ... die Tatsache, dass sie es tun, finde ich schön, und ich genieße jeden Blick auf seine Gemälde ... un manchmal verliert sich einer meiner Blicke in ihnen ... dann ist es so, und ich denke nicht darüber nach, warum ... danke für diesen lichtvollen Post am frühen Morgen ... bewundernde Grüße!

MartininBroda hat gesagt…

Es freut mich, wenn es sie etwas unterhalten hat, von diesem ausschließlich sezierenden Blick wollte ich mich übrigens mit diesem Schmetterlingsvergleich ja auch distanzieren. Ich hätte das gern eher fertiggeschrieben, aber fühlte mich wirklich etwas im Dilemma. Wenn man C. D. Friedrich bewundert, ist es einfach, die Gründe zumindest anzudeuten. Aber wenn man bei Alma-Tadema exakt in den Gemütszustand gerät, den sie beschreiben, ist das schwieriger. Daß seine Beurteilung extremen Schwankungen unterworfen war, hat natürlich seinen Grund, nicht daß ich diese Schwankungen rechtfertigen wollte, ich wollte mir eher meine Sympathie erklären, ein wenig wenigstens.