Samstag, 28. Juni 2008

Freitag, 27. Juni 2008

Mein Vertrauen in das Zukünftige ist groß

Unser geliebtes Vaterland hat die letzten 100 Jahre effektiv genutzt, an Bedeutung zu verlieren. Dessen gegenwärtige bewaffnete Kräfte, deren Verband in diesem eher unspektakulären Ort vor der Auflösung steht, nutzten diesen Anlaß für eine, sagen wir hilfsweise „Waffenschau“, neben Hüpfburgen, Info-Ständen, gelangweilten Uniformierten wurden an diesen Tagen der Begegnung auch wirkliche Panzer, Schützenpanzer, Panzerabwehrgeschütze, Spähwagen und ähnlich aufregendes Gerät zur Besichtigung und Anteilnahme dargeboten.

Und siehe da: Junge Soldaten waren mit schätzungsweise 8jährigen in ernsthafte Gespräche vertieft, sonst in der Regel auf ihre Gebrechlichkeit so bedachte Senioren waren mit Mühe davon abzubringen, durch Einstiegsluken zu klettern, nachdem sie zuvor fast liebevoll Geschützrohre gestreichelt hatten, hochhackige Frauenspersonen erklommen ohne jede Zimperlichkeit die Plattformen, die man um dieses Wehrgerät angelegt hatte.

Also, alle diese Eindrücke führen zu einer Erkenntnis: Die Reflexe sind unbeschädigt, und das, wo doch so viel passiert ist.

Donnerstag, 26. Juni 2008

Nur noch ein Sieg


Das Leben ist schwer, bitter, uninteressant und umständlich. Das ist bekannt und wenig unterhaltsam, aber Freundschaft: wenn bei einem Menschen, der seine eigenen, ernst veranlaßten Kämpfe und Mißvergnügungen hat, sich Interesse, aufrichtiges Interesse zeigt, exakt gesagt, ein Gefühl von Erleichterung, wenn er unverhofft deine Stimme oder Meinung hört, das ist ein Schatz, dessen Wert kaum bemesssen werden kann. Denn er zeigt, daß du deinem Leben einen Sinn, einen Wert einprägen konntest.

Mittwoch, 25. Juni 2008

Mitten wir im Leben sind von dem Tod umfangen

Jemand, der mir nahestehen sollte, und das wohl auch einmal tat, ist seit geraumer Zeit ins Geisterhaft-Esoterische abgerutscht, was seinem Charakter nicht eben gut getan hat. Sein Ego fand offenkundig nicht mehr die notwendige Bestätigung in der sichtbaren Welt, was erst einmal versponnen sympathisch klingt, aber tatsächlich hat es ihn völlig deformiert. Das Leben ist leider nicht immer so, daß man über Vögel und Blumen sprechen kann, auch wenn das zweifelsohne angemessener wäre.

Was erstaunlich ist, als ich noch losen Kontakt zu seinem persönlichen Umfeld hatte, memorierte ich folgenden mir schriftlich vorliegenden lateinischen Vers:

„Media vita in morte sumus
Quem quærimus adiutorem nisi te Domine?
Qui pro peccatis nostris juste irasceris
Sancte Deus, sancte fortis
Sancte misericors Salvator
Amaræ morti ne tradas nos
In te speraverunt patres nostri
Speraverunt et liberasti eos
Ad te clamaverunt patres nostri
Clamaverunt et non sunt confusi
Gloria Patri, et Filio
et Spiritui Sancto,
sicut erat in principio, et nunc, et semper, et in sæcula sæculorum. Amen.“

Dies stieß auf massives Mißvergnügen. Nun handelt es sich dabei um einen Antiphon des berühmten Notker Balbulus († 6. April 912), der durch das ganze Mittelalter als vieles diente, auch als Abwehrmittel gegen das Böse. Aus gewissen Gründen eine Übersetzung und eine Nachdichtung von Martin Luther:

„In the middle of life we are in death
of whom can we seek aid except you, Lord?
You who for our sins are rightly angered.
O Holy God; O Holy, almighty; O Holy and merciful Savior;
may you not surrender us to bitter death.
In you our Fathers have trusted;
they have trusted and you have delivered them.
To You our Father have cried out;
they have cried out, and they have not been brought to ruin.
Glory to the Father, and the Son, and to the Holy Spirit:
as it was in the beginning, now and always and for ever and ever.“

„Mitten wir im Leben sind
Mit dem Tod umfangen.
Wen suchen wir, der Hilfe tu,
Daß wir Gnad erlangen?
Daß bist du, Herr, alleine.
Uns reuet unser Missetat,
Die dich, Herr, erzürnet hat.
Heiliger Herre Gott,
Heiliger starken Gott,
Heiliger barmherziger Heiland, du ewiger Gott,
Laß uns nicht versinken in des bittern Todes Not.
Kyrieleison.

Mitten in dem Tod ansicht
Uns der Höllen Rachen.
Wer will uns aus solcher Not
Frei und ledig machen?
Das tust du, Herr, alleine.
Es jammert dein Barmherzigkeit
Unser Klag und großes Leid.
Heiliger Herre Gott,
Heiliger starker Gott,
Heiliger barmherziger Heiland, du ewiger Gott,
Laß uns nicht verzagen vor der tiefen Höllen Glut.
Kyrieleison.

Mitten in der Höllen Angst
Unser Sünd uns treiben.
Wo solln wir denn fliehen hin,
Da wir mögen bleiben?
Zu dir, Herr, alleine.
Vergossen ist dein teures Blut,
Das gnug für die Sünde tut.
Heiliger Herre Gott,
Heiliger starker Gott,
Heiliger barmherziger Heiland, du ewiger Gott,
Laß uns nicht entfallen von des rechten Glaubens Trost.
Kyrieleison.“

Erfurter Enchiridien, 1524

In der Tat mag es so scheinen, als ob ich damit, daß ich diesen Text vor mich hielt, gewissermaßen in die Falle gegangen sei. Darauf ließe vieles erwidern, nur eines, eine Vermutung soll genügen. Vielleicht ist es so, daß Worte in gutem Glauben über Jahrhunderte gebraucht, sich gewissermaßen mit Sinn und Wirkung aufladen können, man tritt in eine unsichtbare Gemeinschaft und nimmt teil an der Bewahrung von etwas Guten und wehrt gemeinsam etwas Zerstörerisches ab, über Jahrhunderte hinweg.


Dienstag, 24. Juni 2008

Über Gewißheiten


Ich war zeitweise sehr vertraut mit gewissen Gegebenheiten, zumindest glaubte ich das. Ich wurde gewissermaßen zum Inventar gezählt, begegnete gewöhnlich einer Art von Respekt, nahm teil an einer merkwürdigen Sphäre von Bedeutsamkeit und zugleich war ich mir dieser Vertrautheit nie restlos gewiß.

Ich erinnere mich an einen wiederkehrenden Traum, in dem an eben diesem Ort – ich ging durch einen langen Gang - die Leute verstört oder verlegen oder feindlich reagierten. Irgendwie kam es dann genau so.

Das Merkwürdige ist, wir messen Dingen eine erhebliche Bedeutsamkeit zu, nur weil wir mit ihnen befaßt sind, vermutlich eine menschlich nur zu verständliche Regung. Dieser Ort war es nicht wirklich wert. Aber wenn der Zusammenhang wegfällt, liegt es nahe, daß die Metapher vom Fuchs, dem die Trauben zu sauer waren, nachdem er sie nicht erreichen konnte, zutrifft, aber so ist es eigentlich nicht, eher ist es ein Gefühl der Verlegenheit, wie eine peinliche Geschichte, die wir lieber verschweigen, weil wir uns mit unserem Verstand und unserem Gemüt unter Wert verkauft haben und auch noch andere vom Gegenteil überzeugen wollten. Wir wußten also, wir lebten im Falschen, aber fühlten uns wenigstens etwas sicher.

Aber, welche Sicherheit erwarten wir denn. Nun, wir wissen, daß wir eines Tages sterben müssen, aber wir glauben es nicht.

Gibt es in all dem eine Moral, vermutlich nicht, nur ein Seneca Zitat:

Ein ausgeglichenes Gemüt findet Trost auch noch in der größten Bitternis“.

Und:

'Ein Jegliches kann Jeglichem geschehn!' Wer sich das ganz tief eingeprägt hat und alles fremde Leid, wie es sich Tag für Tag massenhaft ereignet, so betrachtet, als ob es jederzeit auch den Weg zu ihm finden könnte, wird lange vor dem Angriff gewappnet sein.“

Freitag, 20. Juni 2008

vorläufiges Resumé

Die Lebenssituationen mögen wechseln wie sie wollen, es gibt kaum etwas vertraut Beruhigenderes als einen Regenschauer in einer Sommernacht, also gibt es etwas Bleibendes, eine Sicherheit, nicht in Meinungen, nicht in Personen, wohl nicht in Dingen, aber in der Gegenwärtigkeit von Schönheit und der Gewißheit, daran teilhaben zu dürfen.

Samstag, 14. Juni 2008

Ein Ding von Schönheit ist ein Glück für immer


A thing of beauty is a joy for ever:
Its loveliness increases; it will never
Pass into nothingness; but still will keep
A bower quiet for us, and a sleep
Full of sweet dreams, and health, and quiet breathing.
Therefore, on every morrow, are we wreathing
A flowery band to bind us to the earth,
Spite of despondence, of the inhuman dearth
Of noble natures, of the gloomy days,
Of all the unhealthy and o'er-darkened ways
Made for our searching: yes, in spite of all,
Some shape of beauty moves away the pall
From our dark spirits...


Endymion

John Keats


Dienstag, 10. Juni 2008

Samstag, 7. Juni 2008

kaiserliche Weisheit



Man liebt es, sich zuzeiten aufs Land, ins Gebirge, an die See zu flüchten. Und auch du hast es dir zur Gewohnheit gemacht, dich danach mit ganzem Herzen zu sehnen. Doch wie beschränkt ist dies, da es dir doch möglich ist, dich in dich selbst zurückzuziehen, wann immer du es willst. Denn wir finden nirgends einen so friedlichen und sorgenfreieren Ort, an den sich ein Mensch zurückziehen kann, als die eigene Seele, sobald er etwas in sich hat, in das er eintreten kann, um in sich eine ruhige und glückliche Stimmung zu finden.

Marcus Aelius Aurelius Verus

Dienstag, 3. Juni 2008

Über Fachwerk


Es ist mir fast unerklärlich, warum ich mich augenblicklich merkwürdig berührt fühle, wenn ich auf Fachwerk stoße, wie etwa bei diesem Haus in der Nachbarschaft, das mir schon früh aufgefallen ist.

Nach meinem vorherrschenden Empfinden ist die heutige Bauerei in der Regel bedrückend erfolgreich darin, die Welt langweiliger, monotoner, häßlicher zu machen. Um so erstaunlicher ist es, daß selbst bei einer eher schlechten Nachahmung zuverlässig in mir ein Gefühl von Geborgenheit, der Rückkehr, von Wärme, von Angemessenheit, ein Wohltun der Form, von Geheimnis aufsteigt. Ein Empfinden darüber, daß etwas Intaktes tatsächlich möglich ist.

Es ist mir wie gesagt unklar, woher das rührt, natürlich liegt meine Sympathie bei älteren Bauten, aber das ist nicht völlig vergleichbar, sicher hatte das Bauernhaus meiner Großmutter auch Fachwerk, aber so sentimental sind die Erinnerungen nicht.

Vielleicht ist es wirklich so, daß wir tief in uns mit dem Vergangenen verbunden sind, daß die Vergangenheit nicht sprachlos und tot ist. Aus den Fragmenten des Altertums ersteht eine versunkene Welt, wird in uns zum ganzen Bild, fügt die disparaten Elemente unserer selbst zu einem Ganzen zusammen, für einen Moment.