Sonntag, 31. Mai 2015

Ein anderer Sonntag - Nachtrag


Ich bin noch eine Erklärung schuldig, warum es an diesem Sonntag vermeintlich nichts zu essen gab, denke ich. Nun, ich war beim Chinesen, nach einem Gospel-Gottesdienst hier in Neustrelitz, zu dem allererstmaligst (!) auch Frau Mutter sich schieben ließ. Dort trafen sich anschließend einige Sangesbrüder und -schwestern, ich hatte offenkundig am Sonntag Trinitatis einen Anfall von „Socializing“. Die Beweisphotos sieht man auch, und jetzt wäre der Moment, etwas Freundliches über das Essen sagen, ach, ich bringe stattdessen einfach einen Link.


Pfarrer Feldkamp verwies in besagtem Gottesdienst erfreulich klar auf den Charakter des Sonntags. Die Kirche ist eine Skulptur des Heiligen und das „Dogma“ der Trinität dabei ein wunderbares Beispiel dafür, wie das Christliche dem Denken zugewandt ist (und den Künsten auch übrigens), wo dem etwas entgegenstand, waren es die Anfeindungen des Fremden, des bin ich mir gewiß. Wenn ich Bachs Sanctus höre, sehe ich alle Kathedralen und Kirchlein, die vergessenen, die zerstörten – Alt St. Peter zu Rom, Cluny, St. Andrews..., mit den anderen, den halbzerstörten, den vollendeten, überlebenden in einer riesigen Prozession hinschreiten zum Himmlischen Jerusalem, die einen würdevoll, die anderen eher etwas saumselig, um pünktlich beim Amen dort anzukommen.



Ach, am Nachmittag wurden dann (bei großem Publikums-Andrang) die Nibelungen getanzt, mit eingesprochenem Mittelhochdeutsch. Mein erster Gedanke war – Körperkitsch mit Kissen. Aber das ist wohl ungerecht, und ich muß noch einmal über alles nachsinnen. Das Mittelhochdeutsch war sehr schön.

nachgetragen am 13. Juni

Samstag, 30. Mai 2015

Kunstmagazin - Lektüre

Meine Neigung, Tageszeitungen zu lesen, hat stark nachgelassen. Aber immerhin kaufe ich noch fast immer die Sonnabendausgabe der „Welt“, wegen ihrer literarischen Beilage. Und jetzt gibt es ausgerechnet an diesem Tag einmal im Monat ein neues Supplement – das Kunstmagazin „Blau“. Es war jedenfalls interessanter zu lesen und anzuschauen als „chrismon“. Und gerade, wo man neugierig wird, ärgert man sich auch schon. Nun habe ich solche Anlässe eigentlich von diesem Ort verbannt.

Aber der umtriebige Chefredakteur des bunten Magazins hat es diesmal geschafft, sich als eine Art Ohrwurm-Endlosschleife (eine von vielen) im Hintergrund einzunisten. Nur darum schreibe ich darüber, daß ich es endlich loswerde.

Herr Tittel berichtet also davon, wie ihn die Staatsministerin für Kultur angerufen habe. Schön für ihn. Doch er ist ebenfalls verärgert. Da will doch die Bundesregierung in Gestalt von Frau Grütters den Schutz des nationalen Kulturguts verstärken; in Abhängigkeit von Alters- und Wertgrenzen sei danach auch bei der Ausfuhr privaten Eigentums in EU-Länder künftig eine Genehmigung zu erlangen.

Und er beschreibt das denkbare empörende Szenario. Man habe also vielleicht einen Gerhard Richter von 1962 zu Hause, beabsichtige, ihn bei Sotheby's einzuliefern, für den Ruhesitz auf Mallorca und ggf. für das Wohl der Erben, und dann könne eine Behörde einem das verbieten. Man würde also teilenteignet, obwohl man beim Kunstkauf einfach nur den richtigen Riecher bewiesen hätte.

Und das, wo all sein Geld in das fließe, was er am meisten liebe, nämlich Kunst. Wir wollen hoffen, daß er darüber hinaus seiner Familie zwecks Substanzerhalts auch noch gelegentlich das eine oder andere trockene Brötchen kauft...

Aber schauen wir doch einmal auf die zierlichen Brüche in diesem Text.

Man liebt also etwas, das man meint, völlig seinem Willen unterwerfen zu dürfen. Ich brauche die Bilder gar nicht erst näher ausführen, die einem da sofort in den Kopf steigen.

Ich muß darüber also unbeschränkt verfügen dürfen können müssen (bis zu welcher Konsequenz eigentlich), um so u.a. an der eventuellen Wertsteigerungen teilzuhaben.

Da stehen sich doch wohl 2 Axiome im Weg: Entweder ist Kunst eine Sache von eigener Bedeutung und somit eigenem Recht, welchem auch immer.

Oder Kunst ist ausschließlich eine weitere handelbare Ware, als Sache mein Eigentum und damit meiner unbeschränkten Verfügbarkeit unterworfen.

Ein Drittes. Kunst gehört idealerweise zu dem Raum, in dem sie entstanden ist, aus dem sie lebt, der ihren Sinnhorizont beschreibt. Da wäre ich natürlich logischerweise gezwungen, den heutigen Griechen wegen der Elgin Marbles, den Türken wegen Pergamon, den Ägyptern wegen der Nofrete recht zu geben. Ja dann, wenn es ihnen gewissermaßen unter den liebenden Händen weggeraubt worden wäre, wenn all diese auf der Höhe des geforderten Gegenstandes gestanden hätten, das sind sie aber sämtlich noch heute nicht, und in der Zeit, als diese Eigentumswechsel geschahen, noch viel weniger.

Und wenn dann eine verantwortliche Regierung Vorsichts- und Maßregeln gegen derartiges treffen will und ein Freund der Kunst, der wohl eher ein Kind des ahnungslosesten Liberalismus zu sein scheint, empört sich dagegen in einem „führenden Kunstmagazin“, nun dann haben wir schlicht eine weitere Facette vom verworrenen Geisteszustand dieses Landes „gewonnen“.

nachgetragen am 12. Juni

Freitag, 29. Mai 2015

Nicht über den Abend


Ich bin den Abendstimmungen gegenwärtig eher abgewandt, vielleicht eine Art von Trotz, doch hier gehören sie her. Als ich diese Bilder ansah und zugleich auf den Herrn Loerke, dessen Sämtliche Gedichte nun einmal ständig vor mir stehen, neben anderen, warf ich einen eher „sachlichen“ Blick auf das, was sich hier von ihm bereits findet (ich mochte mich nicht wiederholen). Nur war der Effekt ein völlig unerwarteter.

Wenn man lange genug über aufgefundene Dinge schreibt, ist man sich beim Wieder-Finden längst derart fremd geworden, daß man das „Eigene“ so überrascht sieht, daß es bisweilen wieder nachdenkenswert erscheint. Selbst dazu gibt es etwas von unserem Dichter:

Erstaunlich war es und schwer,
Wieder dieses Buch zu lesen:
Der es schrieb – ich bin es nicht mehr,
Ich bin es nie gewesen.

(aus "Tagebuchblatt - Eigenes frühes Buch")

[Ach übrigens verirrt sich Herr Scholten m.E. ein wenig, wenn er die Anführungszeichen als Hinweis auf Ironie, sonstige innere Distanzierung u.dgl verboten wissen will; ich glaube, es war an dieser Stelle.] Aber wir schwatzen.

„Wenn ich Bäume verehre, bin ich keine Ausnahme, Menschen haben das seit undenklichen Zeiten getan, und das Empordringen des Stammes aus dem Erdreich, wo sich die Wurzeln befinden, über unsere mittlere Dimension, bis hinauf zum Himmel, wo sich die Blätter wiegen, gab immer deutliche Kunde davon, daß die Teilung des Seins in drei Sphären richtig sei.“

Oskar Loerke ist ein großer Naturlyriker, so hört man es gelegentlich. Eigentlich ist er ein eminenter Gedankenlyriker, fast so maßlos wie Rilke, aber während dessen Dichtung zwar weltenreich, aber eher naturarm erscheint, ist Loerkes Dichtung voll von Natur (irritierenderweise hat ihn das nicht populär gemacht, im Gegensatz zum vorgenannten) und hochkonzentriert, vielleicht macht sie das so sperrig mitunter.

Es ist Dichtung, die den Dingen dienen will und im Eintauchen in die Natur eine Art von Halt findet. Die Sendung der Bäume birgt einen Sinn, „der stumm uns beisteht“ (aus „Nächtliche Kiefernwipfel“). Das ernsthafte Sprechen von Natur rührt an unseren Lebensgrund und damit an das Ewige. Aber jetzt nur noch Oskar Loerke, d.h. zuvor noch eine Leseempfehlung: Oskar Loerke. Sämtliche Gedichte. Herausgegeben von Uwe Pörksen und Wolfgang Menzel. Mit einem Essay von Lutz Seiler. Göttingen, Wallstein Verlag 2010


BESUCH

Bisweilen kommt der Knabe mich besuchen,
Der einst mit meinem Namen hieß.
Er kommt und schweigt; nur seine Brauen fluchen,
Weil ich so viel aus ihm verderben ließ.

Von Grame glühend, gleicht er keinem Schemen,
Doch mir welkt gramverwandelt die Gestalt.
Ein Dritter aus uns, minder jung und alt
Als wir, ist da, uns bei der Hand zu nehmen.

Das Leben wie das Jahr hat seine Mitte,
Den schönen Monat haben wir versäumt.
Das Leben wie der Tag hat seine Mitte,
Da haben wir von früh und spät geträumt.
Das Leben wie der Nu hat seine Mitte,
Davon zu kosten haben wir versäumt.
Vergeßt es nun, vergeßt, und seine Mitte
Hat euch das Leben wieder eingeräumt.


(aus „Atem der Erde, Sieben Gedichtkreise – Die Tage Milch und Blut“ -1930)


MYSTISCHE SICHT

So steigt die dumpfe Erde in den Baum,
Der aus ihr wächst,
Und wiegt die starren Glieder in den schwanken Gliedern.
Und er sieht, der schwarze Stern,
Aus grüner Seele brausend,
Nach hellen hinüber
Und streichelt brüderlich und scheu nach ihnen hin,
Als wären sie ganz nahe.
So wohnt die Erde denn im Wipfel ihrer Bäume? –
Sie sinnt sich aus in allen Wesen,
Wird nie zu Ende kommen.

(aus „Atem der Erde, Sieben Gedichtkreise – Atlas“ - 1930)


ABSEITS

Abseits bin ich nicht gegangen.
Abseits hält mich doch umfangen
Zittergras,
Schrot und Schutt.

Von Erstreben und Gebühren,
Schicksalschube, Lebensführen
Schweigt der Tod
Auf der Statt.

Babylon ist oft vergangen,
Sonne wärmt im Schutt die Schlangen –
Bei dem Klang
Schlief ich ein.

(aus „Atem der Erde, Sieben Gedichtkreise – Die Weiten“ - 1930)


STROM

Du rinnst wie melodische Zeit, entrückst mich den Zeiten,
Fern schlafen mir Fuß und Hand, sie schlafen an meinem Phantom.
Doch die Seele wächst hinab, beginnt schon zu gleiten,
Zu fahren, zu tragen, - und nun ist sie der Strom,
Beginnt schon im Grundsand, im grauen,
Zu tasten mit schwebend gedrängtem Gewicht,
Beginnt schon die Ufer, die auf sie schauen,
Spiegelnd zu haben und weiß es nicht.

In mir werden Eschen mit langen Haaren,
Voll mönchischer Windlitanei,
Und Felder mit Rindern, die sich paaren,
Und balzender Vögel Geschrei.
Und über Gehöft, Wiese, Baum
Ist viel hoher Raum;
Fische und Wasserratten und Lurche
Ziehn, seine Träume, durch ihn hin -.
So rausch ich in wärmender Erdenfurche,
Ich spüre schon fast, daß ich bin:

Wie messe ich, ohne zu messen, den Flug der Tauben,
So hoch und tief er blitzt, so tief und hoch mir ein!
Alles ist an ein Jenseits nur Glauben,
Und Du ist Ich, gewiß und rein.

Zuletzt steigen Nebel- und Wolkenzinnen
In mir auf wie die göttliche Kaiserpfalz.
Ich ahne, die Ewigkeit will beginnen
Mit einem Duft von Salz.

(aus "Pansmusik" - 1916)


PANSMUSIK

Ein Floß schwimmt aus dem fernen Himmelsrande,
Drauf tönt es dünn und blaß.
Wie eine alte süße Sarabande.
Das Auge wird mir naß.

Es ist, wie wenn den weiten Horizonten
Die Seele übergeht,
Der Himmel auf den Ebnen, den besonnten,
Aufhorcht wie ein Prophet

Und eine arme Weise in die Ohren
Der höhern Himmel spricht:
Das Spielen wankt, im Spielen unverloren,
Das Licht wankt durch das Licht.

Heut fährt der Gott der Welt auf einem Floße,
Er sitzt auf Schilf und Rohr,
Und spielt die sanfte, abendliche, große,
Und spielt die Welt sich vor.

Er spielt das große Licht der Welt zur Neige,
Tief aus sich her den Strom
Durch Ebnen mit der Schwermut langer Steige
Und Ewigkeitsarom.

Er baut die Ebenen und ihre Städte
Mit weichen Mundes Ton
Und alles Werden bis in dieses späte
Verspieltsein und Verlohn:

Doch alles wie zu stillendem Genusse
Den Augen bloß, dem Ohr.
So fährt er selig auf dem großen Flusse
Und spielt die Welt sich vor.

So fährt sein Licht und ist bald bei den größern,
Orion, Schwan und Bär:
Sie alle scheinen Flöße schon mit Flößern
Der Welt ins leere Meer.

Bald wird die Grundharmonika verhallen,
Die Seele schläft mir ein,
Bald wird der Wind aus seiner Höhe fallen,
Die Tiefe nicht mehr sein.

(aus "Pansmusik" - 1916)


INBRUNST

Die Sterne sind zu groß und mußten wohl deshalb
So weit hinaus, und sie erhellen nichts bei uns.
Der Wind stieg tastend aus der Nacht des Weltenbrunns.
Er sitzt den Heimathügeln auf der Brust als Alp.

Die Wolken fahren auf wie Schiffe vor der Schlacht.
Ist mir die Sehnsucht ferner Welten zugeirrt?
Du, Erde, bist mein Saal, doch meine Seele wird
Auf einem andern Sterne schlafen diese Nacht.


(aus "Pansmusik" - 1916)


NIRWANA

Das Tal ist wie aus klarem Golde,
Es stehn im Tale ohne Hauch
Die Bäume schief wie Trunkenbolde
An Seen diamantenen Lichts.

Das Tal vergeht zu goldnem Rauch
Und dann zu goldnem Traume
Und dann zu goldnem Raume
Und dann zu goldnem Nichts...

(aus "Wanderschaft" - 1911)

nachgetragen am 10. Juni

Sonntag, 24. Mai 2015

Pfingsten &


Pfingsten also. Ich habe, denke ich, kürzlich erwähnt, wie mir ein ganzes zerteiltes Reh zustieß. Der Anfang vom Fortgang der Geschichte war eine Rehkeule; die ein paar Tage im Kühlschrank (nicht mehr tiefgefroren) vor sich hin reifte. Und dann über Nacht in sehr viel Rotwein eingelegt wurde. Es ist lustig, wie man auch noch auf die beiläufigste Nebensächlichkeit achtet, wie etwa Piment, Lorbeerblatt, Pfefferkörner, Rosmarin, Wacholderbeeren..., um eines komplett  zu vergessen - das Salz.

Das mußte man halt nachträglich darüberstreuseln. Die eingelegte Rehkeule wurde heftig angebraten und kam dann in ihr Lotterbett zurück und in den Ofen. Aus dem Sud wurde selbstredend später eine Sauce, deren Säure beklagt wurde, nun ja, es war Rotwein und nicht Zuckersirup. Aber es bestand ein Ausweg. Mein Gemüse war nämlich keines.


Ich hatte Preiselbeeren und Brombeeren den Abend zuvor in Rum eingelegt und jetzt nur ein wenig erwärmt. Und als ich zum Ende der „Sitzung“ hin erwähnte, ich könne den Rest doch in einen Obstsalat tun, wurde unmittelbar im Anschluß an die gerade gehörte Behauptung, man sei jetzt sehr satt, dieser schnell an sich gerissen und so „gerettet“.




Es war alles sehr gut. Und das Reh weder zu trocken, noch zu zäh, alles war  - durchaus zu meiner Verwunderung - genau richtig, bis auf das fehlende Salz eben. 



Frohe Pfingsten!

 nachgetragen am 25. Mai

Freitag, 22. Mai 2015

Aufgelesenes zu Plato

Raffaello Sanzio da Urbino: Detail - "Schule von Athen"

„Die Götter philosophieren nicht, denn sie sind im Besitz der absoluten Wahrheit. Aber auch der völlig Unverständige philosophiert nicht; denn er bemerkt nicht seine Armut, und so fehlt ihm das Streben nach Vollkommenheit.“

„Denn gerade die Vertrauenden, welche das Endliche und Vergängliche des Lebens und des Daseins noch nicht vom Ewigen und Dauernden zu sondern gelernt haben, werden vom Schicksal mit unaufhörlichen Enttäuschungen überschüttet.“

„Aber der Philosoph sieht, daß wir alle noch Strebende und Werdende sind, und ist daher vor solchen Enttäuschungen bewahrt. Er verliert den Glauben an die Menschheit und an die Wahrheit nicht, denn er hat das Sterben im Leben gesehen. Er hat gesehen, wie jeder sich selbst fremd wird und gerade dadurch sich selbst findet. Er hat gesehen, wie Wünsche und Wissen wie Träume verwehen, aber nur dann, wenn reichere und bessere Wahrheiten sie vertreiben. Auch das hat er erkannt, daß die Seele von Natur dem Göttlichen zustrebt, d.h. dem Wahren und Guten an sich.“

„Das Denken aber erklärt Plato in tiefsinniger Weise als eine Unterredung mit sich selbst, über den Gegenstand des Nachdenkens.“

„Erkenntnis sollte gleich Wahrnehmung sein. Wahrgenommen wird aber nur das Gegenwärtige; also kann der Sensualist nichts über das Zukünftige mit dem Anspruch auf Zustimmung aussagen.“

„Wenn die Seele das Sein durch die Sinne ergreifen will, so wird sie unruhig und taumelt den Trunkenen gleich. Nicht durch die Sinne, sondern durch das Denken erkennt die Seele das wahrhafte Sein. Die Sinne erkennen nur das Wandelbare und Fließende; dagegen den Begriff, das identische Sein vermögen sie uns nicht zu geben. Sie zeigen uns die vielerlei Schönen, Gerechten usw., aber nicht das Schöne, Gerechte usw., an sich.“

„Und so ist alles Erkennen ein Wiedererinnern.“

„Indem nun so das Sinnliche aus der Idee begriffen wird, hat es an ihr teil.“

„Der Idee kommt kein absolutes Sein zu. Der Geist des Menschen glaubt jetzt nicht mehr, das Unbedingte mit endlichen Begriffen ausdrücken zu können... So hat die Wirklichkeit den Charakter der starren Unabänderlichkeit verloren.“

„Die Fehler und Gebrechen der Sophistik lagen nicht darin, daß sie auf das Subjekt und den Einzelnen hinwies, sondern daß sie diesen an Stelle des Gesetzes, an Stelle der Gemeinschaft setzen wollte. Wenn sich alte Formen objektiver Existenz, in denen sich die Seele bis dahin wiederfand, auflösen und die neuen noch in der Bildung begriffen sind, irrt der geistige Blick leicht vom Ziele ab und verwechselt Problem und Lösung.“

Stücke davon, wie Walter Kinkel, a. o. Prof. d. Philosophie zu Gießen Plato AD 1908 sah

Platos Akademie, Mosaik, Pompeji

„Die leichte Taube, indem sie im freien Fluge die Luft theilt, deren Widerstand sie fühlt, könnte die Vorstellung fassen, daß es ihr im luftleeren Raum noch viel besser gelingen werde. Eben so verließ Plato die Sinnenwelt, weil sie dem Verstande so vielfältige Hindernisse legte [so enge Schranken setzt], und wagte sich jenseits derselben, auf den Flügeln der Ideen, in den leeren Raum des reinen Verstandes. Er bemerkte nicht, daß er durch seine Bemühungen keinen Weg gewönne, denn er hatte keinen Widerhalt gleichsam zur Unterlage, worauf er sich steifen und woran er seine Kräfte anwenden konnte, um den Verstand von der Stelle zu bringen.“

Herr Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft, Einleitung

Sonntag, 17. Mai 2015

Sonntag &


Wir wollen unverfänglich beginnen und bringen daher den angemoosten Fuß einer der beiden Karyatiden, die die Terrassentür und damit den Eingang zur Küche bewachen. Danach eine leichte Gartenidylle mit Kater.




In meinem zurückliegenden „frommen“ Beitrag konnte ich unmöglich noch etwas zu Senfeiern unterbringen. Schließlich war ein Feiertag, nämlich Himmelfahrt, und da mußte es doch ein ordentliches Mittag (und später auch noch Kuchen) geben. Das wurde tatsächlich auch geliefert und unterschied sich kaum von der Variante vom 1. Mai. Kurios.


Ich will niemanden nötigen, dort nachzuschauen, daher in Kurzfassung: Eine Mehlschwitze aus Butter und (logischerweise) Mehl, dort hinein Gemüsebrühe und etwas Milch, Senf, Lorbeerblätter, Salz, Pfeffer und frischer Muskat (ich versuche mich zu erinnern, ob noch ein Löffel Honig im Spiel war, aber sie will sich nicht einstellen, die Erinnerung). Das köchelte und bekam am Ende die halbhart gekochten Eier.


Und Blumenkohl mit Muskat und (wässriger deutscher) Butter; ach der frisch-zwieblige Schnittlauch, der war neu und absolut empfehlenswert. Das mag als Nachtrag genügen.



Ich gestehe, im Verlauf dieses Sonntags war mir die innere Harmonie etwas abhanden gekommen, das kommt vor, soll hier aber weiter nicht langweilen. Wir sind also im Nachtrag zum Nachtrag. Nein, es gab nicht nur in Butterschmalz geschmorte Mohrrüben.


Und mehr als einen gemischten Bohnen- und Tomatensalat.


Es gab auch einen Schweinebraten mit Kräuterkruste, von dem ich nur ein Bild im zerstückelten Zustand anbieten kann.


Das Schöne an der Routine ist, sie erweist sich oft als angenehm und entlastend, das weniger Schöne - man erinnert sich buchstäblich an (fast) nüscht. Aber anhand der Bilder fiel mir wieder ein, ja, ich hatte zunächst Zwiebeln in Butterschmalz angeschmort, dahinein kamen Thymian und Rosmarin und etwas Gemüsefond und schließlich das reichlich mit Butter beschmierte Stück Schweinefleisch.

In der Butter verbargen sich diverse Mittelmeerkräuter und Senf. Das kam in den Ofen. Das Lustige bei dieser Kruste ist, man muß sie ab und an benetzen, sonst wird sie schwarz, bevor das Fleisch gar ist, wenn man das aber zu heftig betreibt, rutscht sie vom Braten.


Das Ganze erinnert also fast an eine Zen-Übung, gut, wir wollen nicht übertreiben; es ist jedenfalls nicht völlig falsch und ebenfalls hilfreich. Diese Übung jedenfalls wurde bestanden.


Wir sind jetzt eigentlich fertig, wäre da der heutige Dienstag, an dem dies alles nachgetragen wird, nicht gewesen. Eine Dame, die dieses Haus ebenfalls bewohnt, überraschte mich nämlich morgens an der Wohnungstür mit der Mitteilung, ihr sei ein ganzes Reh angeboten worden, frisch geschossen von einem befreundeten Jäger (bereits zerlegt natürlich), ob ich ihr behilflich sein könne mit Kühlmöglichkeiten etc. Als der Tag sich schon recht geneigt hatte, konnte ich. Alles ist nun in Dunkel und Kälte verstaut.

Allerdings begann ich nach diesem leicht verblüffenden Erlebnis in die Materie einzusteigen, und mein Gott, da toben ja ganze Glaubenskriege, ich spreche noch gar nicht von Wildbretfreunden und deren geschworenen Gegnern, nein, allein schon bei den Fragen von Marinieren und "keinesfalls marinieren", wie lange „Abhängen“ u.dgl. tun sich Abgründe auf, so daß man kaum weiß, auf welche Seite man sich schlagen soll. Das Kochen als Seelendrama, eine ganz neue Nuance.
nachgetragen am 19. Mai

Donnerstag, 14. Mai 2015

Himmelfahrt


Ich rate im folgenden empfindlichen Gemütern, sich an die Bilder zu halten, da dies einer meiner wenigen „eigenen“ frommen Beiträge hier wohl werden wird. Ich hab's gesagt.


Es ist deutlich mehr als ein Jahr her, daß ich mich an einem Interview mit dem Lieblingsenkel Thomas Manns stieß. Ich habe es dann beiseite getan.

Dabei beschreibt er so prägnant das Weltbild derer, die die Bibel auf ihre Maßstäbe zusammenschrumpfen lassen möchten, um anschließend natürlich Ersatz für die „Leerstellen“ herbeischaffen zu müssen. Zunächst: Der Kern des Christlichen seien Grundaussagen Jesu in den Evangelien. Na immerhin.

Dies aber ist gesagt, nachdem eine große „Reduktionsarbeit“ geleistet wurde, denn: „Es sind einige wenige Stücke, darunter die Bergpredigt, das Vaterunser.“ Doch in diesen Kernstücken stecke „ungeheuer viel Glut“. Sie seien die Quelle einer religiösen Erfahrung. Er hat also offenbar all die Asche weggebürstet und ist danach auf „viel“ Glut gestoßen, eine Erfahrung, deren Charakter aber doch mehr im Ungefähren bleibt.

Weil es aber andererseits doch wenig sei (was für eine Überraschung), solle das Christentum auch andere Wege der Offenbarung anerkennen. Und dem einzelnen gefälligst überlassen, was davon für ihn wichtig wäre.


Frido Mann hat sich also von der katholischen Kirche abgewandt, aber auch die evangelische konveniert nicht so recht. Da schreibe sie doch in ihrer Liturgie (noch, sage ich) das Apostolische Glaubensbekenntnis vor. Das Bekenntnis sei 300 Jahre nach dem Neuen Testament entstanden und habe mit den Aposteln nichts zu tun: „Ich soll an die Auferstehung glauben, die Jungfrauengeburt und daran, dass Jesus Gottes Sohn ist. Das hat er selbst nirgends gesagt.“

Jetzt könnte man zwar zahlreiche Zitate anbringen, aber die wurden ja bereits eliminiert, danach kommt er natürlich bestens mit seinem Ansinnen zurecht. Auf den Einwand, er wolle doch den Kern der Religion bewahren. Werde der nicht in Glaubensbekenntnissen formuliert? Nein, Bekenntnisse seien „eine Konserve, ein Denkverbot, eine Vorschrift, die einem freien Glauben widerspricht.“

Wir wollen dieses nicht länger beachten und dagegen den Glauben des Nicäno-Konstantinopolitanum herbeirufen:


Und an den einen Herrn Jesus Christus,
Gottes eingeborenen Sohn,
aus dem Vater geboren vor aller Zeit:
Gott von Gott, Licht vom Licht,
wahrer Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen.
Für uns Menschen und zu unserm Heil
ist er vom Himmel gekommen,
hat Fleisch angenommen
durch den Heiligen Geist
von der Jungfrau Maria
und ist Mensch geworden.
Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus,
hat gelitten und ist begraben worden,
ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift
und aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten des Vaters
und wird wiederkommen in Herrlichkeit,
zu richten die Lebenden und die Toten;
seiner Herrschaft wird kein Ende sein...


Entweder gibt es hinter der sichtbaren Welt eine unsichtbare, die ihr Wert, Bedeutung und Substanz verschafft, und im Glauben kann man versuchen, zu ihr durchzudringen. Oder man macht sich zum chimärischen Halbgott und kreiert seine Wahrheiten selbst. Oder bestreitet, daß es so etwas wie Wahrheit jenseits der bloßen Empirie und des Benutzbaren (Recht nur noch als „geronnenes Interesse“ z.B.) überhaupt gäbe. Da ist mir der aufrichtige Agnostiker der letzten Variante immer noch lieber als der verschwurbelte Selbsterleuchter.


Christus ist nicht nur die Menschwerdung Gottes, er ist auch die Menschwerdung der Menschheit. Seine Himmelfahrt nimmt die Menschheit in das Geheimnis Gottes auf. Jesus ist als Erster der Menschheit bei Gott und öffnet alle Räume zu ihm hin. In Christus ist die Trennung von Himmel und Erde aufgehoben und die Schöpfung ist wiederhergestellt. Denn:

Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen.

Denn:

Daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, daß Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, daß wir durch ihn leben sollen.

Wem aber all dies zu schwer ist, dem sagt der Lieblingsjünger des Herrn auch:

Wenn uns unser Herz verdammt, ist Gott größer als unser Herz und erkennt alle Dinge. 

nachgetragen am 17. Mai

Montag, 11. Mai 2015

Sonntag &


Mein Gott, die Freuden des Einfachen (wer's mag). Ich dachte mir so, wenigstens diesen unschuldigen Sonntags-Nachtrag solltest du doch fertigbringen (und hatte vorher extra einen von meinen lyrischen Irrgängern angebracht, in der Mutmaßung: Das ist dir dann morgen peinlich und du schreibst schnell was drüber, nun, Nr. 1 hatte funktioniert...). Denn wenn er eines war, dann eben das. Den Rest habe ich längst schon wieder vergessen.

In 3 Worten: Spargel, Pellkartoffeln und Kotelett. Irgendwo hatte ich wohl mal gelesen, daß Nr. 1 und 3 verschwandtschaftsmäßig irgendwie zusammengehören; nicht daß ich einen Hang zum Verwandtschaftlichen hätte, aber dem Gedächtnis half dieser Umstand beim Einkauf doch ein wenig auf.


Die Kotelett waren so geraten, daß Frau Mutter nach einer Woche eines von den übriggebliebenen zum Frühstück verlangte (jetzt könnten wir einen Exkurs über die Annäherung des menschlichen Geistes an die Aufhebung der Zeit anschließen, wir wollen das aber nicht), ein gegenstandsloses Begehren.

Sie waren tatsächlich ordentlich gewesen, wie üblich erst physisch malträtiert, dann in Mehl gewälzt, in Ei gewendet, dem (weil vergessen) Pfeffer und Salz hinzugefügt worden waren, darauf mit Semmelmehl umgeben und schließlich in der Pfanne gebraten, und auch noch im Ofen, abgedeckt, bei linder Temperatur, nachgegart.

Die Sauce vom Spargel - wie üblich nochmals frischer Muskat, Sahne, statt Mehl diesmal Stärke, Honig und zum Schluß Eigelb, das ausnahmsweise nicht gerann, und einige Stücke Butter.




Ich suchte gerade noch nach etwas Positivem für das Ende, und was liegt da nahe, richtig: Katzen-Content; ich habe zwar gerade nicht das passende Bild zur Hand, aber von wegen Katzenallergie: Nachbars Katze, mal wieder hochträchtig mit Maikatzen, kabbelte sich mit dem „Peter“, dem angeblich inzwischen nicht mehr gar so männlichen Bruder, um ihn schlußendlich von zwischen meinen Füßen kräftig anzufauchen; rührend irgendwie dieses grundlose tierische Vertrauen.

nachgetragen am 15. Mai