Samstag, 30. Mai 2015

Kunstmagazin - Lektüre

Meine Neigung, Tageszeitungen zu lesen, hat stark nachgelassen. Aber immerhin kaufe ich noch fast immer die Sonnabendausgabe der „Welt“, wegen ihrer literarischen Beilage. Und jetzt gibt es ausgerechnet an diesem Tag einmal im Monat ein neues Supplement – das Kunstmagazin „Blau“. Es war jedenfalls interessanter zu lesen und anzuschauen als „chrismon“. Und gerade, wo man neugierig wird, ärgert man sich auch schon. Nun habe ich solche Anlässe eigentlich von diesem Ort verbannt.

Aber der umtriebige Chefredakteur des bunten Magazins hat es diesmal geschafft, sich als eine Art Ohrwurm-Endlosschleife (eine von vielen) im Hintergrund einzunisten. Nur darum schreibe ich darüber, daß ich es endlich loswerde.

Herr Tittel berichtet also davon, wie ihn die Staatsministerin für Kultur angerufen habe. Schön für ihn. Doch er ist ebenfalls verärgert. Da will doch die Bundesregierung in Gestalt von Frau Grütters den Schutz des nationalen Kulturguts verstärken; in Abhängigkeit von Alters- und Wertgrenzen sei danach auch bei der Ausfuhr privaten Eigentums in EU-Länder künftig eine Genehmigung zu erlangen.

Und er beschreibt das denkbare empörende Szenario. Man habe also vielleicht einen Gerhard Richter von 1962 zu Hause, beabsichtige, ihn bei Sotheby's einzuliefern, für den Ruhesitz auf Mallorca und ggf. für das Wohl der Erben, und dann könne eine Behörde einem das verbieten. Man würde also teilenteignet, obwohl man beim Kunstkauf einfach nur den richtigen Riecher bewiesen hätte.

Und das, wo all sein Geld in das fließe, was er am meisten liebe, nämlich Kunst. Wir wollen hoffen, daß er darüber hinaus seiner Familie zwecks Substanzerhalts auch noch gelegentlich das eine oder andere trockene Brötchen kauft...

Aber schauen wir doch einmal auf die zierlichen Brüche in diesem Text.

Man liebt also etwas, das man meint, völlig seinem Willen unterwerfen zu dürfen. Ich brauche die Bilder gar nicht erst näher ausführen, die einem da sofort in den Kopf steigen.

Ich muß darüber also unbeschränkt verfügen dürfen können müssen (bis zu welcher Konsequenz eigentlich), um so u.a. an der eventuellen Wertsteigerungen teilzuhaben.

Da stehen sich doch wohl 2 Axiome im Weg: Entweder ist Kunst eine Sache von eigener Bedeutung und somit eigenem Recht, welchem auch immer.

Oder Kunst ist ausschließlich eine weitere handelbare Ware, als Sache mein Eigentum und damit meiner unbeschränkten Verfügbarkeit unterworfen.

Ein Drittes. Kunst gehört idealerweise zu dem Raum, in dem sie entstanden ist, aus dem sie lebt, der ihren Sinnhorizont beschreibt. Da wäre ich natürlich logischerweise gezwungen, den heutigen Griechen wegen der Elgin Marbles, den Türken wegen Pergamon, den Ägyptern wegen der Nofrete recht zu geben. Ja dann, wenn es ihnen gewissermaßen unter den liebenden Händen weggeraubt worden wäre, wenn all diese auf der Höhe des geforderten Gegenstandes gestanden hätten, das sind sie aber sämtlich noch heute nicht, und in der Zeit, als diese Eigentumswechsel geschahen, noch viel weniger.

Und wenn dann eine verantwortliche Regierung Vorsichts- und Maßregeln gegen derartiges treffen will und ein Freund der Kunst, der wohl eher ein Kind des ahnungslosesten Liberalismus zu sein scheint, empört sich dagegen in einem „führenden Kunstmagazin“, nun dann haben wir schlicht eine weitere Facette vom verworrenen Geisteszustand dieses Landes „gewonnen“.

nachgetragen am 12. Juni

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