Freitag, 31. Juli 2009

Fast ohne Worte - Post











Ich muß gestehen, daß ich heute nur ein paar Bilder hier präsentieren wollte, dann las ich, daß der Vicomte de Saint-Exupéry am 31. Juli 1944 starb, also vor 65 Jahren, das ist fast ein Menschenalter, und natürlich kommt einem da sein „Kleiner Prinz“ ins Bewußtsein, ein Büchlein, von dem ich mittlerweile wohl innerlich beschlossen hatte, es für doch recht kitschig zu halten, aber erstaunlicherweise ist es das nicht.

Jedenfalls stellt sich beim Wiederlesen die alte Rührung ein, die man wohl vor Jahrzehnten schon hatte:

„Bitte … zähme mich!“, sagte er.
„Ich möchte wohl“, antwortete der kleine Prinz, „aber ich habe nicht viel Zeit. Ich muß Freunde finden und viele Dinge kennenlernen.“
„Man kennt nur die Dinge, die man zähmt“, sagte der Fuchs. „Die Menschen haben keine Zeit mehr, irgendetwas kennen zu lernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, so zähme mich!“
„Was muß ich da tun?“, sagte der kleine Prinz.
„Du mußt sehr geduldig sein“, antwortete der Fuchs.
„Du setzt dich zuerst ein wenig abseits … und du wirst nichts sagen. Die Sprache ist die Quelle der Mißverständnisse.“
"Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast."

Der Kleine Prinz, Kapitel XXI

Donnerstag, 30. Juli 2009

Vor 111 Jahren



Heute vor 111 Jahren starb Otto von Bismarck. Es ist mit solchen Gestalten, die man wertschätzt, wie im wirklichen Leben, man vergißt sie ein wenig mit der Zeit. Zum Glück in diesem Fall nicht wirklich, Herr Roloff hat vor einem Jahr eine Ansprache gehalten, die hier auch dokumentiert ist und an die ich gern noch einmal aus diesem Anlaß erinnern will, denn, was vor einem Jahr richtig war, kann heute nicht falsch sein.

Ich gestehe, ich habe diesmal, anstatt mich weitläufig auszubreiten, noch einmal etwas gelesen (ich fürchte, ich bin gerade in einer Phase, wo ich lieber wieder eher etwas lesen sollte, bevor ich darüber schreibe) und zwar „Bismarcks Tod und Deutschlands Tränen“ von Lothar Machtan (Goldmann, 1998). Herr Roloff hatte mir diese Empfehlung ans Herz gelegt, aber da ich von diesem Autor auch schon recht groben Unfug zur Kenntnis nehmen mußte (nicht von Herrn Roloff, aber wenn ich mich recht erinnere, hatte er einmal enthüllt, daß Hitlers Hund schwul war), habe ich mich lieber doch noch einmal selbst überzeugt und ja „es ist gut und nützlich zu lesen“, wenn man etwas über die letzten Jahre Bismarcks erfahren will.

Wir wollen mit Fontane enden:

Wo Bismarck liegen soll.

(Geschrieben am 31. Juli 1898)

Nicht in Dom oder Fürstengruft,
er ruh' in Gottes freier Luft
draußen auf Berg und Halde,
noch besser tief, tief im Walde;
Widukind lädt ihn zu sich ein:
»Ein Sachse war er, drum ist er mein,
im Sachsenwald soll er begraben sein.«

Der Leib zerfällt, der Stein zerfällt,
aber der Sachsenwald, der hält,
und kommen nach dreitausend Jahren
Fremde hier des Weges gefahren
und sehen, geborgen vorm Licht der Sonnen,
den Waldrand in Efeu tief eingesponnen
und staunen der Schönheit und jauchzen froh,
so gebietet einer: »Lärmt nicht so! -
Hier unten liegt Bismarck irgendwo.«

Mittwoch, 29. Juli 2009

Über die Verderblichkeit des Internets, Gartenbanalitäten und Bach-Nachträge



Die Frau eines pensionierten Geistlichen, er dürfte hoch in den Siebzigern sein, hat sich bitterlich bei meiner Frau Mutter beschwert, an manchen Tagen würden sie keine drei Sätze wechseln. Wer ist schuld, das Internet.

Der gute Mann hatte mich vor einem halben Jahr bei einem Besuch angesprochen und wirklich nicht den Hauch eines Schimmers, muß man ja auch nicht, ich hatte ihm ein wenig gezeigt, war eher skeptisch, wußte aber, da gab da noch einen Schwiegersohn, der auch als Hilfe in Frage kann, hatte jedoch länger nichts gehört, bis jetzt.

Das heißt, zwischendurch hatte es einmal einen Besuch von den beiden gegeben, aber zufällig kam die Sprache nicht auf dieses Thema, er hatte auf mich nur auffällig rege, informiert und geradezu fröhlich aufgekratzt gewirkt, ich hatte mir deswegen allerdings nicht die größten Gedanken gemacht, es ist auch nicht unbedingt mein Bekannter.

Das einzige, was mir gerade einfällt, ist, vielleicht kannte er die Sätze bereits (vielfach), die ihm seine Gattin offerieren wollte, und er hatte schon mit dem Gedanken abgeschlossen, daß es nur noch diese Sätze geben würde, und jetzt bot sich da dieser Ausweg und er verliert sich gerade in dessen Weiten. Und natürlich, irgendwie kann sie einem auch ein wenig leid tun, und sollte man ihm sagen, daß er seine bekannte Verzweiflung womöglich nur durch eine abwechslungsreichere einwechselt, wozu?

Wie auch immer, ein anders banales Thema, der Garten. Das obige Bild zeigt eine neue Marotte von mir: Abgeschnittene Zweige und Äste werden zu einem Reisigzaun zusammengebaut, das ist erstens praktisch und zweitens mögen Vögel und andere Kleintiere angeblich sowas. Dann noch ein paar Nachträge.







Aber irgendwie gibt es immer Hoffnung.



Soweit es um Gärten geht.

Zu den Gartennachträgen muß sich ein weiterer gesellen. Ich gestehe, beim Blick in den Geschichtskalender hatte ich zwar gestern befriedigt die Nachrichten von den psychopathischen Revolutions-Taliban Robespierre und Saint-Just vernommen, aber schreiben mochte ich denn dazu doch nichts, aber wie konnte ich Johann Sebastian Bach‘s vergessen, der am 28. Juli 1750 gestorben ist. Aber da ich schon etwas geschrieben hatte, dachte ich, er wird es mir nachsehen, wenn ich an ihn einen Tag später erinnere, als ob es auf mein Erinnern ankäme.


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Dienstag, 28. Juli 2009

Über die sentimentale Liebe zu Tieren



Von Mal zu Mal schaue ich gern auf Blogs vorbei, die ich aus irgendwelchen Gründen sympathisch oder interessant finde, regelmäßig mache ich das nur bei ganz wenigen, das liegt halt daran, daß, wenn ich einmal beschlossen habe, jemanden zu schätzen, er dagegen nur noch wenig tun kann, meine eigenen Motive dabei sind mir nicht selten recht rätselhaft, denn dahinter stehen oft Orte oder Gegebenheiten, die mir völlig fremd sind, und es ist auch keine Laune oder derartiges, wie auch immer.

Bei einem dieser Gelegenheitsbesuche las ich, wie jemand über seinen Sperlingspapagei schrieb, ich fand das ganz rührend und kam dann darauf, warum das wahrscheinlich so war.

Als ich noch jung war und studierte hatte ich einen Nymphensittich, der den Namen Salomo verordnet bekommen hatte (man hört die Art des Studiums heraus). Er war fast weiß, das obige Bild kommt dem sehr nahe. Obwohl er genug anderes bekam, nagte er mit Vorliebe an der Oberkante der Buchrücken, ich habe heute noch ein paar Bücher aus der Zeit, er wußte natürlich, daß das nicht richtig war, kam man ins Zimmer, flog er sofort in eine andere Ecke und tat unschuldig.

In den Semesterferien gab ich ihn zu meinen Eltern und stellte dann überrascht fest, daß mein Vater und er eine heftige Freundschaft begründet hatten. Man muß dazu sagen, mein Vater war kein gefühlskalter Mensch, aber er hatte irgendwann beschlossen, sich sehr in sich zurückzuziehen, aber das ist eine andere Geschichte.

Nicht allein, daß die Tür zum Käfig immer offen war, so daß der Vogel in der gesamten Wohnung herumfliegen konnte, soweit ihm danach war. Wie ich erfuhr, mußte er morgens von meinem Vater ausführlich verabschiedet werden, bevor der zur Arbeit fuhr, sonst gab es den ganzen Tag Krach. Abends durfte er dann am Rand des Tellers sitzen und verputzte mit ihm das Rührei, er mochte das offensichtlich lieber als seine Körner. Ich habe ihn dann nach Semesterferienende bei meinem Vater gelassen.

Leider ist er dann eines Tages doch aus einem Dachfenster geflogen und war schnell unauffindbar, inzwischen ist mir klar, das muß eine klassische Fehlprägung gewesen sein. Ich fürchte, das war die letzte engere Beziehung, die mein Vater einging.

Das folgende Video, das ich bei einem meiner oben beschriebenen Besuche an einem anderen Ort fand, hat übrigens eine nette Pointe, passend zum Thema.


Montag, 27. Juli 2009

Emily Dickinson &


John William Waterhouse, Miranda - The Tempest

Ich bin heute gefragt worden, wie sich denn meine Meinung über Frl. Dickinson entwickeln würde, die ich erst kürzlich entdeckt habe. Es ist Ärger, purer Ärger über meine zum Habitus gewordene Faulheit, Sprachen zu lernen. Denn ich stoße bei ihr derart schnell an meine engen sprachlichen Grenzen, soweit es um’s Englische geht und, was die Sache schlimmer macht, ich habe dabei eine dunkle Ahnung, was mir entgeht.

„Sigh“


A spider
sewed at night

A spider sewed at night
Without a light
Upon an arc of white.
If ruff it was of dame
Or shroud of gnome,
Himself, himself inform.
Of immortality
His strategy
Was physiognomy.

Die Spinne
näht zur Nacht

Die Spinne näht' zur Nacht
im Dunkel sacht
an weißen Kreises Pracht.
Ob Rüsche von Madame,
ob Tüll von Gnom
sich selber selbst vernahm.
Für's ew'ge Leben, sie,
als Strategie,
wählt Physiognomie.


Autumn

The morns are meeker than they were,
The nuts are getting brown;
The berry's cheek is plumper,
The rose is out of town.

The maple wears a gayer scarf,
The field a scarlet gown.
Lest I should be old-fashioned,
I'll put a trinket on.

Herbst

Die Morgen werden gütiger,
Die Nüsse werden braun;
Der Beeren Wang' ist rundlicher,
Die Ros' nicht mehr zu schaun.

Der Ahorn trägt den bunten Schal,
Das Feld ein rotes Kleid.
Daß ich nicht aus der Mode komm,
Trag' ich ein Schmuckstück heut.


I started Early -
Took my Dog -

I started Early - Took my Dog -
And visited the Sea -
The Mermaids in the Basement
Came out to look at me -

And Frigates - in the Upper Floor
Extended Hempen Hands -
Presuming Me to be a Mouse -
Aground - upon the Sands -

But no Man moved Me - till the Tide
Went past my simple Shoe -
And past my Apron - and my Belt
And past my Bodice - too -

And made as He would eat me up -
As wholly as a Dew
Upon a Dandelion's Sleeve -
And then - I started - too -

And He - He followed - close behind -
I felt His Silver Heel
Upon my Ankle - Then my Shoes
Would overflow with Pearl -

Until We met the Solid Town -
No One He seemed to know
And bowing - with a Mighty look -
At me - The Sea withdrew -

Ich ging schon Früh -
Pfiff meinem Hund -

Ich ging schon Früh - Pfiff meinem Hund -
und wanderte zum Meer -
Die Nixen aus dem Erdgeschoß
die schauten, kamen her - -

Fregatten - aus dem Oberstock
die boten Hanfne Hand -
sie sah'n mich wohl als eine Maus -
gestrandet - auf dem Sand -

Doch kein Mann rührt' Mich - bis der Schwall
am simpeln Schuh vorbei -
vorbei an Schürze - Gürtel dann -
griff mir ans Mieder - frei -

und tat, als wollt Er mich verzehr'n -
wie einen Tropfen Tau
am Büchs'chen eines Löwenzahns -
und dann - begann ich - auch -

und Er - Er folgte - nah an Mir -
Ich fühlt' den Silber Fuß
auf meinem Knöchel - dann mein Schuh
verging im Perlenfluß -

bis wir die feste Stadt erreicht:
Er kannt von Ihr kein Stück.
Verneigend - mächtig noch Sein Aug -
zog sich das Meer zurück -


The Life of the Heart

The Life we have is very great.
The Life that we shall see
Surpasses it, we know, because
It is Infinity.
But when all Space has been beheld
And all Dominion shown
The smallest Human Heart's extent
Reduces it - to none.

Das Leben des Herzens

Dies unser Leben ist sehr groß!
Doch Leben, schon bereit,
wird größer noch, das wissen wir,
denn es ist Ewigkeit.
Doch ist der Raum einst voll erfaßt,
gewogen Reichs Gewicht,
macht kleinsten Menschenherzens Maß
sie allesamt - zunicht.


Success is counted sweetest

Success is counted sweetest
By those who ne'er succeed.
To comprehend a nectar
Requires sorest need.

Not one of all the purple host
Who took the flag to-day
Can tell the definition,
So clear, of victory!

As he, defeated, dying,
On whose forbidden ear
The distant strains of triumph
Burst agonized and clear!

Erfolg scheint dem am süßten

Erfolg scheint dem am süßten,
der ihn nicht haben kann:
den Nektar hochzuschätzen
kann nur der Mangel dran.

Nicht einer unserer Armee,
der heut beginnt den Krieg,
könnt' so klar schildern die Idee,
was für ihn sei der Sieg,

wie dem, besiegt und sterbend
(ins Ohr, für das's nicht wahr)
des Feinds Triumphfanfare
birst schmerzensvoll und klar!


Alle Übersetzungen stammen von Walter A. Aue, der überhaupt Schuld ist, daß ich auf diese merkwürdige Frau aufmerksam wurde, und können hier nachverfolgt werden.

Sonntag, 26. Juli 2009

verspäteter Sonntag



Als ich mich heute Nachmittag auf den Weg zum See machte, hatte ich eigentlich gehofft, ein paar freundliche Bilder für einen wortlosen Sonntagsbeitrag zusammenzubringen. Jetzt bin ich überraschenderweise um einige fiktive Bilder ärmer und eine merkwürdige Bekanntschaft reicher, letzteres hoffe ich zumindest, wir werden sehen.

Einiges, was ich dabei erfahren durfte, war ausgesprochen bedauerlich. Es ist merkwürdig, ich hatte eigentlich gedacht, diesen Charakterzug an mir endlich gründlich ausgemerzt zu haben, aber irgendwie scheine ich Menschen immer noch zu Lebensbeichten zu animieren.

Doch um den Tag mit einer eher leichteren Note zu beenden, noch einmal etwas plattdeutscher Humor von Wilhelm Wisser, mit dem ich meines Wissens jedoch nicht verwandt bin:

"Du oder din Broder?

Dar is mal’n gelehrten Professor weß, de hett twee Bröder in sin School hatt, dat sünd n‘ paar Twäschen weß, de hebbt sik so ähnli sehn as een Ei dat anner, un he hett ehr sin Dag‘ ne vun een kennen kunnt. Nu is de een von de beiden Bröder dot bleben. Un as de anner do weller in de School kümmt, do secht de Professor to em: Hör mal, min Jung, büßt du dat, de dot bleben is, oder is din Broder dat?"

Obwohl in der Übersetzung jeder Charme verlorengeht, sei sie dennoch pflichtschuldig nachgetragen:

"Da war mal ein gelehrter Professor, der hatte zwei Brüder in seiner Schule, das waren Zwillinge, die waren sich so ähnlich wie ein Ei dem anderen, und die konnte er sein Lebtag nicht auseinanderhalten. Nun, einer von den beiden Brüdern starb. Und als der andere wieder in die Schule kommt, sagt der Professor zu ihm: Hör mal, mein Junge, bist du das eigentlich, der tot gegangen ist, oder war das dein Bruder?"

Samstag, 25. Juli 2009

Dies & Das



Eigentlich wollte ich heute etwas über Mecklenburgische Alleen schreiben (spontan, mein lieber hawaiianischer Arnold war Schuld), das gewitterhaltige Wetter hat mich aber leider um meine Fahrradtour gebracht. Also keine Alleen heute.

Dafür hatte ich durch einen verspäteten Einkauf einen unterhaltsamen Einblick in Vulgärfolklore. Am frühen Abend warteten ein paar, sagen wir höflich, junge Damen auf ihre Pendants. Als der erste von diesen eintraf, gab es einen schrillen Protest, wie er nur eine Stunde brauchen könne, um sich fertig zu machen, sie brauche nie länger als eine ¾ davon, die Entschuldigung, „Haare nachfärben“ wurde als vernünftiger Grund akzeptiert. Brrr Menschen.

Das ist alles nur mäßig seelenerhebend. Aber siehe da, man tue bitte folgendes, man kopiere den nachfolgenden Link und wenn der Browser nach einem zu öffnenden Player fragt, bestätige man bitte:

mms://stream2.orf.at/filehandler/sbgmagazin/200930/Festrede_KehlmannNEU_85238.wmv

Der Schriftsteller Daniel Kehlmann hielt nämlich bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele offensichtlich gerade eine herrliche Festrede, in der er gewollt oder nicht die Hohlheit und Banausenhaftigkeit des gegenwärtigen Mainstream entlarvte:

„Denn wer ein Reihenhaus bewohnen, christlich oder ökologisch konservative Parteien wählen und seine Kinder auf Privatschulen schicken will und es dennoch für zwingend notwendig hält, sich als aufgeschlossener Bohemien ohne Vorurteil zu fühlen, was bleibt dem anderes als das Theater? In einer Kultur, in der niemand mehr Marx liest und kontroverse Diskussionen sich eigentlich nur noch um Sport drehen, ist das Regietheater zur letzten verbliebenen Schrumpfform linker Ideologie degeneriert.“

Ein Ergebnis der "folgenreichsten Allianz der vergangenen Jahrzehnte: dem Bündnis von Kitsch und Avantgarde".

Kleiner Nachtrag

Die Reaktionen waren übrigens wie zu erwarten: „Niemand buhte, niemand murrte“ entrüstet sich die Frankfurter Rundschau am heutigen Montag, welch eine Überraschung, andere gaben sich betont gelangweilt oder benutzten den alten Abwertungstrick, die Argumente seien nicht neu, ach.

Aber es gibt jetzt mehrere Möglichkeiten, die Rede nachzulesen (ich präsentiere, und zwar wegen der Kommentare, gleich zwei, beim „Kurier“ und der „Kleinen Zeitung“).



Ich muß zugeben, daß dies andere bemerkenswerte Themen zurückgedrängt hat, wie das Ende des Ersten Ökumenischen Konzils, nämlich dem von Nicäa im Jahr 325, auf dem kraftvoll der verderblichen Häresie des Arianismus entgegengetreten wurde.



Oder die Rückeroberung Konstantinopels unter Michael VIII. Dukas Komnenos Palaiologos am 25. Juli 1261, womit diesem unverzeihlichen Fehler des Lateinischen Kaiserreichs ein Ende gesetzt wurde und die Spätblüte der Paläologen begann, leider keine ausreichende.



Die Bilder zeigen übrigens an, wie ein verwildernder Garten aussieht, da man leider durch das wechselhafte Wetter gar nicht zum Mähen kommt.

Freitag, 24. Juli 2009

Entlegene Literatur-Landschaften



Der Mittel-Weg

In Gefahr und großer Noth
Bringt der Mittel-Weg den Tod.

Behauptete literarische Vorlieben können eine rechte Plage sein. Ich habe bereits mehr als einmal verkündet, ich sei ein Liebhaber der Barock-Literatur (nur als menschenfreundliche Anmerkung, ja das ist heute langweilig, mehr für mich selbst geschrieben, und wird auch nicht spannender werden), und dann muß ich lesen, Friedrich von Logau starb am 25. Juli 1655.

Er hat mit die stärksten Sinn-Gedichte dieser Zeit geschrieben, nur daß mir nach denen heute gar nicht der Sinn stand, aber ich habe mich trotzdem tapfer hindurch gequält, was hat man denn schon über seine Vorlieben hinaus?

Die hoffärtige oder übersichtige [hochmütige] Welt

Die Welt acht' unsrer nichts; wir achten ihrer viel.
Ein Narr liebt den, der ihn nicht wieder lieben will.

Er lebte in den unmenschlichen Zeiten, in denen Deutschland die feste Absicht gefaßt hatte, sich selbst bis auf den Grund zu zerstören, was fast gelang. Und er schreibt dazu:

Glauben

Luthrisch, Päbstisch und Calvinisch, diese Glauben alle drey
Sind vorhanden; doch ist Zweifel, wo das Christentum dann sey.

Was an dieser Literatur immer wieder verwundert, sie wirkt oft geradezu bieder, obwohl sie doch überlebend auf dem Grauen schwimmt. Man merkt es ihr nicht an, und das ist verstörend:

Redlichkeit

Wer gar zu bieder ist, bleibt zwar ein redlich Mann,
Bleibt aber, wo er ist, kommt selten höher an.

Abgesehen davon, daß diese Menschen wohl auch anders tickten, es kann nicht völlig anders gewesen sein, sonst würde uns das heute alles komplett nichts mehr sagen, dieses etwa, kommt einem höchst gegenwärtig vor:

Heutige Welt-Kunst

Anders sein und anders scheinen,
Anders reden, anders meinen,
Alles loben, alles tragen,
Allen heucheln, stets behagen,
Allem Winde Segel geben,
Bös und Guten dienstbar leben;
Alles Tun und alles Dichten
Bloß auf eignen Nutzen richten:
Wer sich dessen will befleißen,
Kann politisch heuer heißen.

Und er hat in der Tat Zeitloses mit auf den Weg zu geben, woran man erkennen darf, daß ein Dichter zu einem spricht:

Das Zeit-Rad

Die Zeiten sind als wie ein Rad; sie reißen mit sich um,
Wer sich an sie hängt, machen ihn verdreht, verkehrt, krumm, dumm.

Und er gibt freundlicherweise eine Art Selbst-Erklärung ab, also warum es sinnvoll sei, ihn (und einiges andere noch) zu lesen:

Bücher

Es ist mir meine Lust bei Toten stets zu leben,
Mit denen um und um, die nicht seyn, seyn gegeben,
Zu fragen, die sind taub, zu hören, die nichts sagen,
Und die, die haben nichts, sehr viel hingegen tragen,
Zu halten lieb und werth. Ich bin auf die beflissen,
Die mir viel gutes thun und doch von mir nicht wissen,
Ich halte diese hoch, die mich nur an nicht sehen;
Die manchmal mich mit Ernst verhöhnen, schelten, schmähen,
Sind meine beste Freund. Und sollt ich die begeben,
Eh geb ich alle Welt, eh geb ich auch das Leben.

Donnerstag, 23. Juli 2009

Beiläufiges







Ich habe bestimmt schon oft erwähnt, daß ich aufregendes Wetter mag, na ja, das Aufräumen ist dann manchmal etwas lästig.



Ich hatte heute einen Anruf, bei dem mir verstörend deutlich wurde, wie zerstörend es wirken kann, wenn jemand keinen intakten Platz für seinen besonderen Intellekt zu finden vermag. Ich bedaure das so sehr und hoffe, er liest dies nicht. Aber irgendwie ist mir dieser Ort doch wichtig geworden, so daß ich die Dinge, die ich wirklich wahrnehme, hier nicht vorbeigehen lassen kann.

An zwei deutsche Maler müßten wir heute schon noch erinnern, Philipp Otto Runge wurde am 23. Juli 1777 geboren und Carl Blechen starb am 23. Juli 1840.


Philipp Otto Runge
Die Hülsenbeckschen Kinder
hier gefunden



Carl Blechen
Grotte im Park der Villa d'Este bei Rom
hier gefunden


Carl Blechen
Das Palmenhaus auf der Pfaueninsel
hier gefunden

Mittwoch, 22. Juli 2009

Vor 13 Jahren



"Unterm Asphalt ruhen die Toten / unterm Asphalt wortlose Boten / unterm Asphalt mit ihrer Weisheit / unterm Asphalt liegen sie stumm / unterm Asphalt jenseits des Lebens / unterm Asphalt starrn sie vergebens / unterm Asphalt Sand in den Augen / unterm Asphalt kriechen sie blind."



„Meine Uhr ist eingeschlafen / ich hänge lose in der Zeit / ein Sturm hat mich hinausgetragen / auf das Meer der Ewigkeit / Gib mir Asyl hier im Paradies / hier kann mir keiner was tun / gib mir Asyl, Hier im Paradies/nur den Moment, um mich auszuruhn.“

Tamara Danz ist vor 13 Jahren, am 22. Juli 1996 gestorben. Als ich versuchte, dazu ein paar Videos zusammenzustellen, fiel mir auf, wie sehr die Leute damit ihre persönlichen Dinge verbanden und in den Kommentaren tauchten immer wieder 2 Worte auf: „schön“ und „weinen“. Demnach könnte man meinen, die Lieder von Tamara Danz und ihrer Gruppe „Silly“ seien vor allem eine Anleitung zum schönen Weinen. Das klingt sarkastischer als es gemeint ist.



„Wie weiße Tücher schwimmt der Nebel / Durch die kalte Stadt / Er macht die Pflastersteine nass / Die Straßen glänzen glatt / Aus meinem Hausflur fällt / Ein gelber Fetzen Licht / Der holt mir aus der Dunkelheit / Ein blasses Kindsgesicht.“

Selbst mir kommen da zuerst persönliche Erinnerungen in den Sinn, vielleicht erleichtert dadurch, daß ich zufällig 2 oder 3 Mal Gelegenheit hatte, sie in einem privaten Umfeld zu erleben. Einmal, erinnere ich mich, hatte eine andere ostdeutsche Sängerin von ihrem freiwilligen Nachwende-Exil in einer französische Kommune erzählt und Tamara Danz schüttelte ihre imposant aufgetürmte nonkonformistische Löwenmähne und bemerkte mißbilligend, das ginge doch wohl nicht, die könnten doch nicht einfach so zusammenleben, man brauche doch was, irgendwas, ein Statut oder so.



„Die Ferne ist ein schöner Ort / doch wenn ich da bin, ist sie fort / die Ferne ist, wo ich nicht bin / ich geh und geh und komm nicht hin.“

Vieles von dem, was die Faszination dieser Frau ausgemacht hat, ist sicher in den Liedern zu spüren. Die starke Bewegung in den Gemütern, die sie auslösen, erklärt sich nur teilweise von selbst. Natürlich, eine großartige Stimme verbunden mit wachen „erwachsenen“ Texten, das gibt es nicht so oft. Aber wenn ich auf mich selbst sehe, dann muß ich gestehen, daß ich vor der Wende von der Musik nur durchschnittlich beeindruckt war. Danach und angesichts dessen, was alles geschah, wuchs ihr eine ganz andere Bedeutung zu. Es war, als würde man, während man durch den Nebel geht, vor sich eine andere vertraute Stimme hören und das war sehr gut.

Abendstunden

„In den kühlen Abendstunden / wenn die Räder stille stehn / die mich durch mein Leben schleifen / mußt du öfters nach mir sehn - / Daß ich unter meinen Füßen / immer noch den Boden spür / daß ich mich in meinen Ängsten / im Alleinsein nicht verlier.“

Dienstag, 21. Juli 2009

Dem Reinen ist alles rein



„Den Reinen ist alles rein; den Unreinen aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern unrein ist ihr Sinn sowohl als ihr Gewissen.“
Brief des Paulus an Titus, 1, 15

Ursprünglich wollte ich heute kurz etwas zu diesem beliebten Bibelzitat anmerken und stieß dann auf einem mir unbekannten Blog auf dies:

http://rudolfvonwaldenfels.blogspot.com/2008/11/dem-reinen-ist-alles-rein.html

Der Autor, Rudolf v. Waldenfels, pausiert zu meinem Bedauern gerade wohl etwas, war aber so freundlich, mir umgehend zu erlauben, seine Worte ausführlich zitieren zu dürfen (solches begegnet einem auch nicht immer).

„Es sind die Guten, vor denen man sich fürchten muss, die, die nichts von den Abgründen in ihrem eigenen Herzen wissen. Sie werden das Böse nur außerhalb ihrer selbst erkennen und deshalb gegen seine Vernichtung nichts einzuwenden haben.

In seinem außergewöhnlichen Buch War Is A Force That Gives Us Meaning schildert der amerikanische Kriegsreporter Chris Hedges Szenen aus der Hölle. Er war in Sarajewo, er war in Ruanda, er war im Gaza-Streifen. Und immer, so schreibt er, waren es die Visionäre, die Idealisten, die von der eigenen Reinheit Überzeugten, die die schlimmsten Verbrechen begingen.

Noch im Moment, da sie mit dem Bajonett zustoßen, glauben sie, die Welt dem Paradies näher zu bringen.“

Montag, 20. Juli 2009

Über den Mond &


Apollo 11 Astronaut Edwin Aldrin vor der US-Flagge auf dem Mond
hier gefunden


Ich denke schon ein paar Stunden über den Mond nach, ich gebe zu, das ist am heutigen Tag wenig originell, stimmt so auch nicht ganz, tatsächlich habe ich mir stundenlang Fernsehberichte (und ich schaue kaum noch Fernsehen) über die Mondlandung am 21. Juli 1969, 3.56 Uhr MEZ angesehen. Ich habe das deshalb so geschrieben, weil man genauso sagen könnte, sie habe am 20. Juli stattgefunden. Aber vom Mond aus verwischt die irdische Zeit vermutlich doch etwas.

Als ich heute abend so auf dem Fahrrad so durch die Gegend fuhr – ich muß dringend mehr Fahrrad fahren, sonst werde ich bald noch im dunklen Unterholz von einem Schützen mit Jägerwahnsinn für einen Problembären gehalten und zur Strecke gebracht – dachte ich bei mir, warum finden gerade bei der Mondlandung so viele Durchgeknallte ihr Futter. Das ist keine abstrakte Bemerkung, ich habe in meinem persönlichen Umfeld dieses konkrete Vergnügen… (wird fortgesetzt).


Weather Underground
"Flying High Over The Moon" by Ralfo
hier gefunden
(Wird hiermit fortgesetzt).

Ich spreche natürlich von Verschwörungsfanatikern oder von mir aus Verschwörungstheoretikern. Was verschafft Menschen ein solches Bedürfnis, zu behaupten, der 11. September sei ein Komplott der amerikanische Regierung oder 200 Jahre europäischer Geschichte seien im nachhinein erfunden worden oder eben die Mondlandung habe nie stattgefunden.

Erst einmal müssen es Menschen sein, die eher quer zur Welt stehen, das ist natürlich eine reichlich banale Feststellung, genauer, dieses quer zur Welt muß ihren Charakter bezeichnen. Dieses kann durchaus ein Forscher sein, der gegen die Ignoranz seiner Umwelt kämpfen muß oder ein Dichter, der tiefer schaut als seine Zeitgenossen, aber es kann auch einfach nur jemand mit pathologisch-paranoider Veranlagung sein (ein Robespierre etwa).

Wir sprechen also von letzteren. Den Verschwörungstheorien zur Mondlandung (hier haben wir einmal einen wirklich exzellenten Wikipedia-Artikel dazu) ist von verschiedener Seite, etwa der Nasa sehr gründlich entgegengetreten worden. Ich fürchte, das hilft allenfalls bei denjenigen, die mal einen schwummrigen Moment hatten. Gibt es durchaus, ein bisher und ansonsten normal wirkender Mensch sagt plötzlich Merkwürdiges. Unser Verhältnis zur Welt ist eben ein durchaus auch brüchiges, gelegentlich kann man es aber auch wieder kitten.

Die Hartgesottenen erreicht man damit nicht, warum, ganz einfach, was hätten sie zu gewinnen? Ich muß gestehen, es hat mir ein großes (geradezu quietschendes) Vergnügen bereitet, während ich dies schreibe, einem anderen gesprochenen Artikel aus Wikipedia zuzuhören (der Sprecher nannte sich dort Siller, leider gab es keinen Weg, meiner Begeisterung ihm gegenüber verbal Ausdruck zu verleihen) und es wird auch einiges davon hier eingeflossen sein. Was verschaffen Verschwörungstheorien also für persönliche Vorteile.

Nun, Reduktion ist leichter für schlichte Gemüter. Manche reduzieren die Wirklichkeit, da bin ich mir recht sicher, weil sie Angst vor ihr haben oder weil sie sie nicht verstehen und ihnen dies nicht verstehen Angst bereitet, und so glauben sie, Macht über diese von ihnen demaskierte Wirklichkeit gewinnen zu können. Also handeln aus einem Inferioritätsleiden.

Wer sich aber randständig fühlt und dies nicht mag, wird wahrscheinlich dagegen nicht dadurch angehen, daß er Theorien darüber entwickelt, wie seine Maus jede Nacht das Essen aus dem Kühlschrank stiehlt, sondern er wird Ausschau halten nach etwas Großem, und wenn er mißmutig aus dem nächtlichen Fenster sieht, was erblickt er, den Mond. Der ist in der Tat recht groß.

Also binden wir uns emotional doch einfach einmal an etwas Großes und behaupten, die Mondlandung habe nie stattgefunden.


Weather Underground
"Moon on a cloudy night" by mexhomepics
hier gefunden

Dieses Ungenügen an der Welt kann auch ein Leiden an Zufälligkeiten oder „vorenthaltenen“ Erklärungen beinhalten, eine Art Kontingenzirritation, der mit einem Ersatzglauben begegnet wird (als hoffentlich frommer Lutheraner muß das „Ersatz“ einfach dorthin) oder einem Mythos des Bösen, der nicht nur zur Selbstvergewisserung verhilft, sondern auch noch zu einem dualistischen Handlungsimpuls, der dem langweiligen Selbst ein wenig Pep und Handlungsgrund verschafft.

Das Ungenügen kann auch einfach nur ein (empfundenes) Aufmerksamkeitsdefizit anzeigen. Wer also einen verborgenen Sinn zu entdecken meint, kann natürlich mit diesem „paranoiden Stil der Welterklärung“ sich triumphierend in die Öffentlichkeit begeben und braucht womöglich nur jemanden, der ihm versichert, wie wichtig er sei und daß er ihn ganz doll liebhat (es gibt einfach zu wenig Liebe in der Welt).

Und dann gibt es die Ängstlichen, die Gründe für ihr Bedürfnis brauchen, dem Gegenüber den Schädel einzuschlagen, bevor der ihnen zuvorkommen könnte. In Kürze, Verschwörungsfanatiker sind arme Würstchen, vor denen man sich allerdings ein wenig in acht nehmen sollte.

Ob das jetzt unterhaltsam war, ich weiß nicht, aber es sollte einmal heraus. Dabei gäbe es viel schönere Themen zu diesem wundervollen Anlaß. Zum Beispiel wollte ich schon immer einmal begründen, warum ich seit Kindesbeinen Science-Fiction liebe.

Aber eins, das will ich heute noch loswerden, Hartnäckig hält sich das Gerücht, der Mond sei nunmehr entzaubert worden zu einem kalten Gesteinsbrocken, alle Poesie sei jetzt dahin. Nun ja, das ist ungefähr so wahr wie die Behauptung, seit der Möglichkeit der Sektion des menschlichen Körpers sei dessen Schönheit ausgelöscht, das Mißverständnis: eine Sicht auf die Welt könne schon alles erklären und würde alle anderen Sichtweisen auslöschen, wie einfältig.

Ach und übrigens, das fand ich recht hübsch: Als Buzz Aldrin, der zweite Mensch auf dem Mond wieder einmal von einem Plagegeist bedrängt wurde, der ihn aufforderte, "auf die Bibel zu schwören, dass er tatsächlich den Mond besucht habe, reagierte Aldrin mit einem saftigen Kinnhaken". Geht auch zur Not.


Weather Underground
"Clouds on the moon" by lablover47
hier gefunden

Sonntag, 19. Juli 2009

Sonntags-Bildernachtrag









Sonntag


Berliner Dom 1900
hier gefunden

Herrn Roloffs Predigt zum 6. Sonntag nach Trinitatis


Mt 28, 16-20

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,

diesen Text kann ich nicht lesen oder hören ohne dass vor meinem geistigen Auge die Hauptfassade des Berliner Doms ersteht. Auch in den Tagen als sie noch eine Ruine war zeigte sie zum Lustgarten hin die Worte: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ In der DDR-Zeit hat mich das in der geteilten Stadt immer ganz eigenartig getröstet. Ich weiß noch, wie ich dachte: Baut ihr dort nebenan eure neue Pracht, ich hänge diesen alten Worten der Ruine an.


Berliner Dom 1964
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Das Schicksal dieses mächtigen Baus, der am Ende des 19. Jahrhundert nach Plänen von Raschdorff begonnen und 1905 geweiht wurde, ist geradezu symptomatisch für die Geschichte unseres Landes. Seine historistischen Bauformen, die sich der italienischen Hochrenaissance und dem Barock verpflichtet fühlen, geben die Kulisse zu einer ganz überspannten und sehr hektischen modernen Zeit, deren Leben am Schloss, „Unter den Linden“ und auf dem Potsdamer Platz pulsierte. Bis zu jener Zeit nicht gekannter technischer, wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt spiegelten sich in diesen mächtigen Fassaden einer neuerrichteten Altertümlichkeit. Das innere Wesen des Staates, das in dieser architektonischen Entfaltung Ausdruck gesucht hatte, stürzte bereits 13 Jahre nach Einweihung des Gotteshauses, 26 Jahre später folgten die Fassaden im nach.

Nun dauerte es beinahe 50 Jahre, bis 1993, bis der Dom wiedereingeweiht werden konnte, und erst im Jahre 2002 folgte das letzte Deckenmosaik.


Berliner Dom 2006 hier gefunden

Er steht wieder da, der Dom von Berlin, der mit seiner gewaltigen Kuppel gegen Rom die neue Würde eines protestantischen Kaisertums sichtbar machen sollte. Mehr noch aber als seine bauliche Hülle ist nunmehr sein Schicksal zum Denkmal, zum Wahrzeichen geworden.

Mir waren dort immer die Worte am wesentlichsten: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Durch das Schicksal dieses Hauses hört man die Worte Jesu nämlich immer mit: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“

Das ist nun der Hintergrund, vor dem wir uns dem Predigttext zuwenden wollen, den Luther so eindringlich mit Missionsbefehl übersetzt hat.

Zunächst fällt auf, dass Matthäus wert darauf legt, dass es die elf Jünger sind, die nach Galiläa gehen. Er geht nicht hinweg über den schmerzlichen Umstand, dass der Kreis der Jünger gesprengt, nicht mehr vollständig ist.

Wir sollen uns dadurch trösten lassen und auch unsere Wege mutig und unverzagt weitergehen, selbst wenn manchmal auch die engsten Kreise gestört oder sogar zerstört werden, wenn wir Menschen und Freunde verlieren, wenn wir nicht alle bei uns behalten oder für uns gewinnen können. Die Kirche ist von Anfang an auch Ausdruck des Unfertigen, des Erlösungsbedürftigen, des Zerstörten.

Es heißt dann weiter: Und da sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; etliche aber zweifelten.

Auch hier wird kein Hehl daraus gemacht, dass sich auch hinter des Geste des Kniens der Zweifel nicht verbergen lässt. Der Tod und seine Unabänderlichkeit sind viel zu sehr die alles bestimmende Erfahrung unseres Daseins, als das sie sich einfach so banal wegwischen ließe.

Wir sollen uns dadurch trösten lassen, dass die Kirche von ihrem Anfang an auch der Ort des Zweifels und der Zweifler ist. Keineswegs kann man der Kirche erst dann näher treten, wenn man alle seine Zweifel überwunden hat. Nein, der Mensch soll gerade im Zweifel in der Gemeinschaft der Kirche bleiben, weil sie auch seine Zweifel kennt.


Abendstimmung Berliner Dom mit Friedrichsbrücke im Vordergrund
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Und dann spricht Christus:

Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.
Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie zu halten alles, was ich euch befohlen habe.

Das ist das große und unvergleichliche Finale der irdischen Gegenwart unseres Herrn. Er spricht zu uns!!!

Er proklamiert sich zum Gott.

Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.

Ihm ist nicht irgendeine Gewalt gegeben, oder gar die höchste Gewalt, oder die entscheidende Gewalt. Dem Herrn ist alle Gewalt gegeben.

Wo also jemals auf Erden Gewalt ausgeübt wird, da wird sie entweder als Gleichnis und zur Verkündigung seiner Gewalt geübt, oder sie wird missbraucht.

Er spricht zu uns und sendet uns:

Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie zu halten alles, was ich euch befohlen habe.

Wir sind Bevollmächtigte dieses gewaltigen, dieses allgewaltigen Herrn, und wir sollen dreierlei tun.

Wir sollen die Völker zu Jüngern des Herrn machen, weil sie nur darin wirklich ein Volk werden, nämlich sein Volk, das im Frieden lebt.

Nun werden manche sagen, aber es hat doch auch und gerade unter christlichen Völkern immer wieder Kriege gegeben.

Dennoch ist das kein Argument, das ich gelten lassen kann. Gerade die Kriege des vergangenen Jahrhunderts sind immer erst dann ausgebrochen, wenn andere Gewissheiten zeitweilig über diejenigen des Glaubens triumphiert hatten.

Wir sollen die Völker taufen, weil sie in der Taufe mit Christus in den Tod gehen. So wie das Volk Israel durch das lebensbedrohlich stürmende zu beiden Seiten aufgetürmte Wasser des Roten Meeres gezogen ist, um aus der Knechtschaft in die Freiheit zu ziehen, so sollen wir mit Christus durch das Wasser der Taufe aus der Knechtschaft des Todes zur Freiheit des Lebens gerettet werden.

Wir sollen die Völker lehren zu halten alles, was er uns befohlen hat. Im eigentlichen Sinn des Wortes „befehlen“ kommt Jesu Verständnis von seiner Herrschaft klar und strahlend zum Ausdruck, denn ursprünglich bedeutet das Wort „bevehlen“, jemandem etwas anzuvertrauen. Christus hat uns mit seinem Wort, das wir lehren sollen nicht eine kleinkarierte Schulaufgabe gestellt, sondern er hat uns das Geheimnis der Schöpfung, allen Lebens, seiner eigenen Gottheit anvertraut, denn am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. So wie Christus am Anfang seiner irdischen Gegenwart in den Schoß der Jungfrau und Gottesmutter gelegt ward, legt er sich nun mit diesem Befehl in unsere Hände und stiftet auch mit dem Ende seiner irdischen Gegenwart einen neuen Beginn, das Morgenrot der Heiligen Kirche.

In dieser Weise wird erst ganz deutlich, was gemeint ist in den Worten: Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende. Er ist unter uns. Da können Städte, ganze Länder und Weltsysteme einstürzen, und selbst wenn Dome brennen: Er ist bei uns.

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen


Berliner Dom bei Nacht, 6. April 2006, 22:55
Photograph: Björn König, hier gefunden

Samstag, 18. Juli 2009

Gespenstischer Sonnabend




Edgar Allan Poe


Ulalume

The skies they were ashen and sober;
The leaves they were crisped and sere -
The leaves they were withering and sere;
It was night in the lonesome October
Of my most immemorial year:
It was hard by the dim lake of Auber,
In the misty mid region of Weir -
It was down by the dank tarn of Auber,
In the ghoul-haunted woodland of Weir.

Here once, through and alley Titanic,
Of cypress, I roamed with my Soul -
Of cypress, with Psyche, my Soul.
These were days when my heart was volcanic
As the scoriac rivers that roll -
As the lavas that restlessly roll
Their sulphurous currents down Yaanek
In the ultimate climes of the pole -
That groan as they roll down Mount Yaanek
In the realms of the boreal pole.

Our talk had been serious and sober,
But our thoughts they were palsied and sere -
Our memories were treacherous and sere, -
For we knew not the month was October,
And we marked not the night of the year
(Ah, night of all nights in the year!) -
We noted not the dim lake of Auber
(Though once we had journeyed down here) -
Remembered not the dank tarn of Auber,
Nor the ghoul-haunted woodland of Weir.

And now, as the night was senescent
And star-dials pointed to morn -
As the star-dials hinted of morn -
At the end of our path a liquescent
And nebulous lustre was born,
Out of which a miraculous crescent
Arose with a duplicate horn -
Astarte's bediamonded crescent
Distinct with its duplicate horn.

And I said: "She is warmer than Dian;
She rolls through an ether of sighs -
She revels in a region of sighs:
She has seen that the tears are not dry on
These cheeks, where the worm never dies,
And has come past the stars of the Lion
To point us the path to the skies -
To the Lethean peace of the skies -
Come up, in despite of the Lion,
To shine on us with her bright eyes -
Come up through the lair of the Lion,
With love in her luminous eyes."

But Psyche, uplifting her finger,
Said: "Sadly this star I mistrust -
Her pallor I strangely mistrust:
Ah, hasten! -ah, let us not linger!
Ah, fly! -let us fly! -for we must."
In terror she spoke, letting sink her
Wings until they trailed in the dust -
In agony sobbed, letting sink her
Plumes till they trailed in the dust -
Till they sorrowfully trailed in the dust.

I replied: "This is nothing but dreaming:
Let us on by this tremulous light!
Let us bathe in this crystalline light!
Its Sybilic splendour is beaming
With Hope and in Beauty tonight! -
See! -it flickers up the sky through the night!
Ah, we safely may trust to its gleaming,
And be sure it will lead us aright -
We safely may trust to a gleaming,
That cannot but guide us aright,
Since it flickers up to Heaven through the night."

Thus I pacified Psyche and kissed her,
And tempted her out of her gloom -
And conquered her scruples and gloom;
And we passed to the end of the vista,
But were stopped by the door of a tomb -
By the door of a legended tomb;
And I said: "What is written, sweet sister,
On the door of this legended tomb?"
She replied: "Ulalume -Ulalume -
'Tis the vault of thy lost Ulalume!"

Then my heart it grew ashen and sober
As the leaves that were crisped and sere -
As the leaves that were withering and sere;
And I cried: "It was surely October
On this very night of last year
That I journeyed -I journeyed down here! -
That I brought a dread burden down here -
On this night of all nights in the year,
Ah, what demon hath tempted me here?
Well I know, now, this dim lake of Auber -
This misty mid region of Weir -
Well I know, now, this dank tarn of Auber,
This ghoul-haunted woodland of Weir."


Als ich kürzlich auf Jeff Buckley stieß, war ich mir sicher, daß ich unbedingt seine Interpretation von Poe’s „Ulalume“ anbringen mußte, nur wann, bis Oktober mochte ich nicht warten. Und da ich wußte, daß manch lieber Mensch diesen bescheidenen Ort zum Zwecke seelischer Ermunterung aufsucht (mir war das lange gar nicht bewußt), war ich etwas in Verlegenheit. Aber ein sommerlicher Sonnabend-Abend, an dem die Menschen natürlicherweise gute Laune haben, sollte eigentlich gehen. Und zur Abschreckung setzen wir einfach noch die passende Überschrift dazu.

Folglich würden Rückschlüsse auf meinen eigenen Gemütszustand völlig in die Irre gehen. Und damit das nicht so bedeutungsheischend klingt - der ist eher indifferent und unwichtig. Bedeutsam hingegen fand ich einen Satz, den ich kürzlich gelesen habe und partout nicht wiederfinde. Heimat, so schrieb dieser schon wieder halb Vergessene, liege weniger in Orten, sondern eher darin, daß man etwa Bach mögen würde, oder ein bestimmtes Gedicht oder einen fremden Platz, an dem sich etwas Persönliches zugetragen habe. Demnach tragen wir unsere Heimat mit uns in uns fort.

Noch ein paar versöhnliche Bilder zum Abend. Morgen gibt es hier übrigens eine Predigt von Herrn Roloff (und Bilder vom Berliner Dom), ich fand sie recht gut.





Freitag, 17. Juli 2009

Abendunterhaltung



Nur die toten Romanows, das war selbst mir zu unbehaglich, also gibt es noch ein paar Bilder von der Nachbarskatze, dem Nachbarsgarten, einem abendlichen Wolkenbruch mit Gewitter und ein depressives, aber schönes Video.


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