Benedikt XVI.
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Ich muß dem Papsttum ein wenig Abbitte leisten. Dem einen oder anderen ist vielleicht aufgefallen, daß bei aller grundsätzlichen Sympathie ich bei jedem meiner geschichtlichen Ausflüge doch heftig böse auf jeden Papst war, der einen unserer Kaiser meinte bekämpfen zu dürfen. Im Mittelalter gab es bekanntlich die Idee, daß es eine universelle geistliche Ordnung geben müsse, der eine universelle weltliche Ordnung entspreche. Das Papsttum des Bischofs von Rom und das Kaisertum der Herrscher des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation nahmen dies jeweils über Jahrhunderte für sich in Anspruch, das Papsttum ist geblieben. Imperium und Sacerdotium waren die Namen dafür.
Und heute nun fordert Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika CARITAS IN VERITATE eine „echte politische Weltautorität“ und wird dafür natürlich umgehend für „weltfremd“ erklärt, selbstverständlich auch von dieser famosen Dame, die in diesem Land vorübergehend für wichtig gilt, verklausuliert natürlich. Seine Urteile über die gegenwärtige Wirtschaftsordnung werden selbstredend wohlwollender aufgenommen, schließlich paßt er damit irgendwie in die gegenwärtig zugelassene Sprechmode.
Warum mich das bewegt, weil dieser Papst daran erinnert, daß es sein Amt ist, Wahrheiten geltend zu machen, egal was die Welt gerade für kommod hält, es ist sein Amt, weltfremd zu sein, es ist sein Amt, dafür zu streiten, daß sich die Welt der Wahrheit anpaßt und nicht umgekehrt. Und u.a. darum ist mir diese Enzyklika sehr sympathisch. Es gibt auch andere Gründe. Worte wie diese etwa:
„Ohne Wahrheit gleitet die Liebe in Sentimentalität ab. Sie wird ein leeres Gehäuse, das man nach Belieben füllen kann. Das ist die verhängnisvolle Gefahr für die Liebe in einer Kultur ohne Wahrheit. Sie wird Opfer der zufälligen Gefühle und Meinungen der einzelnen, ein Wort, das mißbraucht und verzerrt wird, bis es schließlich das Gegenteil bedeutet.“ (Einleitung Nr. 3)
„Indem die Wahrheit die Menschen aus den subjektiven Meinungen und Empfindungen herausholt, gibt sie ihnen die Möglichkeit, kulturelle und geschichtliche Festlegungen zu überwinden und in der Beurteilung von Wert und Wesen der Dinge einander zu begegnen. Die Wahrheit öffnet den Verstand der Menschen und vereint ihre Intelligenz im Logos der Liebe: Das ist die Botschaft und das christliche Zeugnis der Liebe.“ (Einleitung Nr. 4)
„Die Gefahr unserer Zeit besteht darin, daß der tatsächlichen Abhängigkeit der Menschen und der Völker untereinander keine ethische Wechselbeziehung von Gewissen und Verstand der Beteiligten entspricht, aus der eine wirklich menschliche Entwicklung als Ergebnis hervorgehen könnte.“ (Einleitung Nr. 9)
„Wir erkennen so, daß die Befürchtungen der Kirche bezüglich der Fähigkeiten des rein technisch orientierten Menschen, sich realistische Ziele zu setzen und die zur Verfügung stehenden Mittel in angemessener Weise zu handhaben, begründet waren. Der Gewinn ist nützlich, wenn er in seiner Eigenschaft als Mittel einem Zweck zugeordnet ist, welcher der Art und Weise seiner Erlangung ebenso wie der seiner Verwendung einen Sinn verleiht. Die ausschließliche Ausrichtung auf Gewinn läuft, wenn dieser auf ungute Weise erzielt wird und sein Endzweck nicht das Allgemeinwohl ist, Gefahr, Vermögen zu zerstören und Armut zu schaffen. Die von Papst Paul VI. herbeigewünschte wirtschaftliche Entwicklung sollte so geartet sein, daß sie ein reales, auf alle ausdehnbares und konkret nachhaltiges Wachstum hervorruft.“ (Zweites Kapitel Nr. 21)
„Nach dem Zusammenbruch der wirtschaftlichen und politischen Systeme der kommunistischen Länder Osteuropas und dem Ende der sogenannten „gegnerischen Blöcke“ wäre ein umfassendes Überdenken der Entwicklung nötig gewesen.“ (Zweites Kapitel Nr.23)
„Heute – auch unter dem Eindruck der Lektion, die uns die augenblickliche Wirtschaftskrise erteilt, in der die staatliche Gewalt unmittelbar damit beschäftigt ist, Irrtümer und Mißwirtschaft zu korrigieren – scheint eine neue Wertbestimmung der Rolle und der Macht der Staaten realistischer…“ (Zweites Kapitel Nr.24)
„Folglich hat der Markt neue Formen des Wettstreits unter den Staaten angeregt, die darauf abzielen, mit verschiedenen Mitteln … Produktionszentren ausländischer Unternehmen anzuziehen. Diese Prozesse haben dazu geführt, daß die Suche nach größeren Wettbewerbsvorteilen auf dem Weltmarkt mit einer Reduzierung der Netze der sozialen Sicherheit bezahlt wurde, was die Rechte der Arbeiter, die fundamentalen Menschenrechte und die in den traditionellen Formen des Sozialstaates verwirklichte Solidarität in ernste Gefahr bringt.“ (Zweites Kapitel Nr.25)
„Die Überzeugung, sich selbst zu genügen und in der Lage zu sein, das in der Geschichte gegenwärtige Übel allein durch das eigene Handeln überwinden zu können, hat den Menschen dazu verleitet, das Glück und das Heil in immanenten Formen des materiellen Wohlstands und des sozialen Engagements zu sehen. Weiter hat die Überzeugung, daß die Wirtschaft Autonomie erfordert und keine moralische „Beeinflussung“ zulassen darf, den Menschen dazu gedrängt, das Werkzeug der Wirtschaft sogar auf zerstörerische Weise zu mißbrauchen. Langfristig haben diese Überzeugungen zu wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Systemen geführt, die die Freiheit der Person und der gesellschaftlichen Gruppen unterdrückt haben und genau aus diesem Grund nicht in der Lage waren, für die Gerechtigkeit zu sorgen, die sie versprochen hatten. Wie ich schon in meiner Enzyklika Spe salvi geschrieben habe, entfernt man auf diese Weise die christliche Hoffnung aus der Geschichte …“ (Drittes Kapitel Nr.34)
Ich will die Zitate an dieser Stelle abbrechen, man mag nun selbst weiterlesen. Zeigen wollte ich an dieser Stelle auch nur, dies ist weit mehr als ein christlicher Kommentar zur Finanzkrise. Es ist ein Ruf an die Welt, von einem abschüssigen Weg abzulassen, der in die Irre führt, nicht der Verkehrsunfall auf diesem Weg war das Problem, es ist der Weg selbst.
Eine kleine persönliche Bemerkung zum Abschluß. Ursprünglich war dieser Ort auch aus dem Bemühen heraus entstanden, mit Menschen in Kontakt zu bleiben, mit denen dieser aus gewissen Gründen schwierig geworden war, das hat nur teilweise funktioniert. Dafür ist anderes eingetreten, was mir ebenfalls wichtig geworden ist, etwa auf neue interessante Menschen zu treffen. Wiederholt ist mir dabei aufgefallen, daß jemand, den ich überhaupt nicht kenne, dies hier für unterhaltsam hält. Ich kann nur sagen, das war nicht unbedingt beabsichtigt. Gerade gestern war es etwa mehr ein ambitionsloses Vor-mich-Hin-Geplappere.
Ich will damit nur sagen, es freut mich, wenn das jemand hier unterhaltsam findet, aber, tut mir leid, im Zweifel werde ich eher über das schreiben, was ich für mich für bedeutsam halte, und das ist heute eben diese Enzyklika.
6 Kommentare:
About the wisdom of Ages
My translation, part 1
I have to make a little apology to the papacy. Maybe one has noticed that besides of all the fundamental sympathy, every time at my historical tours if I was seeing a Pope who means he was allowed to fight against one of our emperors, I was really angry. In the Middle Ages the idea was known, that a universal spiritual order has to correspond a universal secular order. The papacy of the bishop of Rome and the empire of the ruler of the Holy Roman Empire of the German Nation claimed this dignity for centuries, the Papacy remains. Their names were “Sacerdotium” and “Imperium”.
And today, Pope Benedict XVI. in his encyclical CARITAS IN VERITATE calls for a "real political world authority". Of course he was immediately judged as unworldly, of course too by that splendid lady, who seems to be temporarily important in this country, a bit covered of course. His judgments about the current economic order are appraised obviously friendlier; it fits somehow to the currently approved speaking fashion.
Why is this important to me, because this pope reminds the fact, that his duty is to stand for the truth, no matter what the world think which arguing fits at a time, it is his duty to be unworldly, it is his duty to argue that the world has to adapt to the truth and not vice versa. That’s one of the reasons this encyclical is very likeable to me. There are also other reasons. Words such as these:
“Without truth, charity degenerates into sentimentality. Love becomes an empty shell, to be filled in an arbitrary way. In a culture without truth, this is the fatal risk facing love. It falls prey to contingent subjective emotions and opinions, the word “love” is abused and distorted, to the point where it comes to mean the opposite.” (Introduction, 3)
“Truth, by enabling men and women to let go of their subjective opinions and impressions, allows them to move beyond cultural and historical limitations and to come together in the assessment of the value and substance of things. Truth opens and unites our minds in the lógos of love: this is the Christian proclamation and testimony of charity.” (Introduction, 4)
“The risk for our time is that the de facto interdependence of people and nations is not matched by ethical interaction of consciences and minds that would give rise to truly human development. Only in charity, illumined by the light of reason and faith, is it possible to pursue development goals that possess a more humane and humanizing value.” (Introduction, 9)
part 2
“We recognize, therefore, that the Church had good reason to be concerned about the capacity of a purely technological society to set realistic goals and to make good use of the instruments at its disposal. Profit is useful if it serves as a means towards an end that provides a sense both of how to produce it and how to make good use of it. Once profit becomes the exclusive goal, if it is produced by improper means and without the common good as its ultimate end, it risks destroying wealth and creating poverty. The economic development that Paul VI hoped to see was meant to produce real growth, of benefit to everyone and genuinely sustainable.” (Chapter Two, 21)
“After the collapse of the economic and political systems of the Communist countries of Eastern Europe and the end of the so-called opposing blocs, a complete re-examination of development was needed.” (Chapter Two, 23)
“Today, as we take to heart the lessons of the current economic crisis, which sees the State's public authorities directly involved in correcting errors and malfunctions, it seems more realistic to re-evaluate their role and their powers...” (Chapter Two, 24)
“Consequently, the market has prompted new forms of competition between States as they seek to attract foreign businesses to set up production centres, by means of a variety of instruments, including favourable fiscal regimes and deregulation of the labour market. These processes have led to a downsizing of social security systems as the price to be paid for seeking greater competitive advantage in the global market, with consequent grave danger for the rights of workers, for fundamental human rights and for the solidarity associated with the traditional forms of the social State.” (Chapter Two, 25)
“The conviction that man is self-sufficient and can successfully eliminate the evil present in history by his own action alone has led him to confuse happiness and salvation with immanent forms of material prosperity and social action. Then, the conviction that the economy must be autonomous, that it must be shielded from “influences” of a moral character, has led man to abuse the economic process in a thoroughly destructive way. In the long term, these convictions have led to economic, social and political systems that trample upon personal and social freedom, and are therefore unable to deliver the justice that they promise. As I said in my Encyclical Letter Spe Salvi, history is thereby deprived of Christian hope, deprived of a powerful social resource at the service of integral human development, sought in freedom and in justice.” (Chapter Three, 34)
I want to end the quotes at this point, one may now read there more (http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/encyclicals/documents/hf_ben-xvi_enc_20090629_caritas-in-veritate_en.html). I wanted to show only, this is much more than a Christian commentary about the financial crisis. It is a call to the world to leave a precipitous path that leads into error, not the traffic accident on this road was the problem, it is the road itself
A small personal note to the end. Originally this place was also an attempt to stay in contact with people, where for certain reasons this had become somewhat difficult, which has only partially worked. But something other occurred to me, what has become equally important, such as meeting new and interesting people. I have repeatedly noticed that someone was entertained by this I do not even know. I can only say that this is not necessarily intentional. I write this not for entertaining purpose. Just yesterday it was more a chatter without any ambition.
What I want to say is, I am pleased when someone finds this amusing, but, I'm sorry, in doubt, I will write more about what I see important for myself, and this is precisely this encyclical today.
In der Regel lasse ich Enzykliken einfach links liegen. Die Kombination deiner Begeisterung, die Kritische Haltung der Neuen Zürcher Zeitung und der Hinweis des Papstes, dass sich die Sache an alle Menschen guten Willens richtet, scheint das in diesem Fall anders zu beeinflussen. Obwohl mir die Lektüre wohl einige Qualen abverlangen wird, da vom bei Ingenieuren recht unbeliebten Begriff Wahrheit recht inflationär Gebrauch gemacht wird. Ich kriege 'gewiss' einen Hautausschlag.
Daß mein Blog deinen Teint versaut, also diese Last vermag ich kaum zu tragen. Aber ernsthaft, Enzykliken sind beim besten Willen oft schwer lesbar, nicht selten müßte man sie nur kräftig einkürzen, um einen lesbaren Text zu erhalten. Da werden dann etwa Vorgänger ausführlich zitiert, weil man betont eine bestimmte Tradition weiterführen will. Aber das ist natürlich nur die Oberfläche.
Das mit der Wahrheit ist dann schon eher das Problem und selbstredend gibt es auch hier genug Aussagen, die bei mir ein Stirnrunzeln verursachen, letzteres ist eher ein Randproblem. In der Tat wird einem mit solchen Texten die Frage in den Weg gestellt, ist Religion Dekoration oder eine ernste Sache. Kann etwa wirtschaftliches Handeln einzig aus seiner Zweckrationalität begründet werden oder hat es sich moralischen Maßstäben von außen zu unterwerfen, dann, wenn die christliche Religion eben für mehr als Dekoration steht.
Ich finde in der Tat die Haltung des jetzigen Papstes im Kern höchst beeindruckend, gerade auch weil sie sich zurecht gegen vieles wendet, was heute als "normales Denken" gilt, und er stellt natürlich damit in Teilen die jetzige Welt-, Moral- und Wirtschaftsordnung in Frage.
Die üblichen Gegenstrategien sind dann belächeln, ins Harmlose hineinloben, auf die immer gleichen Punkte gehen (Verhütung z.B.), von denen die meisten zustimmen werden, daß die katholische Kirche sich dabei in der Gefahr eines sozusagen extremistischen Denkens begibt, vor allem aber vertuschen, daß man selbst Teil einer Affirmationsmaschinerie ist, dieser Papst aber eben nicht, das sind dann die Kritischen. Tut mir leid, sollte gar nicht so lang werden und ist selbst so zu stichwortartig, wird auch bestimmt nicht zur Regel.
Thanks for calling our attention to this massive encyclical. It is symptomatic of one of the Church's problems of communication, that even a reasonably well-informed and attentive member like me had failed to notice whatever reference there was to it in the secular and the religious press.
As I think you said to gomad.ch, encyclicals are not always the easiest of reading. And I think Benedict's professorial style is less accessible than John Paul's more colloquial manner of expression. But I will make the effort to understand and reflect on the message. As one who tends to believe in the free market, I may find some of the teaching to be a challenge to my normal thinking.
It is gratifying that you are able to see through you customary dismissive tactics the world uses to avoid serious consideration of challenging papal pronouncements.
@naturgesetz It's a shame I never responded. I can only sincerely apologize for this past me. And now we are here. *sigh
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