Blick auf das Forum Romanum im Alten Rom, 1866
"Tribun [lat.]: Titel röm. Beamter und Offiziere" schreibt mein Lexikon der Antike (Leipzig 1982), das inzwischen so vergilbt ist, daß man auf den ersten Blick ohne nachzudenken glauben könnte, es sei in Herculaneum ausgegraben worden. Weiter erfahre ich dort, es habe zum einen das Amt des Militärtribunen (tribunus militum) gegeben, in der römischen Republik die sechs höheren Offiziere jeder Legion, die abwechselnd kommandierten. Ihre Bedeutung wäre gesunken, als im 1. Jahrhundert v. Chr. die dem Senatorenstand angehörenden Legaten den Befehl über die Legionen übernahmen. In der Kaiserzeit habe dann jede Legion einen Militärtribun senatorischer und fünf ritterlicher Herkunft gehabt.
Stefan Bauer, Blick über das Forum Romanum, Rom
Davon zu unterscheiden seien die Tribuni militum consulari potestate (Militärtribunen mit konsularischer Macht), römische Oberbeamte in der frühen Republik, die anstelle der Konsuln gewählt wurden (wer mag, kann das hier nachlesen).
Und dann gab es die Volkstribunen (tribunus plebis) seit etwa 490 v. Chr., deren Hauptaufgabe in der Vertretung der plebejischen Interessen gegenüber den Patriziern bestand. Seine Person war sakrosankt. Besondere Macht besaß der Volkstribunen durch das Vetorecht gegen die kurulischen Magistrate und den Senat. Er konnte Versammlungen der Plebs einberufen. In der Kaiserzeit erlosch die Bedeutung des Amtes, seine Funktion aber lebte in der Tribunicia potestas des Kaisers fort, sie begründete einen wesentlichen Teil seiner Macht. Bekanntlich war das „Amt“ des „Kaisers“ für die Römer anfangs schwer in ihre „Verfassungsordnung“ einzugliedern („Könige“ durften sie schließlich nicht sein), dies war eine der Konstruktionen, mit denen man sich behalf.
Lotharkreuz Domschatzkammer Aachen mit Augustus-Kameo
Dies ist nicht so ganz aufregend. Abgesehen davon vielleicht, daß es zur Entstehung des Amtes des Volkstribunen eine hübsche Geschichte bei Titus Livius gibt, Hintergrund die „secessio plebis in montem sacrum“ - der Auszug des römischen Volkes auf den heiligen Berg:
Wir sind der Überlieferung nach im Jahre 494 v. Chr., die Patrizier hatten sich der Könige entledigt und eine aristokratische Republik begründet, in der die Plebejer, der andere Teil des römischen Volkes, eher wenig zu lachen hatten.
Nach einem Feldzug wurden die Versprechungen, die dem plebejischen Teil des Heeres gemacht worden waren, vom Adel nicht eingehalten, die Plebejer zogen empört auf den Mons Sacer und erwogen, sich ihre eigene Stadt zu gründen. Darauf schickte man zu ihnen Agrippa Menenius Lanatus und der erzählte folgende Geschichte:
B. Barloccini, Secessio plebis, 1849
Vorzeiten wären die Menschen keine ihrer Einheit bewußten Wesen gewesen. Jeder Körperteil handelte für sich selbst, habe sogar seine eigene Sprache gehabt. Schließlich empörte sich alles gegen den Magen, der, wie sie glaubten, untätig mitten im Leibe lag und von den Anstrengungen der übrigen lebte. Der Magen aber tue nichts dafür, sondern genieße sein Wohlleben.
Man verschwor sich also gegen ihn, die Hände wollten keine Speisen mehr zum Munde führen, der Mund nichts aufnehmen, die Zähne nicht kauen, und so fort. Das sollte den Magen gefügig machen.
Doch alle Glieder und der ganze Körper verfielen und verloren ihre Kraft. Darauf erkannten sie, daß der Magen wohl doch nicht müßig war und auf irgendeine Weise die Kraft der aufgenommenen Nahrung an die Glieder weitergab.
Menenius Agrippa schloß, der Zorn des Volkes gegen den Adel sei diesem inneren Aufruhr zu vergleichen, und besänftigte so den Zorn des Volkes.
Soweit die Geschichte, tatsächlich wurde der Zorn des Volkes wohl durch einen ersten Interessenausgleich gemildert, wozu eben das Amt des Volkstribunen gehörte. Und abgesehen davon begannen die ungehobelten Römer, rechtlich zu denken, was über die Jahrtausende noch Erhebliches mit sich bringen sollte.
Die Wendung vom „Volkstribunen“ taucht übrigens heute allenfalls noch polemisch auf, ansonsten vielleicht noch in Quiz-Shows (wir nähern uns - nach längerem Anlauf - dem Anlaß für diese Anmerkungen).
Giuseppe Vasi, Ponte Nomentano mit Heiligem Berg im Hintergrund
Ich gestehe, ich halte herzlich wenig von Kreuzworträtseln. Heute war in der hiesigen Lokalzeitung offenkundig als Synonym für „Indiz“ das Wort „Beweis“ gefragt, aber wenn man das Niveau der Berichterstattung zum gegenwärtigen Hauptaufreger-Prozeß sieht, verwundert das wiederum auch nicht. Aber das kann der Herr Morgenländer alles viel besser decouvrieren als ich mit meinen überschaubaren Geistesgaben. Er erinnert übrigens unter dem recht tapferen Titel „Gerechtigkeit für Beate Zschäpe“ an ein paar Grundsätze des Rechts, die wir eben o.g. Römern zuerst zu verdanken haben.
Aber nicht nur mit dem Ernstnehmen gewisser Grunsätze bei leidlicher juristischen Grundbildung ist es in den Zeiten von „Schwarm-Intelligenz“ und instinktgesteuertem Herden-Denken nicht mehr weit her. Auf die gleiche selbstgefällige Wurstigkeit trifft man, und so schließt sich der Kreis, wenn man vom Tribun zur Tribüne springt, und glaubt, dies müsse ebenfalls etwas mit Recht zu tun haben. So geschehen in einer dieser Sendungen, die ich nicht sehe, die Frage lautete: „Wer auf der 'Tribüne' Platz nimmt, tut dies der Wortherkunft zufolge eigentlich, um…? Als Antwort wurde erwartet: „B) Recht zu sprechen“.
Aber ich mag dazu eigentlich nichts mehr sagen, ein anderer Blog aus Bremen, der Bremer Sprachblog, hat das hinreichend getan, so man das alles genauer und richtiger wissen will.
beendet am 18. Mai
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