Donnerstag, 30. Mai 2013

Über das Unsichere von Restaurationen &

Baustelle des Stadtschlosses in Potsdam im September 2012

Wenn man im „wirklichen“ Leben etwas reparieren will, das auf der Straße des Untergangs schon weit vorangekommen ist, gestaltet sich dies üblicherweise schwierig. Es mag überraschen, aber ich war beim „Wiederaufbau“ des Potsdamer Stadtschlosses zunächst ausgesprochen skeptisch. Doch es war eine besorgte Skepsis, keine ablehnende. Ich muß sagen, wie immer es auch innen später aussehen mag (ich muß da ja nicht hineingehen), es ist besser. Die äußere Hülle heilt bereits erheblich den gestörten Raum der Stadt. Aber um das sagen zu können, muß man vorher gesehen haben, daß etwas beschädigt war.

Daran gibt es einen vorherrschenden Mangel, des Wollens, des Vermögens, wie auch immer. Man mag mitunter nicht in Dasselbe erneut hineintreten, daher muß ich aus dem Gedächtnis zitieren. Über Kirchen und Schlösser: 'Die Monarchie ist abgeschafft, im Osten glaubt sowieso keiner mehr an Gott, also weg mit dem alten Sch... und her mit der Moderne!' Es war ein Kommentar zu einem Artikel über den Nicht-Wiederaufbau der Leipziger Universitätskirche. Gerade in seinen schlichteren Vertretern drückt sich der Zeit-“Geist“ häufig erfreulich klar aus. Man  schaut dann unfreiwillig, schüttelt sich, geht weiter, hat aber doch einen zurückbleibenden Eindruck. Und findet zurück zur Orientierung im Gelände.

Augustusplatz mit Paulinerkirche, 1948

Blick auf die Universitätskirche St. Pauli, 1951

Was man dort sieht, haben die, denen ein Stück dieses Landes für einige Jahrzehnte zur Beute gegeben war, weit nach dem Kriege unzerstört vernichtet. Warum? Weil sie es konnten, weil sie es wollten. Es geschah übrigens am 30. Mai 1968 um 9.58 Uhr. Ihre Wendenachfolger, darunter ein katholisch-westdeutscher Herr Häuser, Rektor der Universität seines Zeichens, haben erfolgreich verhindert, daß dieser Bau wiedererschaffen wurde. Ob jemand nominell katholisch oder ein Funktionär einer C-Partei ist, muß nicht viel besagen, wie wenig ersteres tatsächlich bedeuten kann, wird bei einem Neubau, ebenfalls in Leipzig, unübersehbar.

Die katholische Kirche baut dort nämlich gerade ein großes "Heizkraftwerk mit Schornstein" namens St. Trinitatis (Näheres findet sich nach diesem Link). Eine hübsche Passage in besagtem Artikel: In einer fast (sic!) kirchenfeindlichen Atmosphäre, wie sie im Streit über die Universitätskirche zutage getreten sei, solle der Neubau offenbar möglichst wenig auffallen. Hoffnung auf Akzeptanz durch Wegducken also. Ich fürchte, diese Hoffnung auf wenigstens kulturelle Duldung geht ziemlich in die Irre, aus recht verschiedenen Gründen.

Nur 2 davon, vorausgesetzt wird 1. die Wertschätzung oder gar ein Begriff von Kultur, 2. Arglosigkeit auf der anderen Seite (ich wollte jetzt eigentlich einen Bogen zu Dávila schlagen, der das alles so wunderbar luzide erklären kann, aber es ist schon spät). Man fragt sich natürlich, warum etwa in Dresden eine Frauenkirche wiedergewonnen werden konnte und hier Vergleichbares nicht. Mein erster Gedanke - das jeweilige Milieu muß diese verdeckte Feindschaft auch tragen. In Dresden war offenbar doch zuviel vom Geist der alten Stadt noch übrig, in Leipzig die geistige Demontage der Moderne schon fortgeschrittener. Sachsen, das Eldorado hochstapelnder Westdeutscher und verspäteter Moralisten, scheint in derlei wirklich alle Varianten der Neuzeit aufführen zu wollen.

Dresden, Frauenkirche

Wir wollen zu einem Ende kommen. Offen gestanden fand ich das nachfolgend abgebildete Gebäude fast, ja – nett, als Einkaufszentrum, oder in Las Vegas. Aber bedenkt man, was es ersetzen sollte.

"Paulinum"

Dieser eher unfreundliche Artikel aus der FAZ spricht von 'marktschreierischer Kommerzästhetik einer Mall und postsowjetischem Neurussenschick'. Nun ja, wir loben die Absicht. Ähnliches gilt für einen älteren Artikel aus der „Zeit“.  Ein Artefakt wirklichen Bemühens läßt sich übrigens an dieser Stelle auffinden.

Nur kurz zum Zeit-Artikel: In seiner Fassungslosigkeit verrennt er sich deutlich in den kurz gegriffenen Begründungen und in der rührenden Hoffnung, das Böse lokal verorten zu können. Zu benennen, daß der aggressive Säkularismus, der bei dieser unerfreulichen Geschichte seinen penetrant nach Schutt, Moder und Schlimmerem riechenden Eigengeruch hervorzeigt, tatsächlich in allem ungeschminkt entgegentritt, ist seine Stärke.

Unser Thema allerdings haben wir verfehlt, denn eigentlich sollte es um die Schwierigkeit von Restaurationen gehen. Aber es wird schon hell. Die Vögel machen heftig Lärm, und ich sollte kurz meinem Bett einen guten Morgen wünschen.

Keine Kommentare: