Sonntag, 14. September 2014

Sonntag & (verspätet)


In dem Moment, als ich Messer und Gabel zur Hand nahm, fiel mir endlich wieder ein, daß ich Sauerbraten u.ä. eigentlich überhaupt nicht mag. Das war mir bei all meinen Erwägungen völlig abhanden gekommen und ereignete sich so: Es goß fast den ganzen Sonnabend seit dem frühen Nachmittag wortwörtlich wie aus Eimern, die von dort oben in unermüdlicher Zahl über der braven Stadt ausschüttet wurden (was der düsteren Tischbeleuchtung abzulesen ist).

Mein Enthusiasmus, zum etwas entfernteren Ort für empfehlenswerteres Fleisch zu eilen, schrumpfte folglich von Stunde zu Stunde. Jemand freute sich daraufhin schon auf Bismarck-Hering (aus den Weiten des Kühlschranks) und ich raffte mich dann doch auf, woanders ein größeres Stück Rindfleisch zu kaufen (Schwein ist mir irgendwie über und mein Tisch-Gegenüber hatte ja schon ihren eingelegten Hering), über dessen Qualität ich mir aber im Ungewissen sein mußte. Folglich der Gedankenblitz – marinieren, und zwar so, daß die herbst-winterlichen Aromen schon mal wieder eingeübt werden können, an das Wetter angelehnt.



Was genauso geschah, in viel Rotwein, mit ein wenig Balsamico-Essig, Lorbeerblättern, Wacholderbeeren und Rosmarin. Man sollte dafür ja mindestens einen Tag ansetzen, aber dann hätten wir abends essen müssen, und so bedeutsam ist das alles nun auch wieder nicht.

Immerhin roch es ganz gut, als ich das Fleisch dann am nächsten Tag abtropfen ließ, um es anschließend von allen Seiten scharf anzubraten und dann im Backofen zunächst geschlossen und dann ohne Deckel vor sich hin schmoren zu lassen. Das Schwarz ist diesmal kein Zeichen von zuviel Hitze, sondern kommt schlicht von der Marinade. Jemand verzichtete bei näherer Inspektion des Bratens auf den eingelegten Hering, nur der eigene Gurkensalat, soviel Selbstbehauptung mußte denn doch sein und sei auch gegönnt. Dazu Rotkohl (ebenso schon reichlich herbstlich mit Nelken und Pfefferkörnern) und Blumenkohl (mit Muskat).



Als ich aus der Marinade noch eine Sauce machen wollte, mußte ich nach dem ersten Probieren erst einmal den Krampf aus meinen Lippen lösen, es war doch arg, nennen wir es beim Namen – sauer. Aber mit reichlich Honig und Sahne ließ sich das offenkundig erfolgreich überspielen. Und zumindest war so das Fleisch offenbar im Schnelldurchgang erfolgreich durchmariniert worden, sprich, es war mürbe, hatte Aroma etc. Nur, daß ich eben völlig vergessen hatte, daß ich diese Art von Aromen gar nicht so übermäßig schätze (siehe oben). Manchmal steht man eben ganz und gar neben sich.



Tragisch wurde der Umstand, daß die Stadt förmlich im Regen ersoff, dadurch, daß an besagtem Sonnabend die „10. Lange Nacht der Künste“ stattfinden sollte, mit Ausstellungen, Aufführungen und Konzerten etc., und viel davon Open-air, wie man so schön neudeutsch sagt. Es bedarf nicht großer Phantasie, um sich vorzustellen, wie sehr die Sache über weite Strecken wortwörtlich ins Wasser fiel. Und auch wenn einiges bspw. in ein aufgegebenes Kaufhaus verlagert wurde, in dem zwar auch vorher schon geplant Musik stattfinden sollte, ansonsten aber vor allem mehr oder weniger gegenständliche Kunst – es ist nicht wirklich angenehm, zwischen lauter wasserdampfenden Besuchern umherzugehen, wenn die Klimaanlage natürlich schon lange nicht mehr funktionstüchtig ist.



Zur Kunst selbst mag ich fast nichts sagen, das würde den Rahmen eines Essens-Beitrages sehr sprengen, aber zu dieser „Installation“ vielleicht eine kurze Anekdote. Das Gelb bewegte sich in Wirklichkeit zwischen dem auf den beiden Photos - nicht so orange wie auf dem ersten, nicht so grau wie auf dem zweiten. Auf der gegenüberliegenden Wand klebten viele gleichmäßig quadratische Zettel, auf dem Boden waren Papierschnipsel regelmäßig angeordnet. Es hatte durchaus eine Art von Reiz. Und sogar eine Bedeutung, wie man einem Schild ablesen konnte: „Kollaboration zum Thema Monokulturen“. Aha. Einem Bekannten gestand ich, in solchen Fällen meist meinen kindlichen Trieb unterdrücken zu müssen, mit dem Fuß in sowas herumzuscharren. Und was verriet mir der Bekannte unter dem Siegel der Verschwiegenheit - die Künstler hätten ihm gegenüber die heimliche Hoffnung geäußert, daß genau das geschehen würde: „Damit Leben hineinkommt.“ Worauf ich ihm versicherte, exakt den Verdacht gehegt zu haben, weshalb ich es auch unterlassen hätte.


Es kann einem schon schwindlig werden in diesen Zeiten, das gilt nicht nur für Katzen, sondern auch für Menschen.

nachgetragen am 17. September,
(der Laptop hatte heftige Launen lästigerweise)

5 Kommentare:

DirkNB hat gesagt…

Sollte ich irgendwann anfangen, Maiskolben zu grillen, hätten wir ein ähnliches Verhältnis wie Deins zu Sauerbraten: ein gespaltenes. Diesem optischen Kohlenstück (natürlich dem Wein-Essig-Gemisch die Farbe verdankend) stände ich vermutlich näher, wobei der Optik damit eine gewisse Toleranz abverlangt wird. Aber da kenne ich mich mit aus: Essen, das gut schmeckt, aber scheußlich aussieht. ;-)
Stichwort Soße. Wenn ich mich richtig erinnere, wird die im rheinischen auch gern mit (Soßen-)Lebkuchen angereichert, vermutlich auch eine Zucker/Honig-Bombe, die die Säure im Zaum hält.

Anonym hat gesagt…

Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten! Ist das schon wieder die originelle Katze?, dieses Mal versucht sie ein Tänzchen mit dem armen Buxbaum. Hat er es ausgehalten? Der Braten jedenfalls sieht inwendig sehr lecker aus, ausserdem gibt es so Manches was von aussen dunkel erscheint, aber innen hell und schmackhaft ist.
(Mein "elektronisches Schreibgerät" spinnt auch manchmal, bzw. reagiert empfindlich auf meine unkundige Bedienung..nur für den Fall, daß wieder was doppelt ankommen sollte....Ach ja, noch was, es war der Arolser Rauch gemeint, nicht der Nebel, der ja von überall herkommt.)

MartininBroda hat gesagt…

@DirkNB Ich erinnere mich sehr dunkel, von den Lebkuchen auch gehört zu haben; die traditionelle (nord-)deutsche Küche ist für mich ja mehr wie eine "fremde Sache", die ich mit Anstand zu vertreten versuche.

Alles was ich sonst unter der Woche kreiere, wird übrigens in der Regel mit dem Schimpfwort "Pizza!" bedacht, obwohl es oft den Ofen gar nicht von innen gesehen hat. Das nur zur Erheiterung am Rande.

MartininBroda hat gesagt…

@Anon Ach du Schreck, der(!) Herr Rauch (ich hab's mir nochmal durchgelesen daraufhin, Sie haben hoffentlich noch Besseres gefunden).

Der Buchsbaum hat es offenbar überlebt, im Gegensatz zu manch anderem Gewächs bzw. Teilen davon; nur das Schaukeln an Rosenzweigen wollte sich nicht recht durchsetzen. Sie war es in der Tat, die Katze mit dem kuriosen Gouvernantengesicht.

DirkNB hat gesagt…

Das mit dem Lebkuchen ist wohl einer eine (nord-)westdeutsche, sprich rheinische, Variante. Aber da ist das Fleisch dann auch vom Pferd ...

Alles mit "Pizza!" zu bezeichnen erinnert mich an einen alten Bundeswehr-Gag: "Hier wird jeden Morgen um 6 Uhr aufgestanden, egal, wie spät es gerade ist."