Sonntag, 9. November 2008
Sonntag
Bekanntlich ist das Land, in dem wir leben, in letzter Zeit etwas geschrumpft, früher habe ich gern gesagt, Deutschland hat atmende Grenzen und gerade wurde wieder einmal tief eingeatmet.
Unglücklicherweise hatte dies vor einiger Zeit für meine Frau Mutter zur Folge, daß sie damals nicht nur aus ihrer Heimat vertrieben wurde, sondern bei der Vertreibung ihre Großmutter, ihren Vater, ihre Mutter und ihre jüngere Schwester verloren hat. Da sie wieder emsig an ihren Memoiren arbeitet, werden wir vielleicht demnächst wieder einmal etwas davon hier präsentieren.
Die Kirchgemeinde, die ich hier eher zögerlich besuche, heißt St. Johannis, ich sage nicht Heimatgemeinde, weil ich immer noch fest hoffe, wenigstens eines Tages auf einem Friedhof vergraben zu werden, der zu meiner Heimatgemeinde St. Nikolai in Potsdam gehört, schön wäre auch Bornstedt in der Nähe meines lieben Freundes Michael Schumann und seiner liebenswürdigen Gattin.
An diese Gemeinde hier, also St. Johannis, wurde die Bitte herangetragen, auf ihrem Gelände einen Gedenkstein für die vertriebenen und getöteten Deutschen aufzurichten, die aus den verlorenen Gebieten stammen. Das wurde abgelehnt mit der Begründung, damit würden die herabgesetzt, derer man nicht gedenken würde. Hm.
Das gab mir den Anlaß für eine Mail, zumal ich diese krude Bemerkung, eingebettet in viele Worte von Vergebung und Schuld, heute erneut ertragen mußte. Es ist zwar stillos, aber ich werde mich jetzt ein wenig selbst zitieren:
„Sehr geehrter Herr von Samson,
es ist seit den Tagen des neuen Testaments im religiösen Bereich verbreitet, seine Intentionen verhüllt und „positiv“ darzustellen, wenn man damit rechnen muß, auf beträchtlichen Widerspruch zu stoßen; unser Herr und Heiland hat damals dafür sehr deutliche Worte gefunden.
Und es ist im deutschen kirchlichen Milieu, nicht nur dort, aber dort sehr verbreitet, üblich, eine deutliche Empathie mit den Opfern des 3. Reichs und des Weltkriegs mit einer aggressiven Gefühlskälte gegenüber den Opfern zu verbinden, soweit sie Deutsche waren, das läßt über die Natur dieser Empathie beträchtlichen Zweifel zu…
Ich will Ihnen ausdrücklich beides nicht unterstellen, aber es beschreibt den Raum, in dem wir uns bei der hier zu erörternden Sache bewegen…
Jeder Grabstein hat einen Namen, jedes Denkmal gedenkt eines einzelnen oder doch zumindest einer näher bestimmbaren Gruppe. Ein Denkmal „Den Guten“ wäre augenscheinlich banal.
Natürlich kann man unterschiedlicher Auffassung sein, welche Gruppen gewürdigt werden sollten und in welcher Weise das geschehen könnte… Und ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, daß es verwerflich wäre, Leid zu bewerten, zu vergleichen oder gar aufzurechnen.
Nur daß das Benennen einer Gruppe, derer gedacht werden soll, schon diesen verwerflichen Umstand hervorrufen würde, ist für mich logisch nicht nachvollziehbar und in der Regel bemühe ich mich darum, Argumente, auch wenn ich ihre Aussage nicht teile, zumindest für mich nachvollziehbar zu machen. Mit anderen Worten, ich versuche dem anderen erst einmal intellektuelle Redlichkeit zu unterstellen. Wenn mir das Nachvollziehen beim besten Willen nicht gelingt, gewinne ich entweder den Eindruck, daß meine Informationen nicht ausreichen oder ich werde mißtrauisch…“.
Nachtrag:
Darauf gab es Antworten und Gegenantworten, die offenkundig eher die Mißverständnisse steigerten, und es gab einen "Hausbesuch" am 14. November, über den ich jetzt etwas verfassen müßte.
Ein Nachtrag, der durch eben dieses ausgelöst wurde
Fassungslos stelle ich fest, daß es bei wikipedia keinen Eintrag zu „Prof. Dr. Michael Schumann“ gibt, bei meinem Versuch, diesem Desiderat abzuhelfen, stoße ich in meinen Sachen u.a. auf den nachfolgenden Text, Herr Roloff wird mir sicherlich vergeben:
„Lieber Thomas Roloff,
alle guten Wünsche senden Ihnen meine Frau und ich zum 30. Geburtstag.
Da wir selbst zu persönlichen Anlässen mit Freund Wisser, dem Mitwisser, stets über Überpersönliches reden. Die Bindungskraft der Tradition wird uns davor schützen, in die Falle der postmodernen Beliebigkeit zu laufen. Was Sie betrifft, bin ich mir da ganz sicher, was diese Gesellschaftsform und ihre Staatlichkeit angeht, weit weniger. Nur gibt es halt verschiedene Arten der Tradition: die Tradition der toten Geschlechter, die wie ein Alp auf den Hirnen der Lebenden lastet, und die Tradition als das Gegenwärtige und Zukünftige im Vergangenen oder die Tradition als Vision.
Dialektischer Umschlag ins Persönliche. Ich wünsche Ihnen das Gespür für die lebendige Tradition und einen unvergeßlichen Geburtstag.
Ihr…“
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