Posts mit dem Label Michael Schumann werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Michael Schumann werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Donnerstag, 15. August 2013

Zum Gedenken an Lothar Bisky

Photo (c) Simone Römhold

Nun ist er also seinem Freund Michael Schumann nachgefolgt. Beide sind auf dem obigen Bild zu sehen, das jetzt endgültig zu einem Stück Erinnerung geworden ist. Ich bin zweifelsohne denkbar fehl am Platz, ihn angemessen zu würdigen. Aber seine Persönlichkeit nötigt förmlich, dennoch etwas zu versuchen.

Ich habe Lothar Bisky im politischen Raum kennengelernt, gewissermaßen von der gegnerischen Seite her, im Brandenburger Landtag, Anfang der 90er Jahre  (es ist sehr unangenehm, hier von sich selbst zu reden, aber nur so kann ich erklären, wie ich zu meinen Bemerkungen komme). Abgesehen davon, daß mich Parteigrenzen nie besonders interessiert haben, gab es natürlich in vielem Grundsätzlichen doch Erhebliches, das eigentlich trennen sollte, was es aber nicht tat.

Lothar Bisky war als Fraktionsvorsitzender der PDS nahezu auch von allen anderen Abgeordneten respektiert und hoch geschätzt. Das rührte von seiner Wesensart her. Menschlich zutiefst integer, war er das Gegenteil eines verbohrten Ideologen, warmherzig, offen, humorvoll, ausgleichend, geduldig, nie persönlich verletzend, zuweilen etwas hölzern in seinen Worten, doch geistig immer herausfordernd, aber auch bestimmt, zu jeglichem Opportunismus ungeeignet.

Er war ein äußerst anregender und unterhaltsamer Gesprächspartner. Denn aus Gründen, die hier nicht ihren Platz haben, hat es über längere Zeit auch im privaten Rahmen immer wieder Begegnungen geben. In den letzten Jahren hatte ich ihn allerdings aus den Augen verloren. Was zu diesen privateren Gesprächen zu sagen ist, nur daher erwähne ich es: Man begegnete dabei der gleichen authentischen Person wie im öffentlichen Raum. Ich habe ihn auch aus einem ganz bestimmten persönlichen Grund eingangs zusammen mit Michael Schumann erwähnt.

Linkes Denken ist mir offen gestanden in der Regel äußerst suspekt (ein sogenanntes „rechtes“ oft ebenso, aber das tut wieder nichts zur Sache), in der Regel machen es die entsprechenden Charakterdarsteller einem dabei auch nicht wirklich schwer.

Bei beiden, bei Schumann und bei Bisky, bekam man eine Ahnung davon, welch innerlich integre menschliche Motivation, sich in diesem Denken tatsächlich verbergen kann. Wenn man sich auch den Folgerungen nicht anschließen konnte, die Haltung mußte einfach mindestens Respekt abnötigen.

1895 blamierte sich der Deutsche Reichstag zu völliger Erbärmlichkeit, als er dem ehemaligen Reichskanzler Bismarck die Gratulation zum 80. Geburtstag verweigerte. Der Reichstagspräsident, Albert von Levetzow und sein Vizepräsident Dr. Bürklin traten darauf von ihren Ämtern zurück. Manche Ereignisse sind so klar, daß sich an ihnen die Geister beweisen oder eben in ihrer inneren Erbärmlichkeit demaskieren.

2005 verweigerte die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages Bisky die Wahl zum Vizepräsidenten aus reichlich dubiosen Gründen und setzte sich damit über den lang geübten Brauch hinweg, daß jeder Fraktion ein solcher Sitz zusteht. Ich bin mir sicher, Bisky hat dieses parlamentarische System mit größerem inneren Ernst vertreten und verteidigt als all jene, die meinten, wegen ihres Ressentiments auf die eigenen Regeln pfeifen zu dürfen. Vielleicht war das ein Erbe der Herkunft bei beiden, daß sie an etwas glauben wollten, wo andere nur noch eine nutzbare Funktion sahen.

Die Dinge und Menschen sind oft sehr anders, als sie an der Oberfläche erscheinen. Das wird jedem fremd bleiben müssen, der nicht mehr als diese Oberfläche kennen will oder kann. Bisky war ein Mensch, der um ein tiefgründigeres Dasein gerungen hat. Am 13. August, wenige Tage vor seinem 72. Geburtstag, ist Lothar Bisky in Leipzig gestorben.

Dienstag, 2. Dezember 2008

Bornstedt


Jonathan Groß, „Bornstedter Friedhof“, gefunden hier

„... und was in Sanssouci stirbt, das wird in Bornstedt begraben – in den meisten Fällen königliche Diener aller Grade, näher- und fernerstehende, solche, deren Dienst sie entweder direkt an Sanssouci band, oder solche, denen eine besondere Auszeichnung es gestattete, ein zurückliegendes Leben voll Tätigkeit an dieser Stätte voll Ruhe beschließen zu dürfen. So finden wir denn auf dem Bornstedter Kirchhofe Generale und Offiziere, Kammerherren und Kammerdiener, Geheime Räte und Geheime Kämmeriere, Hofärzte und Hofbaumeister, vor allem – Hofgärtner in Bataillonen.”So schreibt Fontane es in seinen “Wanderungen durch die Mark Brandenburg”.

Für mich hat Bornstedt die darüber hinausgehende Bedeutung, daß Michael Schumann, einer der faszinierendsten Menschen, die ich je kennenlernen durfte, mit seiner Frau Ingeburg dort begraben liegt, die beide vor genau 8 Jahren bei einem Verkehrsunfall um ihr Leben gebracht wurden.


Ich habe seither niemanden kennengelernt, bei dem sich höchste Intellektualität mit soviel menschlichen Qualitäten verband. Man fühlte sich verstanden, selbst bei gegensätzlichster Anschauung, er war jemand, der einem Zutrauen zur Wirklichkeit vermittelte, ohne daß man das recht bemerkte, denn sicher, er und seine Gattin erschienen regelmäßig auf meinem Geburtstag, ich genoß jedesmal unsere eher sporadischen Unterhaltungen, und vor allem bin ich jedesmal von seinem Geburtstag, eigentlich immer zu spät, er hatte ihn am 24. Dezember, mit dem freundlichen Herrn Roloff gen Mecklenburg gefahren, aber bei der Nachricht von seinem Tod war ich zum ersten Mal in meinem Leben, und mein Vater ist vorher gestorben, so fassungslos, daß ich die Kontrolle über mich verlor und sie seitdem im Grunde nicht vollständig wiedergewonnen habe. Sein Tod muß auch etwas in mir beendet haben, das klingt zwar unangenehm theatralisch, aber ist bedauerlicherweise wahr.

Man sollte sich zumindest bemühen, die eigene Person nicht zu überschätzen, was wirklich traurig ist: Von dieser lebendigen Intellektualität, in deren Gegenwart man förmlich aufblühte und in der einem die eigenen Gedanken nur so zuflogen, auch wenn sie in völligem Gegensatz standen, ist auffindbar so wenig geblieben, das Wesentliche blieb in den vergangenen Gesprächen und vergeht in der Erinnerung derjenigen, mit denen sie geführt wurden.

Wenn man die nachgelassenen Texte betrachtet, sind es vielleicht gerade einmal Fragmente, so vieles fehlt, und das in meiner dürftigen Erinnerung, er hat sein Leben und Talent wirklich an die Politik dahingegeben, ach zum Stichwort: Er war ein „PDS-Politiker“ und zu diesen Zeiten meinte ich noch Partei ergreifen zu müssen, auf der genauen Gegenseite. Aber wer kommt schon rein durchs Leben, es genügt, wenn man sich von Zeit zu Zeit vom Gröbsten befreit. Ich will versuchen, weiter über ihn nachzudenken.

Sonntag, 9. November 2008

Sonntag


Bekanntlich ist das Land, in dem wir leben, in letzter Zeit etwas geschrumpft, früher habe ich gern gesagt, Deutschland hat atmende Grenzen und gerade wurde wieder einmal tief eingeatmet.

Unglücklicherweise hatte dies vor einiger Zeit für meine Frau Mutter zur Folge, daß sie damals nicht nur aus ihrer Heimat vertrieben wurde, sondern bei der Vertreibung ihre Großmutter, ihren Vater, ihre Mutter und ihre jüngere Schwester verloren hat. Da sie wieder emsig an ihren Memoiren arbeitet, werden wir vielleicht demnächst wieder einmal etwas davon hier präsentieren.

Die Kirchgemeinde, die ich hier eher zögerlich besuche, heißt St. Johannis, ich sage nicht Heimatgemeinde, weil ich immer noch fest hoffe, wenigstens eines Tages auf einem Friedhof vergraben zu werden, der zu meiner Heimatgemeinde St. Nikolai in Potsdam gehört, schön wäre auch Bornstedt in der Nähe meines lieben Freundes Michael Schumann und seiner liebenswürdigen Gattin.

An diese Gemeinde hier, also St. Johannis, wurde die Bitte herangetragen, auf ihrem Gelände einen Gedenkstein für die vertriebenen und getöteten Deutschen aufzurichten, die aus den verlorenen Gebieten stammen. Das wurde abgelehnt mit der Begründung, damit würden die herabgesetzt, derer man nicht gedenken würde. Hm.

Das gab mir den Anlaß für eine Mail, zumal ich diese krude Bemerkung, eingebettet in viele Worte von Vergebung und Schuld, heute erneut ertragen mußte. Es ist zwar stillos, aber ich werde mich jetzt ein wenig selbst zitieren:

„Sehr geehrter Herr von Samson,

es ist seit den Tagen des neuen Testaments im religiösen Bereich verbreitet, seine Intentionen verhüllt und „positiv“ darzustellen, wenn man damit rechnen muß, auf beträchtlichen Widerspruch zu stoßen; unser Herr und Heiland hat damals dafür sehr deutliche Worte gefunden.

Und es ist im deutschen kirchlichen Milieu, nicht nur dort, aber dort sehr verbreitet, üblich, eine deutliche Empathie mit den Opfern des 3. Reichs und des Weltkriegs mit einer aggressiven Gefühlskälte gegenüber den Opfern zu verbinden, soweit sie Deutsche waren, das läßt über die Natur dieser Empathie beträchtlichen Zweifel zu…

Ich will Ihnen ausdrücklich beides nicht unterstellen, aber es beschreibt den Raum, in dem wir uns bei der hier zu erörternden Sache bewegen…

Jeder Grabstein hat einen Namen, jedes Denkmal gedenkt eines einzelnen oder doch zumindest einer näher bestimmbaren Gruppe. Ein Denkmal „Den Guten“ wäre augenscheinlich banal.

Natürlich kann man unterschiedlicher Auffassung sein, welche Gruppen gewürdigt werden sollten und in welcher Weise das geschehen könnte… Und ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, daß es verwerflich wäre, Leid zu bewerten, zu vergleichen oder gar aufzurechnen.

Nur daß das Benennen einer Gruppe, derer gedacht werden soll, schon diesen verwerflichen Umstand hervorrufen würde, ist für mich logisch nicht nachvollziehbar und in der Regel bemühe ich mich darum, Argumente, auch wenn ich ihre Aussage nicht teile, zumindest für mich nachvollziehbar zu machen. Mit anderen Worten, ich versuche dem anderen erst einmal intellektuelle Redlichkeit zu unterstellen. Wenn mir das Nachvollziehen beim besten Willen nicht gelingt, gewinne ich entweder den Eindruck, daß meine Informationen nicht ausreichen oder ich werde mißtrauisch…“.

Nachtrag:

Darauf gab es Antworten und Gegenantworten, die offenkundig eher die Mißverständnisse steigerten, und es gab einen "Hausbesuch" am 14. November, über den ich jetzt etwas verfassen müßte.


Ein Nachtrag, der durch eben dieses ausgelöst wurde

Fassungslos stelle ich fest, daß es bei wikipedia keinen Eintrag zu „Prof. Dr. Michael Schumann“ gibt, bei meinem Versuch, diesem Desiderat abzuhelfen, stoße ich in meinen Sachen u.a. auf den nachfolgenden Text, Herr Roloff wird mir sicherlich vergeben:

„Lieber Thomas Roloff,

alle guten Wünsche senden Ihnen meine Frau und ich zum 30. Geburtstag.
Da wir selbst zu persönlichen Anlässen mit Freund Wisser, dem Mitwisser, stets über Überpersönliches reden. Die Bindungskraft der Tradition wird uns davor schützen, in die Falle der postmodernen Beliebigkeit zu laufen. Was Sie betrifft, bin ich mir da ganz sicher, was diese Gesellschaftsform und ihre Staatlichkeit angeht, weit weniger. Nur gibt es halt verschiedene Arten der Tradition: die Tradition der toten Geschlechter, die wie ein Alp auf den Hirnen der Lebenden lastet, und die Tradition als das Gegenwärtige und Zukünftige im Vergangenen oder die Tradition als Vision.

Dialektischer Umschlag ins Persönliche. Ich wünsche Ihnen das Gespür für die lebendige Tradition und einen unvergeßlichen Geburtstag.

Ihr…“